1790-Die Meuterei von Nancy - Burgenverein Untervaz
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<strong>Untervaz</strong>er <strong>Burgenverein</strong> <strong>Untervaz</strong><br />
Texte zur Dorfgeschichte<br />
<strong>von</strong> <strong>Untervaz</strong><br />
<strong>1790</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Meuterei</strong> <strong>von</strong> <strong>Nancy</strong><br />
Email: dorfgeschichte@burgenverein-untervaz.ch. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter<br />
http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter<br />
http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
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<strong>1790</strong> <strong>Die</strong> <strong>Meuterei</strong> <strong>von</strong> <strong>Nancy</strong> Emil Heller<br />
in: FIGURINA HELVETICA Mitteilungsblatt der Schweizer Freunde der Zinnfigur.<br />
2002. Seite 05-11.<br />
Das Schweizer Regiment Châteauvieux und die<br />
<strong>Meuterei</strong> <strong>von</strong> <strong>Nancy</strong> <strong>1790</strong><br />
Emil Heller<br />
S. 05: Neben anderen Schweizer Regimentern in französischen <strong>Die</strong>nsten existierte<br />
auch das Regiment Jung Stuppa. Als 6. Schweizer Regiment wurde es am 28.<br />
Januar 1677 aus den Freikompagnien Stuppa und <strong>von</strong> Salis (Graubünden), den<br />
Kompagnien Leisler (Bern), Paravicini (Graubünden), Russinger (Basel),<br />
Gleresse (Freiburg), Jaeger und Baumgartner (Solothurn) gegründet. Erster<br />
Inhaber war Oberst Hans Paptist Stuppa.<br />
Am 3. Mai 1783 ernannte König Ludwig XVI. zu dessen neuem Oberst und<br />
Inhaber Lullin de Châteauvieux. Zur Zeit der <strong>Meuterei</strong> befand sich dieser<br />
Kommandant allerdings gerade im Urlaub.<br />
Das Regiment war ursprünglich in Brian stationiert. Am 1. April 1784 wurde<br />
es zu nächst nach Toulon und <strong>von</strong> dort für vier Jahre (bis 1788) nach Korsika<br />
verlegt. Nach seiner Rückkehr aufs Festland findet es sich zu erst in Saarlouis,<br />
dann in <strong>Nancy</strong> und schliesslich in Orléans. In dieser Stadt liegen die Wurzeln,<br />
die später in <strong>Nancy</strong> zur <strong>Meuterei</strong> führten. Orléans hatte bedeutende<br />
wirtschaftliche Probleme. So war die Stadt nicht gewillt, dem Regiment das für<br />
Heizung und Verpflegung nötige Brennholz zu liefern, wozu sie eigentlich<br />
verpflichtet gewesen wäre. Erst als die Kosten <strong>von</strong> der Regimentskasse<br />
übernommen wurden, erfolgte die Lieferung. <strong>Die</strong> Regimentskasse ihrerseits
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finanzierte diese aus dem Geld, mit dem der Sold hätte bezahlt werden sollen.<br />
Zwar wurde diese Summe nach geraumer Zeit <strong>von</strong> der Krone zurückerstattet,<br />
doch statt nun den ausstehenden Sold auszuzahlen, behielt die Zahlmeisterei<br />
des Regiments die Beträge zurück. <strong>Die</strong>ses Vorgehen löste bei der Mannschaft<br />
begreiflicherweise höchste Unzufriedenheit aus.<br />
Anfangs Juni 1789 - also im Jahre des Ausbruchs der Französischen<br />
Revolution - wurde das Regiment in die Umgebung <strong>von</strong> Paris beordert. Es<br />
bezog ein Feldlager in der Nähe des Marsfeldes (Ort grossangelegter Übungen<br />
und Paraden). Mit andern bedeutenden Truppenteilen zusammen, darunter die<br />
Schweizer Regimenter Salis-Samedan, <strong>Die</strong>sbach und Rainach, hatte es die<br />
Aufgabe, die Gärung im Volk unter Kontrolle zu halten, was freilich nicht<br />
verhinderte, dass die Bastille, die Pariser Stadtfestung, besetzt mit lediglich 32<br />
Füsilieren des Regiments Salis-Samedan, am 14. Juli erstürmt wurde. Zwei<br />
Tage später, am 16. Juli 1789, liess der König das Regiment nach <strong>Nancy</strong><br />
verlegen. Dort befanden sich bereits das Infanterieregiment Le Roi und das<br />
Dragonerregiment Mestre-de-camp, zusammen etwa 3'000 bis 3'500 Mann, das<br />
Schweizer Regiment mitgezählt.<br />
Am 9. August <strong>1790</strong> beschloss die Nationalversammlung, dass die bisherigen<br />
Militär- und Militärstrafgesetze weiterhin Gültigkeit hätten, bis neue Gesetze<br />
erlassen würden. Daraufhin brachen im Regiment Le Roi Unruhen<br />
S. 06:
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S. 07: aus, die auf die Dragoner übergriffen. <strong>Die</strong> Schweizer blieben diszipliniert,<br />
brachten aber ihren Unmut immerhin mündlich zum Ausdruck.<br />
<strong>Die</strong> Unruhe breitete sich indessen immer weiter aus, worauf die<br />
Nationalversammlung den früheren Kommandanten der Karabiniere (sie waren<br />
praktisch die Militärpolizei) namens Malseigne (nomen est omen!) nach <strong>Nancy</strong><br />
schickte, der es jedoch nicht verstand, die Wogen zu glätten.<br />
Im Frühjahr <strong>1790</strong> war in <strong>Nancy</strong> ein Jakobinerklub gegründet worden. <strong>Die</strong><br />
Stimmung kippte daher endgültig zugunsten der Meuterer um. Das Regiment<br />
Le Roi erpresste, nachdem es sich in den Besitz sämtlicher Munition gesetzt<br />
hatte, <strong>von</strong> seinen Offizieren eine beträchtliche Geldsumme. <strong>Die</strong> Kunde da<strong>von</strong><br />
ging wie ein Lauffeuer durch die Garnison. Zwei Schweizer Grenadiere<br />
versuchten ihre Kameraden zu ähnlichen Schritten zu verleiten. Der<br />
interimistische Kommandant (Lullin de Châteauvieux war ja wie gesagt im<br />
Urlaub), Oberstleutnant Merian, befahl daraufhin die Durchsuchung aller<br />
Tornister. In denjenigen der Grenadiere L'Isle und Eméry kamen Abschriften<br />
der Begehren zum Vorschein, welche an die Offiziere gestellt werden sollten.<br />
<strong>Die</strong> beiden wurden zum zehnfachen Spiessrutenlaufen verurteilt, eine Strafe,<br />
die oft tödlich ausging. Zuvor wurden sie kahlgeschoren und für den Fall des<br />
Überlebens schimpflich aus der Armee ausgestossen. Dem widersetzten sich<br />
nicht nur auch französische Soldaten, sondern selbst Zivilisten aus <strong>Nancy</strong>.<br />
Dabei kam es zu Tumulten und tätlichen Angriffen auf die Offiziere. <strong>Die</strong><br />
Menge stürmte das Gefängnis, befreite die beiden Schweizer und drohte den<br />
Offizieren, sie müssten ihrerseits Spiessruten laufen, es sei denn, dass die<br />
Befreiten vom Kriegsgericht (jedes Schweizer Regiment durfte aus seinen<br />
Offizieren ein eigenes, unabhängiges Gericht bilden) wieder als ehrlich erklärt<br />
würden. Unter diesem Druck erklärte Oberstleutnant Merian die beiden für<br />
ehrlich, er musste einem jeden sogar eine Genugtuungssumme <strong>von</strong> 106 Livres<br />
erstatten. <strong>Die</strong> zwei kehrten später in ihren Heimatkanton Waadt zurück,<br />
wurden dort indessen <strong>von</strong> Bern (Waadt war ja bis zum Einmarsch der<br />
Franzosen 1798 bernisches Untertanengebiet) des Landes verwiesen!<br />
Den harten Kern der Meuterer im Regiment Châteauvieux bildeten 254 Mann.<br />
<strong>Die</strong>se zogen am Abend desselben Tags betrunken und gröhlend vors Haus<br />
ihres Majors <strong>von</strong> Salis mit der Absicht, mit seiner Ermordung die - verhinderte<br />
- Bestrafung ihrer Kameraden zu rächen. Sie suchten <strong>von</strong> Salis allerdings<br />
umsonst, enttäuscht plünderten sie wenigstens sein Quartier.
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Am 12. August <strong>1790</strong> liess die Nationalversammlung an allen Strassenecken<br />
<strong>von</strong> <strong>Nancy</strong> eine Verurteilung der <strong>Meuterei</strong> anschlagen. Darin hiess es zum<br />
Schluss: "Man muss der so rasch überhandnehmenden Aufsässigkeit steuern,<br />
da sie sonst in pure Piraterie umschlägt." Von Delanoue, dem<br />
Platzkommandanten, wurde gefordert, er müsse sich für diesen Text<br />
entschuldigen, andernfalls werde man ihn aus seinem Fenster in die Spitzen<br />
der Bajonette stürzen. Um sein Leben zu retten, entschuldigte er sich<br />
tatsächlich und liess die Anschläge entfernen. Darüber hinaus erpressten nun<br />
auch die schweizerischen Meuterer <strong>von</strong> ihren Offizieren eine beträchtliche<br />
Geldsumme.<br />
Einen Tag später bildete das Regiment Châteauvieux unterm Schutz<br />
französischer Truppen ein Karree, in dem <strong>von</strong> den Hauptleuten verlangt wurde,<br />
sie sollten den noch immer ausstehenden Sold <strong>von</strong> ihren jeweiligen<br />
Kantonsregierungen einfordern. <strong>Die</strong> weiteren Forderungen der Mannschaften<br />
waren im wesentlichen die folgenden:<br />
Gemäss der Allgemeinen Kapitulation (Vertrag) vom 3.11.1764 zwischen der<br />
Eidgenossenschaft und Frankreich hatte jeder Hauptmann seine Unteroffiziere<br />
und Soldaten auf seine Kosten auszurüsten, die Mannschaften ihrerseits hatten<br />
mit ihrem kärglichen Sold <strong>von</strong> sechs bis neun Sous im Monat für den Unterhalt<br />
ihrer Ausrüstung zu sorgen. Nun stiess man sich daran, dass die Hauptleute<br />
ihrer Verpflichtung nicht immer nachkamen, obschon sie vom König für ihre<br />
Kosten voll entschädigt wurden, so dass sie die Differenz in die eigene Tasche<br />
stecken konnten. Ebenso weigerten sich die Offiziere, die Kosten für die Rasur<br />
der Soldaten zu übernehmen. Deshalb verlangten die Mannschaften<br />
umfassende Einsicht in die Abrechnungen. Ferner wurde das Regiment<br />
Châteauvieux in seinen abendlichen Ausgangsrechten beschnitten. Als<br />
besonders stossend wurde empfunden, dass die Sergeanten und Korporale mit<br />
Stöcken ausgerüstet waren, mit denen sie prügeln durften. Das Offizierskorps<br />
versprach, diesen Forderungen<br />
S. 08: weitgehend nachzukommen. Nicht dieser Meinung war die<br />
Nationalversammlung. Sie warf den Meuterern vor, sie hätten ihre Anliegen<br />
auf dem <strong>Die</strong>nstweg vorbringen und sie nicht unter Gewaltanwendung und<br />
Drohungen erzwingen sollen, weil der Gehorsam die erste Pflicht eines jeden<br />
Bürger-Soldaten sein müsse. Deshalb seien die Urheber des Aufruhrs als
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Verräter an der Nation zu betrachten. Auch die Mitläufer würden bestraft,<br />
sofern sie nicht binnen vierundzwanzig Stunden nach Verlesung des Dekrets<br />
schriftlich erklärten, dass sie ihre Fehler einsähen und bereuten. Ausserdem<br />
werde ein vom König zu ernennender General beauftragt, die meuternden<br />
Truppen in <strong>Nancy</strong> bei Widerstand gegen diese Verfügung aufzulösen und<br />
abzudanken. Am 24. August <strong>1790</strong> traf der schon einmal nach <strong>Nancy</strong><br />
geschickte Inspekteur Malseigne abermals in der Stadt ein, um die<br />
Beschwerden des Regiments Châteauvieux zu prüfen. Erwartungsgemäss<br />
befand er, die Forderungen seien unbegründet. Darum fühlte er sich bedroht, er<br />
fürchtete <strong>von</strong> den Schweizern fest genommen zu werden. Tatsächlich hielten<br />
ihn am Ausgang der Kaserne vier Schweizer mit ihren Bajonetten auf, doch<br />
gelang es ihm, zwei <strong>von</strong> ihnen mit dem Degen zu verwunden, so dass er ins<br />
Haus des Platzkommandanten Delanoue entkommen konnte. Zur<br />
Unterstützung der Schweizer griffen nun aber Soldaten des Regiments Le Roi<br />
und der Dragoner zu den Waffen mit der Absicht, Malseigne zu töten. <strong>Die</strong>ser<br />
entwischte ihnen jedoch, zu Pferd <strong>von</strong> einigen Offizieren begleitet, auf der<br />
Strasse nach Lunéville. Ausserdem gelang es ihm, regierungstreue Dragoner<br />
gegen seine Verfolger aufzubieten. So kam es zum Gefecht zwischen den zwei<br />
Gruppen. Dabei fielen neun der Verfolger, die übrigen wurden gefangen.<br />
Daraufhin sattelte der grosse Rest des französischen Dragonerregimentes in<br />
<strong>Nancy</strong>, und zusammen mit Fusstruppen arretierte es den zurückgebliebenen<br />
Stadtkommandanten Delanoue mitsamt seinen Offizieren. Danach brachen sie<br />
das Zeughaus auf und verteilten Waffen und Munition an jedermann. Andern
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Dragonern glückte es, auch den flüchtigen Malseigne festzunehmen, er wurde<br />
ins selbe Gefängnis wie Delanoue gesteckt.<br />
Am 31. August <strong>1790</strong> traf um halb zwölf Uhr Bouillé, der vom König mit der<br />
Niederschlagung<br />
S. 09: der Empörung beauftragte General, mit seinen Truppen vor <strong>Nancy</strong> ein. Er<br />
stellte den Meuterern ein Ultimatum. Sie sollten sich bis drei Uhr nachmittags<br />
ergeben. Andernfalls werde die Stadt gestürmt und die Meuterer müssten über<br />
die Klinge springen.<br />
<strong>Die</strong> beiden französischen Regimenter, Le Roi <strong>von</strong> der Infanterie und die<br />
Dragoner, bekamen es mit der Angst zu tun und liessen Bouillé wissen, dass<br />
sie sich ergeben würden. <strong>Die</strong> schweizerischen Empörer dagegen, rund<br />
dreihundert Mann, waren zu allem entschlossen, zumal sie der Unterstützung<br />
<strong>von</strong> seiten der Nationalgarde <strong>von</strong> <strong>Nancy</strong> sicher sein durften. Zudem gesellten<br />
sich einige Zuzüger der bei den französischen Einheiten zu ihnen. <strong>Die</strong> loyalen<br />
Schweizer, also jene, die Bouillé keinen Widerstand entgegensetzen wollten,<br />
wurden <strong>von</strong> ihren aufrührerischen Kameraden in ihren Quartieren<br />
eingeschlossen. Immerhin gelang es Oberstleutnant Merian und Major <strong>von</strong><br />
Salis mit 171 Untergebenen zu entkommen und sich in der Zitadelle der Stadt<br />
in Sicherheit zu bringen.<br />
Am Stanislaus-Tor machten die Aufständischen Geschütze schussbereit. Ein<br />
junger Offizier vom Regiment Le Roi stellte sich je doch vor die Mündung der
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einen Kanone. Mit Gewalt entfernt, setzte er sich auf das Zündloch des<br />
Geschützes, bezahlte dieses mutige Zeichen der Vernunft aber mit dem Leben,<br />
er wurde erschossen. Nun wurden die Kanonen abgefeuert. Etwa fünfzig Mann<br />
<strong>von</strong> Bouillés Truppen fielen. Jetzt begann das, was das Blutbad <strong>von</strong> <strong>Nancy</strong><br />
genannt wird.<br />
Den Angreifern gelang es, das Stanislaus-Tor zu erstürmen und so den<br />
nachfolgenden Truppen freie Bahn zu schaffen. In der Stadt selbst<br />
S. 10: kam es zu einem erbitterten Nah- und Häuserkampf. Drei Stunden später<br />
waren die Meuterer überwältigt. Bouillé zog als Sieger ein. Dafür dass das<br />
französische Regiment Le Roi und die Dragoner nicht eingriffen, wurden sie<br />
belohnt, indem sie nie zur Rechenschaft gezogen wurden, obschon die<br />
Unruhen nicht zu letzt <strong>von</strong> ihnen ausgegangen waren. Sie hatten <strong>Nancy</strong> freilich<br />
zu verlassen. Das Schweizer Regiment Châteauvieux hingegen wurde nach<br />
Bitche dirigiert. Vom ursprünglichen Bestand <strong>von</strong> 972 Mann fielen oder<br />
wurden verwundet 309 Mann, und 63 wurden dort unehrenhaft entlassen, so<br />
dass noch genau 600 Mann übrigblieben. <strong>Die</strong> Verluste auf seiten Bouillés<br />
betrugen 43 Offiziere und rund 500 Mann.<br />
Am Abend herrschte Ruhe in <strong>Nancy</strong>. Ein Teil <strong>von</strong> Bouillés Truppen blieb die<br />
Nacht durch zur Sicherheit unter den Waffen. Am 1. September marschierten<br />
sie unter Zurücklassung <strong>von</strong> Einheiten ab, die weiterhin für Ruhe und Ordnung<br />
zu sorgen hatten. Am selben Tag befahl Bouillé den ihm unterstellten<br />
schweizerischen Bataillonen Vigier und Castella, das Kriegsgericht zu bilden<br />
und die Rädelsführer nach schweizerischem Brauch und Recht ab zuurteilen.<br />
Angeklagt wurden in der Folge 113 Männer <strong>von</strong> Châteauvieux.<br />
Zwei Tage danach, also am 3. September <strong>1790</strong>, fiel das Urteil: Es lautete auf<br />
<strong>Meuterei</strong> und <strong>Die</strong>bstahl mit der Waffe in der Hand (Plünderung des Hauses des<br />
Majors <strong>von</strong> Salis und Ausräumung des Zeughauses <strong>von</strong> <strong>Nancy</strong> etc.) Am Tag<br />
darauf, am 4. September, hatten alle Truppen in Bitche um sechs Uhr in der<br />
Frühe auf der Place de Grève anzutreten. <strong>Die</strong> Bataillone Vigier und Castella<br />
bildeten ein Geviert, in dessen Zentrum das Gericht an Tischen Platz nahm.<br />
Französische Einheiten hatten um den Gerichtsplatz herum Polizeidienst zu<br />
leisten und die Fenster der umliegenden Häuser zu beobachten. Kavalleristen<br />
sperrten alle Zugänge zum Platz. Sechs Galgen waren errichtet worden. Von
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den 138 Verurteilten waren in der Nacht zwei entwichen, so dass noch 136 zur<br />
Exekution vorgeführt wurden. Der Urteilsspruch lautete:<br />
Soldat Soret auf Genf, Anführer der Rebellen, wurde zum Tod auf dem Rad<br />
verurteilt, obgleich diese grausame Strafe vor langer Zeit abgeschafft worden<br />
war, deshalb wurde er "nur" gehenkt. 23 weitere Männer sollten durch den<br />
Strang hingerichtet werden, und 41 wurden für je 30 Jahre auf die Galeeren<br />
geschickt. <strong>Die</strong> Todesurteile wurden sofort vollstreckt und die<br />
Galeerensträflinge nach Brest transportiert. <strong>Die</strong> Nationalversammlung<br />
begnadigte am 31. Dezember 1791 die Galeerensträflinge indessen, obwohl die<br />
Kantone <strong>von</strong> dieser Begnadigung nichts wissen wollten! Vierzig <strong>von</strong> ihnen<br />
wurden sogar <strong>von</strong> der Versammlung ehrenvoll empfangen und am 15. April<br />
1792 anlässlich des ersten Festes der Freiheit durch Paris geführt und <strong>von</strong> den<br />
Zuschauern gefeiert. So sehr hatten sich binnen zweier Jahre die Ansichten<br />
über das Verhalten der Schweizer in <strong>Nancy</strong> gewandelt!<br />
Als in der Folge der Herzog <strong>von</strong> Braunschweig am 19. August 1792 in<br />
Frankreich einmarschierte, um die französische Revolution zu bekämpfen und<br />
womöglich rückgängig zu machen, bemühte man sich sogar wieder um die<br />
Schweizer Regimenter. Auch Châteauvieux sollte sich bereithalten, doch<br />
angesichts der Tatsache, dass das Regiment bloss noch 530 Mann zählte,<br />
beschlossen Offiziere und Mannschaften, den Rückmarsch in die Heimat an<br />
zutreten, und zwar dem rechten Rheinufer entlang, also auf deutschem Boden.<br />
Am 24. August marschierte das Regiment mit wehenden Fahnen und unter<br />
Trommelschlag um sechs Uhr morgens nach Zweibrücken ab. Dort erlaubte<br />
der regierende Herzog den Durchmarsch. In der Pfalz wurde mit Einwilligung<br />
des Kurfürsten in Landstuhl Quartier genommen, <strong>von</strong> wo aus die Schweizer<br />
dann den Rhein überschritten. In Baden gestattete der Markgraf den Marsch<br />
auf seinem Gebiet bis nach Basel, wo sie am 14. September 1792 eintrafen. Sie<br />
wurden in der Rheinstadt erstaunlich freundlich empfangen, mit Ausnahme der<br />
Überreste der drei Kompagnien aus Genf, denen man anlastete, dass sie für die<br />
<strong>Meuterei</strong> verantwortlich seien. Man forderte sie deshalb kategorisch auf, sich<br />
am nächsten Tag sogleich auf den Weg in ihre Heimatstadt zu machen. So<br />
rächten sich die Basler dafür, dass das Regiment seinerzeit dem Genfer<br />
Jacques André Châteauvieux (1728-1816) anvertraut worden war und nicht<br />
dem Basler Johann Heinrich Merian (1731-1796). Derart freundeidgenössisch<br />
war man schon damals...
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Bei seiner Entlassung führte das Regiment die Nummer 76, da nach dem<br />
spanischen Erbfolgekriegen alle französischen Regimenter der<br />
S. 11: Ancienität entsprechend neu numeriert worden waren. <strong>Die</strong>se Nummer wurde<br />
während der Revolution <strong>von</strong> einer neuen Halb-Brigade übernommen und<br />
später in das Infanterieregiment 76. umgewandelt. Es hat den Namen<br />
Châteauvieux beibehalten und führt im Abzeichen die Fahne des Regiments<br />
Jung-Stuppa.<br />
Internet-Bearbeitung: K. J. Version 12/2013<br />
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