2013-Die Freiherren von Vaz und ihre Zeit - Burgenverein Untervaz

Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
2013
Die Freiherren von Vaz und ihre Zeit
Email: dorfgeschichte@burgenverein-untervaz.ch. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.

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2013 Die Freiherren von Vaz und ihre Zeit Werner Gees
Geschenk des Autors an unseren Verein.

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S. 03: Vorwort
Mein Interesse für die Geschichte des Geschlechts der Freiherren von Vaz hat
vordergründig mit der Burg Belfort zu tun. Wenn man von Brienz taleinwärts
fährt, sieht man im steilen Gelände oberhalb der Strasse auf einem
Felsvorsprung die Burgruine Belfort stehen. Die aussichtsreiche schwer
zugängliche Stelle bot sich gerade an für den Bau einer Burg. So entstand hier
um 1230 eine der grössten Burgen Oberrätiens und wurde zum Sitz des
Geschlechts der Freiherren von Vaz.
In den Jahren 2002 bis 2006 wurde die immer weiter zerfallende Burgruine
vom archäologischen Dienst des Kantons Graubünden durch weitgehende
Sicherungsmassnahmen vor dem weiteren Zerfall geschützt. Die Fachleute
erforschten die ganze Burganlage und entdeckten viele Einzelheiten, die auf
das ehemalige Aussehen der Burganlage schliessen lassen. Die Zugänge zur
Burg wurden neu angelegt und im Innern Wege und Treppen erstellt, damit die
Burganlage ungefährdet besichtigt werden kann. Die Aufgabe der Stiftung
besteht in der Förderung von Forschung und Lehre auf dem Gebiete der
Archäologie und der Geschichte im ehemaligen Gebiet der Freiherren von Vaz.
Sie erfüllt ihren Zweck primär durch die finanzielle Unterstützung von
Projekten und Veranstaltungen sowie die Organisation von Exkursionen und
Führungen.
Mit meiner Arbeit über die Freiherren von Vaz will ich eine Übersicht geben
über die Zeit ihres Wirkens von der Mitte des 12. bis in die Mitte des 14.
Jahrhunderts. Dabei stütze ich mich auf verschiedene Autoren, die sich in der
jüngeren Vergangenheit mit den Freiherren von Vaz befasst haben. Zu
Recherchezwecken sind mir die Ergebnisse der Sicherungsarbeiten des
archäologischen Dienstes Graubünden an der Burg Belfort von 2002 bis 2006
samt den dabei gemachten Bildern zur Verfügung gestanden. Es war mir
wichtig, auch die erste Zeit ihres Wirkens im Linzgau am Bodensee und ihre
Verflechtungen mit dem dortigen Adel zu berücksichtigen. Diese Zeit bildete
die Grundlage für ihre späteren Erfolge.
Ich wünsche gute Unterhaltung beim Lesen, Werner Gees 2013

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S. 04: Inhaltsverzeichnis
Rätien im Hochmittelalter
Die politische Situation Seite 6
Die Sprache des Volkes 7
Besiedlung und Verkehrswege 7
Alpine Wirtschaft 8
Rätien und der Einfluss des deutschen Kaisers 10
Besiedlung, Migration und Landesausbau 11
Kirchen und Klöster 13
Das religiöse Leben im Hochmittelalter 17
Die Freiherren von Vaz
Die rätischen Adelsgeschlechter 19
Die Anfänge des Geschlechts von Vaz 19
Linzgauer Edelfreie 20
Der Umzug der Freiherren von Vaz vom Linzgau nach Oberrätien 22
Erster vazischer Besitz in Oberrätien 23
Das Kloster Salem und seine Umgebung 24
Der Zisterzienser Orden 24
Privilegien und Erfolge des Klosters Salem 24
Wachstum und Krisenmanagement 25
Aus der Frühgeschichte von Vaz-Obervaz 27
Die Freiherren von Vaz in ihrem Beziehungsnetz 27
Die Burg Belfort, der neue Wohnsitz der Freiherren von Vaz 29
Der Bau weiterer Burgen in Mittelbünden aus dieser Zeit 30
Die Funktion der Burgen 31
Intensiver Burgenbau im 13. Jahrhundert 32
Von der Wehrburg zum Herrensitz 34
Die Grafen von Rapperswil und die Freiherren von Vaz 36
Weitere Parallelen zwischen Belfort und Rapperswil 37
Eine Witwe in Nöten 37
Stammbaum der Herren von Vaz 38
Die Grafen von Montfort und die Freiherren von Vaz 39
Familienverhältnisse um 1240 40

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S. 05: Siegeln und schöner wohnen 40
Die Verschwägerung der Vazer mit den Grafen von Montfort 41
Grafengleiche Vazer 42
Dynastenpolitik und Burgenbau, Zusammenhänge 43
Wanderbewegungen in Mitteleuropa im 13. Jahrhundert 44
Die Einwanderung der Walser in Graubünden 45
Durch die Freiherren von Vaz ausgelöste Zuzüge von Walsern 46
Die Besiedlung des hintern Rheinwalds. Der Freibrief von 1277 46
Davos, die grösste Walserkolonie in Oberrätien 48
Das hohe Ziel der Freiherren von Vaz 50
Der Vertrag der Freiherren von Vaz mit den Davoser Walsern, 1289 51
Kolonisation durch die Walser im Raum Davos 52
Die Spina 54
Die Besiedlung des Sertig 55
Der Einschluss der Walser in die hohen Ziele der Freiherren von Vaz 55
Die Ausdehnung der von Walsern besiedelten Gebiete in Oberrätien 56
Die Ansiedlung von Walsern im Vorderrheintal 57
Freiherr Donat von Vaz, der letzte Vazer 58
Die letzte Zeit des Schlosses Belfort 62
Die Burgruine Belfort 66
S. 06: Rätien im Hochmittelalter
Die politische Situation
Um die Jahrtausendwende hatte sich die Erinnerung an die römischen
Provinzen Raetia prima und Raetia secunda weitgehend verflüchtigt. Auch die
Zeit Karls des Grossen lag schon 200 Jahre zurück. Der Einfluss der deutschen
Könige war vor allem in Oberrätien, das heisst, im Gebiet von der Landquart
bis über die Alpen, eher gering. Eine wichtige Rolle spielte der Bischof von
Chur. Er war nicht nur der geistliche Hirte vom St. Galler Rheintal bis über die
Bündner Alpen in den Vintschgau, sondern auch ein weltlicher Herr über viele
rätische Gebiete, die weitgehend von Vasallen, die von ihm abhängig waren,
regiert wurden, und die vor allem auch die Zinsen und Steuern einzogen. Diese
Vasallen entstammten einheimischen Adelsgeschlechtern, die neben ihren

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eigenen, meist nicht sehr grossen Besitzungen, diejenigen des Bischofs
verwalteten, Zinsen einzogen und Recht sprachen. Solche Bündner
Herrengeschlechter waren zum Beispiel die Freiherren von Tarasp im
Unterengadin, die Freiherren von Rhäzüns, die Freiherren von Belmont bei
Flims, von Sax-Misox und andere Geschlechter. Sie regierten meist über ein
eher kleines eigenes Gebiet. Es gab kein Herrengeschlecht, das im
Hochmittelalter in Oberrätien, dem späteren Graubünden eine überragende
Rolle spielen konnte. Die Klöster Pfäfers, St. Luzi in Chur, Disentis und
Müstair hatten je ihre Einflussgebiete mit den entsprechenden Zinseinnahmen,
die dem Unterhalt der Klosteranlage und deren Insassen dienten. Sie waren
weitgehend autonom und unterstanden dem Bischof von Chur.
Die Bewohner der rätischen Gebiete waren weitgehend Hörige ihres jeweiligen
Herrn. Sie bebauten ihre Felder als Lehen, das beim Todesfall des
Lehensnehmers in der Regel an seinen Herrn zurückging, der dann oft wieder
die gleiche Familie belehnte. Der Herr übte die niedere und oft auch die hohe
Gerichtsbarkeit aus. Noch weniger Rechte hatten die Leibeigenen. Deren Land
gehörte dem Herrn, und sie mussten nicht nur den Lehenszins zahlen, sondern
auch Frondienste für ihren Herrn leisten. Das Wohlergehen der Untertanen
hing von der Haltung des Herrn und vom Ertrag der bewirtschafteten Felder
ab. Es gab so genannte Grosshöfe, die einem Herrn unterstanden. Diese
bestanden in der Regel aus zwölf Höfen. Ein solcher Grosshof war zum
Beispiel Obervaz. Zu diesem Hof gehörten auch Alpen, Weideland und Wald.
Einen Territorialstaat, der in seinem Umfang etwa dem Gebiet des heutigen
Kantons Graubünden entsprach, gab es im 10. bis 13. Jahrhundert noch nicht.
Die Gebiete waren, abgesehen vom Einfluss der Gebiete des Bistums Chur,
kleinräumig, eine Art Flickenteppich. Jeder Herr verwaltete sein kleines
Gebiet. Die Bevölkerung dieser Gebiete hatte auch nicht das Gefühl, zu einem
grösseren Ganzen zu gehören. Gegen politische Einflüsse von aussen waren
diese kleinen Besitztümer auch kaum zu verteidigen. In den innerrätischen
Alpentälern vollzog sich in dieser Zeit erst der Prozess des Landesausbaus, der
Churrätien zu grösseren Territorien werden liess. Das waren dann später
Voraussetzungen zur Entstehung der drei rätischen Bünde.

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S. 07: Die Sprache des Volkes
Die höher gelegenen Gebiete waren zum gossen Teil noch schlecht erschlossen
und nur dünn besiedelt. Die damaligen Bewohner Rätiens waren Romanen.
Von Norden her wanderten aber immer mehr Alemannen zu. Diese sprachen
Deutsch. So wurde mit der Zeit die romanische Sprache in die inneren Täler
Oberrätiens zurückgedrängt. In den nördlichen Gebieten nahm die deutsche
Sprache langsam überhand. Diese Germanisierung war ein jahrhundertelanger
Prozess. Unter den Herrengeschlechtern hatte es auch Zugewanderte, zum
Beispiel die Freiherren von Vaz, die aus dem Bodenseegebiet kamen, oder die
Grafen von Bregenz, die Deutsch sprachen. Das Volk nahm die Sprache der
Herren mit der Zeit an. Die Grafen von Bregenz hatten ihre Einflussgebiete in
Unterrätien. Auch unter den Bischöfen von Chur gab es zu dieser Zeit wenige
Einheimische. Als weltliche Herren mussten sie ja dem Adelsstand angehören,
damit sie von den übrigen Herren akzeptiert wurden.
Besiedlung und Verkehrswege.
Besiedelt waren vor allem die sonnseitigen Talflanken. Dort bauten und
bewirtschafteten die Bewohner ihre meist kleinen Höfe. Der Anbau von
Getreide war dort möglich. Genutzt wurden schon früh die über der
Waldgrenze gelegenen Alpen, wobei zu jener Zeit der weitgehend
undurchdringliche Wald bis gegen 2400 Meter hinauf reichte. Die noch kaum
ausgebauten Verkehrswege folgten, so weites ging, den bewohnten Talflanken
und überquerten dann bis 2500 Meter hohe Pässe. So führte der Weg von
Thusis über den Glaspass ins Safiental und über den Safierberg ins Rheinwald.
Dabei nahm man grosse Höhenunterschiede und starke Steigungen in Kauf.
Grosse Umwege wurden möglichst vermieden. Schluchten wie die Viamala
und die Roflaschlucht waren um diese Zeit noch nicht begehbar. Anderseits
wich man flachen Flusstälern wie dem Churer Rheintal wegen der
Überschwemmungsgefahr möglichst aus. Die Siedlungen wurden an den
Talrand gebaut, und die Verkehrswege folgten den Siedlungen, so wie etwa im
Domleschg. Der Zugang nach Oberrätien führte über die Luziensteig. Walser
gelangten nach 1270 vom Rheinwald durch die Täler und über die Höhen
Oberrätiens bis nach Davos. Der ursprüngliche Weg nach Davos führte vom
inneren Albulatal über die Wiesner- und die Alteinalpen hinein nach Davos.

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All diese Pfade wurden nur zu Fuss, zu Pferd oder mit Saumtiefen begangen
und es war auch im Winter, dort wo keine Lawinengefahr bestand, möglich sie
offen zu halten, so dass sie begangen werden konnten. In besonderen Fällen
wurden Ochsen eingesetzt, die Baumstämme hinter sich her zogen, um die
Wege begehbar zu machen. Die bequemste und leistungsfähigste Art des
Reisens bot im Mittelalter der Schiffsverkehr auf den Binnengewässern wie
Boden-, Zürich- oder Vierwaldstättersee. Auf der Alpensüdseite waren es der
Langen- und der Comersee. Die schlechten Trampelpfade wurden nur in den
besiedelten Tälern zu einfachen Karrenwegen ausgebaut. Wo es nötig war,
errichtete man Stützmauern. Brücken gab es nur dort, wo man einen Fluss
nicht mittels einer Furt überqueren konnte. Der Unterhalt der einfachen Wege
war in der Regel die Aufgabe der Anstösser. Darüber gibt es im 12.
S. 08: bis 14. Jahrhundert auch Urkunden, vor allem darüber, wer zum Unterhalt
einer Wegstrecke verantwortlich war. Die wichtigste Route für den
Durchgangsverkehr in Rätien war - wie schon zur Zeit der Römer - jene von
Chur über die Lenzerheide nach Tiefencastel, durchs Oberhalbstein hinauf und
über den Septimerpass ins Bergell und nach Chiavenna. Diesen Weg benutzten
auch die Kaiser, wenn sie die Alpen überquerten. Noch wichtiger waren
damals der Brennerpass in den Ostalpen und der Grosse St. Bernhard im
Westen. Seltener wurden andere Bündner Pässe wie der Lukmanierpass, Julier
oder Ofenpass benutzt. Der Bischof besass Besitzungen und eine Burg im
Vintschgau. Entlang dieser Passrouten gab es Herbergen, wo Reisende und
ihre Reittiere übernachten konnten und verpflegt wurden. Sicher gab es eine
Herberge in Chur, weitere entlang der Septimer- und anderer
Durchgangsrouten. Sie waren die Vorgänger der späteren Susten entlang dieser
Routen. Für den Septimerpass ist der Bestand eines mehrteiligen
Gebäudekomplexes für die Beherbergung und Verpflegung von Reisenden und
ihren Begleittieren bezeugt. Zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert waren auch
Wehrburgen entlang der Route von Chur über den Septimerpass bis ins Bergell
wie Schloss Ortenstein im Domleschg, die Burg Riom und andere dazu
angehalten, Reisende aufzunehmen. Auch die Klöster nahmen Reisende auf
und verpflegten sie. Die Organisation des Pass- und Transitverkehrs war an das
Herrschaftsrecht von Zoll und Geleit gebunden.

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Deren jeweilige Inhaber erhoben für die Benutzung eines bestimmten
Wegabschnittes einen Zoll, wofür sie die Sicherheit auf der Strasse zu
gewährleisten hatten. Es lag im Interesse der Zollherren, die ihnen unterstellte
Route in gutem Zustand zu erhalten und mit komfortablen Einrichtungen
auszustatten.
Alpine Wirtschaft
Im Hochmittelalter war in Rätien der Ackerbau bis in Höhen von 1500 Metern
recht verbreitet. In höheren Lagen wurden vor allem sonnseitige Hänge
genutzt, teils durch Stützmauern gesichert. Im Frühling waren diese Hänge
zuerst aper und konnten bepflanzt werden. Man pflügte an den Hängen mit
dem Schwingpflug, an ganz steilen Orten mit der Hacke. Wo das Getreide auf
dem Acker nicht ausreifte, musste man es im Herbst auf Histen und an
Stallwänden nachreifen lassen. Wo Ackerbau betrieben wurde, sind auch
Mühlen bezeugt. Diese befanden sich immer an Bächen und, um die
Wasserkraft nutzen zu können, meistens in Siedlungsnähe, damit man das
Mahlgut nicht zu weit transportieren musste. Ackerbau wurde, soweit es ging,
in der Nähe von Siedlungen betrieben, um nicht zu lange Arbeits- und
Transportwege zurücklegen zu müssen. Wo man Ackerbau betrieb, mussten
auch Abgaben an den Herrn in Form von Korn oder Mehl erstattet werden.
Weinbau war in Rätien nur in bevorzugten Lagen möglich. Da Wein damals zu
den Nahrungsmitteln gehörte, musste man ihn aus den Bündner Südtälern, dem
Veltlin und dem Tessin einführen. Durch die entstehenden Transportkosten
wurde der Wein teuer und war nicht für die ganze Bevölkerung erschwinglich.
S. 09: Eine grosse Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung hatte die
Sammelwirtschaft. In den Südtälern machte die Kastanie einen guten Teil der
Nahrung aus. In den ausgedehnten Weidegebieten und Tälern sammelte man
verschiedene Arten von Beeren, Haselnüsse und Pilze. Eine wichtige Rolle
spielte für die Versorgung der Bevölkerung auch der Fischfang in den Seen
und Flüssen. Dafür gab es aber strenge Regeln, und mancherorts waren der
Fischfang, wie auch die Jagd den Herren vorbehalten. Es gab dabei auch viele
Verstösse, weil die darbende Bevölkerung manchmal auch gerne etwas
zusätzliches Fleisch oder ein paar Fische aus dem nahen See gehabt hätte.
Solche Verstösse wurden in der Regel gnadenlos geahndet, mit Gefängnis,
oder in ganz schweren Fällen, gar mit dem Tod bestraft.

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Den wohl vielseitigsten und bedeutsamsten Teil der alpinen Wirtschaft machte
die zu unterschiedlichsten Zwecken betriebene Viehhaltung aus. Grundsätzlich
war zu unterscheiden zwischen alpabhängigen und nur im Bereich der
Dauersiedlungen gehaltenen Nutztierarten. Zu letzteren gehörten neben den
Bienen vor allem die Schweine, deren Alpsömmerung erst seit dem 16.
Jahrhundert erwiesen ist. Ebenfalls nur in den Zonen der Dauersiedlungen
finden wir die verschiedensten Geflügelarten, neben Enten und Gänsen vor
allem die Hühner. Das im mittelalterlichen Alpenraum wohl häufigste Nutztier
war das Schaf. Es lieferte nicht nur Fleisch und Wolle, sondern auch Häute als
Rohmaterial für den Schreibstoff Pergament, namentlich für die Klöster und
die bischöfliche Kanzlei. In gewissen Gebieten wurden auch Milchschafe
gehalten. Als Milch- und Fleischlieferanten viel wichtiger waren die Ziegen.
Sie spielten für grosse Teile der Bevölkerung für deren Versorgung eine
wichtige Rolle. Ziegenmilch wurde auch zu Käse und Ziger verarbeitet. Ziegen
und Schafe konnten auch auf Gebieten gehalten werden, die wenig Nutzen
abwarfen. Auch Rinder wurden für die Milch-, Fleisch- und Lederproduktion
im Alpenraum schon sehr früh gehalten. Vom 13. Jahrhundert an fand eine
Verlagerung zu vermehrter Rindviehhaltung statt. Da vor allem neu
erschlossenes Grasland und auch Alpen immer mehr für die anspruchsvollere
Rinderhaltung gebraucht wurden, ging die Schaf- und Ziegenhaltung zurück.
Für die Grossviehhaltung war nicht nur das Grasland in den Tälern und in
höher gelegenen Gebieten zur Gewinnung von genügend Futter für die
Winterung der Tiere von Bedeutung. Die Alpen brauchte man für die
Sömmerung des Viehs. Alpen waren zum Teil in Privatbesitz wie zum Beispiel
in der Landschaft Davos. Dort gab es vor dem Einzug der Walser noch keine
Alpen. Um autonom leben zu können, brauchten die Siedler zu ihren Höfen die
entsprechenden Alpen. Diese befanden sich in der Nähe der Talsiedlungen,
siehe Beispiel Spina. Im Prättigau und in andern Bündner Tälern waren die
Alpgebiete bei der Ankunft der Walser schon durch Kooperations- oder
Gemeindealpen erschlossen, und die Walser mussten in diesen Alpen
Weiderechte erwerben. Solche waren begehrt. Mit ihnen wurde auch
gehandelt. Wiesner Bauern besassen auf den Alteinalpen, die den Gemeinden
aus dem äusseren Albulatal gehörten, Alprechte. Diese führten wahrscheinlich
zu einem Durcheinander von romanischen und deutschen Flurnamen. Diese
Alpen gehörten ursprünglich dem

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S. 10: Bistum Chur. In der Alvaneuer Alp Ramoz auf Aroser Gebiet weit hinten im
Welschtobel hatten einzelne Wiesner Bauern 12 Stösse Alprechte und konnten
dort Ochsen und Pferde oder Rinder sömmern. Zugänglich war die Alp nur
über Alvaneu. Die Wege in gewisse Alpen waren weit. Zum Beispiel Frömd
Vereina im Vereinatal gehört den Gemeinden im Ausserprättigau. Auf ihrem
langen Alpweg mussten die Begleiter darauf achten, dass die hungrigen Tiere
unterwegs nicht fremdes Futter frassen. Manchmal mussten auch Pässe
überquert werden, bis man die Alp erreicht hatte, zum Beispiel vom
Unterengadin ins hintere Montafon. Dieser Viehauf- und Abtrieb über fremdes
Gebiet führte immer wieder zu Streitigkeiten. Ein Beispiel, das die damalige
Situation im Kleinen bezeichnet, ist der Verkauf der Schafalp Täli auf
Jenisberger Gebiet, im Osten an Monstein angrenzend. Die Schafalp wurde
1651 an drei Davoser verkauft, wovon der eine seinen Anteil fünf Jahre später
an die Gemeinde Fideris verkaufte. Der Zugang zur Alp führte über
Monsteiner Gebiet. Es kam zum Streit über das Durchgangsrecht für die
Schafherde. 1692 erzielte man einen Vergleich. Die Gemeinde Fideris musste
den Monsteinern jährlich 100 Gulden bezahlen, um freien Zugang zur Alp zu
haben. Das Beispiel zeigt den Wert, den diese recht kleine Alp hatte. Solche
Vereinbarungen gab es auch für andere Orte. Von Bedeutung war auch die
Pferdezucht. Pferde vermochten nur begüterte Leute, Ritter und Herren zu
halten. Wenn sie ihre Burgen mit ihrem Tross verliessen, ritten sie zu Pferd.
Dadurch unterschieden sie sich vom gewöhnlichen Volk. Ein Pferd war ein
kostbares Tier. Gross war der Schaden beim Verlust eines Pferdes, zum
Beispiel bei einer Fehde oder durch Krankheit.
In einzelnen Talschaften bildete der Bergbau einen wichtigen
Wirtschaftszweig. Man weiss darüber einiges aus den hochmittelalterlichen
Schriftquellen. So mussten etwa die Puschlaver an den Bischof jährliche
Abgaben in Form von Metallgefässen oder Hufeisen leisten. Urkundlich ist der
Bergbau - es handelte sich um den Abbau von Kupfer, Eisen und vereinzelt
auch Silber - für Gebiete am Bernina, im Rheinwald und am Gonzen bezeugt.
Vermutlich suchte man um diese Zeit auch an andern Orten in Rätien nach
Erzen. Seit der Zeit der Römer bildeten der Abbau und die Verarbeitung von
Lavez (Speckstein) eine wichtige Rolle. Im Hochmittelalter muss der Abbau
und die Verarbeitung von Speckstein zu allerlei feuerfestem Geschirr den
Bedarf weitgehend gedeckt haben.

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Rätien und der Einfluss der deutschen Kaiser
Im Allgemeinen waren die deutschen Kaiser bis um 1200 wenig darauf
bedacht, in Rätien Einfluss zu nehmen. Erst die Stauferkaiser begannen ab
1200 neben reichspolitischen Massnahmen auch hausmachtpolitische
Interessen zu vertreten, die im rätischen Raum vor allem über die
schwäbischen Herzöge erfolgten. Die Möglichkeit, den rätischen Raum zu
kontrollieren, ergab sich für den Kaiser, ausser in der Begünstigung des
Bischofs von Chur und der Reichsklöster, in der Besetzung der Vogtei über das
Hochstift Chur mit staufischen Parteigängern. Der Vogt führte für den Bischof
die weltlichen Herrschaftsrechte aus. Nach dem Aussterben der Grafen von
S. 11: Bregenz um 1140 gelangten deren Rechte an Rudolf von Pfullendorf, einen
unbedingten Anhänger des staufischen Herrscherhauses. Nach dessen Tod
1181 trat sein Sohn das Erbe an mit wichtigen Rechten und Kompetenzen,
darunter der Hochvogtei über Chur. Die Hausmacht der Staufer reichte,
begründet im Herzogtum Schwaben, weit in den rätischen Raum hinein. Der
Churer Bischof spielte in dieser Sache eine wichtige Rolle. Er wurde deshalb
zum Reichsfürsten erhöht. 1192 finden wir am Kaiserhof in Hagenau im Elsass
rätische Adelige und 1194 am Bischofssitz in Chur. Mit dem Auftritt adeliger
Herren in der Umgebung des Kaisers gegen Ende des 12. Jahrhunderts setzte
sich ein Prozess fort, der schon 100 Jahre früher begonnen hatte: Das
Aussterben der Grafen von Ober- und Unterrätien, die Übertragung des
innerrätischen Besitzes an auswärtige Herren aus dem süddeutschen Raum,
z.B. der Übergang der Hochvogtei Chur an das Geschlecht der Freiherren von
Vaz. Alles deutete um 1200 auf zugewanderte Gewalten und Machthaber hin,
die kaiserlichen Interventionen wenig Raum liessen. Dazu gehörten
zugewanderte und einheimische Herrengeschlechter, wie die Freiherren von
Vaz, die Freiherren von Sax-Misox, die Freiherren von Belmont mit ihrer Burg
bei Flims, die Freiherren von Rhäzüns, die Freiherren von Tarasp und weitere
Geschlechter.
Besiedlung, Migration und Landesausbau.
Im 10. Jahrhundert war der oberrätische Raum recht unterschiedlich und dünn
besiedelt. Die romanisch sprechende Bevölkerung bewohnte vor allem die
sonnigen Talflanken mit Böden, die sich auch für den Ackerbau eigneten. Sie
bewirtschafteten auch über der Waldgrenze gelegene Alpen. Viele Gebiete

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waren noch mit undurchdringlichem Wald bedeckt. Abgelegene Täler waren
kaum besiedelt. Dort hielten sich nur Jäger und einzelne Schafhirten auf. Da
und dort hielten Schluchten von der Besiedlung dahinter liegender Gebiete ab.
Mit der Bevölkerungszunahme in den ersten Jahrhunderten des zweiten
Jahrtausends nahm der Druck auf unbesiedelte Gebiete zu. Man begann,
einzelne Waldgebiete zu roden und der Natur neues Kulturland abzutrotzen.
Flur- und Ortsnamen wie Ronc, Tschappina, Acla, Selva, Rüti, Schwendi und
andere weisen darauf hin. Das gewonnene Land konnte in der Regel als
Erblehen genutzt werden. Es entstanden kleine neue Siedlungen, Einzelhöfe
und kleine Weiler. Nur dort, wo schon eine Kirche gestanden hatte, entstand
ein kleines Dorf mit 100 oder 200 Einwohnern. So war das Davoser Hochtal
bis gegen 1200 ein unbesiedeltes Waldgebiet. 1213 sind in Davos die ersten
Siedler bezeugt. Sie rodeten vor allem im Haupttal. Es waren Romanen, die
vom Albulatal her über die Alteinalpen und die Sattelhöhe nach Davos kamen.
Monstein und Jenisberg gehen auf diese Zeit zurück. Diese beiden Orte
wurden wahrscheinlich von Filisur her besiedelt. Im Prättigau war um diese
Zeit die Rodung und Besiedlung im Gang. Im Vorderprättigau hatte sie schon
früher, nach der Überwindung der Klus eingesetzt. Klosters war noch ein
grosses Waldgebiet. Hier vollbrachten die Mönche des Stifts Klosters wichtige
Rodungsarbeiten für ihren eigenen Lebensbedarf. Auch im Oberland führte die
Enge
S. 12: von Tersnaus dazu, dass nur wenige romanische Siedler nach Vals vordrangen.
Auch das obere Rheinwald wurde erst in der zweiten Hälfte des 13.
Jahrhunderts von deutschsprachigen Walsern besiedelt.
Die Einwanderer, die aus dem Norden, dem Bodenseegebiet und aus weiteren
schweizerischen und deutschen Gegenden kamen, sprachen Deutsch und
drängten die romanische Sprache in die inneren Alpentäler zurück. Dieser
Wechsel zur deutschen Sprache erfasste vor allem die nördlichen Gebiete
Rätiens, die Bündner Herrschaft, das Churer Rheintal und das Prättigau und
dauerte Jahrhunderte. Die Neusiedler kamen vor allem durch ausgedehnte
Rodungen zu neuem Kulturland. Man stellte sich unter den Schutz der
örtlichen Schirmherren. Das gewonnene Kulturland durfte man als Zeit- oder
gar Erblehen nutzen und hatte dem Herrn den Lehenszins zu bezahlen.
Zusammen mit den verschiedenen Rodungen entstanden auch die

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Verbindungswege. Töbel wurden mit einfachen Holz- oder Steinbrücken
überquert. Schluchten bildeten nur schwer zu überwindende Hindernisse. Das
damalige Siedlungsbild lässt sich nur schwer rekonstruieren. Das durch die
Rodungen gewonnene Holz wurde zum Bau einfacher, meist einstöckiger
Häuser und Wirtschaftsbauten verwendet. Die Häuser waren am Anfang meist
Rundholzbauten mit gemauerter Küche. Die Siedlungen standen nahe beim zu
bearbeitenden Land. So entstanden viele Einzelhöfe und Weiler. Die Romanen
hatten von Anfang an die Tendenz, in Dörfern zu wohnen, wo die Gebäude
nahe zusammengebaut wurden. Kleine Dörfer entstanden auch dort, wo
Kirchen gebaut wurden. Diese errichtete man als Steinbauten. Bei den Kirchen
entstanden meistens auch die vorwiegend aus Stein gebauten Herrenhöfe. Von
diesen aus verwalteten die Grund - oder Gebietsherren die ihnen unterstellten
Gebiete. So entstand in jedem Tal mindestens ein, in manchen Tälern mehrere
Zentren. Manchmal entstand auch zuerst eine Dorfsiedlung, und die Kirche
wurde erst später zur Siedlung dazu gebaut.
Die Verbindungswege mussten die Bewohner meistens selber unterhalten. Wo
solche Wege von einem Tal in ein anderes führten, gab es Abkommen mit den
an der Route liegenden Gemeinden über die Unterhaltspflicht von
Wegstrecken. Wegen des Wegunterhalts kam es auch zu Streitigkeiten. Eine
entsprechende Urkunde habe ich im Gemeindearchiv von Schmitten gefunden.
Sie wurde im Jahr 1544 ausgestellt. Die Familien Jud, Nikka und Flipp
wohnten auf den Histen oberhalb Wiesen und waren verpflichtet, den Weg
hinauf auf die Wiesner Alp und hinein bis auf Heinisch Alp zu unterhalten.
Dieser Pflicht wollten sie nicht mehr nachkommen, wurden aber dazu
gezwungen. Es handelte sich um den Höhenweg vom Albulatal über die
Sattelhöhe nach Davos, eine sehr wichtige innerbündnerische Verbindung. Der
Landesausbau war auch von lokalen Streitereien und Fehden begleitet. Oft
ging es dabei um Alpen und Weideland, für die Neusiedler von grosser
Bedeutung, wobei die Besitzesverhältnisse nicht immer klar geregelt waren.
Der Landesausbau vollzog sich im 12. bis 14. Jahrhundert im Rahmen der
damaligen Grund- und landesherrlichen Strukturen, die sich im Laufe des
Hochmittelalters auszubilden vermochten. Wichtige Träger der
Siedlungspolitik waren die Klöster Pfäfers und Disentis, der Bischof von Chur
mit

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S. 13: seinen Vasallen und Dienstleuten und die edelfreien Dynastien mit
landesherrlichen Ambitionen, wie die Freiherren von Sagens-Wildenberg,
Rhäzüns, Vaz, Sax-Misox, Belmont oder Tarasp. Diese Herrengeschlechter
wohnten bis um 1200 in mehrgeschossigen, aus Holz oder Stein gebauten
Häusern, die sich meistens in der Nähe schon bestehender Kirchen befanden.
Ein solcher Bau war wahrscheinlich auch der erste Sitz der Freiherren von
Vaz, der sich in der Nähe der alten Kirche von Zorten, Obervaz, befand. Sie
bauten dieses Haus auf dem Hügel von Nivagl bei Zorten zu einer Burg aus.
Kirchen und Klöster
Im Altsiedelland Rätien, das seit dem Ausgang der Antike christianisiert war,
muss es viele aus dem Frühmittelalter und der karolingischen Zeit stammende
Kirchen gegeben haben. Die Zeugnisse über die um die Jahrtausendwende
entstandenen Kirchen sind mangelhaft. Bei Kirchengrabungen in Graubünden
kommen laufend Grundrisse älterer Sakralbauten zum Vorschein, von deren
Existenz die urkundliche Überlieferung nichts berichtet.
Mehr Hinweise bieten die Schriftquellen zu den Klöstern. Diese entfalteten im
Mittelalter eine rege Schreibtätigkeit, die sich mehrheitlich auf den
herrschaftlich organisierten Güterbestand bezog, zum Beispiel Kauf, Verkauf
oder Schenkung von Gütern. Das religiöse Leben wurde nur am Rande
erwähnt. Wahrscheinlich brauchte man die des Schreibens kundigen
Klosterleute auch als Schreiber von Urkunden.
Kirchen und Klöster brauchten für die Ausübung des Kultes eine Ausstattung
mit weltlichem Besitz, der in den mittelalterlichen Urkunden viele Spuren
hinterliess. Vor allem Klöster verstanden es, ihren Besitz immer weiter
auszudehnen, indem sie Besitzungen und die dazu gehörenden Rechte an sich
zogen, oder beim Aussterben eines Herrengeschlechts zu Schenkungen kamen.
Die Tätigkeit der Klöster spielte sich auch ausserhalb der Klostermauern ab, in
der Seelsorge der Kranken- und der Armenpflege. Es begünstigte das
persönliche Seelenheil, einem Kloster eine Schenkung zu machen.
Kirchen waren bis ins 12. Jahrhundert meistens Talkirchen, die für ein
grösseres Gebiet zuständig waren. Sie waren auch Tauf- und Begräbniskirchen
für das ganze zu ihnen gehörende Gebiet. Noch herrschte der romanische
Baustil mit den kleinen Rundbogenfenstern vor. Im Laufe des 13. Jahrhunderts

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wurde er durch den in die Höhe strebenden gotischen Stil abgelöst. Mit dem
fortschreitenden Landesausbau und der beginnenden Urbarisierung von
Neuland wurde das Bedürfnis nach neuen, näher gelegenen Kirchen immer
grösser. Viele neue Kirchen erhielten auch einen Glockenturm. Aber der hohe
Polygonchor scheint sich erst im 15. Jahrhundert voll durchzusetzen. In dieser
Zeit, noch vor der Reformation, wurden viele bündnerische Dorfkirchen
gebaut, zum Teil noch ohne Glockenturm. Das weitläufige Gebiet Rätiens
gehörte zum grössten Teil zum Bistum Chur. Mittelpunkt dieser weitläufigen
Diözese war die bischöfliche Residenz in Chur mit der Kathedrale St. Mariae
Himmelfahrt.
S. 14:
Die mittelalterliche Kirche von Sent mit Herrenhaus,
von dem nicht mehr viel steht
Die heutige Kathedrale ist im 12. und 13. Jahrhundert gebaut worden.
Konzipiert und begonnen wurde der Bau unter dem Zisterzienser Bischof
Adalgott um 1160. Die Schlussweihe erfolgte 1272 unter Bischof Heinrich von
Montfort. Dieser schwäbische Churer Bischof gründete im 12. und zu Beginn
des 13. Jahrhunderts in Oberrätien mehrere Prämonstratenserklöster. Das erste
war das Kloster St. Luzi in Chur. Dieses Kloster kam zu umfangreichem
Besitz. Der aus Nordfrankreich stammende Prämonstratenserorden breitete
sich nach der Jahrtausendwende in weiten Gebieten Europas aus.

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Die Bevölkerung nahm zu jener Zeit stark zu. Das führte dazu, dass überall
mehr Land gebraucht wurde, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Die
Prämonstratenser hatten sich auf die Rodung spezialisiert. Die Gewinnung von
Neuland war eine ihrer Hauptaufgaben. Die Besiedlung der Talgebiete hatte im
Prättigau schon früh begonnen. Das vordere und mittlere Prättigau waren im
12. und 13. Jahrhundert schon weitgehend besiedelt. Aber in den Randgebieten
gab es noch Wälder für Neusiedler. Die Mönche vollbrachten die gleiche
strenge Arbeit wie andere Bauern, die Neuland gewannen. Nur durfte das
Kloster das gerodete Land zinsfrei behalten und nutzen, während es andere
Siedler von ihrem Herren als Lehen erhielten und den Zehnten bezahlen
mussten.
Um 1160 folgte die Gründung des Klosters Churwalden, dessen Schirmherren
später die aus Schwaben stammenden Freiherren von Vaz wurden. An der
Gründung des Klosters um 1160 waren sie wahrscheinlich noch nicht beteiligt.
Später erhielt das
S. 15: Kloster von den Freiherren von Vaz Land zur Nutzung. Dort fanden die
verstorbenen Vazer auch ihre letzte Ruhestätte. Die Gründung des Stifts
Klosters erfolgte kurze Zeit später. Diese Klöster hatten für ihr Umfeld eine
besondere Bedeutung.

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Ihre Insassen pflegten in den abgelegenen Gegenden kein beschauliches
Dasein. Sie waren nicht nur in der Krankenpflege und der Unterstützung der
Armen tätig. Eine ihrer Hauptaufgaben war die Urbanisierung von Neuland.
Das Land im Churwaldner Tal war zur Zeit der Klostergründung noch ein
ausgedehntes Waldgebiet. Um sich mit den notwendigen Lebensmitteln
versorgen zu können, mussten die Mönche Land roden und bebauen.
Auch die Gegend von Klosters war zu Beginn des 13. Jahrhunderts noch ein
ausgedehntes Waldgebiet. Die in Klosters siedelnden Mönche bauten die
Klosterser Kirche St. Jakob und daneben ein kleines Kloster. Wie in
Churwalden mussten die Mönche Land urbarisieren, und bebauen, um sich mit
dem Notwendigen zu versorgen. Bald besassen die Mönche im Talgrund von
Klosters eine Reihe von Höfen, die sie nutzen konnten. Zwei Höfe befanden
sich in unmittelbarer Nähe des Klösterleins. Das Recht zur Nutzung ihrer Höfe
erhielten die Mönche vom Bischof von Chur. Bei Grabungen fand man unter
der heutigen Kirche die Fundamente eines aus dem frühen 13. Jahrhundert
stammenden kleinen Kirchleins. Auch der romanische Turm stammt aus jener
Zeit. Die heutige Kirche ist nicht älter als 500 Jahre. Im Haus Nett bei der
Kirche fanden sich bei einem Umbau Fragmente, die auf den ehemaligen
Klosterbau zurückgehen.
S. 16: Die die Probstei umgebenden Höfe wurden von den Klosterleuten selber
bewirtschaftet.

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Die klösterliche Grundherrschaft war wesentlich grösser. Der ursprüngliche
Zweck der Klostergründung bestand in der Urbarisierung und Nutzung des
Landes im heutigen Gebiet von Klosters. Dazu gehörten weitere Höfe
taleinwärts und -auswärts, wobei ein solcher Hof meistens aus 12 einzelnen
Höfen bestand. Zum Besitz des Klosters gehörten auch Höfe im äusseren
Prättigau, die von anderen gerodet wurden und durch Kauf oder Schenkung in
den Besitz des Klosters kamen. Urkunden über diese Erwerbungen gibt es fast
keine. Es zeigt sich aber, wie umfangreich der Besitz des kleinen Klosters mit
der Zeit wurde. Viele Besitztümer waren wahrscheinlich Schenkungen.
Schon früh kam das Kloster in den Besitz des Hofes Luzein. Die Freiherren
von Vaz hatten ihn 1246 vom Bischof von Chur zu Lehen bekommen. Diese
schenkten den Hof ihrerseits der Propstei Klosters. Zu Beginn des 16.
Jahrhunderts umfasste der Luzeiner Hof 24 Güter. Zudem kauften die
Prämonstratenser 1266 von den Rittern von Aspermont, die im Vorderprättigau
und in der Herrschaft Güter besassen, einigen Grundbesitz. Es handelte "sich
wahrscheinlich um Weinberge und Obstgarten in Malans. Das heisst: die
Klosterser Chorherren konnten sich mit allem versorgen, was sie zum Leben
brauchten. Im 13. Jahrhundert kaufte das Kloster auch zwei Klosterser Alpen
von den Freiherren von Vaz, die damals in der Gegend von Klosters Güter
besassen. Auch das Mutterkloster Churwalden hatte Besitz in Luzein. Die
Kappelle St. Maria und Florinus, die heutige evangelische Kirche, die Kaplanei
mit dem dazugehörigen Gut blieb bis zur Reformation direkt Churwalden
unterstellt.
S. 17: Das religiöse Leben im Hochmittelalter
Dem religiösen Leben, das sich in und bei den Kirchen abspielte, will ich im
Zusammenhang mit meiner Arbeit nicht weiter nachgehen. Zentrum war das
Bistum Chur mit der Kathedrale. Der Bau wurde um 1160 begonnen und 1272
eingeweiht. Das in den grösseren Klöstern wie Pfäfers und Disentis gepflegte
geistig-kulturelle Leben strahlte weder auf die vornehme Oberschicht noch auf
das breite Volk aus. Die Heiligenverehrung war weit verbreitet. Man hatte das
Bedürfnis, sich vor plötzlich auftretendem Unglück zu schützen. Christophorus
spielte dabei eine wichtige Rolle. Manche Malereizyklen mit Darstellungen
aus dem alten und neuen Testament dienten als Biblia pauperum, als
Volksbibel für die christliche Unterweisung des analphabetischen Volkes.

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Diesen Sinn hatte etwa die Bilderdecke in der Kirche Zillis und ähnliche
Darstellungen wie in der Kirche Rhäzüns. Für die Verstorbenen wurden
Jährliche Seelenmessen gelesen. Die Begräbnisrituale entsprachen dem
sozialen Gefüge der Bevölkerung.
S. 18:

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Die vornehmen Familien hatten ihre Grabstätten in der Kathedrale in Chur
oder in den Hausklöstern, die Freiherren von Vaz im Kloster Churwalden.
Ausser einigen Grabsteinen, die der adeligen Oberschicht zuzuordnen sind,
gibt es über die Kennzeichnung und den Schmuck der Gräber zwischen dem
10. und 14. Jahrhundert keine Zeugnisse. Die Kirchendecke in Zillis gehört zu
den bedeutendsten Kunstwerken der Romanik in Graubünden. Die 153
Bildtafeln überdecken das ganze Kirchenschiff. Das thematische
Schwergewicht liegt auf der Darstellung des Lebens Christi und der Vitae des
Kirchenpatrons St. Martin.
S. 19: Die Freiherren von Vaz.
Die rätischen Adelsgeschlechter
Die meisten rätischen Adelsgeschlechter stammten nicht aus Rätien. Sie waren
Zugewanderte, viele aus dem süddeutschen Raum. Mit dem dortigen Adel
unterhielten sie enge Beziehungen, die sich auch in Heiratsverbindungen und
Güterverflechtungen äusserten. Die rätischen Adelsgeschlechter, die im 12.
und in den folgenden Jahrhunderten in Rätien eine Rolle spielten, waren zum
grossen Teil keine Einheimischen. Sie wollten in dem zum Teil noch dünn
besiedelten rätischen Raum neue Besitztümer aufbauen.

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Ihnen kam entgegen, dass die Besitzesverhältnisse noch nicht überall
festgefügt waren, vor allem dort, wo Neuland gewonnen wurde. Es entstanden
in verschiedenen rätischen Gebieten meist kleinere Besitztümer. Zu diesen
zugewanderten Geschlechtern gehörten auch die Freiherren von Vaz, die
Linzgauer Edelfreie waren. Der Linzgau befindet sich nördlich des Bodensees
in der Gegend von Uhldingen und Salem. Die Freiherren von Belmont, die
ihren rätischen Sitz bei Flims hatten, die Freiherren von Rhäzüns, die
Freiherren von Sagogn - Wildenberg und andere Geschlechter waren auch
nach Oberrätien zugewandert. Aber auch die Freiherren von Tarasp hatten ihre
Wurzeln im schwäbischen Raum. Diese Herren hatten in ihrer ursprünglichen
Heimat Besitztümer und Rechte, die sie veräusserten. Mit dem erworbenen
Geld kauften sie Besitzungen in Oberrätien. Diese Geschlechter waren
durchweg keine Grafen, denn sie besassen keine Lehen, die sie von einem
König erhalten hatten. Darum nannten sie sich Freiherren. Die meisten
Geschlechter sprachen Deutsch, und der Verkehr mit ihnen erfolgte in dieser
Sprache. Sie wollten sich nicht mit dem gewöhnlichen, damals zu einem
grossen Teil noch Romanisch sprechenden Volk auf eine Stufe stellen. Diese
Abwendung von der Sprache des Volkes und die andere Lebensweise
zeichnete diese Zuwanderer aus. Dazu wanderten deutschsprechende Leute aus
Gebieten in Unterrätien zu. Dies fühlte dazu, dass die romanische Sprache von
Norden her zurückgedrängt wurde. Die meisten der neuen Herrengeschlechter
wohnten auch ausserhalb der Dörfer. Das in Rätien erfolgreichste von diesen
Geschlechtern war das der Freiherren von Vaz, das schon nördlich des
Bodensees umfangreiche Besitzungen und Rechte besass.
Die Anfänge des Geschlechts von Vaz
Die Freiherren von Vaz erschienen nach der neusten Forschung erstmals um
1160 in Oberrätien mit Walter I. und seinem Sohn Walter II. Sie traten als
Zeugen für eine Schenkung der Freiherren von Tarasp an den Bischof von
Chur auf. Das ist die erste Erwähnung Walter des I. von Vaz. Wann er geboren
wurde, wissen wir nicht. Er wohnte in Schwaben nördlich des Bodensees
zwischen Meersburg und Überlingen. Das Geschlecht der Vazer lebte später in
Oberrätien als Zugewanderte. Walter I. von Vaz nannte sich auch Walter von
Seefelden. Die alte Kirche St. Martin in diesem Ort gehörte den Freiherren von

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Vaz und war eine der ältesten in der Gegend. Seefelden ist ein kleiner Ort bei
Unteruhldingen direkt am Bodensee. Zu diesem Kirchspiel
S. 20: gehörten zahlreiche Dörfer im Linzgau zwischen dem Bodensee und dem
Kloster Salem. Dieses war die erste Niederlassung der Zisterzienser in diesem
Raum. Hier beginnt die Geschichte der Freiherren von Vaz. Sie ist in ihren
Anfängen eng mit dem Zisterzienserkloster von Salem verknüpft.
Bei der oben erwähnten Schenkung an den Bischof von Chur treten die
Freiherren von Vaz erstmals in Oberrätien und fast gleichzeitig, 1158, in
Seefelden in Oberschwaben als Beteiligte auf. Das war kurze Zeit vor dem Tod
von Walter dem I. Also hat er vor diesem Datum längere Zeit im Linzgau
gelebt zusammen mit seinen Söhnen Walter dem II. und Rudolf dem I. Es kann
auch sein, dass sie zeitweise in Rätien, in Vaz, lebten.
Die Bauern mussten jährlich auf ein bestimmtes Datum den Lehenszins
bezahlen. Sie waren meist Hörige ihres Herrn oder gar Leibeigene. Wenn ein
solcher Bauer starb, fiel das Lehen zurück an seinen Herrn. Seine
Nachkommen mussten es wieder auslösen. Das war im Mittelalter weit herum
das Verhältnis zwischen hörigen Bauern und ihrem Herrn. Mit dem Einzug der
Lehenszinsen wurden Dienstleute betraut. Solche Aufgaben dienten auch als
Sprungbrett vom niederen in den hohen Adel. Die Freiherren von Vaz waren
ursprünglich solche Angehörige des niederen Adels. Sie stiegen mit der Zeit
durch ihre Tüchtigkeit im Erwerb von Gütern und Rechten und auch durch ihre
Heiratspolitik zum Hochadel auf. Es ist gesichert, dass die Freiherren von Vaz
ihre ersten Besitzungen im Linzgau erwarben und schon dort als Kirchenvögte
von Seefelden zu Reichtum und Ansehen kamen. Sie erwarben aber auch
schon bald Besitz und Rechte in verschiedenen Gebieten Oberrätiens, teils als
Lehen des Fürstbischofs von Chur, mit dem sie sich von Anfang an auf guten
Fuss zu stellen versuchten.
Linzgauer Edelfreie
Salem stand auf dem Eigengut eines Edelfreien, dessen Schenkung 1134/37
auch zwei Seefelder Herren als Zeugen bestätigen: Albert I. und sein
gleichnamiger Sohn. Das sind die ältesten bekannten Vazer Vorfahren. Sie
erscheinen aber nach dieser Zeugenschaft nicht mehr. Die Vazer waren
Linzgauer Edelfreie. Walter I. von Seefelden war wahrscheinlich ein damals

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noch unmündiger Bruder von Albert I. Er wurde 1158 mit seinen beiden
Söhnen Walter II. und Rudolf I. bei einem Gütertausch zwischen dem Kloster
Salem und der Kirche Seefelden genannt. Bei diesem Tausch, der vor der
Kirche mit den anwesenden Kirchengenossen stattfand, war Walter sowohl als
Vogt der Kirche, als auch als Besitzer von eigenen Gütern beteiligt. Das
Kloster Salem erhielt von Kirche und Vogt die Zehnten zweier klosternaher
Huben (eines Gutes in Maurach). Walter gab seiner Kirche Ackerboden in
Seefelden und erhielt von Salem eine halbe Hube. Der Tausch betraf alle drei
Parteien, weil die Zehntrechte zu zwei Dritteln dem Kirchherren und zu einem
Drittel dem Pfarrherrn Berchtold von Seefelden zukamen. Diese Urkunde zeigt
die zehntrechtlichen Beziehungen zum Kloster Salem, die noch bis 1307 alle
Freiherren von Vaz beschäftigen sollten.
S. 21:
Wo die Freiherren von Vaz im Linzgau lebten und wie lange, kann nicht
festgestellt werden. Das Zentrum ihrer Herrschaft war die Kirche von
Seefelden. 1169 bestätigte der Bischof von Konstanz einen weiteren
Gütertausch zwischen dem Kloster Salem und Seefelden und bezeichnete
Walters Sohn Rudolf I. als Vogt der Seefelder Kirche. Seine Frau war mit
ihrem ganzen väterlichen Erbe ausgestattet worden, was nahelegt, dass zu
diesem Zeitpunkt auch Walter II. schon verstorben war. Als Zeugen der
Ausstattung wirkten Graf Mangold mit seinen Söhnen Wolfrad und Eberhard
von Veringen, Vater und Bruder von Willibirg, der Frau von Rudolf I. von
Vaz. An der Veringer Ausstattung nahmen also edelfreie Zeugen auch die

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Brüder Burkard und Albert von Frickingen und Albert von Tarasp teil, der
vielleicht ebenfalls aus dem Linzgau stammte. Die Frickinger und Tarasper
Zeugen geben einen Hinweis darauf, wie die Herren von Seefelden zu ihrer
Herrschaft in Vaz kamen: über Vintschgau und Unterengadin. Die Herren von
Frickingen waren schon 1134/37 Zeugen der Salemer Gründung und wurden in
Bestätigungen 1183, 1185 und 1192 als Salemer Wohltäter genannt, und beim
Gütertausch waren die Frickinger ebenfalls Zeugen neben Walter und seinen
beiden Söhnen von Seefelden.
1163 schenkte Burkhard dem Kloster Müstair einen Hof bei Meran, und 1173
tauschten seine Söhne und ihre Mutter Heilwig, eine Schwester Gebhards von
Tarasp ihren Hof in Burgeis gegen einen Hof in Ardez. Albert verkaufte als
letzter Frickinger seinen ganzen Vintschgauer- und Unterengadiner Besitz mit
der Burg in Ardez an den Churer Bischof. Er ist am 2. Februar 1209 ins Churer
Totenbuch eingetragen.
S. 22:
Das Frickinger Beispiel von Linzgauer Edelfreien, die im Bistum Chur eine
Herrschaft aufzubauen versuchten, darf auch auf die Seefelder Herren
angewendet werden, denn zwei Urkunden zeigen eine Beziehung der Vazer
Herren zu den Freiherren von Tarasp. Bei der Schenkung Ulrichs von Tarasp
1160 wird Walter der I. von Vaz an der Spitze der Zeugenliste genannt, vor
den rätischen Freiherren von Rhäzüns, Sagogn und dem Tarasper Verwandten
Friedrich von Matsch. Um 1170 wird Rudolf I. von Vaz als Zeuge zwischen
Gebhard von Tarasp und den Brüdern Heinrich und Albero von Burgeis,
Eugino von Matsch und Henrich von Rhäzüns genannt. Diese frühen Auftritte

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machen es wahrscheinlich, dass die Herren von Seefelden-Vaz, Tarasp, Matsch
und Burgeis eher zum Vintschgauer als zum oberrätischen Adel gehörten. Mit
dem Erscheinen der Staufer in Rätien wurden die Vazer zu deren wichtigsten
Gefolgsleuten. Rudolf I. war 1192 am Hoftag Kaiser Heinrich VI. bei dessen
Aufenthalt im elsässischen Haguenau und 1194 einer der Zeugen des Kaisers
bei dessen Aufenthalt in Chur.
Der Umzug der Freiherren von Vaz aus dem Linzgau nach Oberrätien
Die Freiherren von Vaz stiessen zu Beginn des 13. Jahrhunderts immer mehr
an Grenzen bei der Ausdehnung ihres Besitzes in Oberschwaben Es war ihnen
vor allem nicht möglich, ein zusammenhängendes Gebiet mit den
entsprechenden Rechten in ihren Besitz zu bringen. Deshalb entschlossen sich
die Freiherren von Vaz zum Umzug nach Oberrätien, um sich dort
festzusetzen. Im zum Teil noch dünn besiedelten Oberrätien gab es auch noch
Neuland, das man roden und in seinen Besitz bringen konnte. Dieser Umzug
war ein Jahrzehnte langer Prozess. Während dieser Zeit verkauften die Vazer
in ihrer alten Heimat ein Gut nach dem andern. Das auf diese Weise
gewonnene Geld setzten sie später dazu ein, in Oberrätien zu Besitz und
Rechten zu kommen. Die Freiherren von Vaz gehörten im 12. und 13.
Jahrhundert zu den wichtigsten Adelsgeschlechtern, zuerst in Oberschwaben,
dann in Oberrätien.
S. 23: Erster vazischer Besitz in Oberrätien
Die Herren von Seefelden-Vaz erhielten in Oberrätien, was sie am
Bodenseeufer aufgaben: einen Grosshof mit Kirche, der wohl den im
karolingischen Reichsurbar von 842/43 genannten Höfen in Vaz und Lantsch
mit 31 Huben entsprach. In der Zeit von 1160 und 1170 war im Unterengadin
so einiges los an Güterübertragungen: Beteiligte waren die Freiherren von
Tarasp und andere Geschlechter aus dem Unterengadin und dem Vintschgau.
Die Freiherren von Vaz, zuerst Walter I. und dann sein Sohn Rudolf I. waren
als Interessierte und als Zeugen bei diesen Übertragungen dabei. Wichtiger
Nutzniesser war der Bischof von Chur.

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Der Grosshof in Obervaz kam aber nicht auf diesem Weg an die Freiherren
von Vaz. Er wird schon im Reichsurbar von 843 als Königsgut erwähnt.
Lehensherr war ein gewisser Graf Azo. Der spätere Name Vaz geht auf diesen
Azo zurück. Nach ihm nannten sich seine Nachkommen Freiherren von Vaz.
Ob der Grosshof Obervaz von diesem Azo gegen Ende des 12. Jahrhunderts
direkt an die Freiherren von Vaz überging oder auf dem Umweg über den
Bischof von Chur, bleibt offen. Über diese Übertragung gibt es keine Urkunde.
Sie erlaubte aber den Vazern, in Oberrätien Fuss zu fassen.
Im Vazer Urbar um 1300 sind von 27 Höfen die Abgaben verzeichnet, die auf
den 960 und 1061 erwähnten Zins von Königsgut hinweisen. Mit den vier
1222, 1237 und 1246 genannten Höfen des Klosters Churwalden und des
Bistums Chur entsprachen die 31 Vazer Höfe vielleicht den
frühmittelalterlichen Höfen, die das Kloster Salem durch Kauf oder als
Schenkung erhalten hatte. Der Fernbesitz des Bischofs von Konstanz wurde
1227 und der bei Messkirch 1243 an Salem übertragen. Diese
Güterübertragungen vollzog Walter III. von Vaz mit seinem Verwandten Graf
Eberhardt von Rohrdorf, der von 1191 bis 1240 Abt in Salem war. Nach
seinem Tod bekam Walter III. von Vaz pauschale Bestätigungen für die
Übertragung des ganzen ehemaligen Besitzes der Vazer im Linzgau. Für die
sieben Vazer Eigengüter und die 30 Seefelder Zehnten erhielt Walter III.
insgesamt 505 Silbermark, sein Grossneffe Reiniger bekam noch 30 Mark.
Diese recht hohen Beträge, die die Vazer für ihre Besitzungen und Rechte in
der Gegend am Bodensee in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts
erhalten hatten, resultierten aus verschiedenen Kaufverträgen. Es zeigt
einerseits, welchen Hunger zur Ausdehnung von Macht und Einfluss das
Kloster Salem hatte und diesen neuen Besitz auch wie es heisst, gut bezahlen
konnte. Anderseits zeigt sich, dass die Freiherren von Seefelden - Vaz sich in
relativ kurzer Zeit einen bedeutenden Reichtum aneignen konnten. Mit dem am
Bodensee erwirtschafteten Besitz kamen sie nach Rätien, um sich hier etwas
noch grösseres aufzubauen. Der Besitzeshunger des Klosters hat
wahrscheinlich zum Umzug der Vazer nach Rätien beigetragen. Die dort
wohnhafte Bevölkerung hatte zu all diesen Güterübertragungen nichts zu
sagen. Ihre Zehntabgaben und Rechte waren vertraglich festgelegt,
vorausgesetzt, der neue Herr hielt sich an die Abmachungen und versuchte
nicht, zusätzliche Abgaben von seinen Untertanen zu erheben. Sie lebten unter

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ihren Herren mehr schlecht als recht. Die Freiherren von Vaz gaben ihre
Herrschaftsrechte in
S. 24: der lieblichen und fruchtbaren Gegend am Bodensee auf, um ins teilweise
wenig fruchtbare und zum Teil noch kaum erschlossene Oberrätien zu ziehen,
um dort ihren Traum von einem grösseren zusammenhängenden Hoheitsgebiet
zu verwirklichen. Hier am Bodensee war der Raum für die Verwirklichung
ihrer Idee zu eng. Der Besitz war auf viele grössere und kleinere
Herrengeschlechter verteilt. Zudem hatte das Kloster Salem anfangs des 12.
Jahrhunderts einen starken Expansionsdrang und wurde auch vom
Staufenkaiser Friedrich II. begünstigt. In Oberrätien gab es noch
Möglichkeiten, neue Gebiete für sich zu gewinnen, Macht und Einfluss
auszudehnen.
Das Kloster Salem und seine Umgebung
Die Abtei Salem wurde 1134 von einem lokalen Freiherrn in einem stillen Tal
an der Linzer Aach 12 km östlich von Überlingen gegründet. Ein gewisser
Flowin und zwölf Mönche entschlossen sich 1137, das Zisterzienserkloster zu
bauen. Die Zwölfzahl der Mönche erinnert an andere
Kolonisationsunternehmungen: Die Hofsysteme in Davos, Klosters, Safien
oder Obervaz. Die Linzgauer Landschaft war um 1140 zwar keine Wildnis
mehr, aber die hügelige Hochfläche mit eiszeitlichen Becken und Mulden und
sumpfigen Stellen bot noch eine zivilisatorische Herausforderung und kam
dadurch dem Rodungs- und Expansionsdrang der Zisterziensermönche
entgegen.
Der Zisterzienserorden
Dieser war in seiner frühen Zeit eine radikale Bewegung: Rodungsarbeit im
Dickicht. Die klügsten und tatkräftigsten Menschen des 12. Jahrhunderts
liessen sich begeistern vom zisterziensischen Aufbruch. Die Handarbeit hatte
im Orden einen hohen Stellenwert neben Messen und Chorgebet. Das
Klosterleben war Kasernendienst in einer Härte, gegen die heutige
Fremdenlegionäre aufbegehren würden. Die durchschnittliche
Lebenserwartung des Zisterziensermönchs betrug nur 28 Jahre gegenüber
einem gesamtgesellschaftlichen Durchschnitt von 35 Jahren. Hunger bei
gleichzeitiger Arbeitsbelastung, so lautete das Prinzip der zisterziensischen

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Askese. Diese Existenzform führte zur frommen Entrückung, förderte aber
auch einen ungekannten organisatorischen Realismus und produzierte ein
unerhörtes wirtschaftliches Wachstum.
Privilegien und Erfolge von Salem
Die reichsunmittelbare Abtei Salem erfreute sich der besonderen Gunst der
Staufenkaiser. Im Frühling 1212 kam der neugewählte Staufenkaiser Friedrich
II. aus Italien über den Lukmanierpass nach Chur, während sein welfischer
Gegenpartner Otto IV. ebenfalls aus Italien kommend über den Brenner an den
Bodensee eilte, wo die beiden aufeinander trafen. Der Staufer setzte sich durch
und wurde zum Kaiser gekrönt. Auf seinem Zug über die Alpen und nach
Schwaben hatten ihn der Bischof von Chur und der rätische Adel unterstützt.
So bestätigte der junge Kaiser dem Churer Oberhirten 1213 die Verleihung der
Hochstiftsvogtei und weiterer Privilegien. Erwähnt werden auch die beiden
Klöster St. Luzi und Churwalden.
S. 25: Salem wurde vom Kaiser sehr bevorzugt behandelt. 1213 liess Friedrich II. der
Abtei drei Privilegien und Besitzesbestätigungen ausstellen. 1214 folgten zwei
weitere Königsdiplome, dazwischen die Bestätigung der Vazer Schenkungen,
1216 nochmals zwei Privilegien und 1217 eine abermalige Besitzbestätigung.
1230 kam Salem abermals in den Genuss einer Königsurkunden Serie. Der
Inhalt dieser zweiten Serie ist bezeichnend. Es handelte sich um
Steuerbefreiungen für die Häuser und Nebenbetriebe, die Salem in den
schwäbischen Städten hatte. Während dieser Zeit erlebte das Kloster eine
beispiellose Wirtschaftsblüte. Diese war hauptsächlich dem Klostervorsteher
zu verdanken, Abt Eberhard II., einem Grafen von Rohrdorf aus dem Linzgau.
Walter III. und Rudolf II. von Vaz nannten ihn anlässlich des Geschäfts von
1216 ihren geschätzten Freund und Blutsverwandten. Sie waren wohl seine
Neffen. Die Wirtschaftsverfassung der Zisterzienserklöster beruhte zunächst
ganz auf Eigenbau. Die Klöster vermieden Streubesitz oder fassten diesen zu
Aussenstellen zusammen. Wenn die Churwaldner Chorherren ihre Meierhöfe
in Chur, Maienfeld und Feldkirch als Aussenhöfe bezeichneten, dann eiferten
sie offenbar dem Beispiel Salems nach. Das System der Eigenbetriebe wurde
durch Abt Eberhard von Salem mit einer aggressiven Erwerbspolitik und mit
Verpachtungen, also Zinswirtschaft, kombiniert.

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Obwohl der Salemer dadurch eigentlich die zisterziensischen Grundsätze
verletzte, konnte sich sein Wirtschaftsstil im ganzen Orden durchsetzen.
Wachstum und Krisenmanagement
Der Auskauf der Vazer Zehnten und Güter gehörte in ein Salemer
Gesamtkonzept. Der Aussenhof Maurach war wegen des Seeanstosses wichtig.
Von hier aus wickelten die Salemer Brüder ihre Güterschiffahrt ab.
Insbesondere war es eine Etappe des Salzhandels, nachdem der Erzbischof von
Salzburg den Salemern seine Salinen zur Ausbeutung überlassen hatte.
Schliesslich verfügte die Reichsabtei im Umkreis von 15 km um den
Klosterstandort über ein Territorium mit voller Landeshoheit. Die Freiherren
von Vaz wichen durch ihre Verkäufe und Schenkungen zugunsten Salems vor
einer unaufhaltsamen Macht zurück und versuchten ihre Ziele anderswo zu
erreichen. Durch die Verkäufe an Salem verfügten sie über ein Polster, um in
Oberrätien Land und Rechte zu kaufen. Unterdessen wuchs die Herrschaft
Salem weiter. 1282 ging man daran, eine grössere Klosterkirche zu bauen. Ihre
Gemeinschaft zählte inzwischen hundert Mönche und hundert Konversen,
während die alten und reichen Benediktinerklöster Reichenau und St. Gallen
nur je ein halbes Dutzend Mönche zählten. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts
hatte Salem Jahreseinkünfte von tausend Silbermark, mehr als doppelt so viel
wie Reichenau und fast dreimal so viel wie St. Gallen.
Unterdessen hatte Salem auch die Krise des Interregnums von 1250 bis 1275
gemeistert. Nach dem Tod Kaiser Friedrich II. 1250 hatte das Kloster seinen
Beschützer verloren. Aber die Salemer reagierten kaltblütig. Sie schlossen sich
dem andern grossen Schutzherrn, dem Papst an. Noch 1250 erhielten sie von
Papst Innozenz IV. die detaillierte Bestätigung aller urkundlich besiegelten
Klostergüter. So
S. 26: gewappnet hat das Kloster den Kampf gegen seine staufisch gesinnten
Nachbarn aufgenommen. Dieser Adel hatte das Kloster beraubt. Unterstützt
durch den Bischof von Konstanz mussten die Ritter und Herren der Umgebung
gegenüber dem Kloster Sühne leisten. Die Vazer mochten nach dem Tod des
Kaisers Friedrich II. nicht länger für die Staufer Partei ergreifen und
schwenkten auf die Linie des Papstes über. Es war Walter III., der diesen
Wechsel vollzog, als der Montforter Graf Heinrich Bischof von Chur wurde.

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Sein Halbbruder Hugo schwenkte auch zur päpstlichen Partei über. Da rückte
sein noch junger Enkel Walter V. nach. Von seinem Vater Walter dem IV.
erfahren wir nichts. Er war wohl schon vor seinem Vater verstorben. 1255
haben wir die erste Urkunde, die Walter V. besiegelt hat, aber in Abhängigkeit
von seinem geliebten Onkel Hugo II. von Montfort. Der junge Vazer war noch
kaum volljährig. Ausgestellt wurde die Urkunde im montfortischen Bregenz.
Es ging darin einmal mehr um die Sicherung des vazischen Besitzes gegenüber
dem Kloster Salem (im Wert von 500 Silbergulden). Die letzte Urkunde in
dieser Sache stammt aus dem Jahr 1262. Inzwischen war Walter V. von Vaz
volljährig geworden. Er wurde einer der wichtigsten Vertreter des Vazer
Geschlechtes. In der Urkunde von 1262 geht es um alle Besitzungen und
Zehntrechte und um die Pfarrei, beziehungsweise das Patronatsrecht der
Kirche von Seefelden. Damit scheint die Auseinandersetzung mit dem Kloster
Salem beendet, und die Vazer konnten das gewonnene Geld in neue
Besitzungen und Rechte in Rätien investieren.

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S. 27: Aus der Frühgeschichte von Vaz-Obervaz
Das Dorf Vaz-Obervaz ist nachgewiesen zur Zeit der Karolinger (zwischen
750 und 910). Das Urbar der fränkischen Krongüter von 831 erwähnt die Orte
Lain, Muldain und Zorten mit der damaligen Kirche St. Donat. Das am
sonnigen Südhang der Lenzerheide gelegene Gebiet zog die Siedler schon sehr
früh an. Es eignete sich für den Anbau von Korn. Dieses Gebiet zog auch die
aus der Gegend nördlich des Bodensee stammenden Freiherren von Vaz um
die Mitte des 12. Jahrhunderts an. Auf welchem Weg sie nach Obervaz kamen,
wissen wir nicht so sicher, vielleicht auf einem Umweg von Osten her. Denn
als Walter I. von Vaz 1160 noch Vogt der Kirche Seefelden am Bodensee war,
besass er dort noch viele Güter.
Die Freiherren von Vaz waren schon mindestens seit 1153 in Obervaz
anwesend. Auf dem Hügel Nivagl östlich von Zorten bauten sie eine einfache
Burg als Wohnsitz. Von dort aus beherrschten sie den Weg nach Alvaschein,
Tiefencastel ins Albulatal, den Weg nach Lenz, Brienz und den Weg durch den
Schyn ins Domleschg. Die alte Burg ging etwa aufs Jahr 1000 zurück, als es
das Geschlecht der Vazer noch gar nicht gab. Mit ihrem Erscheinen in Obervaz
um 1150 wurde sie zu einer Wohnburg ausgebaut und der erste Herrensitz der
Freiherren von Vaz in Rätien. Durch Grabungen auf diesem Hügel hoffte man,
auf einen Gutshof zu stossen. Aber man fand im ganzen Bereich des Hügels
nicht viel, das auf eine Burg und weitere Gebäude der Vazer hinwies. Ihren
Namen Vaz begründeten sie mit ihrem Gutsbesitz in Obervaz. In dieser ersten
Zeit waren sie wahrscheinlich nur zeitweise in Obervaz anwesend, denn sie
hatten auch noch ihren Besitz im Linzgau am Bodensee zu verwalten.
Die Freiherren von Vaz in ihrem Beziehungsnetz
In Obervaz hatten die Freiherren von Vaz ihre erste rätische Besitzung. Sie
hatten Fuss gefasst in einem Gebiet, wo sie ein eigenes Territorium aufbauen
wollten. Was ihnen am Bodensee nicht gelang, wollten sie hier in Oberrätien
aufbauen. Zu ihrem Besitz in Obervaz waren sie durch einen Gütertausch
gekommen. Die Frau von Walter III. von Vaz, Adelheid von Rapperswil
übertrug Güter am Bodensee an das Kloster Salem. Dafür erhielt sie von Salem
ein Gut in Obervaz. Jährlicher Zehnten waren 40 Scheffel Getreide, 40 Laib
Käse, 3 Lämmer, 1 Schwein sowie 1 Saumtier von der Alp Sanaspans oberhalb
Lenzerheide. Das war eine ganze Menge an Abgaben. Schon damals erhielten

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sie 12 Laib Käse aus dem Davoser Tal. Die Blicke der Vazer richteten sich vor
allem auf Mittelbünden, Davos und das Prättigau. Es gab darunter altbesiedelte
Gebiete wie das Schams, das Domleschg, den Heinzenberg, das vordere und
mittlere Prättigau, teil- oder dünn besiedelte Gebiete wie das Churwaldner Tal,
die Landschaft Davos und das hintere Prättigau. In diesen Gebieten gab es im
13. Jahrhundert noch ausgedehnte Wälder, aus denen man Gebiete für neue
Siedlungen gewinnen konnte. Die Besitzesverhältnisse waren in solchen
Gebieten noch nicht überall geregelt. Hier konnten die Freiherren von Vaz
ihren Expansionsdrang stillen und neue Gebiete und Rechte für sich sichern.
Als Zentrum für ihr Herrschaftsgebiet hatten sie es auf die Landschaft Davos
abgesehen. Dort war um 1200 herum erst das
S. 28: Haupttal teilweise dünn besiedelt, teilweise auch nur im Sommer. Der erste
Beleg für den Vorstoss der Vazer ins Landwassertal stammt aus dem Jahr
1213. In der Urkunde ist von einem Ort Kritsis die Rede. Das ist eine
Verdeutschung des romanischen Wortes Crista oder Cresta und deutet auf den
Vorstoss von Romanen ins Hochtal hin. Noch vor 1213 hatten die Herren von
Sagens-Wildenberg hier das Sagen, zu dieser Zeit die grossen Konkurrenten
der Vazer, mit denen sie erst um 1250 gleichziehen konnten. Unter den
Sagens-Wildenbergern hatten sich schon etliche Jahre vor dem Erscheinen der
Vazer Siedler in Davos niedergelassen.

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Noch 1297, also unter Vazer Herrschaft, tauschten die Wildenberger ein Gut in
Davos gegen ein Gut zwischen Brienz und Vazerol. Hier in Davos war noch
Raum für die Ausbreitungsgelüste der Vazer. Die Romanen drängten nicht
weiter in das hochgelegene Gebiet vor, das sich für den Getreideanbau nicht
eignete. Die Vazer wollten Davos zum Zentrum für ihr angestrebtes Reich in
Rätien machen. Hier war ihnen der Bischof von Chur mit seinen
Machtansprüchen nicht im Weg, und einheimische Adelsgeschlechter, die den
Vazern Konkurrenz machen konnten, gab es auch nicht mehr.
Die Vazer verloren auch bald einmal ihr Interesse an ihren Besitzungen in
Obervaz und übertrugen sie 1237 an das Prämonstratenserkloster Churwalden
und 1246 auch an den Stift St. Jakob in Klosters. Dazu gehörten neben den
Höfen in Obervaz auch solche im vorderen Prättigau und im Domleschg. Sie
besassen erbliches Lehen in Tomils mit Schloss Ortenstein. Ihnen gehörten
auch die Burgen Neu Sins und Alt Sins bei Paspels und die Burg Heinzenberg.
Der Bau von Burgen im Domleschg hatte auch mit der wichtigen
Durchgangsroute zu tun. Die Arrondierung ihrer Herrschaft im Domleschg und
im Vorderprättigau waren den Vazern wichtiger als ihr Besitz in
S. 29: Obervaz. Durch diese Abtretung konnten die Vazer auch das Chorherrenstift
Chur zufrieden stellen. Zur Zeit dieser Besitzverschiebungen hatten sie ihre
Burg in Nivagl schon aufgegeben und den neuen Wohnsitz auf Burg Belfort
bezogen.
Die Wehrburg Belfort, erbaut 1228 bis 1230, neuer Wohnsitz der Freiherren
von Vaz (Aufnahme archäologischer Dienst Graubünden, 2007)

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Die Burg Belfort, der neue Wohnsitz der Freiherren von Vaz
Sie wurde 1230 der neue Sitz der Freiherren von Vaz. Diese Burg stand vom
13. bis 15. Jahrhundert im Brennpunkt des politischen, rechtlichen und
wirtschaftlichen Lebens des Landes Oberrätiens. Die Freiherren von Vaz
wollten ihren Einflussbereich über die Terrassendörfer des Albulatales in
Richtung Davos ausdehnen. Der neue Standort war eine strategisch wichtige
Stelle, wo der Verkehr in beide Richtungen gut kontrolliert werden konnte.
Man überblickte von hier aus das äussere Albulatal, und damit die
Verkehrswege Richtung Domleschg, Lenzerheide, Oberhalbstein und Bündner
Pässe, aber auch Richtung inneres Albulatal und nach Davos. Die Burg
gewährte, als sie einmal stand, den Bewohnern guten Schutz. Aber der Bau
war hier keine einfache Sache. Schon der Bauplatz war steil. Viel Baumaterial
musste hinauf befördert werden. Über den Bau der Burganlage sind uns keine
Einzelheiten bekannt.
S. 30: Ob die Burgherren ihren zukünftigen Wohnsitz selber planen konnten, oder
wie weit sie für diese Planung auswärtige Fachleute beiziehen mussten, ist
nicht bekannt. Die Annahme liegt jedoch nahe, dass der eigentliche Bau der
Burganlage durch Fachleute und die einheimische Bevölkerung unter grosser
Mühe und Anstrengung erfolgt sein musste, zum Teil in Fronarbeit. Deshalb
hatte die Bevölkerung von Anfang an ein gespaltenes Verhältnis zum neuen
Bau, den sie eigentlich gar nicht haben wollte. Für die Gebiete, die zu dieser
Zeit unter vazische Herrschaft kamen, hatte die neue Wehranlage auch etwas
positives, indem von ihr ein gewisser Schutz gegen fremde Übergriffe ausging.
Sie wurde von einem starken Herrn verteidigt, der ihre Rechte wahrnehmen
konnte. Es war durchaus ein Vorteil, im Einflussbereich des starken vazischen
Herrengeschlechts zu leben. Anderseits hatten die Untertanen, meist Hörige
oder gar Leibeigene, ihre gesetzlich festgelegten Abgaben, ihre Zinsen zu
entrichten. Die ab 1228 erbaute Burg Belfort war nicht die erste an diesem
Standort. Sie hatte eine Vorgängerin an diesem für den Durchgangsverkehr
wichtigen Platz. Sie stand an einer wichtigen europäischen West-
Ostverbindung.
Der Bau weiterer Burgen in Mittelbünden aus dieser Zeit
Zur gleichen Zeit wurden in Oberrätien weitere Burgen gebaut. Dabei hat man
sich beim Bau einer Burg die Erfahrung anderer Burgenbauer zu Nutze

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gemacht. Die Nachbarburg Riom konnte als Vorbild für Belfort dienen. Ihr
Bau geht auf das Jahr 1227 zurück. Auch im Domleschg wurden um diese Zeit
und zum Teil auch schon früher mehrere Burgen gebaut. Das hat einerseits mit
der Einwanderung und Ausbreitung ausländischer Adelsgeschlechter zu tun.
Anderseits mussten sie die Durchgangswege von Nord nach Süd und von West
nach Ost sichern. Alle wurden an markanter Stelle ausserhalb der Siedlungen
gebaut. Einige an heute nur schwer zugänglichen Orten. Die eigentliche
Schwerarbeit beim Burgenbau mussten die Untertanen leisten. Wieweit sie die
Arbeit in Frondienst ausführen mussten, ist nicht dokumentiert. Nach drei
Jahren stand die Burg Belfort, zwar noch nicht im Endausbau aber so, dass sie
als Residenz der Freiherren von Vaz dienen konnte.
S. 31:
Die Funktionen der Burgen
Burgen gab es in Oberrätien schon sehr früh, Burgen mit Zentrumsfunktionen
erst etwa seit dem 12. Jahrhundert. Die edlen Herren von Sagogn, Castrisch,
Belmont und Rhäzüns hatten direkte Beziehungen zu den entsprechenden
Burgen dieser Herren an den betreffenden Örtlichkeiten. Zu dieser Zeit
verliessen viele rätische Herrengeschlechter ihr Domizil in den Dörfern und
errichteten in der Nähe, meistens auf einem Hügel eine Burg.

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Sie bezeugten damit ihre herrschende Stellung, konnten von dort aus ihren
Besitz besser überblicken und fühlten sich sicherer. Einfache Anlagen
bestanden aus einem Wehrturm mit bis zu 2.50 Meter dicken Mauern und einer
Umfassungsmauer. Das Leben in solchen Wehrtürmen war alles andere als
komfortabel. Strahlegg bei Fideris und gewisse Wehrtürme am Eingang zum
Domleschg sind Beispiele von Kleinburgen. Die Namen der Burgen waren oft
fremden Ursprungs wie Belmont, Aspermont, Belfort und weitere. Andere
hatten ihren Namen von der Örtlichkeit, wo sie standen, wie Rhäzüns, Sagogn,
Ortenstein, Tarasp und viele mehr. Wieder andere tragen einfach den Namen
des Geschlechts, dem sie gehörten, wie Oberjuvalta oder Marmels. Die
Festlegung des Wohnsitzes eines Geschlechts ist nicht immer einfach. Manche
Herren wohnten nur zeitweise auf ihrer Burg oder wechselten den Wohnsitz
nach einer gewissen Zeit. Auf dem alten Wohnsitz wohnte dann nur noch ein
Vogt oder Verwalter. Die meisten Burgen dienten als Sitz eines Geschlechts
von Edlen und als Verwaltungszentrum für das dazugehörende
Untertanengebiet. Dieses Gebiet war meistens schon besiedelt, bevor der
adlige Herr dort erschien und seinen Wohnsitz dort einnahm. An manchen
Orten diente auch ein Verwaltungshof als Wohnsitz des Herrn. Manche
Geschlechter besassen auch mehrere Burgen. Die Abgaben und sonstigen
Pflichten dem Herrengeschlecht gegenüber waren
S. 32: recht verschieden und verschieden hoch. Die Abgaben wurden in Form von
Geld oder Naturalien erhoben. Mancherorts waren Frondienste zu leisten, z.B.
in Form von Wegunterhalt. Zu manchen Burgen gehörte auch ein Gutsbetrieb,
auf dem die Untertanen Frondienste leisten mussten. Die Umrisse der Gebiete,
die zu einer Burg und dessen Herrn gehörten, waren teilweise unklar. Dazu
kommt, dass mit Besitzungen oft gehandelt wurde. Es wurde gekauft und
verkauft. Manche Herren gerieten in Geldnot und mussten Besitzungen mit den
dazu gehörenden Rechten verkaufen. Auch einzelne Burgen mussten verkauft
oder wie die Burg Tschanüff bei Ramosch verpfändet werden. Manchmal hatte
ein Geschlecht keine männlichen Nachkommen mehr. Die weiblichen Erben
kamen dann durch ihre Heirat zu noch mehr Gütern und Rechten. Diese gingen
aber an ihre Ehemänner über. Burgen mussten auch Territorien oder
Durchgangsrouten sichern. So hat es etwa im Domleschg besonders viele
Burgen, nicht nur, weil dort die besonders fruchtbaren Gebiete lagen, sondern
auch, weil dort wichtige Nord-, Süd- und West- Ostverbindungen hindurch

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führten. Im Gegensatz dazu standen im Oberengadin und im Rheinwald fast
keine dauernd bewohnten Burgen. Die meisten Engadiner waren
Gotteshausleute, also dem Fürstbischof von Chur unterstellt, der ihnen auch
Schutz gegen fremde Übergriffe bot. Die meisten Burgen Rätiens waren zu
klein, um ein grösseres Gebiet zu verteidigen, dienten mehr den aufgeführten
Zwecken, also als Wohnsitz eines Herrengeschlechts und Verwaltungssitz des
dazugehörenden Gebiets. Eine Ausnahme bildete die Burg Belfort bei Brienz,
der Wohnsitz der Freiherren von Vaz. Diese Burg war in der zweiten Hälfte
des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts das Zentrum eines Gebietes, das
sich über weite Teile Mittel- und Nordbündens erstreckte. Manchmal waren es
ganze Verwandtschaftsgruppen, die zu einer Burg gehörten. Solche Gruppen
waren etwa die Edelfreien von Sagogn-Wildenberg-Greifenstein sowie die
ihnen nahestehenden Friberg-Frauenberg, die Grünfels-Löwenberg und die
Castelberg-Surcasti-Löwenstein. Die meisten dieser Geschlechter stammten
aus dem Vorderrheintal. Auch im burgenreichen Domleschg gab es solche
Gruppen von Herrengeschlechtern.
Intensiver Burgenbau in Nord- und Mittelbünden im 13. Jahrhundert
Verschiedene oberrätische Burgen stammen aus dieser Zeit. Im Einflussbereich
der Freiherren von Vaz waren es Belfort und Riom im Oberhalbstein. Neben
den Vazern mischten hier noch andere Geschlechter mit wie die Freiherren von
Wangen, die mit den Taraspern verschwägert waren und die Freiherren von
Sagogn-Wildenberg, die zu dieser Zeit den Vazern noch Konkurrenz bieten
konnten. Jedes Geschlecht brauchte mindesten einen sicheren Wohnsitz. Zu
den Burgenbauern gehörte auch der Bischof von Chur. Neben dem
Bischofssitz auf dem Churer Hof, der burgähnlich gesichert war, besass er die
Churburg im Vintschgau und Burg und Städtchen Fürstenau im Domleschg. Er
wollte dadurch seine weit verzweigten Gebiete besser sichern.
S. 33: Die Freiherren von Vaz mischten auch in andern Gebieten beim Bau oder bei
der Vergrösserung von Burgen mit. Im 13. Jahrhundert versuchten sie auch im
mittleren und vordern Prättigau zu Rechten und Besitz zu kommen. Die
Burgen dienten als Verwaltungszentren und zur Sicherung des Besitzes der
Vazer in diesem Gebiet Die Vazer waren an verschiedenen Orten innerhalb
ihres Besitzes im Burgenbau tätig, wahrscheinlich vor allem, um ihren Besitz
zu sichern und, um in ihrem Territorium an verschiedenen Orten ihre

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Stützpunkte zu haben. So waren sie am Bau der Burg Aspermont im vordern
Prättigau massgeblich beteiligt. Auch beim Ausbau von Solavers mischten sie
mit. Bei ihrem Vorstoss in die Bündner Herrschaft stiessen sie auf die Grafen
von Montfort. Die Vazer sicherten sich das Städtchen Maienfeld. Die
Montforter stiessen aus dem Bodenseeraum über Vorarlberg nach Rätien vor.
Vor ihnen sassen die Grafen von Bregenz in diesem Gebiet. Sie hatten ihren
Sitz in Bregenz an der engsten Stelle auf dem Weg von Schwaben nach Rätien,
zwischen Bodensee und den Vorarlberger Bergen. Die Grafen von Montfort
beerbten die Bregenzer nach ihrem Aussterben. Eine ihrer Burgen war die
Schattburg bei Feldkirch. Ein anderes Gebiet, wo die Vazer aktiv waren, war
das Domleschg. Es gab dafür zwei Gründe. Zum einen war es das fruchtbare
Tal, das bis an die steilen Flanken genutzt wurde und für die adeligen Besitzer
hohe Zinsen abwarf. Die zahlreichen grösseren und kleineren Herrensitze
dienten einerseits als Verwaltungszentren und anderseits als Schutzburgen für
die Herren, darunter die Vazer. Damit kommen wir zur strategischen
Bedeutung des Tales als Zugang zu den rätischen Alpenpässen. Es ist nicht von
ungefähr, dass es beim Taleingang bei Rothenbrunnen, Paspels und Tomils
eine ganze Reihe von Burgruinen gibt. Einzelne kleben gleichsam an den
Felsen beim Taleingang auch das stolze Schloss Ortenstein, auf markantem
Felsvorsprung gelegen, war vazisch. Dort wuchs auch Donat von Vaz, der
letzte Vazer mit seiner Mutter, der Gräfin von Kirchberg, auf.
Auf die Vazer gehen Neu-Sins und Alt-Sins zurück. Auf der andern Talseite
stand die Feste Heinzenberg. Das Domleschg war zu vazischer Zeit gleichsam
dreigeteilt. Oben am Talrand war bischöfliches Gebiet mit Almens und
Scharans, in der Mitte ein Streifen mit Paspels und Tomils unter Herrschaft der
Freiherren von Vaz und unten dem Rhein entlang wieder bischöfliches Gebiet
mit dem befestigten Städtchen Fürstenau als bischöflichem Stützpunkt. Dieses
steht am Anfang der wichtigen Route durch den Schyn ins Albulatal und
weiter durchs Oberhalbstein über die Pässe in den Süden. Zu erwähnen wären
noch die beiden Burgen Hohenrätien bei Thusis und Ehrenfels bei Sils.
An einem andern Ort stand auch eine vazische Burg, Strassberg bei Malix
gleichsam als Riegel am anderen Zugang zu den Bündner Tälern und den
Pässen nach Süden. Die Burgen im Oberhalbstein flankierten gleichsam die
Pässe Septimer und Julier. Der Bischof von Chur sicherte sich hier die Burg

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Riom. Zu den wichtigsten oberrätischen Burgen gehörte wie schon erwähnt
Belfort. An diesem leicht zu kontrollierenden Punkt stand schon früher eine
Burg, bevor die Vazer nach Rätien kamen. Sie suchten sich diesen Ort aus
verschiedenen Gründen zum Bau ihrer Burg aus.
S. 34: Zum Schluss gehen wir noch ins Rheinwald. Dort ist die Burg bei Splügen,
auch vazisches Gebiet. Die Rheinwaldner Walser hatten sozusagen zwei
Herren, die Freiherren von Sax - Misox und die Freiherren von Vaz. Ein
Grund, warum sie auf die Vazer Seite kippten, ist wahrscheinlich, dass sie sich
von den Freiherren von Vaz einen besseren Schutz erhofften als von den
Freiherren von Sax-Misox. Hatten sie doch ihre Burg Splügen ganz in der
Nähe. Sie mussten ja auch jährlich 20 Mark Schirmgeld bezahlen und standen
dafür unter dem Schutz der Vazer.
Von der Wehrburg zum Herrensitz.
Die Burg Belfort östlich von Brienz war während gut 100 Jahren von 1230 bis
1338 der Sitz der Freiherren von Vaz. Danach ging die Geschichte der
Burganlage weiter bis zu ihrer Zerstörung im Jahr 1499. Sie wurde nach dem
Tod von Donat von Vaz nicht mehr als Sitz eines Adelsgeschlechtes genutzt.
Für die Beschreibung der Burganlage Belfort stütze ich mich auf den
Jahresbericht 2007 des archäologischen Dienstes und der Denkmalpflege
Graubünden. Dort ist die in den Jahren 2002 bis 2007 erfolgte Sanierung und
Sicherung der ehemaligen Burganlage in allen Einzelheiten dokumentiert.
Die damalige Bedeutung des Baus ist noch heute erkennbar an seiner Grösse
und der baulichen Ausstattung der einzelnen Gebäude der Burg sowie an den
Spuren der späteren Erweiterungen und Veränderungen. Im zitierten
Jahresbericht des archäologischen Dienstes ist von einem Neubau die Rede.
Die Stämme für den Burgbau wurden im Winter 1227/28 gefällt,
wahrscheinlich im Wald oberhalb der zukünftigen Burganlage. Von dort her
waren sie leichter auf den Bauplatz zu transportieren. Man orientierte sich auch
an schon bestehenden Burgen. Die eigentliche Bauarbeit musste vor allem die
einheimische Bevölkerung leisten. Sicher ist, dass es eine strenge und zu einem
grossen Teil auch gefährliche Arbeit war. In der ersten Bauphase 1228 bis
1230 wurden der Hauptturm in der Nordwestecke als selbständiger Baukörper,
etwa 8 bis 9 Metern Höhe, einer Mauerdicke an der Basis von 2.30 Meter und

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einer Höhe von vier Stockwerken gebaut. Östlich anschliessend wurde danach
der Torturm mit dem Zugang zur Burg von der Nordseite her gebaut. So
entstand eine Wehrburg, wie es damals in Oberrätien viele gab. Im 2. Geschoss
des Hauptturmes wurde ein Aufenthaltsraum mit Kamin eingebaut. In der
Aussenwand befand sich ein Aborterker. Die beiden Türme erhielten als
Abschluss eine steinerne Plattform und auf den Aussenseiten Zinnen. Die
Plattform erlaubte eine Rundumsicht. Im südlichen Teil wurde der Palas in
dieser Bauphase zwei Stockwerke hoch gebaut. Er enthielt den Wohnbereich
und wurde mit einer Umfassungsmauer geschützt. Im Innern war ein Hof.
Darin wurde eine fünf Meter tiefe Zisterne ausgehoben. Es war nicht einfach,
im Kalkuntergrund genügend Wasser für die Burg zu bekommen.
S. 35:

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Die zweite Bauphase, die Erweiterung zur eigentlichen Wohnburg zum
Herrensitz der Vazer, erfolgte schon 1240 und in den darauf folgenden Jahren.
In diesen Jahren wurde auf der Süd- und der Westseite der Palas um zwei
Stockwerke erhöht und überdeckt. Diese oberen Geschosse wurden mit Kalk
geweisselt. Dort befanden sich neue Wohn- und Schlafräume. Über die ganze
Breite erstreckte sich der repräsentative Rittersaal. Dieser wurde besonders
schön ausgeschmückt auch mit dem Wappen der Vazer, dem doppelten
Schwanenhals und dem Schild mit vierteiligem, teilweise quadratischem
Muster. Die ausgebaute Burg enthielt wahrscheinlich mehr als eine
Wohneinheit. Die Wohnräume waren heizbar. Man fand auch Reste von
Kacheln, die auf einen Ofen hinweisen. Schönheit und Komfort waren wichtig.
Zu diesem gehörte auch der Einbau von Rundbogenfenstern, ja sogar von
einem Doppelfenster. Solche waren neu für diese Zeit. Der Zugang zur Burg
wurde in dieser zweiten Bauphase von der Nord- auf die Ostseite verlegt.
Aussen musste man über eine Treppe hoch nach oben steigen und gelangte
durch das Burgtor und den Torturm in den Innenhof und über Lauben in die
oberen Stockwerke. Mit dem Innenausbau der Burg wurde der Innenhof immer
kleiner. Man war froh, dass man mit gewissen Tätigkeiten in den freien Raum,
die Unterburg, ausweichen konnte. Von der Sicherungsmauer für diesen
S. 36: südlichen Teil der Burg ist fast nichts mehr vorhanden. Im Torturm wohnte
wahrscheinlich ein Dienstmann mit seiner Familie. Er hatte eine wichtige
Aufgabe. Ihm war die Burghut übertragen. Er kontrollierte das Burgtor und
sorgte dafür, dass keine Leute hereingelassen wurden, die auf dem Schloss
nichts zu suchen hatten. Er war für die Sicherheit der Schlossfamilien
verantwortlich. Bilder, die während der Restaurationsarbeiten gemacht
wurden, zeigen anschaulich, wie das Schloss des 13. und l4. Jahrhunderts
ausgesehen haben mag.
Die Grafen von Rapperswil und die Freiherren von Vaz
Zwischen diesen beiden Geschlechtern bestand zu einer gewissen Zeit im
dreizehnten Jahrhundert eine enge Verbindung. Rudolf III. von Vaz wurde als
Universalerbe zum Vogt Rudolf III. von Rapperswil. Aus rätischer Sicht von
Bedeutung ist aber die Frage, wann ein Freiherr von Vaz zu einem Grafen von
Rapperswil wurde.

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Denn die Antwort kann die Rolle erklären, die Walter V. von Vaz mit den
Grafen von Werdenberg und Rudolf von Habsburg in nachstaufischer Zeit
spielte. Dieses Ostschweizer Triumvirat gestaltete in den 1260-er Jahren des
Interregnums, der königlosen Zeit, die Herrschaftsverhältnisse zwischen
Bodensee, Zürich- und Walensee bis zur Zeit der Wahl des Habsburger
Herzogs Rudolf zum deutschen König um 1270 und der Ernennung des
Werdenbergers zum oberschwäbischen Landgrafen. 1273 verlor der Vazer an
Bedeutung, und der Werdenberger stellte sich ganz in den Dienst der
Habsburger Interessen.
Eine Vazer Übernahme der Rapperswiler Herrschaft kündigte sich 1229 an, als
der Vogt Rudolf von Rapperswil seinen Neffen Rudolf den III. von Vaz auch
als seinen Erben bezeichnete. Dessen Mutter Adelheid war die Ehefrau Walter
des III. von Vaz und also eine Schwester des Rapperswiler Vogtes. Diese
Verwandtschaft bestätigt auch das Kloster Wettingen in seinem Index der
Gründer und Wohltäter, wo ein Graf Rudolf
S. 37: als Neffe des Klostergründers Heinrich von Rapperswil bezeichnet wird.
Heinrich war der jüngere Bruder und also ebenfalls ein Bruder der Vazer
Gattin Adelheid. Mit dem urkundlichen Beleg 1229 und der Bestätigung im
Wettinger Index kann an einer Vaz-Rapperswiler Heirat kaum mehr gezweifelt
werden. Adelheid erscheint nur 1213 in Chur, wo sie auf ihre Rechte an den
Vazer Gütern im oberschwäbischen Linzgau verzichtet. In Lindau trat als
nichträtischer Zeuge auch Johann von Strätlingen auf, der Ehemann einer
weiteren Rapperswiler Schwester und Schwägerin Walter des III. von Vaz. Der

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Vaz-Rapperswiler Sohn Rudolf erscheint 1227 als jüngerer Bruder Walters IV.
von Vaz bei einem Güterverkauf an das Kloster Salem und bestätigt mit
seinem Siegel. Rudolf III. von Vaz war damals schon über 20 Jahre alt. Seine
Mutter Adelheid wurde um 1180 geboren, sein Vater Rudolf III. um 1170, und
sein Grossvater Rudolf I. von Vaz heiratete 1169 die Tochter des Grafen von
Veringen. In Rapperswil gab es drei Grafen namens Rudolf, die sich eindeutig
unterscheiden lassen. Der dritte und letzte Rudolf starb 1283, sein Vater
Rudolf II. 1262 und Rudolf I. trat 1233 als Graf Rudolf I. von Rapperswil auf
und muss der Freiherr Rudolf III. von Vaz gewesen sein, der 1229 als
Rapperswiler Neffe und Erbe genannt wurde. In diesem Zusammenhang
entstand in Rapperswil ein neues Grafengeschlecht, das nur noch den König
über sich hatte. Die Freiherren von Vaz waren in diesen Vorgang involviert,
blieben aber selber Freiherren. Ihnen ging es vor allem darum, die
Verkehrswege von Zürich über Rapperswil Richtung Rätien und über die
Alpenpässe in den Süden zu beherrschen. Sie wollten zwar in Mittelbünden ein
eigenes Territorium aufbauen. Sie mischten aber auch in der übergeordneten
Politik mit, und da war für sie die enge Beziehung und die Verschwägerung
mit der neuen Grafschaft Rapperswil sehr wichtig, denn das Rapperswiler
Schloss steht an einem wichtigen Zugang nach Rätien.
Weitere Parallelen zwischen Belfort und Rapperswil
Die Urkunde von 1229 bringt neben der Anwartschaft Rudolf III. von Vaz auf
die Rapperswiler Erbschaft auch die Ersterwähnung der Stadt Rapperswil samt
ihrem Schloss. Die Erwähnung der Bürgerschaft setzt auch die Existenz des
Schlosses voraus. In der Urkunde von 1233 wird die rapperswilisch-vazische
Standeserhöhung, die Erlangung der Grafenwürde bekannt gegeben. Bauherren
für die zweite Bauphase auf Belfort waren die Brüder Rudolf III. und Walter
IV. von Vaz. Die Erwähnung der Burg von Rapperswil lässt auf sich warten.
Erst 1258 wird in Castri Rapperswil eine Urkunde ausgestellt. Bei Belfort
erfolgt dieses Rechtsgeschäft erst 1254 in einer Urkunde der Gebrüder Rudolf
III. und Walter IV. von Vaz.
Eine Witwe in Nöten
1283 starb Graf Rudolf III. von Rapperswil. Zurück blieben seine Frau und ein
einjähriges Töchterchen. Andere Herren waren sofort bereit, seine Herrschaft
zu übernehmen. Doch die Ehefrau, eine Gräfin von Neuffen, trug ein Kind

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unter ihrem Herzen. Das keimende Leben wurde ein Knabe und der
rechtmässige Erbe seines
S. 38: verstorbenen Vaters. Walter V. von Vaz eilte der Frau zu Hilfe. Das zeigt
wieder die enge Verbindung der beiden Geschlechter. Mit Kriegern aus
Oberrätien, Schwyz und Glarus warf er die Äbtischen aus St. Gallen in den
See. Die Kriegsmacht des Vazers kam aus seinem Herrschaftsbereich sowie
aus dem südlichen Teil der Herrschaft Rapperswil und aus dem
habsburgischen Einflussbereich. Dieses Beispiel zeigt auf, wie weit der
Einflussbereich Walter V. zu dieser Zeit reichte.
Stammbaum der Freiherren von Vaz
Walter I. von Vaz, urkundlich erwähnt von 1135 bis 1160,
† vor 10. März 1169
Walter II., Sohn von Walter I., erwähnt 1160
Rudolf I. von Vaz, Sohn von Walter I., Vogt der Kirche Seefelden
† vor 1200, verheiratet mit Willibirg, Gräfin von Veringen
Walther von Vatz († 18. Januar 1213) war Bischof von Gurk.
Rudolf II. Sohn von Walter I., † vor 1227
Walter III. von Vaz, † 26. November 1254, Sohn von Rudolf II.,
verheiratet mit Adelheid von Rapperswil
Rudolf III, Sohn von Walter III., † 27. Juli 1262 als Rudolf IV.
von Rapperswil, Graf von Rapperswil
Walter IV. von Vaz, Sohn von Walter III. verheiratet mit Adelheid
von Montfort, † vor 25. April 1255
Walter V., Sohn von Walter IV., † 4. November 1284,
verheiratet mit Liukarda von Kirchberg, † 24. Mai 1326
Johannes von Vaz, Bruder von Donat
Donat, Sohn von Walter V., † 23. April 1337/38 in Churwalden,
verheiratet mit Guota von Ochsenstein
Margarethe, Tochter von Walter V., verheiratet 1. mit Ulrich II. von Matsch,
† 1309, 2. mit Ulrich von Aspermont, †1333

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Kunigunde, Tochter des Donat, † 5./6. Februar 1364, verheiratet mit
Friedrich V. von Toggenburg
Ursula, Tochter des Donat, verheiratet mit Rudolf IV., Graf von Werdenberg-
Sargans, † 27. Dez. 1361, ermordet bei Chiavenna (Quelle: Wikipedia)
S. 39:
Die Grafen von Montfort und die Freiherren von Vaz
Im alten Rätien, das sich bis an den Bodensee erstreckte, waren die Grafen von
Bregenz ein führendes Geschlecht. Sie starben aber am Anfang des 13.
Jahrhunderts aus. Ihre Nachfolger wurden die Grafen von Montfort. Diese
stammten auch aus dem südschwäbischen Raum, hatten aber auch Besitzungen
und Einfluss in Rätien. Ihr Schloss steht heute noch in Langenargen am
Bodensee. Zu den Autoren, die die montfortisch-vazische Verschwägerung
hervorheben, gehören Johann-Ulrich von Salis-Seewis und Paul Gillardon. Für
diese Forscher holten die Vazer gewissermassen das vordere Prättigau und
Maienfeld aus montfortischer Hand nach Oberrätien. Die Ehefrau Walters III.
von Vaz wird 1213 beim Davoser Gütertausch als Mitgiftbringerin aus dem

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Hause Montfort betrachtet. (Montforterin oder Rapperswilerin) Eine
Montforterin unbekannten Vornamens wurde mit Walter IV. verheiratet. Als
Walter V. von Vaz 1255 erstmals eine Rechtshandlung vornimmt, ist er noch
unmündig. Sein Vater und sein Grossvater sind schon verstorben. Der
Rechtsakt - eine Bestätigung von Besitzübertragungen an das Kloster Salem
sei auf Veranlassung seines Onkels Hugo II. von Montfort erfolgt. Der
Montforter hängte denn auch sein Siegel an die Urkunde. Anderthalb Monate
später agierte Walter V. dann schon völlig selbständig. Er war der erste und
eingeborene Sohn Walter IV. Er hat die Gräfin von Kirchberg geheiratet.
S. 40: Familienverhältnisse in den 1240er Jahren
Zu dieser Datierung passt das gemeinsame Auftreten von Rudolf von Montfort
mit den Freiherren von Vaz, 1243 am Kaiserhof in Süditalien, im August in
Chur. Ob Walter der III. oder sein Sohn Walter IV. gemeint war, ist unklar.
Mit andern Worten: Dass Walter III. gestorben war, und dass sich die
Erwähnungen auf Walter den IV. oder seinen noch jungen Sohn Walter V.
bezogen. Der fast gleichzeitige Tod von Walter dem III. und Walter dem IV.
um 1254 ist damit geklärt.
Siegeln und schöner wohnen
Ab 1243 führt das Vazer Familienoberhaupt - eher Walter IV. als sein Vater
Walter III. - ein neues Siegel mit verändertem Wappenbild, nachdem sein
Vater noch bis 1236 das alte geführt hatte. Die Änderung des Wappenbildes
scheint einer Aufwertung zu entsprechen. Das kennzeichnende
Schachbrettmuster rückt auf den ersten, den vornehmsten Schildplatz vor.
Der so rasch auf die erste Bauphase folgende Ausbau der Wehrburg zum
Schloss hatte vor allem mit der zunehmenden politischen Bedeutung des
Geschlechts der Freiherren von Vaz in Rätien zu tun. Man verkehrte mit den
bedeutendsten Adelsgeschlechtern der damaligen Zeit in Rätien. Der Wohnsitz
musste nach aussen repräsentieren und im Innern Wohnkomfort und Sicherheit
für die Bewohner bieten. Ein weiterer Grund für den so rasch nach dem Bau
der Burg erfolgten Ausbau zum Schloss war in der Heiratspolitik der Vazer
Freiherren begründet. Sie verschwägerten sich mit möglichst hoch gestellten
Grafengeschlechtern. Das war wichtig für ihre politischen Tätigkeiten und

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Ambitionen und brachte den Vazern neue Besitzungen und Rechte als
Heiratsgaben ein. Wenn diese jungen Prinzessinnen bei ihrer Heirat in ein so
abgelegenes Gebiet wie Belfort zügelten, wollten sie dafür einen ihrer Stellung
entsprechenden Wohnkomfort vorfinden. Die wichtigste Aufgabe einer
solchen jungen Frau war es, ihren Gatten möglichst rasch mit einem Sohn zu
beschenken, damit der Fortbestand des Geschlechts gesichert war. Wenn man
bedenkt, dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Hochmittelalter, auch
der Adeligen, bei 35 Jahren lag, blieb nicht immer viel Zeit, um die Nachfolge
zu regeln. Einzelne Vertreter des Geschlechts wie Walter III. wurden auch fast
doppelt so alt. Die Männer waren oft in politischen Geschäften unterwegs und
oft mehrere Tage oder gar Wochen abwesend. Die Frauen auf dem Schloss
pflegten als Beschäftigung den Minnesang. Sie lasen die Texte und sangen die
dazu gehörenden Lieder. Damit füllten sie ihre Tage auf dem Schloss aus. Für
die Arbeit und zum Teil auch für die Kindererziehung hatten sie Angestellte.
Aber viele starben sehr früh. Eine Ausnahme macht Walter III. Sein Sohn
Walter IV. starb ungefähr gleichzeitig mit ihm. Sein Sohn Walter V. war zu
diesem Zeitpunkt knapp 16 Jahre alt. Dazu kam eine hohe Kindersterblichkeit,
die den Fortbestand des Geschlechts in Frage stellen konnte.
S. 41:

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Die Verschwägerung der Vazer mit den Grafen von Montfort
Die Erneuerung des Spiegelbildes geschah in zeitlicher Parallele zur
Verschwägerung mit dem Haus Montfort. Um 1240 herum heiratete Walter IV.
von Vaz eine Montforter Gräfin. Diese wurde die Mutter von Walter V. von
Vaz. Die neue Verwandtschaftsbeziehung war für die Vazer nicht nur materiell
interessant. Sie bedeutete auch einen Prestigegewinn. Immerhin wählten die
Montforter ihre Ehepartnerinnen aus gräflichen oder noch höher gestellten
Familien aus. Das vermehrte Prestige verlangte einen Ausbau von Belfort. Der
Palas wurde um zwei Etagen aufgestockt. Oben drauf kam ein Dach. Die
wehrhafte Burg zum Wohnschloss ausgebaut, zur standesgemässen Residenz
aufgewertet. Dass diese zweite Bauphase in Belfort 1239/40 so rasch nach der
ersten von 1228/29 folgte, muss vor allem im Zusammenhang mit der
Verschwägerung mit dem Hause Montfort gesehen werden. Auch der Name
des Schlosses, Belfort, ist ein internationaler Prunkname. Die Grafen von
Montfort waren die Nachfolger der Grafen von Bregenz. Dieses
Herrengeschlecht spielte im unterrätischen Raum bis ins 14. Jahrhundert eine
wichtige Rolle. Die Grafen von Montfort wohnten zuerst auf der Schattenburg
bei Feldkirch. Um 1260 zogen sie an den Bodensee, nach Südschwaben um. In
diesem Raum hatten sie ihre Rechte und Besitzungen und waren eines der
führenden Adelsgeschlechter. Ihr Einfluss reichte bis an die Grenzen zwischen
Unter- und Oberrätien. Zu ihrem Besitz gehörte die Bündner Herrschaft, und
sie hatten auch Besitzungen im vorderen Prättigau. Die Grenze
S. 42: zwischen Ober- und Unterrätien bildete die Landquart, was nicht überall eine
leicht festzusetzende Grenze war. In dieses Gebiet stiessen auch die Freiherren
von Vaz vor. Aber sie gingen mit den Montfortern nicht auf Kollisionskurs,
sondern suchten die Zusammenarbeit.
Die vazisch- montfortische Verschwägerung stiess bei den Forschern auf
grosses Interesse. Walter IV. von Vaz wurde um l238 mit der Montforterin mit
unbekanntem Vornamen verheiratet. Die Montforter Braut brachte neben
Prestige auch Besitz mit in die Ehe. Sie gebar ihrem Gatten auf Schloss Belfort
einen Sohn, Walter V. Dieser brachte die Herrschaft der Vazer während seiner
Regierungszeit von 1255 bis 1284 auf den Höhepunkt der Macht. Am 25. April
1255 nahm er, noch nicht ganz volljährig, die erste Rechtshandlung vor. Er war
zu diesem Zeitpunkt gleichsam bevormundet. Sein Vater Walter IV. und sein

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Grossvater Walter III. waren 1255 schon verstorben, meldet die Urkunde. Der
Rechtsakt, eine Bestätigung von Übertragungen an das Kloster Salem, sei auf
Veranlassung Hugos II. von Montfort erfolgt. Der Montforter hängte sein
Siegel als erster, noch vor dem jugendlichen Aussteller an die Urkunde. Seine
Abhängigkeit vom montfortischen Onkel wird dadurch deutlich. Monate später
agierte der Vazer dann völlig selbständig und muss zu diesem Zeitpunkt
mindestens 16 Jahre alt gewesen sein. Er wurde um 1238 geboren. Die
Montforter hatten ihren Wohnsitz zeitweise auch in Bregenz und dann in
Tettnang in der Nähe von Friedrichshafen. Eine Burg besassen sie auch in
Langenargen direkt am Bodensee.
Grafengleiche Vazer
Im Jahre l275 erhielt Walter V. von Vaz vom Bischof von Chur einzelne
Besitzungen im Domleschg als erbliches Lehen, unter anderem Tomils mit
Schloss Ortenstein. Dazu besassen die Vazer schon die Burgen Neu Sins und
Alt Sins bei Paspels und die Burg Heinzenberg.
Der Typus der jüngeren Grafschaft oder Territorialgrafschaft hätte sich in
mehreren Territorialherrschaften verwirklichen lassen. Obervaz, Ortenstein /
Tomils, später Rheinwald, Davos und inneres Prättigau. Der Umfang dieser
Gebiete, vor allem der letztgenannten, war so gering nicht. Hätten die Vazer
diese als Reichslehen empfangen, wäre dadurch auch die formalrechtliche
Voraussetzung für den Grafentitel erfüllt gewesen. Die Vazer Erben, die
Grafen von Werdenberg - Sargans führten diesen Titel schon von Haus aus. Da
sich der Bischof von Chur als Lehensherr der Herrschaften Schams, Obervaz
und Ortenstein betrachtete, hätte der Grafentitel den Bischof von Chur
herausgefordert. Gerade das Verhältnis zum Bischof war letztlich der Grund,
warum sie auf diesen verzichteten. Der dem Reichsoberhaupt nahestehende
Freiherr Walter V. von Vaz, der seine Dynastie 1254 bis 1284 auf den
Machthöhepunkt führte, vermied eine Konfrontation mit dem Bischof Konrad
III., seinem Vetter. Immerhin wird Walter V. von Vaz in einer Urkunde von
1275, sogar noch vor den Montfortern mitten unter den Grafen erwähnt. Sein
Sohn Donat liess sich bei Gelegenheit ebenfalls Graf nennen, soweit überliefert
nur zweimal in Bezug auf Davos.

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S. 43: Die Grenze zwischen Ober- und Unterrätien bildete, wie schon erwähnt, die
Landquart. Die Bündner Herrschaft war montfortisches Gebiet, gehörte zu
Unterrätien. Durch die vazisch-montfortische Verschwägerung kam Maienfeld
in Vazischen Besitz, und sie kamen auch im Prättigau zu Besitz oder gar zu
gräflichen Befugnissen.
Ausser zu Rapperswil hatten die Freiherren von Vaz auch Beziehungen zu
Zürich. Die Freiherren und ihre Frauen weilten oft in Zürich. Ihr
Absteigequaıtier war dort das Haus zum Eich, wo sie einkehrten und feierten.
Die Frauen und auch die Männer vertieften sich in den Inhalt der damaligen
Minnegesänge. Der Ritterstand war damals ein fest gefügter Stand mit Regeln
über das Zusammenleben: Wie man miteinander umging. Man respektierte
sich gegenseitig. Es wurde in diesen Kreisen politisiert, denn es kamen
verschiedene Rittergeschlechter zusammen. Gelegentlich verkehrten auch die
Grafen von Toggenburg in diesem Kreis. Man hatte politisch nicht immer die
gleichen Absichten. Der eine oder andere Graf lernte hier vielleicht seine
spätere Gattin kennen. So waren die Freiherren von Vaz nur zeitweise auf
Schloss Belfort anzutreffen. Die Freiherren waren auch oft in ihren Territorien
unterwegs.
Sie reisten auch nicht nur nach Zürich, sondern auch über die Bündner Pässe in
den Süden. Sie trieben Handel und kamen dabei bis ins Bistum Como. Sie
holten sich vor allem ihren Wein aus südlichen Gefilden. Dazu brauchten sie

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einigermassen sichere Routen mit Übernachtungsmöglichkeiten. Die
wichtigste Route war auch für sie der Weg über den Septimerpass. Die
verschiedenen Burgen entlang dieser Route ermöglichten einerseits das
Übernachten. Zu viele Burgen konnten auch nachteilig sein, da man immer
wieder einen Wegzoll bezahlen musste.
S. 44: Dynastenpolitik und Burgenbau, Zusammenhänge
1. Als die Freiherren von Vaz 1229 bis 33 Belfort errichten, geben sie Obervaz
nicht nur als Residenzort, sondern auch als Besitzschwerpunkt auf. Seit 1213
haben sie nachweislich Besitz im Landwassertal. Ihre weiteren
Besitzansprüche in Davos beruhen unter anderem wohl auf Kontakten mit den
Freiherren von Wildenberg. Dies mochte vor allem auch für den Standort
Belfort gelten.
2. Die Verwandtschaft der Freiherren von Vaz mit den Grafen von Montfort
zeigt sich in einer Urkunde von 1255. Danach hat Walter IV. von Vaz um 1238
die Tochter des Grafen Hugo I. von Montfort geheiratet. Ab den 1240er Jahren
ist ein Zusammengehen der beiden Dynastien zu beobachten. Die
Eheschliessung von 1238 gibt den Anlass zum Ausbau der Burg Belfort
1239/40.
3. 1258 unterstützte Walter V. von Vaz den Churer Bischof Heinrich I. von
Montfort, seinen Onkel, Halbbruder der Mutter, beim Erwerb der Burg Riom.
Der geistliche Fürst betreibt zu dieser Zeit eine eigentliche Burgenpolitik,
wozu die Gründung der Churburg im Vintschgau und die Gründung von
Fürstenau im Domleschg gehören.
4. Die Vorbesitzer der Burg Riom, die Freiherren von Wangen, waren mit den
Montfortern und den Freiherren von Tarasp verwandt. Ihre Oberhalbsteiner
Güter haben sie wohl von den Taraspern übernommen, noch vor 1160. Der
erste urkundliche Hinweis auf eine Wangener Präsenz im Oberhalbstein datiert
zwar erst von 1219. Die Burg Riom wird 1227 erbaut.
5. Walter III. von Vaz, Erbauer von Belfort ist mit einer Freifrau von
Rapperswil verheiratet. Sein Sohn, Rudolf III. wird 1229 als Erbe der
Grafschaft Rapperswil bezeichnet. Um diesen Vazer muss es sich handeln, als
1233 der erste Graf von Rapperswil auftritt. Die Burg Rapperswil ist 1229

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belegt. Ab 1233 wird sie wohl ausgebaut. Später engagiert sich Freiherr Walter
V. von Vaz für die Sicherung des Erbes. Sein Eingreifen für die bedrängte
Witwe und ihre Kinder.
6. All diese Beziehungen, beruhend auf dem ganzen verwandtschaftlichen
Netzwerk des Hochadels, zeigen sich beim Burgenbau. Auffallend sind
zeitliche Parallelen: Belfort wird ab 1227, Riom ab 1227 und Rapperswil ab
1229 gebaut.
Wanderbewegungen in Mitteleuropa im 13. Jahrhundert
Die Auswanderung der Walser aus dem Oberwallis kann nicht als einzelne
Erscheinung betrachtet werden. Die Bevölkerung in Mitteleuropa wuchs nach
der Jahrtausendwende in vielen Gebieten stark an. Es kam zu einer
Übervölkerung vieler besiedelter Gebiete. Neuland musste gewonnen werden.
In Holland baute man Dämme, um dem Meer zusätzliches Siedlerland
abzugewinnen. Im Osten Deutschlands und andernorts wurden Waldgebiete
gerodet, um Siedlerland zu
S. 45: gewinnen. In diesem Zusammenhang ist auch der Auszug der Walser aus dem
Oberwallis zu sehen. Die deutsch sprechenden Oberwalliser waren seinerzeit
aus dem Berner Oberland eingewandert und hatten das Goms und andere
Oberwalliser Täler besiedelt. Es war ein zäher Menschenschlag, der hier auf
Höhen von 1200 bis 1700 Metern siedelte und das Land fruchtbar machte. Die
meisten Familien hatten viele Kinder. Das führte mit der Zeit zu einer
Übervölkerung der Siedlungsgebiete im Oberwallis. Und hier kamen die
Freiherren von Vaz und andere Adelsgeschlechter ins Spiel. Diese brauchten
Siedler für ihre schwach- und unbewohnten Gebiete in den hochgelegenen
Alpentälern Oberrätiens.
Von 1250 bis 1270 herrschte in Mitteleuropa ein Interregnum, eine kaiserlose
Zeit. Diese Zeit des fehlenden Rechts und Schutzes verleitete verschiedene
Herren, auch solche aus Oberrätien, sich Gebiete und Rechte anzueignen.
Diesen Zustand nutzte vor allem auch Freiherr Walter V. von Vaz, um Gebiete
unter seine Obhut zu bringen. Als 1273 Herzog Rudolf von Habsburg zum
neuen deutschen König gewählt wurde, versuchten die Vazer, diese
Aneignungen zu behalten, was zu einer nicht unwesentlichen Erweiterung
ihres Machtbereichs führte. Die Freiherren von Vaz pflegten während dieser

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Zeit weiterhin gute Beziehungen zum Hause Habsburg. 1298 wurde Herzog
Albrecht I. neuer deutscher König. Neuer Freiherr von Vaz wurde nach der
kurzen Regierungszeit von Freiherr Johannes von Vaz sein Bruder Donat von
Vaz.
Die Einwanderung der Walser in Graubünden
Die Geschichtsschreibung über die Walser im einzelnen und die Freiherren
von Vaz im besonderen weist gewisse Eigenheiten auf, auf die im Folgenden
kurz eingegangen werden muss. Man muss sich vor Augen halten, dass das
Bild der "freien Walser" im 19. und teilweise noch im 20. Jahrhundert
weitgehend von Autoren gepflegt wurde, die im politischen Liberalismus und
damit dem Kampf für die Demokratie und den liberalen Verfassungsstaat
verpflichtet waren. Für sie war die charakteristische walserische Autonomie
ein leuchtendes Vorbild aus früheren Zeiten, das über die reine Feststellung
historischer Fakten doch auch zu gewissen emotionalen Bindungen führte, die
in der damals aktuellen Gegenwart verankert waren. Eine gewisse Tendenz zur
Idealisierung der Walser ist unter diesen Umständen verständlich, aber es muss
dies bei der Interpretation geschichtlicher Fakten berücksichtigt werden.
Anderseits kann gesagt werden, dass gerade in jüngerer Zeit versucht wurde,
ein nüchternes Bild von den Walsern zu zeichnen. Es besteht in der populären
Bündner Geschichtsschreibung noch immer die einseitige Darstellung dass die
"freien Romanen" gesamthaft gesehen weit weniger im Bewusstsein verankert
zu sein scheinen als die bekannteren "freien Walser". Das Wirken der
Freiherren von Vaz wurde oft überzeichnet. Es gelang, ihnen unter den
besonderen Bedingungen in der Grafschaft Oberrätien zusammen mit anderen
Dynasten des 12. und 13. Jahrhunderts zu grafengleicher Stellung aufzusteigen
und zur Zeit der ersten habsburgischen Könige neben den Bischöfen von Chur
zum entscheidenden Machtfaktor zu werden.
S. 46: Für das Verhältnis zwischen den Freiherren von Vaz und den Walsern ist
festzuhalten, dass die kulturellen und politischen Gegensätze Graubündens im
19. und zum Teil noch im 20. Jahrhundert auf die Interpretation der
historischen Fakten eingewirkt haben, und damit auch das Bild des
Verhältnisses zwischen den Freiherren von Vaz und den Walsern nachhaltig
beeinflusst wurde und bisweilen eine zweifelhafte historische Landschaft
entstanden ist.

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Durch die Freiherren von Vaz ausgelöste Zuzüge von Walser Siedlern
Hier ist vor allem von den durch die Freiherren von Vaz ausgelösten Zuzüge
von Walsern Siedlern nach Oberrätien die Rede. Es ist Freiherr Walter V. von
Vaz, der in den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts den Zuzug von
Walser Siedlern in Oberrätien vorantrieb und dadurch seinen Machtbereich
noch einmal ausdehnte und festigte. Durch eine kluge Politik konnte er die
Walser Siedler an sich binden, und er sorgte dafür, ein gutes Verhältnis zu den
übrigen Feudalherren in Oberrätien und zum Churer Bischof herzustellen. Da
die Oberwalliser Familien viele Kinder hatten, kam es im Oberwallis im Laufe
des 12. Jahrhunderts zu einer Übervölkerung. Das führte zu einer
Auswanderungswelle. Die ersten Siedler aus dem Oberwallis siedelten in den
Tälern südlich der Gebirgskette der Walliser Alpen. Vom Goms kamen sie
über den Griespass und vom Binntal über den Albrunpass ins Pomatt, vom
Sasstal über den Monte Moropass und von Zermatt über den Theodulpass in
die obersten Täler südlich der hohen Berge. Sie siedelten in Alagna,
Macugnaga, Gressoney und weiteren Orten südlich des Monte Rosa Massivs.
Das Überqueren der Pässe wurde dadurch erleichtert, dass das Klima in jenen
Jahrhunderten ziemlich mild war. Die Waldgrenze lag an manchen Orten in
den Alpen auf 2400 Metern. Darunter dehnten sich grosse Wälder aus, die in
steilen Gebieten fast undurchdringlich waren. Die Freiherren von Vaz und die
Freiherren von Sax-Misox suchten Walliser Siedler für ihre bündnerischen
Besitzungen. Aus den Tälern südlich des Monte Rosa zogen Gruppen von
Walsern bald weiter nach Bosco Gurin und weiter ins Tessin und ins Misox.
Die Besiedlung des hintern Rheinwalds. Der Freibrief von 1277
Das Gebiet des Oberen Rheinwalds war um die Mitte des 13. Jahrhunderts
noch ein fast unberührtes Waldgebiet. Nur in Hinterrhein stand ein einsames
Kirchlein, wie wenn es auf die Besiedlung des Tales wartete. Die Freiherren
von Sax-Misox brachten die ersten Walser Siedler um 1270 vom obern Misox
über den San Bernardinopass ins hintere Rheinwald. Diese ersten Walser
Siedler stammten aus dem Goms, was auch ihr Dialekt verrät. Es ist auch
urkundlich erwiesen. Sie kamen vorerst über den Griespass und vom Binntal
über den Albrunpass ins Pomatt. Von dort gelangten sie über das Tessin ins
Misox, das unter saxischer Herrschaft stand. Auch im hinteren Rheinwald
übten die Freiherren von Sax-Misox die Grundherrschaft aus. Diese Walser

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Siedler wurden von den Freiherren von Sax - Misox hierher geholt und
begannen die Gebiete beidseits des Bernardinopasses zu urbarisieren und zu
besiedeln.
S. 47: Die Freiherren von Vaz hatten in diesem Gebiet schon früher Einfluss. Sie
besassen im vordern Rheinwald Alpen, die sie an Leute aus dem Bistum Como
zu Zinslehen vergeben hatten. Es handelte sich um die Alpen Lambegn
(Andeer), Rhäzüns (Splügen) und Tambo (Medels). Das führte bereits im
frühen 13. Jahrhundert gelegentlich zu Zusammenstössen mit der
einheimischen Bevölkerung. Im Schams und im untern Rheinwald besassen
die Freiherren von Vaz die Vogtei und strebten die Gebietsherrschaft an.
Grundherr War der Bischof von Chur. Im Rheinwald strebten die Vazer auch
die Gebietsherrschaft an. Wer sollte nun im obern Rheinwald regieren? Die
Freiherren von Sax - Misox hatten ihre Burg in Mesocco und ihre Talkirche in
San Vittore, zu der auch das obere Rheinwald gehörte. Die Freiherren von Sax-
Misox wollten das obere Rheinwald unter ihrer Herrschaft behalten. Ungefähr
gleichzeitig kamen auch die ersten Siedler der Freiherren von Vaz im Tal an.
Diese Siedler kamen teils aus dem Vordern Rheinwald und teils aus dem
Pomatt. Für die Vazer musste es nun schnell gehen. Freiherr Walter V. schloss
schon 1277 einen Schutzvertrag mit seinen Siedlern im Rheinwald ab. Im Jahr
1286 kamen weitere Walser Siedler aus dem Pomatt ins Misox. Sie knüpften
Kontakte mit der Grundherrschaft im oberen Rheinwald. Aber da waren zu
diesem Zeitpunkt auch schon die Freiherren von Vaz, die ihre Siedler
vertraglich an sich gebunden hatten. Aber die Siedler der Freiherren von Sax -
Misox liessen sich nicht abhalten, das Rheinwald zu besiedeln. Die neuen
Siedler erhielten Neuland zur Nutzung und als Erblehen für alle Zeiten. Die
Herren erhielten Gebiete zur Stärkung ihrer Herrschaften. Die Besiedlung des
hintern Rheinwalds ist einwandfrei auf sax-misoxische Initiative
zurückzuführen. Wer von beiden Herren im Rheinwald die Oberhand
bekommen würde, war am Anfang noch offen. Von einer Auseinandersetzung
ist nichts bekannt. Nach dem Vertrag von 1286 schlossen die Freiherren von
Sax - Misox 1301 mit ihren Siedlern einen neuen Vertrag ab. Der Schutzbrief
von 1277 gab den deutschen Siedlern der Vazer nicht nur das Erblehen
sondern auch die niedere Gerichtsbarkeit. Nur die hohe Gerichtsbarkeit
behielten die Vazer für sich. Die Siedler konnten ihren Ammann selber
wählen, sich weitgehend selber verwalten und ganz wichtig: Sie standen unter

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dem Schutz der Freiherren von Vaz, was in ihrer exponierten Lage sehr
wichtig war. Die Verpflichtung zu militärischer Hilfeleistung galt für die
Walser nur auf eng umgrenztem Raum. Dieser Schutzbrief überlebte die
Freiherren von Vaz um Jahrhunderte. Die Rheinwaldner Siedler erhielten auch
Zuzug aus dem vordem Rheinwald. Dieses war nur dünn von Romanen
besiedelt. Das ganze Rheinwald kam unter den Schutz des Briefes von 1277.
Die für die Vazer Walser gültigen Rechte wurden wahrscheinlich auch auf die
Misoxer Siedler ausgedehnt. Aber die Freiherren von Sax - Misox gaben keine
Ruhe. Noch 1320 nennt sich Simon I. von Sax - Misox "Dominus et Rector
Ceneralis" der Nachbarschaft Hinterrhein, ein klarer Hinweis auf den
Machtkampf zwischen den Vazern und den Freiherren von Sax - Misox, die in
den grossen Fehden des 14. Jahrhunderts nicht grundlos auf der Seite der
Gegner der vazischen Herren standen. Der alte Streit zwischen den beiden
Dynastien flammte immer wieder auf. Es zeigt sich an diesem Beispiel auch,
wie falsch die Behauptung ist, die Ansiedlung von
S. 48: Walsern in Oberrätien sei nur von den Freiherren von Vaz ausgegangen. Der
Schutzvertrag mit den Walsern im Rheinwald von 1277 hatte in der Folge
Modellcharakter für andere vazische Walserkolonien, zum Beispiel Davos. Die
Walser Kolonisten besiedelten mit der Zeit die Waldgebiete im obern
Rheinwald, in die sich bis dahin noch keine Siedler vorgewagt hatten. In
mühsamer Arbeit rodeten sie den dichten Wald, beseitigten Steine und Gehölz
und mussten das gewonnene Land ausebnen. So gewannen sie Weide- und
Wiesland für ihre Tiere, vor allem Ziegen und Schafe. Für sich mussten sie
einfache Häuser bauen, Grundmauern und die Küchen aus Stein, die übrigen
Teile, Stube und Kammer aus Rundholz. Die Dächer deckten sie mit
Schindeln. Für ihre Tiere errichteten sie einfache Ställe aus Holz. So
entstanden kleine Siedlungen mit dem umliegenden Land. Verbindungswege
gab es nur wenige. Die Siedler mussten sich mit allem versorgen, was sie zum
Leben brauchten. In den höher gelegenen Gebieten rodeten sie Land für neue
Alpen. In ihrer neuen Heimat begannen die Walser Siedler auch, Grossvieh zu
züchten und kamen so zu einem grösseren Nutzen. Sie brauchten dazu aber
auch mehr Kulturland. Die Walser brachten neben ihrer Zähigkeit bei der
Gewinnung von neuem Kulturland auch eine neue Sprache aus ihrer früheren
Heimat mit, ihre deutschen Dialekte.

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Nach der Besiedlung des Rheinwalds versuchten die Freiherren von Vaz,
offensichtlich mit Erfolg, die Walser nach Norden und Osten ziehen zu lassen.
Die bisherigen Einwohner im Schams und im Rheinwald sprachen wie fast
überall in Oberrätien romanisch. Die deutsch sprechenden Walser behielten
ihre deutsche Sprache. Deutsch sprachen auch ihre Herren, zum Beispiel die
Freiherren von Vaz. Es war aber ein anderes Deutsch als dasjenige der Walser.
Aber man verstand sich mehr oder weniger gut. Ich glaube nicht, dass die
Freiherren von Vaz für ihre Tätigkeit in Oberrätien die romanische Sprache
verwendeten. Wer mit den Herren kommunizieren wollte, musste dies auf
Deutsch tun, zum Beispiel ihre Vögte, Vasallen, Meier und Gerichtsherren.
Davos, die grösste Walserkolonie Oberrätiens
Zur grössten vazischen Walserkolonie in Oberrätien wurde das Hochtal Davos
mit seinen Seitentälern. Diese Walser kamen aus dem mittleren Wallis und
dem Saas- und dem Mattertal. Ihre Dialekte verraten ihre Herkunft. Sie
wanderten über die hohen Pässe in die südlich der Walliser Alpen gelegenen
und schon von Walsern besiedelten Täler und Weiter ins Tessin und über das
Misox nach Graubünden und dort über das Albulatal bis ins Landwassertal.
Dieses war, bevor die Walser dort ankamen, nur dünn von Romanen besiedelt.
Diese kamen aus dem Albulatal. Weite Gebiete waren noch von dichtem Wald
bedeckt. Andere Gebiete wurden nur als Alpen genutzt. Das Landwassertal
war vor dem Eintreffen der Walser wie auch das Oberengadin unter
Gebietsherrschaft des Domkapitels Chur. Es gibt in Davos eine Reihe
romanischer Flurnamen wie Flüela, Strela, Sertig, Spina, Monstein und andere.
Die Urkunde von 1213 wurde im Ort Cristis ausgestellt, der sich heute nicht
mehr lokalisieren lässt. Diese Urkunde weist auch die Anwesenheit der
Freiherren von Vaz in Davos aus. Sie
S. 49: hatten damals schon Rechte in Davos. Zu dieser Zeit gab es in Davos erst
wenige rechtliche Strukturen.
Aus vorwalserischer Zeit stammt auch die Siedlung Monstein. Eventuell
kamen romanische Kolonisten von Filisur im Albulatal über Jenisberg, das
auch schon früh besiedelt war, nach Monstein. Die Freiherren von Vaz
erkannten rasch, dass im Davoser Hochtal noch viel Platz für neue Siedler war.
Fast gleichzeitig mit den Rheinwaldner Walsern holte Walter V. von Vaz

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Walser nach Davos. Die ersten Walser Siedler kamen um 1280 von Westen her
nach Davos und begannen, in den zum grössten Teil noch mit Wald
überwachsenen Gebieten zu roden. Sie kamen wie vor ihnen schon die
Romanen über inzwischen vazisch kontrolliertes Gebiet im Albulatal nach
Schmitten, über die Wiesner- und die von bischöflichen Lehensnehmern
genutzten Alteinalpen auf die Sattelhöhe und hinunter nach Glaris und weiter
nach Davos.
Eine Urkunde im Gemeindearchiv von Schmitten aus dem Jahr 1544
beschreibt den Weg vom Albulatal nach Davos so: Die Strass zu cantniseil
(Sattelhöhe), da man fert gen Tavas und mitten gen Trafaschinas (Satterüfe)
nach Glaris. Das war ein abenteuerlicher Weg oberhalb der Waldgrenze.
Möglich ist, dass auf dieser Reise die eine oder andere Familie zurückblieb und
auf dem Gebiet von Wiesen oder auf der Wiesner Alp Mutta siedelte. Eine
frühe Siedlung auf den Histen unterhalb der Wiesner Alp ist bezeugt. Am Weg
von der Schmittner zur Wiesner Alp existiert der Ort, z Amma Tisch Bode, der
Boden des Ammann Mathis. Ein Weglein, das den Boden nach oben abgrenzt,
war wahrscheinlich einmal ein Wassergraben zur Bewässerung der Wiesen.
Vielleicht hat auf der Wiesner Alp in der Anfangszeit der Walserwanderungen
eine kleine Walserkolonie bestanden. Etwa 500 Meter westlich der heutigen
Alpsiedlung trifft man auf etwa 20 viereckige
S. 50: Vertiefungen im Boden. Da muss sehr früh eine Siedlung bestanden haben.
Nach dem Abstecher des Autors in seine engere Heimat, geht es weiter mit der
Besiedlung des Landwassertales.

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Das hohe Ziel der Freiherren von Vaz
Das Ziel Walter des V. von Vaz war es, in den Besitz eines möglichst
zusammenhängenden Gebietes zwischen dem San Bernardino Pass, dem
Schams, Davos, dem Prättigau und der Bündner Herrschaft zu kommen. Er
strebte in diesen Gebieten die Gebietsherrschaft an. Dabei musste er die
Besitzansprüche verschiedener anderer Herren, vor allem des Bischofs von
Chur berücksichtigen. Walter V. von Vaz war wahrscheinlich ein gewiefter
Taktiker, der es verstand, zu den führenden Geschlechtern und auch zum
habsburgischen Königshaus gute Beziehungen aufzubauen. Er hatte im
Allgemeinen ein gutes Verhältnis zum Bischof von Chur und auch zum Hause
Habsburg. Kriegerische Auseinandersetzungen trachtete er zu vermeiden, da er
wusste, dass sie ihn schwächen würden. Um seine Pläne zu verwirklichen,
brauchte er auch die Siedler aus dem Wallis. Davos war ausersehen, das
Zentrum seines angestrebten Alpenstaates zu werden. Das ganze rätische
Gebiet war gegen Angreifer von aussen nur schwer zu verteidigen. Aber für
seine Bewohner bot der mächtige Freiherr doch einen gewissen Schutz. Auf
seinem Schloss Belfort wurde zu seiner Zeit erfolgreich bündnerische
Landesgeschichte betrieben. Dazu musste der Schlossherr häufig unterwegs
sein. Von ihm heisst es, dass er immer unterwegs war, um seine politischen
Ziele zu erreichen.

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Er war auf Schloss Belfort wahrscheinlich ein seltener Gast. Für die Zürcher
Gesellschaft hatte er auch nicht viel Zeit. An seinem Lebensende hatte er
annähernd erreicht, was er wollte: Ein mit wenigen Ausnahmen
S. 51: zusammenhängendes Territorium vom Rheinwald über die Landschaft Davos,
das Prättigau bis in die Bündner Herrschaft. Allerdings waren darin viele
fremde Flecken. Die Walserkolonie Davos wurde durch die Freiherren von
Vaz gegründet und gefördert. Sie waren sehr daran interessiert, das ganze
Gebiet von Davos zu besiedeln. Sie hatte im Gebiet von Davos schon Rechte,
Jahrzehnte bevor die Walser dort ankamen. Eine Ausnahme in der Besiedlung
von Davos machte das Flüelatal. Dorthin kamen Siedler aus dem Engadin. Sie
errichteten die gleichen Hofsiedlungen wie die Walser, sie aber sprachen
romanisch wie übrigens auch die frühesten Siedler von Davos. Die romanische
Sprache konnte sich in Davos nicht lange halten. Walter V. von Vaz war ein
Adeliger des ausgehenden Mittelalters, der sich mit allen seinen Kräften für
sein Werk einsetzte. Der Unterschied seiner Persönlichkeit zu der seines
Nachfolgers ist unter anderem auch im Übergang vom Spätmittelalter in die
Renaissance begründet, von der Donat von Vaz schon beeinflusst war.
Der Vertrag der Freiherren von Vaz mit den Davoser Walsern, 1289
Dieser Brief wurde am 31. August 1289 in Davos ausgestellt. Er richtet sich an
die Walserkolonie in Davos. Wo diese Kolonie siedelte, wissen wir nicht so
genau. Der Brief richtet sich an Ammann Wilhelm und seine Gesellen. Walter
V. von Vaz lebte zur Zeit der Ausstellung des Briefes nicht mehr. Er hinterliess
drei Söhne, Johannes, Donat und Walter VI. Diese waren zum Zeitpunkt, als
der Brief ausgestellt wurde, noch minderjährig, das heisst, noch nicht 16 Jahre
alt. Für die Ausstellung des Briefes wurde ihr Oheim Hugo II. von
Werdenberg-Heiligenberg beigezogen. Dieser sıegelte den Brief mit seinem
Siegel neben den drei Söhnen Johannes, Donat und Walter VI. von Vaz:
Wir übergeben das Gut zu Davos gemäss dem Willen unseres seligen
Vaters dem Ammann Wilhelm und seinen Gesellen zu rechtem Lehen.
Von demselben Gut müssen sie jährlich an der alten Fasnacht an Zins
473 Käse 68 Ellen Tuch und auf St. Görien 56 Frischlinge, Fische, oder
für den Käse drei Schilling mailisch und für einen Frischling 12
Schillinge geben. Wenn sie das zinsen, können sie das Gut auf ewig

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behalten und haben mit niemand nichts zu schaffen. Der, der den See
inne hat, der zu diesem Gut gehört. So er das nicht tut, soll er für hundert
Frischlinge ein Pfund maylisch geben. Es war eine ganze Menge, was die
Freiherren von Vaz in der Landschaft Davos jährlich an Zinsen
einnehmen konnten. Auch von daher war Davos der wichtigste Teil ihrer
rätischen Herrschaft.
Es folgen Bestimmungen, was geschieht, wenn einer nicht bezahlen kann, sich
verschuldet. Wer sich im Tal verschuldet, soll auch darin gerichtet werden.
Wer frisch ins Tal kommt, hat den gleichen Rechtsschutz Wie die bisherigen
Siedler. Der Brief wird mit den beiden Siegeln, dem von Hugo II. von
Werdenberg-Heiligenberg und
S. 52: dem der Freiherren von Vaz gesiegelt. Gegeben 1289 Jahre nach Christi
Geburt am Tag San Bartholomei.
Die wichtigsten Bestimmungen dieses Briefes:
Das durch die Walser gerodete Land wird zum Erblehen, kann also von
Generation zu Generation übertragen werden.
Die vereinbarten Abgaben sollen sie auf die vereinbarten Tage entrichten.
Neu ankommende Walser Siedler genossen die gleichen Rechte wie die
bisherigen.
Wer ins Tal kommt, hat den gleichen Schirm, den Ammann Wilhelm seine
Gesellen haben.

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Im Rahmen dieses Briefes waren die Walser frei. Sie mussten ihrem Herrn,
dem Freiherren von Vaz, die festgesetzten Lehenszinsen entrichten wie die
andern Bewohner des Tales, waren aber in das System ihrer vazischen Herren
eingebunden. Ihnen ging es in erster Linie um die Gebietsherrschaft und die
hohe Gerichtsbarkeit. Etwas vom Wichtigsten war für die Walser Siedler das
Erblehen. Land, das die Siedler urbarisierten, konnte ihnen und ihren
Nachkommen niemand mehr wegnehmen. In diesem Erblehen ist das Davoser
Hofsystem begründet, das in gewissen Gebieten wie im Sertig und in der Spina
heute noch sichtbar ist.
Kolonisation durch die Walser im Raum Davos
Die erste Generation der neuen Davoser Siedler war vor allem mit der
Gewinnung von Neuland für ihre Höfe beschäftigt. Gleichzeitig mussten sie
Häuser und Ställe bauen. Die Grundmauern und die Küchen wurden aus Stein
gebaut, der übrige Aufbau aus Rundholz, und die Dächer mit Schindeln
eingedeckt und mit Steinen beschwert. Das war das Material, das sie durch ihre
Rodungsarbeit gewannen und an Ort und Stelle
S. 53: zur Verfügung hatten. Der Innenausbau der Häuser war am Anfang sehr
einfach. Sie mussten den Wald roden und das auf diese Weise gewonnene
Neuland ausebnen. Allmählich stellten sie von der Haltung von Ziegen und
Schafen auf die Grossviehzucht um, was wieder mehr Kulturland erforderte.
Die Verbindungswege waren schlecht. Kleine Zentren mit jeweils einer Kirche
stammen zum Teil noch aus vorwalserischer Zeit. Der Getreidebau spielte in
der Landschaft Davos eine bescheidene Rolle. Kleine Äcker legte man
meistens an südwärts ausgerichteten steilen Hängen an. In Monstein, wo auf
1600 Metern Höhe Gerste angebaut wurde, sieht man diese kleinen Äcker noch
heute. Am Rand des Ackerlandes stehen noch einige der alten Speicher, in
denen das Korn austrocknete und bis zum Dreschen gelagert wurde. Im
Gegensatz zu den meisten Gebieten von Davos wurde Monstein von Anfang an
als Dorf gebaut. Oberhalb der Waldgrenze wurden die Alpgemächer gebaut.
Dort wurde die Milch zu Käse und Butter verarbeitet. Auf einzelnen Alpen,
wie zum Beispiel auf der Stafelalp, wurde eine ganze Reihe von Alphütten
gebaut. Diese dienten mehreren Bauern als Alp. Die Landschaft Davos wurde
bald einmal ein einziges politisches Gebilde, bestand aber aus vielen
Nachbarschaften von Monstein über Glaris, Spina, die Seitentäler bis nach

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Davos Dorf. Um 1300 bestand Davos aus 12 Nachbarschaften: Meierhof ob
dem Dörflein, See im Dörflein, Flüela auf Pedra, Dischma in den Büelen,
Schatzalp, Pravigan, in der Grüene, Clavadel, Siebelmatta, Glaris, Spina,
Monstein.
In den täglichen Angelegenheiten, vor allem was die Landwirtschaft betraf,
organisierten sich diese Nachbarschaften selber.
S. 54: Die Spina
Die Spina ist eine Nachbarschaft am linken Talhang südlich von Glaris
gelegen. Die Siedlung besteht aus lauter Einzelhöfen, gebaut auf den
verschiedenen Terrassen von etwa 1500 bis 1700 Metern hinauf. Man sieht die
Anlage der einzelnen Höfe noch, da dort in der späteren Zeit kaum noch
gebaut wurde. Viele Häuser sehen noch ähnlich aus wie in früheren
Jahrhunderten. Die Grundmauern und die Küche aus Naturstein, der weitere
Aufbau aus Rundholz. Nur die Ställe sind grösser geworden. Die Flurnamen
gehen in diesem Gebiet auf die deutschsprachigen Walser zurück. Beispiele
von Flurnamen sind an de Züne, uf Michelsch uf Tomisch, uf Nadisch, uf m
Board, uf wissige Bode, ober und under Egge, in de Chännje, in den obere und
untere Leerch. Die Vorwinterungen führten dazu, dass man das Heu möglichst
dort verfüttern konnte, wo man es geerntet hatte. Zuletzt wurden auch die
meisten steilen Waldhänge zwischen den einzelnen Böden gerodet. Fast das

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ganze Gebiet bis auf etwa 1700 Meter hinauf besteht aus Wiesland. Dann
folgen bald die Alpen. Sie sind heute zum Teil oberhalb der Waldgrenze. Beim
Eintreffen der Walser waren alle noch bewaldet. Die Alpen sind Privatbesitz,
gehörten zu den Höfen und wurden von mehreren Bauern genutzt. Eine Alp ist
die Riederalp. Der Name weist auf Sumpf und nasse Wiesen hin. Die
Riederalp befindet sich etwas höher und weiter südlich. Die dritte Alp,
diejenige im laiden Bach befindet sich auf etwa 1800 Metern. Sie ist mit etwa
170 Hektaren Fläche und 73 Kuhrechten die grösste. An den steilen Hängen
oberhalb der Alpen, waren die Mähder, die heute nicht mehr genutzt werden.
Einige haben der Bergstation der Rinerhornbahn den Namen gegeben:
Iatzmeder. In den Alpen wurde bis weit ins 19. Jahrhundert in einfachen
Einrichtungen Milch zu Butter und Käse verarbeitet. Maiensässe gibt es in
Davos kaum. Die gerodeten Höfe reichen bis auf etwa 1700 Meter hinauf.
Nach einem schmalen Waldgürtel folgen die Alpen.
Im 12. Jahrhundert reichte die Waldgrenze in manchen Gegenden bis gegen
2400 Meter hinauf. Wegen der umfangreichen Rodungen und dem im 16.
Jahrhundert kälter
S. 55: werdenden Klima kam die Waldgrenze in Nord- und Mittelbünden auf etwa
1900 Meter herunter. Die höchstgelegenen Siedlungen der Walser wurden
später zu Maiensässen oder Alpen.

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Die Besiedlung des Sertig
In gleicher Weise gestaltete sich die Urbarisierung und Besiedlung des
Sertigtales. Man begann mit der Rodung in der Gegend von Clavadel. Der
Talgrund und die Sonnenseite des Tales wurden so weit hinauf gerodet, bis das
Gelände zu steil wurde. Die Schattenseite des Tales blieb zum grossen Teil
Wald. Von Zeit zu Zeit wurde ein Hof gebaut, die einen im Talgrund, andere
höher oben. Das umliegende Land kam hinzu. So ging das bis hinein ins Sertig
Dörfli. Diese Höfe werden bis heute bewirtschaftet. Neue Häuser wurden mit
wenigen Ausnahmen nur im Sertig Dörfli und in Clavadel gebaut. Wir haben
hier ein Tal vor uns, das sich seit seiner Besiedlung im späten 13. Jahrhundert
in seiner Struktur nur wenig verändert hat. Nur dass die Bauernhöfe anders
bewirtschaftet werden, und die meisten Bauern ein Nebeneinkommen haben.
Wegen einer guten Verkehrserschliessung des Tales ist es heute noch möglich,
auf diesen Höfen zu wohnen.
Der Einschluss der Walser in die hohen Ziele der Freiherren von Vaz
Das Interesse der Freiherren von Vaz an den neuen Kolonien im Zentrum
Graubündens war gross, vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen. Mit dem
Einzug der Walser stieg die Bevölkerungsdichte in den neu besiedelten
Gebieten. Dies führte zu neuem und intensiver genutztem Kulturland. Dies
betraf alle von neuen Siedlern genutzten Gebiete in Oberrätien. Die zähen,
furchtlosen Walser schützten ihr neu erworbenes Eigentum vor fremden
Übergriffen. Ihr militärischer Einsatz beschränkte sich allerdings auf ihr
Siedlungsgebiet. Für Einsätze ausserhalb dieses Gebietes mussten sie
entschädigt werden.
Die Walser siedelten in Davos in den noch unbesiedelten aber auch in den
dünn besiedelten Gebieten. Der wirtschaftliche Nutzen war auch für ihre
Herren recht gross. Darum waren die Freiherren von Vaz an einer möglichst
dicht besiedelten Landschaft Davos und andern Siedlungsgebieten interessiert.
Je höher die Erträge der Walser Siedlungen, desto höher waren die Zinserträge
für die Herren. Das Gebiet von Davos warf für die Vazer einen jährlichen
Zinsertrag von 140 Pfund mailisch ab, ein beträchtlicher Betrag. Für die
Region Rheinwald dürfen wir, zusammen mit 20 Pfund Schirmgeld mit
Erträgen von ca. 90 Pfund mailisch rechnen, für Arosa mit etwa 50 Pfund,

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zusammen aus den grössten Kolonien etwa 280 Pfund mailisch oder rund 70
Mark Silber, was etwa einem Realwert von 1400 Mark Silber entsprechen
würde. Man muss diese Erträge auch in Relation zu andern Erträgen setzen,
warf doch die vazische Alp Rhäzüns bei Splügen allein jährlich einen Ertrag
von etwa 150 Pfund mailisch ab. Es liessen sich also auch auf Alpen durch
Nichtwalser ansehnliche Erträge erwirtschaften. Durch die Ansiedlung der
Walser in Oberrätien liessen sich die Erträge der Vazer im Jahr um etwa 10%
steigern. Das deutet auf eine nicht sehr hohe
S. 56: Zinsbelastung der Walser Lehen hin. Fast wichtiger waren die Walser für die
Vazer dadurch, dass sie durch ihre Vorzugsbehandlung zu ihren treusten
Verbündeten gehörten, was sich in der Folgezeit noch auswirken sollte.
Überblickt man den ganzen Problemkreis, so dürften bei der Ansiedlung der
Walser in Oberrätien militärische Aspekte eine sekundäre Rolle gespielt haben.
Ideologische Ziele, wie sie bisweilen auch noch in Publikationen neueren
Datums zu finden sind, dürfte man den Vazern eigentlich schwerlich
zuschreiben, und es wäre verfehlt, sie als Wegbereiter eines demokratischen
Graubündens zu feiern. Zwar hat der Kontakt zu oberitalienischen Städten
zumindest Walter V. und seine Nachfolger mit den dort aufkommenden
Selbstverwaltungsformen bekannt gemacht, und sie möchten in diesem Sinne
auch ein tieferes Verständnis für die Autonomie der Walsergemeinden
bekommen haben. Doch ist gerade zur Person Donats von Vaz, um den sich so
viel demokratische "Legenden" ranken, in den zeitgenössischen Quellen seiner
Zeit nichts Spezielles in dieser Richtung zu finden.
Nach den wenigen vorhandenen Dokumenten zu schliessen war er ein ganz
normaler Adeliger seiner Zeit. Ihm ging es wie seinen Vorfahren darum, seinen
Besitz in Oberrätien zu mehren und autoritär zu regieren, mit dem Ziel, einen
möglichst zusammenhängenden Alpenstaat zu erhalten. In diesem Sinn waren
auch seine Walser Siedler in seine Ziele eingeschlossen. In den wenigen
bekannten Verträgen wurden ihnen einige wichtige Rechte zugestanden, wie
das schon erwähnte Erblehen und eine weitgehende Selbstverwaltung. Die
Errichtung von Gerichtsgemeinden in Oberrätien blieb einer späteren
Generation vorbehalten.

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Die Ausdehnung der von Walsern besiedelten Gebiete in Oberrätien
Der Zustrom von Walser Siedlern riss gegen Ende des 13. Jahrhunderts nicht
ab. Vom Rheinwald kamen sie über den Safier Berg ins zum Teil schon früher
bewohnte Safiental, das bischöflicher Grundbesitz war und auch ins Valser
Tal. Walser siedelten auch im hochgelegenen Avers. Auch dieses war
bischöflicher Grundbesitz, was die Vazer nicht hinderte, dort Walser
anzusiedeln. Die höchstgelegene Siedlung Juf auf 2125 Metern ist heute noch
das ganze Jahr über bewohnt. Im untern Teil des Tales in Ausser- und
Innerferera siedelten schon früher Romanen. Die beiden Namen deuten auf
Erzgewinnung hin. Walser Siedler treffen wir auch in, Mutten. Im Raum
Klosters haben vor den Walsern schon andere urbarisiert. Das waren die
Mönche des kleinen Stifts Klosters. Dieses ist eine Gründung des Klosters
Churwalden, wo die Vazer ihre letzte Ruhestätte hatten. Das Kloster
Churwalden wurde 1160, jenes in Klosters etwa im 2. Jahrzehnt des 13.
Jahrhunderts gegründet. Es waren in beiden Klöstern Prämonstratenser
Mönche, die neben ihrem traditionellen Klosterleben harte körperliche
Urbarisationsarbeit leisteten und das gewonnene Neuland bebauten. Neben der
Seelsorgetätigkeit leisteten sie auch als Kolonisten harte Arbeit (siehe Kapitel
"Kirchenbau und Klöster"). Den Besitz der Klöster respektierten die Freiherren
von Vaz und machten gelegentlich auch Schenkungen an sie. Von Davos
zogen Walser weiter ins Prättigau und siedelten in den noch nicht bewohnten
S. 57: Talrandgebieten. Im Klosterser Talgrund konnten keine Hofsiedlungen mehr
errichtet werden, weil das ganze Tal von Klosters bis hinein nach Monbiel
schon besiedelt war. Auch die Klosterser Alpen wurden schon früher genutzt.
Sie wurden wie auch andernorts im Prättigau zu Gemeindealpen. Eine
Walsersiedlung ist zum Beispiel Schlappin. Auch das Gebiet von St. Antönien
wurde unter dem Einfluss der Vazer besiedelt. Dort finden wir die gleichen
Hofsiedlungen wie in Davos. Auch die Alpen sind zum Teil noch Privatbesitz.
Das Tal war vor der Ankunft der Walser wenig besiedelt. Wenn man Weiter
durchs Prättigau hinaus geht, nimmt der Einfluss der Vazer rasch ab. Es waren
auch die Herren von Aspermont, die hier die Ansiedlung von Walsern
förderten.
Über den Strelapass und die andern Übergänge Richtung Schanfigg kamen die
Walser nach Arosa und in die Maiensässe im hintern Schanfigg, Fondei,

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Sapün, Medregen und nach Praden. Die Talgebiete des Schanfiggs waren um
diese Zeit schon besiedelt. Diese verbreitete Ansiedlung von Walsern lag
durchaus im Interesse der Freiherren von Vaz. Die Neusiedler waren keinen
andern in diesen Gebieten ansässigen Herren zinspflichtig. Sie standen ganz
unter vazischem Einfluss. Einerseits konnten sie die Lehenszinsen aus den
neuerschlossenen Gebieten erheben. Anderseits konnten sie ihre
Gebietsherrschaft weiter ausdehnen.
Wie weit Walter V. von Vaz die Ansiedlung der Walser in Oberrätien
voranbringen konnte bis zu seinem Tod 1284, wissen wir nicht genau. Wir
haben über die zeitliche Abfolge keine Quellen gefunden ausser dem Davoser
Brief von 1289. Es blieb für seine Nachfolger Johannes und Donat von Vaz
noch einiges zu tun. Nach der Ausbreitung der Ansiedlung von Walsern in den
verschiedenen mittel- und nordbündnerischen Tälern liess der Zustrom
langsam nach, weil es in Oberrätien bald keine unbesiedelten Gebiete mehr
gab. Neu ankommende Walser mussten weiterziehen in voralbergische Gebiete
zum Beispiel ins Brandner- und ins Grosse und Kleine Walsertal.
Die Ansiedlung von Walsern im Vorderrheintal
Man vergisst oft, dass ausser den Freiherren von Vaz noch andere
Herrengeschlechter im 13. Jahrhundert Walser Siedler nach Oberrätien holten.
Im Vorderrheintal entstanden an verschiedensten Orten kleinere und grössere
Walserkolonien meistens auf der Schattenseite des Tales, wo noch Raum für
Neusiedler vorhanden war. Die Sonnenseite, die sich besser für den Anbau von
Getreide eignete, hatten die Romanen schon früher besiedelt. Mit Obersaxen
entstand im Vorderrheintal eine der grössten Walserkolonien überhaupt. Diese
Kolonie konnte auch ihren deutschen Walserdialekt bis heute bewahren. Die
übrigen Walserkolonien im oberen Vorderrheintal und in den meisten
Seitentälern übernahmen mit der Zeit die romanische Sprache. Deutsch
sprechende Walserkolonien gibt es dort noch im Safiental und in Vals. Die
Vorderrheintaler Walser waren vom Oberwallis über die Furka ins Urserental
und weiter über den Oberalppass ins obere Vorderrheintal gekommen. An der
Ansiedlung von Walsern im Vorderrheintal waren die Herren von Belmont und
die Freiherren von

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S. 58: Sagogn-Wildenberg beteiligt. Impulse zur Ansiedlung von Walsern gingen
auch vom Kloster Disentis aus.
Auf dem Höhepunkt seiner Macht kam Freiherr Walter V. von Vaz noch in
den Besitz der Hochvogtei Chur, dies als Folge seines guten Einvernehmens
mit dem Bischof von Chur. Diese Vogtei verlor sein Nachfolger Donat von
Vaz später wieder wegen seiner zunehmenden Distanz zu den Churer
Bischöfen.
Freiherr Donat von Vaz, der letzte Vazer
Nach dem Tod von Walter V. von Vaz 1284 wurde sein ältester Sohn Johannes
sein Nachfolger. Von ihm ist "geschäftlich" nur der Abschluss des Davoser
Briefes von 1289 mit den Walsern überliefert. Weil er zu diesem Zeitpunkt
noch nicht volljährig, 16 Jahre alt war, hat man für diesen Vertragsabschluss
von Werdenberg-Heiligenberg, der eigentlich kein Onkel war, beigezogen.
Freiherr Johannes von Vaz starb nach wenigen Jahren Regentschaft über das
Haus der Freiherren von Vaz. Walter V. von Vaz war ein ruheloser Mensch. Er
war ständig in seinem "Geschäft" unterwegs. Die Erziehung seiner Söhne
überliess er weitgehend der Mutter. Diese, eine Gräfin von Kirchberg, lebte
mit ihrem Sohn Donat nicht auf Belfort sondern im Domleschg,
wahrscheinlich auf dem vazischen Schloss Ortenstein.

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Was das Aufwachsen unter der Obhut einer Frau für sein späteres Leben
bedeutete, wissen wir nicht. Es ist zu vermuten, dass auch die beiden andern
Söhne Johannes und Walter VI. dort aufwuchsen, wobei Walter VI.
wahrscheinlich schon als Kind starb. Johannes wurde der Nachfolger von
Walter V. Sein Bruder Donat sollte ein Studium absolvieren. Dazu schickten
ihn seine Eltern an die Universität Bologna, um dort Rechtswissenschaften zu
studieren. Nach fast 1000 Jahren entdeckte und lehrte man an dieser
Universität wieder das römische Recht. Das zeigt, wie aufgeschlossen diese
Universität war. Es weist aber auch auf das weite Beziehungsnetz der
Freiherren von
S. 59: Vaz hin, dass sie ihren Sohn so weit weg schickten, um zu studieren. Am
Anfang stand an dieser Universität ein allgemeines Grundstudium mit
verschiedensten Fächern. Vieles interessierte den aufgeweckten Jungen. Doch
im Hauptfach studierte er das römische Recht. Dass er Rechtswissenschaft und
nicht Theologie studierte, hatte seinen Grund wahrscheinlich darin, dass er in
Rechtsgeschäften gegenüber seinen Kontrahenten besser gewappnet sein
wollte, um sich besser durchsetzen zu können, wenn es um seinen vazischen
Besitz ging. Er wusste von zahlreichen Vertragsabschlüssen seiner Vorfahren,
wie wichtig es dabei war, in Rechtsfragen bewandert zu sein oder auch in
kritischen Situationen das Recht zu seinen Gunsten auslegen zu können. Ob er
sein Studium abschloss, wissen wir nicht. Mit dem erworben Wissen kehrte er
in seine Heimat zurück. Ihm stand eine erfolgreiche geistliche Karriere bevor.
Er verfügte über ein weit reichendes Beziehungsnetz, das bis nach Zürich
reichte. Dazu verfügte er im Gegensatz zu seinen Vorfahren über eine
universitäre Bildung. Er wurde bald Domherr in Chur. Eine erfolgreiche
kirchliche Karriere stand ihm bevor, und er sollte nebenbei auch in der
weiteren Entwicklung seines vazischen Besitzes mitreden können.
Aber es kam anders. Sein Bruder Johannes starb nach kurzer Regierungszeit,
und Donat musste nach Belfort zurückkehren und dort die Zügel in die Hand
nehmen. Er setzte dort das Werk seines Vaters, Walter V. fort, nachdem er an
der Universität in Bologna seinen Horizont erweitert hatte. Er war auch
beeinflusst von der beginnenden Renaissance. Er regierte autoritär und suchte
seinen Besitz zu erweitern wie sein grosser Vorgänger Walter V., aber
ungestümer und weniger diplomatisch, schlau und gelegentlich auch

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skrupellos. In der Geschichtsschreibung des 19. und teilweise noch des 20.
Jahrhunderts gibt es unterschiedliche Beschreibungen seiner Person. Für die
einen war er ein Vorkämpfer der bündnerischen Freiheitsbestrebungen, die im
14. und Anfang des 15. Jahrhunderts zur Gründung der drei Bünde in Rätien
führten. Von seiner Bildung her könnte dies durchaus so gewesen sein. Andere
beschrieben ihn als Tyrannen, der sein Volk knechtete. Nach der neueren
Geschichtsschreibung war er ein Adeliger des 14. Jahrhunderts, dessen Ziele
die Mehrung seines Besitzes und die von seinem Vorgänger, Walter V.
angestrebte Errichtung eines möglichst zusammenhängenden Alpenstaates in
Mittel- und Nordbünden war. Er war selbstsicher im Auftreten, und er vertrat
dank seiner Bildung eine neue Zeit, die in vielen Dingen aufgeschlossener war
als das Mittelalter. Er nahm weniger Rücksicht auf die Interessen anderer
Herren und war selbstsicher in der Durchsetzung seiner Ziele. Was er
aufsetzte, das galt und wurde umgesetzt. Dabei kam es zu
Meinungsverschiedenheiten mit andern Herren.
Die umfangreiche Urbarisierung in den hochgelegenen Gebieten Graubündens
führte dazu, dass die Waldgrenze von bis zu 2400 Metern auf etwa 1900 Meter
sank. Dazu kühlte sich das Klima in den folgenden Jahrhunderten ab. Das
führte dazu, dass einige hochgelegene Siedlungen mit der Zeit als
Ganzjahressiedlungen aufgegeben werden mussten. Das Gleiche passierte auch
im Wallis, wo einzelne Alpen unter den vordringenden Gletschern
verschwanden. Eine Waldpflege gab es damals noch nicht.
S. 60: Viel Land wurde als Weideland genutzt und der geschlossene Wald wurde
dadurch ausgelichtet. Die Zeit vom 16. bis 19. Jahrhundert wird auch die
kleine Eiszeit genannt.
Der Hauptkontrahent der Vazer in Oberrätien war immer noch der Bischof von
Chur. Es kam ganz darauf an, ob auch der jeweilige Churer Bischof seinen
Besitz zu mehren versuchte oder sich mit dem begnügte, was er schon besass.
Wenn einer an der Macht war, der seinen Besitz auszuweiten versuchte, konnte
es zu Konflikten mit dem Freiherren von Vaz kommen. Solange ein Belmonter
auf dem Fürstbischofsitz in Chur sass, ging das mit Donat von Vaz
einigermassen gut. Dieser war den Vazern wohlgesinnt. Schwieriger wurde es,
als ein Montforter Graf Bischof von Chur wurde. Die Montforter und die
Vazer waren einst befreundet, ja verschwägert gewesen und hatten ihre

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Interessen gemeinsam vertreten. Warum sich das Verhältnis zwischen den
beiden Herrengeschlechtern später verschlechterte, können wir nur vermuten.
Die Montforter hatten Besitzungen und Rechte in der Bündner Herrschaft und
im vorderen Prättigau. Vielleicht kamen ihnen die Vazer in ihrem
Expansionsdrang zu nahe. Die Vazer hatten auch Walserkolonien oberhalb der
Bündner Herrschaft, zum Beispiel auf Fadära gegründet. Vielleicht fühlten sich
die Montforter bedrängt. Auf jeden Fall waren sie nach 1300 auf die Vazer
nicht mehr gut zu sprechen. Vielleicht lag es auch in der neuen Person, die auf
Belfort regierte. Wir sehen hier, wie sich das Freundschaftsverhältnis zweier
Familien innerhalb zweier Generationen ins Gegenteil kehren konnte, wenn
sich die politische Konstellation entsprechend verändert und andere
Exponenten das Sagen hatten.
Während sein Vater Walter V. immer auf Ausgleich bedacht war, ging sein
ungestümer Sohn Donat schnell einmal auf Konfrontationskurs um seine Ziele
zu erreichen. 1308 kam es zu einem Wechsel auf dem deutschen Königsthron.
Nach dem Tod von König Albrecht I. wurde Ludwig von Bayern deutscher
König, kein Habsburger. Freiherr Donat von Vaz schwenkte zum neuen König
von Bayern über und ging dabei mit den Habsburgern auf Konfrontationskurs.
In diese Zeit fiel die Schlacht am Morgarten, wo die Habsburger eine schwere
Niederlage gegen die Innerschweizer einstecken mussten. Auch Donat von
Vaz scheute sich in der Folge nicht davor, gegen den geistlichen Herrn in Chur
Krieg zu führen. Ob er sich vom Bischof und denen, die ihn unterstützten,
bedrängt, oder in seinem Spielraum eingeengt fühlte, wissen wir nicht. 1332/33
kam es zwischen dem Bischof von Chur mit den Montfortern im Hintergrund
und Freiherr Donat von Vaz, der sich auf Schwyzer Söldner stützte, zu
militärischen Auseinandersetzungen. Das Engadin war zum grossen Teil von
Gotteshausleuten bewohnt, die unter bischöflicher Herrschaft standen. Zuerst
drangen bischöfliche Truppen aus dem Oberengadin über den Scalettapass ins
Dischma vor auf das Zentrum der vazischen Macht. Auf der Kriegsmatte kam
es zum Kampf zwischen den bischöflichen Truppen und jenen des Freiherrn
von Vaz. Die letztem standen unter der Führung des Hauptmanns Lukas Guler
von Davos. Unter seinen Truppen hatte es viele Walser, die sich für ihr
Davoser Siedlungsgebiet wehrten. Es gelang, die Eindringlinge
zurückzudrängen. Die bischöflichen Truppen gingen ins Albulatal und
versuchten es

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S. 61: von der andern Seite. Im Raum Filisur stiessen die bischöflichen und die
vazischen Truppen aufeinander. Diese konnten auf die Unterstützung von
Innerschweizer Söldnern zählen. Es kam zu einer richtigen Schlacht mit
entsprechenden Verlusten auf beiden Seiten. Schliesslich mussten sich die
bischöflichen Truppen zurückziehen. Aber auch Donat von Vaz wurde
geschwächt. Eine wichtige Rolle spielten bei dieser Auseinandersetzung die
Walser, die ihm als Defensivkräfte den Rücken frei hielten. Dank ihnen und
der Innerschweizer Verstärkung gelang es Donat von Vaz, seinen Besitz
unbeschadet aus diesem Konflikt herauszuhalten Aber er war geschwächt. In
diesem Kampf machten die Vazer auch Gefangene, die sie auf Burg Belfort
mitschleppten und dort ins Verlies sperrten. Über das Schicksal dieser
Gefangenen schreibt der Mönch Johannes von Winterthur, ein Zeitgenosse von
Donat von Vaz. Nach seiner Darstellung wurden sie schlecht behandelt und
kamen nicht mehr alle lebendig aus diesem Kerker heraus.
Für die Davoser Walser stand in diesem Konflikt viel auf dem Spiel. Sie sahen
ihre mit dem Freibrief von 1289 erworbenen Rechte in Gefahr. Wir zitieren
hier den Mönch Johannes von Winterthur, einen Zeitzeugen von Donat von
Vaz, was er über diesen sagte:
"Obwohl er die Rechte studiert hatte, zeigte der erwähnte Herr von
Vaz grösste Wut und Willkür gegenüber seinen Feinden. Nachdem er
viele von ihnen gefangen genommen hatte, gab er diesen zunächst
reichlich zu essen und zu trinken, - nur um sie dann in den Kerker zu
werfen, wo er ihnen kaum noch hartes Brot gewährte. Ja, ein
verbreitetes Gerücht über ihn besagt, er sei von solcher Hartherzigkeit
und Bosheit gewesen, dass er sich sehr freute, wenn er hörte, wie die
Gefangenen vor Hunger und Pein in ihrem schrecklichen, schmutzigen
Verliess heulten und wehklagten.
Nachdem er lange Zeit das Bistum Chur bedrängt und viele von dessen
Gütern an sich gerissen hatte, warf ihn endlich eine Krankheit aufs
Sterbebett. Ermahnt, er solle auf sein Seelenheil bedacht sein und die
letzte Beichte ablegen, wie es einem von innen scheidenden Gläubigen
gezieme, antwortete er in seiner verstockten Bosheit:

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«Ich weiss genau, dass es sich gehören würde, zu beichten, aber ich
beichte nicht. Mir würde die Beichte nämlich überhaupt nichts nützen,
denn ich würde sie ganz ohne Reue ablegen. Und so schied er ohne
Reue, ohne Busse und ohne Trost aus dieser Welt- wie entsetzlich und
beklagenswert"
Soweit der Zeitgenosse Johannes von Winterthur.
Widerstand gegen Freiherr Donat von Vaz gab es auch aus der Grafschaft
Schams und von den Freien von Laax. Valendas führte einen eigentlichen
Klagerodel gegen den Vazer. So erwuchs ihm an mehreren Orten innerhalb
seines Einflussgebietes Widerstand, und es war für ihn nicht einfach,
zusammenzuhalten, was seine Vorfahren aufgebaut hatten. Der Zuzug von
Walsern liess nach, nachdem alle mittel- und
S. 62: nordbündnerischen Täler bis über die Waldgrenze hinauf besiedelt waren.
Ankommende Siedlergruppen mussten weiter ziehen in vorarlbergische
Gebiete und solche im St. Galler Oberland, wo die Vazer keinen Einfluss
hatten.
Das Gebiet unter vazischer Gebietsherrschaft reichte zur Zeit von Freiherr
Donat von Vaz vom Rheinwald über das Schams, Vals, das Safiental, Mutten,
das rechtsseitige innere Albulatal, die Landschaft Davos, das Prättigau, das
Schanfigg, das Churwaldner Tal bis in die Bündner Herrschaft. Natürlich hatte

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es in diesen Gebieten noch Rechte anderer Grundherren wie der Aspermont im
vordern Prättigau und der Brandis in der Herrschaft. Grundsätzlich erstreckte
sich der Einfluss der Freiherren von Vaz über dieses ganze Gebiet. Damit
hatten sie ohne es zu wissen das Territorium für den hundert Jahre später
gegründeten Zehngerichtebund nahezu festgelegt. Man kann sagen, dass die
Freiherren von Vaz im 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts bündnerische
Geschichte mitgestaltet haben.
Die letzte Zeit des Schlosses Belfort
Wir kehren wieder zurück auf Schloss Belfort, das bis zum Tod des letzten
Vazers noch das Zentrum des vazischen Hoheitsgebietes war. Dieses hatte sich
inzwischen nach Osten verschoben, wobei allmählich Davos zu dessen
Mittelpunkt wurde. Diesem Zentrum galten auch die Angriffe der
bischöflichen Truppen 1332/33. Auf dem Schloss regierte Donat mit seiner
Frau Gräfin Guota von Ochsenstein. Nach der Überlieferung hatte Donat von
Vaz ein voreheliches Verhältnis zu einer Dienstmagd,
S. 63: die ihm einen Sohn gebar. Diesen anerkannten er oder seine spätere Frau nicht,
und er soll im Kloster Pfäfers aufgewachsen sein und später dort als Priester
gelebt haben. Der Ehe mit Gräfin Guota von Ochsenstein entsprossen die
beiden Töchter Kunigunda und Ursula, die späteren Erben des vazischen
Besitzes.
Bei einem Besuch der Burgruine Belfort im Frühjahr 2013 entdeckte ich etwas
Neues. Im unteren Teil der Ruine hatten die Förderer der Ruine Belfort einen
Kräutergarten angelegt. Verschiedenste Küchen- und Heilkräuter wachsen und
blühen am untern Rand der Ruine. Ich hatte gelesen, dass die Freiherren von
Vaz, und vor allem Donat der letzte Vazer unter Verdauungsproblemen litten.
Sollte dieser kleine Kräutergarten an die Leiden der Freiherren von Vaz
erinnern? Bezeugt ist es meines Wissens nicht. Verwunderlich sind diese
Verdauungsbeschwerden nicht bei der damaligen einseitigen Ernährung. Die
Freiherren von Vaz assen vor allem das, was sie aus den eingenommenen
Zinsen auf den Tisch bekamen. Das waren aus den hochgelegenen Gebieten
vor allem tierische Produkte, Käse, Fleisch und Speck. Pflanzliche Nahrung
wie Mehl und Brot war wenig dabei, Gemüse und Früchte schon gar nicht.
Daneben ernährten sie sich von dem, was sie auf der Jagd erbeuteten und von

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den Fischen aus dem Davoser See. Sie assen das, was ihnen schmeckte. Ob
diese Lebensmittel alle noch frisch oder gut konserviert waren, wenn sie auf
Belfort im Kochtopf landeten, ist fraglich. Um ihre Magenschmerzen zu
lindern, haben die Vazer wahrscheinlich auf Belfort gepflanzte Heilkräuter
gegessen.
Aus dem Leben der Freiherren von Vaz gibt es wenig schriftliche Zeugnisse.
Vertragsabschlüsse wie Käufe, Verkäufe von Boden und Rechten,
Belehnungen und Schenkungen wurden schriftlich festgehalten, mit dem
Datum und dem Ort des Abschlusses versehen und gesiegelt. Schriftlich
festgehalten wurden die beiden Briefe
S. 64: mit den Walsern. Der Brief mit den Rheinwaldnern von 1277 und derjenige
mit den Davoser Walsern vom 31. August 1289 in Davos ausgestellt, beide
gesiegelt. In den Unterlagen wird meistens nur die Zeitspanne angegeben,
innerhalb der schriftliche Zeugnisse der einzelnen Freiherren vorliegen, zum
Beispiel bei Walter V. von 1255 bis 1284. Bei ihm wird ausnahmsweise das
Todesdatum, der 15. November 1284 angegeben. Im Bestreben, mehr wissen
zu wollen, haben sich vor allem um das Leben von Donat von Vaz
verschiedene Überlieferungen entwickelt, die nicht zu belegen sind. In seinen
letzten Lebensjahren hat Donat von Vaz verschiedene Vergabungen an Klöster
und Kirchen in seinem Einflussgebiet gemacht. Das Kloster Churwalden
wurde mit einer Vergabung bedacht. Vielleicht fühlte der Freiherr sein Ende
nahen und dachte dabei an Unrecht, das er begangen hatte, und erkaufte sich so
sein Seelenheil. Auch die Kirchen von Davos und Klosters wurden bedacht.
Sicher bedrückte ihn auch, dass er der letzte Freiherr von Vaz war. Als Erben

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hatte er "nur" seine zwei Töchter, die nach damaligem Recht seinen Namen
nicht weiterführen konnten. Wofür sich die Freiherren von Vaz ihr Leben lang
eingesetzt hatten und das der Inhalt ihres Lebens war, zerfıel nun in zwei Teile.
Ihren Namen gab es in Zukunft nicht mehr. Sie teilten das Schicksal anderer
Herrengeschlechter jener Zeit. Aber sie waren zu ihrer Zeit erfolgreich
gewesen. Sonst hätte diese Darstellung auch nicht geschrieben werden können.
Die Umstände von Donats Tod sind nicht genau zu klären. Es werden die Jahre
1337 und 1338 als Todeszeit angegeben. Wie zu Lebzeiten wollte er auch bei
seinem Tod keinen geistlichen Beistand haben. Wahrscheinlich fand Donat
seine Ruhestätte wie schon seine Vorfahren im Kloster Churwalden. Zu diesem
Zeitpunkt waren seine beiden Töchter Kunigunda und Ursula schon
verheiratet: Kunigunda mit Graf Friedrich dem V. von Toggenburg, Ursula mit
Graf Rudolf IV. von Werdenberg Sargans. Beide galten zu ihrer Zeit als gute
Partie, denn jede brachte die Hälfte der vazischen Besitzungen mit in die Ehe.
Vielleicht hatten sich Freifrau Kunigunda von Vaz und Graf Friedrich V. von
Toggenburg in einer unbeschwerten Runde im Haus zum Eich in Zürich
kennengelernt. Die Toggenburger Grafen sollen auch dort verkehrt haben. Auf
Schloss Belfort wurde es still. Der Hausherr war gestorben. Die beiden Töchter
hatten das Schloss schon vorher verlassen.
S. 65: Auf welcher ihrer Burgen die Grafen von Toggenburg wohnten, ist nicht
gesichert. Ursula und ihr Gatte residierten auf Schloss Sargans im Rheintal.
Auf Schloss Belfort würde nie mehr ein Freiherr regieren. Die beiden neuen
Herren des vazischen Besitzes residierten in ihren bisherigen Besitztümern.
Auf Schloss Belfort wohnten nur noch ihre Vögte, die für die Rechtsprechung
zuständig waren, wobei die bisherigen Rechte der Walser erhalten blieben,
zogen Steuern und Zinsen ein und mussten das Territorium gegen äussere
Feinde verteidigen.

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Für die Untertanen änderte sich wenig. Die Grafen von Werdenberg-Sargans
residierten zeitweise auch auf ihrem Schloss Ortenstein im äusseren
Domleschg, einer ehemals vazischen Besitzung, dort, wo seinerzeit der junge
Donat von Vaz mit seiner Mutter gelebt hatte.
Nach 100 Jahren kam auch für die Grafen von Toggenburg das Ende. Graf
Friedrich VII. wurde mit Schwert, Schild und Helm in der Schattenburg in
Feldkirch begraben. Sein Todesjahr war das Gründungsjahr des
Zehngerichtenbundes. Dieser umfasste in etwa das Territorium des ehemaligen
Besitzes der Freiherren von Vaz. Aber auch jetzt konnten die alten
Abhängigkeitsverhältnisse nicht abgeschüttelt Werden. Neue Herren kamen,
die Grafen von Matsch und die Montforter, und gingen wieder. Eine wichtige
Verbindung, vor allem für das vordere Prättigau, fand 1390 zwischen den
Grafen von Werdenberg-Sargans und den Grafen von Matsch statt und zwar
auf Schloss Solavers bei Grüsch. 1470 übernahmen die Herzöge von
Österreich die Herrschaftsrechte der ehemaligen Freiherren von Vaz. Schloss
Belfort war unterdessen altersschwach und erneuerungsbedürftig geworden.
Bewohnt wurde es um diese Zeit von Vertretern der Davoser Familie von
Beeli, die dort die Aufgaben des österreichischen Vogtes wahrnahmen. Als
1499 unter dem deutschen König Maximilian der Schwabenkrieg ausbrach,
belagerten brandschatzende bündnerische Truppen im März 1499 das Schloss.
Der Besitzer, Herr von Beeli aus Davos bat vergeblich um Gnade für das
Schloss. Die aufgebrachten Belagerer brannten nieder, was brennbar war.

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S. 66: Die dicken Mauern widerstanden den Belagerern weitgehend. Geblieben ist
aus jener Zeit eine Burgruine, an der der Zahn der Zeit seit Jahrhunderten nagt.
Burgruine Belfort
Über weite Teile Graubündens zerstreut gibt es Schlösser und viele
Burgruinen, die als Wehrbauten und Wohnsitze der damaligen
Adelsgeschlechter dienten, später ihre Bedeutung verloren und heute als
Ruinen an jene Zeit erinnern. Auch andere wurden zerstört wie Belfort. Heute
werden solche Burganlagen, wenn noch genügend Substanz vorhanden ist,
aufwendig gesichert, um sie der Nachwelt zu erhalten.
Zu diesen sanierten Burganlagen gehört auch die Burgruine Belfort, die wie
schon erwähnt in den Jahren 2002 bis 2006 durch den archäologischen Dienst
des Kantons Graubünden nach den neusten Erkenntnissen saniert wurde, um
sie der Nachwelt zu erhalten. In Brienz besteht der Verein Pro Ruine Belfort,
der die Aufgabe hat, die Ruine zu unterhalten, damit sie gefahrlos besucht
werden kann. Hinter diesem Verein steht die Herren von Vaz Stiftung mit Sitz
in Basel, die Events auf der Burg und Veröffentlichen über die Freiherren von
Vaz von Fall zu Fall mit einem Beitrag unterstützt. Mit dieser Arbeit soll das
Leben und Wirken der Freiherren von Vaz in Erinnerung gerufen werden. Sie
soll einen Einblick gewähren in eine längst vergangene Zeit, die für die

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Entwicklung von Oberrätien, dem späteren Graubünden eine grosse Bedeutung
hatte. Diese Zeit war eng verknüpft mit dem Adelsgeschlecht der Freiherren
von Vaz, das Geschlecht, das aus Oberschwaben gekommen war und hier in
Oberrätien einen wesentlichen Einfluss auf die Geschicke von Nord- und
Mittelbünden vom 12. bis ins 14. Jahrhundert hatte.
S. 67:

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S. 68: Unterlagen für meine Arbeit, die Freiherren von Vaz und ihre Zeit
Unterlagen aus dem Staatsarchiv in Chur
Rätien im Hochmittelalter von Werner Meyer
Die Anfänge der Freiherren von Vaz, von Heinz Gabathuler
Dynastenpolitik und Burgenbau von Florian Hitz, Klosters/Chur
Die Vazer und die Grafen von Rapperswil von Heinz Gabathuler
Aus der Frühzeit von Vaz - Obervaz, Florian Hitz, Klosters/Chur
Zwischen Schwaben und Rätien, Adel und Kirche im Hochmittelalter, Vaz,
Salem und Churwalden von Florian Hitz, Klosters Chur
Die Freiherren von Vaz und ihre Walserkolonien von Jürg L. Muraro
Brienz/Brinzauls, Burganlage Belfort, archäologischer Dienst und
Denkmalschutz Graubünden, Jahresbericht 2007
Die Kirche St. Jakob in Klosters, von Florian Hitz und Maria Kasper, Klosters
Walser Mitteilungen Nr. 61/201. Die Spina, eine Nachbarschaft, von Christian
Schmid, Zürich/Davos
Urkunde von 1544 im Gemeindearchiv von Schmitten
Jean Claude Cantieni, Rechtsanwalt, Chur, Kenner der Kulturgeschichte der
Freiherren von Vaz, aus seinen Unterlagen über dieses Geschlecht.
Bildernachweise (soweit nicht im Text angegeben)
Illustrationen aus den zitierten Arbeiten,
Bilder aus dem Jahresbericht 2007 des archäologischen Dienstes und der
Denkmalpflege Graubünden von der Burg Belfort,
Wikipedia,
Karte von Oberrätien um 1300 aus Bündnergeschichte von F. Pieth,
Eigene Aufnahmen.
Bestellnummer: ISBN 978-3-033-04109-7
2. Auflage, November 2013

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S. 69: Dank
An dieser Stelle danke ich dem Historiker Florian Hitz aus Klosters für seine
Unterstützung. Ohne diese hätte ich mich nicht an das Thema gewagt. Er hat
mir seine eigenen Schriften zum Thema im Staatsarchiv in Chur zugänglich
gemacht und gesagt, welche Unterlagen ich dort sonst noch finde. Er hat mich
auf den Jahresbericht 2007 des archäologischen Dienstes und der
Denkmalpflege Graubünden hingewiesen und mir weiter geholfen, wenn ich
irgendwo unsicher war. Zum Schluss hat er meine Arbeit überprüft.
Jean Claude Cantieni aus Chur für seine Anregungen. Herzlich danke ich
meinem Sohn Johannes für seine Mitarbeit. Mein Dank geht auch an die
Stiftung Herrschaft von Vaz für ihren grosszügigen Beitrag, sowie an den
Verein Pro Ruine Belfort und an den Museumsverein Vaz für die Organisation
der Vernissage auf Burg Belfort.
Der Walservereinigung Graubünden danke ich für die Organisation des
Anlasses zur Herausgabe des Buches im Heimatmuseum Davos.
Ihr Interesse für meine Arbeit würde mich freuen. Vertiefen sie sich in die
Geschichte jener längst vergangenen Zeit, welche für das Geschick des
Kantons Graubünden von grosser Bedeutung war.
Der Verfasser: Werner Gees
Adresse: Rehweidstr. 6, 8590 Romanshorn
Email: werner.gees@bluewin.ch

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S. 70:
Internet-Bearbeitung: K. J. Version 11/2013
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