Prag und der Fall Tuchatschewski - Institut für Zeitgeschichte
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106 IvanPfaff<br />
Moskau vom 21. <strong>und</strong> 27. April hin, wonach es zwischen Moskau <strong>und</strong> Berlin zu keinem<br />
Zeitpunkt Verhandlungen irgendeiner Art gegeben habe 46 .<br />
Was Benes Alexandrowski konkret erklärte o<strong>der</strong> überreichte, konnten wir nur<br />
mutmaßen, bevor es 1979 glückte, den Beschluß des Moskauer Politbüros vom<br />
24. Mai aufzufinden. Darin wird <strong>der</strong> Inhalt von Beness persönlicher Botschaft an Stalin<br />
vom 8.Mai (die in Moskau frühestens am 11., eher noch am 12.Mai zugestellt<br />
wurde) wie<strong>der</strong>gegeben <strong>und</strong> auch auf die dieser Botschaft beigefügten „Dokumente"<br />
Bezug genommen, ohne sie jedoch zu präzisieren. Dieser Politbüro-Beschluß erweckt<br />
den Eindruck, daß Stalin, auf dessen Mitteilungen sich <strong>der</strong> Beschluß beruft,<br />
dieses Material dem Politbüro gar nicht vorgelegt, son<strong>der</strong>n es nur wie<strong>der</strong>gegeben hat,<br />
ohne zwischen seinem Inhalt <strong>und</strong> dem Inhalt von Beness Botschaft zu differenzieren.<br />
Trotz <strong>der</strong> geradezu sensationellen Angaben des Beschlusses ist es also immer noch<br />
nicht möglich, das Material, das die Nationalsozialisten <strong>Prag</strong> untergeschoben haben,<br />
zu konkretisieren <strong>und</strong> zu analysieren: aus den Angaben des Beschlusses läßt sich <strong>der</strong><br />
Inhalt von Beness Botschaft nicht deutlich herauslösen, die beiden Komplexe sind<br />
nicht voneinan<strong>der</strong> zu unterscheiden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Charakter <strong>und</strong> die Herkunft <strong>der</strong> „Dokumente"<br />
lassen sich nicht charakterisieren. Dennoch ist es aufgr<strong>und</strong> des Beschlusses<br />
möglich, die Anschuldigungen gegen <strong>Tuchatschewski</strong> <strong>und</strong> die übrigen Generäle zumindest<br />
allgemein zu umreißen. Die „Verschwörer" sollen geplant haben, „in Verbindung<br />
mit dem deutschen Generalstab <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gestapo ... Stalin <strong>und</strong> die Sowjetregierung<br />
sowie alle Organe <strong>der</strong> Partei <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sowjetmacht durch einen Militärputsch zu<br />
stürzen, eine Militärdiktatur ... zu installieren", <strong>und</strong> zwar unter Mithilfe einer antikommunistischen<br />
„nationalen Regierung", die sich mit Deutschland verb<strong>und</strong>en hätte<br />
<strong>und</strong> die nach Ermordung Stalins <strong>und</strong> seiner führenden Mitarbeiter die Absicht gehabt<br />
habe, „Deutschland <strong>für</strong> seine Hilfe beson<strong>der</strong>e Vorrechte innerhalb <strong>der</strong> Sowjetunion<br />
zu gewähren" <strong>und</strong> „Gebietsabtretungen an Deutschland ... in <strong>der</strong> Ukraine ... durchzuführen",<br />
von <strong>der</strong> Aufkündigung <strong>der</strong> Bündnisse mit Paris <strong>und</strong> <strong>Prag</strong> ganz zu schweigen.<br />
Das Ganze hätte geschehen sollen unter <strong>der</strong> Parole des „nationalen Rußland",<br />
das unter starker Militärherrschaft stehen würde 47 . Obwohl diese Darstellung des angeblichen<br />
Plans, <strong>der</strong> so absurd klingt, daß seine Unglaubwürdigkeit zum Himmel<br />
schreit, überhaupt nicht anführt, auf welchen "Wegen <strong>und</strong> mit welchen Mitteln <strong>der</strong> Umsturz<br />
konkret hätte vor sich gehen sollen - was von vornherein verdächtig erscheinen<br />
muß, ist auf den ersten Blick klar ersichtlich: wie weitgehend <strong>und</strong> auffallend die an<br />
sich allzu abstrakten Angaben mit Mastnys ersten Informationen vom Februar 1937<br />
übereinstimmen. Diese Übereinstimmung dürfte Benes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Führung <strong>der</strong> tschechoslowakischen<br />
Außenpolitik nicht entgangen sein, sie dürfte in <strong>Prag</strong> das Vertrauen in die<br />
Kroftas Aufzeichnung über sein Gespräch mit Alexandrowski, <strong>Prag</strong> 21.4. 1937, Kab. 1937,<br />
Nr.2206; Pavlü an Krofta über Potemkins Intervention, Moskau 27.4.1937, Moskau 1937, Nr. 36<br />
(beides: AMZV <strong>Prag</strong>); Alexandrowski an Litwinow, <strong>Prag</strong> 22.4.1937, in: Dokumenty a materiäly k<br />
dejinäm ceskoslovensko-sovetskych vztahü (Dokumente <strong>und</strong> Materialien zur Geschichte <strong>der</strong> tschechoslowakisch-sowjetischen<br />
Beziehungen), Bd. III, <strong>Prag</strong> 1979, Nr. 204, S.357.<br />
Beschluß des Politbüros <strong>der</strong> KPdSU (B), Moskau 24.5.1937 (vgl. Anm. 42).