Prag und der Fall Tuchatschewski - Institut für Zeitgeschichte
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Ivan Pfaff<br />
son<strong>der</strong>s verb<strong>und</strong>en, wenn Sie mich über das Material ins Bild setzen würden, das gegenwärtig<br />
konstruiert wird, <strong>und</strong>, wenn möglich, ,sur le materiels en projet'"! Die<br />
Zweifel, ob <strong>und</strong> wieweit von französischer Seite, beispielsweise auch vom Luftfahrtministerium,<br />
auch den Russen wertvolle Informationen gegeben worden sind, dürften<br />
danach nicht behoben sein.<br />
Der bekannte Mitarbeiter <strong>der</strong> sozialistischen „Republique", Pierre Dominique, stellt<br />
zwei Alternativen auf: entwe<strong>der</strong> ist <strong>Tuchatschewski</strong> schuldig, wie konnte dann Frankreich<br />
<strong>der</strong> Alliierte eines Rußland werden, das ebenso verrottet ist wie das zaristische<br />
Rußland, o<strong>der</strong> aber die Beschuldigung ist nicht wahr, wie könne sich dann Frankreich<br />
zum Alliierten eines neuen Iwan des Schrecklichen machen ...<br />
Das Gesamturteil <strong>der</strong> Presse, selbst eines so sowjetfre<strong>und</strong>lichen Blattes wie „Oeuvre",<br />
geht dahin, daß, auch wenn man die tieferen Beweggründe des Vorgehens gegen<br />
<strong>Tuchatschewski</strong> <strong>und</strong> die sieben Generale im einzelnen zur Zeit noch nicht ergründen<br />
könne, die Tatsache <strong>der</strong> Hinrichtung dem internationalen Ansehen <strong>der</strong><br />
Sowjetunion einen schweren Schlag versetzt habe <strong>und</strong> begründete Zweifel am Wert<br />
des Russenpaktes aufkommen lasse ...<br />
Einer <strong>der</strong> führenden Generale des französischen Generalstabes hat in meinem Beisein<br />
die Ansicht ausgesprochen, daß die Erschießungen starke Rückwirkungen auf<br />
die Einstellung <strong>der</strong> französischen Meinung zu Sowjetrußland ausüben würden.<br />
PA AA Bonn: Botschaft Paris, 479 b, Rußland, Bd. 21,<br />
408 280-283<br />
10<br />
Der tschechoslowakische Gesandte, Dr. Stefan Osusky, an den Außenminister, Dr. Kamil<br />
Krofia, Paris 4. März 1938<br />
Nr. 229/38 Paris, den 4. März 1938<br />
Geheim!<br />
Herr Minister!<br />
Nach den Ereignissen in Österreich im Anschluß an die Zusammenkunft in Berchtesgaden<br />
trat die tschechoslowakische Frage in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Ich will Sie nicht im<br />
unklaren lassen, daß in Paris Leute aus verschiedenen Berufen <strong>und</strong> aus verschiedenem<br />
Milieu - Journalisten <strong>und</strong> Parlamentarier nicht ausgenommen - begonnen haben, ihrem<br />
Wi<strong>der</strong>stand gegen den Gedanken, Frankreich müsse wegen <strong>der</strong> Tschechoslowakei<br />
mit Deutschland Krieg führen, Form <strong>und</strong> Ausdruck zu verleihen. Unter dem Einfluß<br />
<strong>der</strong> Demission Edens wollten sowohl die Anhänger eines Abkommens mit<br />
Deutschland als auch die Anhänger eines Abkommens mit Italien <strong>und</strong> schließlich die<br />
Gegner <strong>der</strong> Politik Frankreichs in Mitteleuropa <strong>und</strong> <strong>der</strong> Politik mit Rußland den Versuch<br />
einer Umorientierung <strong>der</strong> französischen Politik unternehmen. Man muß sich<br />
nämlich dessen bewußt werden, daß Edens Demission in Paris einen <strong>der</strong>artigen Ein-