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Prag und der Fall Tuchatschewski - Institut für Zeitgeschichte

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Anhang<br />

1<br />

Der tschechoslowakische Gesandte, Dr. Vojtech Mastny, an den Staatspräsidenten Dr. Edvard<br />

Benes, Berlin 9. Februar 1937<br />

Heute besuchte mich Graf Trautmannsdorff mit <strong>der</strong> K<strong>und</strong>e, daß in Unterredungen<br />

bezüglich des Vertrages ein gewisser Verzug eingetreten sei. Der Reichskanzler soll<br />

wegen Sebas Buch über Rußland <strong>und</strong> die Kleine Entente 108 verärgert sein, aus dem<br />

hervorgeht, wie stark die Tschechoslowakei mit Rußland engagiert sei. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> wolle <strong>der</strong> Reichskanzler weitere Verhandlungen mit <strong>der</strong> Tschechoslowakei <strong>für</strong><br />

die Zeit von 10-14 Tagen hinausschieben, bis sich die Affäre Seba kläre. Dies soll<br />

nicht bedeuten, daß Hitler seine Absicht geän<strong>der</strong>t habe, son<strong>der</strong>n daß <strong>der</strong> Augenblick<br />

nicht günstig sei. Ich sagte, daß ich kaum verstehen könne, daß Sebas Buch, aus dem<br />

die Propaganda künstlich gegen uns Dinge konstruierte, die dort nicht vorhanden<br />

sind, auf den Reichskanzler <strong>der</strong>maßen hätte wirken können nach Erklärungen, die<br />

von unserer Seite vom Präsidenten <strong>der</strong> Republik persönlich über den Charakter unseres<br />

politischen Vertrages mit Rußland abgegeben worden sind, daß uns jedoch nichts<br />

an<strong>der</strong>es übrigbleibe, als dies zur Kenntnis zu nehmen ...<br />

Daß ich schließlich überhaupt nicht begreife, erklärte ich - nach ausführlichen Gesprächen,<br />

die ich mit Goebbels, Funk <strong>und</strong> Rosenberg führte, daß die Kampagne gerade<br />

zur Zeit <strong>der</strong> Unterredungen weiterlaufen könne, da eine einzige Weisung des<br />

Reichskanzlers genügen würde, um diese Dinge einzustellen. Daß wir nach <strong>der</strong> Initiative<br />

des Kanzlers, persönlichen Kontakt mit dem Präsidenten <strong>der</strong> Republik herzustellen,<br />

eine solche „Begleitmusik" <strong>für</strong> unsere Pourparlers nicht erahnen konnten.<br />

Graf Trautmannsdorff gab in äußerst anständiger Weise meinen Vorwürfen <strong>und</strong> Ausführungen<br />

recht. Vor allem was den eingetretenen Verzug betrifft, gab er zu, mit <strong>der</strong><br />

Bitte, volle Geheimhaltung zu wahren, daß <strong>der</strong> eigentliche Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> das Zögern des<br />

Kanzlers in dessen Vermutung begründet ist, daß gewissen Nachrichten zufolge, die<br />

er aus Rußland bekommen hatte, dort die Wahrscheinlichkeit einer baldigen plötzlichen<br />

Wende, des Sturzes Stalins <strong>und</strong> Litwinows <strong>und</strong> <strong>der</strong> Installierung einer Militärdiktatur<br />

eingetreten sei. Sollte es dazu kommen, dann würde <strong>der</strong> Reichskanzler<br />

angeblich die gesamte Haltung gegenüber Rußland än<strong>der</strong>n <strong>und</strong> wäre bereit, West<strong>und</strong><br />

Osteuropa gleichzeitig zu erledigen, allerdings wie<strong>der</strong> nur auf dem Wege bilateraler<br />

Verträge.<br />

In dem Buch „Rusko a Mala dohoda v politice svetove" (Rußland <strong>und</strong> die Kleine Entente in <strong>der</strong><br />

Weltpolitik), <strong>Prag</strong> 1936, bedauerte dessen Verfasser, Jan Seba, <strong>der</strong> tschechoslowakische Gesandte<br />

in Bukarest, die sowjetische Nie<strong>der</strong>lage im polnisch-sowjetischen Krieg 1920, die bewirkte, daß die<br />

Sowjetunion keine gemeinsame Grenze mit <strong>der</strong> Tschechoslowakei hatte, die die Realisierung <strong>der</strong><br />

sowjetischen Hilfeleistung an die CSR über Ostpolen erheblich erleichtert hätte. Deswegen löste<br />

das Buch einen großen, wenn auch zuweilen hochgespielten Skandal aus <strong>und</strong> <strong>der</strong> Autor mußte 1937<br />

von seinem diplomatischen Posten abberufen werden.

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