Prag und der Fall Tuchatschewski - Institut für Zeitgeschichte
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130 Ivan Pfaff<br />
erfolge (sie!) <strong>der</strong> Bündnispolitik <strong>der</strong> SSSR (sie!) sind kaum geeignet, die sowjetischtschechoslowakischen<br />
Beziehungen zu för<strong>der</strong>n. In diesem Zusammenhang sieht das<br />
Politbüro in dem Entschluss (sie!) von Delbos, Moskau aus seiner osteuropäischen<br />
Reise auszuschliessen <strong>und</strong> die Einladung des Genossen Litwinow abzuschlagen, ein<br />
neues Zeichen <strong>für</strong> Versuche, den sowjetisch-französischen Pakt zu disqualifizieren.<br />
All dies zwingt das Politbüro, den Genossen Leitern <strong>der</strong> Sowjetaussenpolitik dringend<br />
anzuempfehlen, in <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> sowjetischen Verpflichtungen gegenüber<br />
Frankreich <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tschechoslowakei grössere Zurückhaltung <strong>und</strong> Distanz zu bewahren.<br />
PA AA Bonn: Polit. Abt.V, Pol.5, Innere Politik,<br />
Parlaments- <strong>und</strong> Parteiwesen in Rußland, Bd. 4, s.f.<br />
8<br />
Botschaftsrat von Tippeiskirch an den Vortragenden Legationsrat Schiep imAA, Moskau<br />
7. Januar 1938<br />
Sie haben mir mitgeteilt, daß in einem Gespräch mit dem Vortragenden Legationsrat<br />
Braun von Stumm am 27. Dezember 1937 ein Mitglied <strong>der</strong> französischen Botschaft in<br />
Berlin seinem Glauben an <strong>Tuchatschewski</strong>s Schuld Ausdruck gab <strong>und</strong> dabei bemerkte,<br />
daß die Sowjets nach Paris diesbezügliche Unterlagen geschickt hatten.<br />
Der französische Botschafter Coulondre stellte schon im Juni 1937 nach <strong>der</strong> Hinrichtung<br />
<strong>der</strong> acht Generäle Litwinow die Frage, wie die gegen die Generäle erhobenen<br />
Anschuldigungen <strong>der</strong> Spionage zu Gunsten Deutschlands zu bewerten seien. Litwinow<br />
antwortete geschickt <strong>und</strong> ausweichend, daß es Sache des Gerichtes sei, dies zu<br />
beurteilen. Details, die über die Veröffentlichungen des Gerichtes hinausgingen, seien<br />
ihm nicht bekannt. Er brauche aber wohl kaum beson<strong>der</strong>s darauf hinzuweisen, daß<br />
die erschossenen Generäle durch ihre Schulung in Deutschland <strong>und</strong> durch ihre Sympathien<br />
eine germanophile Gruppe in <strong>der</strong> Führung <strong>der</strong> Röten Armee dargestellt hätten,<br />
<strong>der</strong>en Liquidierung logischerweise gerade auch den französisch-sowjetischen Beziehungen<br />
zugute kommen müßte. Litwinows Antwort hat Coulondre nicht<br />
überzeugen können. Im Gegenteil, sämtliche in Moskau akkreditierten Botschafter<br />
sind fest davon überzeugt, daß <strong>der</strong> Spionage-Vorwurf unzutreffend ist.<br />
Wir halten daran fest, daß die Beschuldigungen gegen die Generäle nur ein Vorwand<br />
sind, <strong>und</strong> daß eine akute o<strong>der</strong> konkrete Konspiration nie bestanden hat. Wir<br />
glauben nach wie vor, daß Stalin die Generäle beseitigt hat, weil sie ihm wegen ihrer<br />
ganzen Einstellung verdächtig erschienen, insoweit nämlich, als sie ihm gefährlich<br />
werden konnten durch ihren Einfluß auf die Gestaltung <strong>der</strong> Armee <strong>und</strong> als Kristallisationspunkte<br />
<strong>für</strong> ihre Organisation. Es ist durchaus möglich, daß das Vorgehen gegen<br />
die Generäle das Werk o<strong>der</strong> die Folge von Machenschaften des Geheimdienstes<br />
irgendeines Staates ist (sie!).<br />
An sich wäre Deutschland durchaus berechtigt, seine bisherige Haltung fortzusetzen<br />
<strong>und</strong> die sowjetrussischen lügenhaften Beschuldigungen als keiner ernsthafter Wi-