Prag und der Fall Tuchatschewski - Institut für Zeitgeschichte
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112 IvanPfaff<br />
fend, seine Schlußfolgerung jedoch, die CSR rechne überhaupt nicht mehr mit sowjetischer<br />
Hilfe 65 , war gänzlich irrig. Unter keinen Umständen konnte die tschechoslowakische<br />
Führung auf sowjetische Hilfe verzichten, wie Benes noch im Mai 1938<br />
nachdrücklich gegenüber dem britischen Gesandten bekräftigte, indem er vor dem<br />
Ausschluß <strong>der</strong> Sowjetunion aus Europa <strong>und</strong> seihen katastrophalen Auswirkungen<br />
warnte 66 . Daß nicht einmal die starken tschechoslowakischen Vorbehalte gegenüber<br />
<strong>der</strong> sowjetischen Innen- <strong>und</strong> Außenpolitik in <strong>Prag</strong> eine Revision des Bündnisses mit<br />
Moskau herbeizuführen vermochten, zeigte sich rückblickend bei Benes bereits nach<br />
dem 22. Juni 1941: „Ich mußte drei Jahre lang so manövrieren, um auch die Russen in<br />
die Sache zu bekommen. Und dabei beschimpfte ich sie, weil sie furchtbare Dinge taten,<br />
Schweinereien ... B. schimpfte über die Bolschewiki, über alle ihre Schandtaten,<br />
denn in je<strong>der</strong> davon sah er, wie sich die Sowjets von ihrer <strong>für</strong> uns lebenswichtigen Beteiligung<br />
an diesem Krieg entfernten." 67<br />
Vielleicht erklärt gerade das nachhaltige Bestreben <strong>der</strong> tschechoslowakischen Außenpolitik,<br />
die sowjetische Allianz um jeden Preis zur Geltung zu bringen 68 , warum<br />
nicht einmal das <strong>Prag</strong>er Oberkommando die Liquidierung <strong>Tuchatschewski</strong>s <strong>und</strong> des<br />
sowjetischen Offizierskorps am Anfang als eine schwere Beeinträchtigung <strong>der</strong> Roten<br />
Armee einschätzte. Zumindest versuchte General Krejci, <strong>der</strong> tschechoslowakische<br />
Generalstabschef, noch im August 1937 den französischen Geheimdienst davon zu<br />
überzeugen, daß „Frankreich Rußland schlecht kenne" <strong>und</strong> daß die Sowjetarmee „eine<br />
finstere Phase durchlaufen könne, doch immer eine Kraft von großem Wert bleibe"<br />
69 . Erst die Flut von Repressalien gegen das gesamte sowjetische Offizierskorps<br />
<strong>und</strong> vor allem das Entsetzen <strong>der</strong> tschechoslowakischen Militärdelegation, die - entsandt<br />
in die UdSSR, den Zustand <strong>und</strong> die Verteidigungsbereitschaft <strong>der</strong> Roten Armee<br />
zu überprüfen - Ende Oktober 1937 mit einer alarmierenden Bilanz, die die schlimmsten<br />
Erwartungen übertraf, zurückkehrte, trugen panische Ängste vor den Folgen <strong>der</strong><br />
Armeesäuberungen in die tschechoslowakische Politik hinein. Man be<strong>für</strong>chtete eine<br />
innere Zersetzung <strong>der</strong> Roten Armee, eine Schwächung ihrer operativen Schlagkraft<br />
<strong>und</strong> Aktionsbereitschaft; ferner sorgte man sich um ihre Fähigkeit, offensiv aufzutreten,<br />
<strong>und</strong> um die taktische <strong>und</strong> strategische Unerfahrenheit <strong>der</strong> neuen jungen Armee-<br />
Eisenlohrs Memorandum „Die tschechoslowakische Außenpolitik im Jahr 1938" an das AA, <strong>Prag</strong><br />
12.1.1938,ADAP,Ser.D, Bd. II, Baden-Baden 1950, Nr. 47, S. 79.<br />
In: Mnichovvdokumentech, Bd.II, Nr.26.<br />
Aufzeichnung des Gesandten J. Smutny, Leiter <strong>der</strong> Präsidialkanzlei, über sein Gespräch mit Benes,<br />
London 23.6.1941, in: Dokumenty khistorii ceskoslovenskepolitiky 1939-1943 (Dokumente zur<br />
Geschichte <strong>der</strong> tschechoslowakischen Politik 1939-43), Bd.I, <strong>Prag</strong> 1966, Nr. 193, S.234.<br />
Noch nach dem Anschluß Österreichs erklärte Benes, daß nach seiner Überzeugung „die Säuberungen<br />
die Schlagkraft <strong>der</strong> Sowjetunion weit weniger gemin<strong>der</strong>t haben als angenommen wird" (General<br />
E.L.Spears an Halifax über seinen Empfang bei Beneä, London 14. <strong>und</strong> 21.3. 1938, FO 371,<br />
Vol. 21716, p. 324 <strong>und</strong> FO 800, Vol. 309, p. 133, PRO London).<br />
G.Gauche, Le Deuxieme Bureau au travail 1935-1940, Paris 1955, S.62; General Bohumil Fiala,<br />
stellvertreten<strong>der</strong> Generalstabschef, an Oberst Frantisek Moravec, Chef des militärischen Nachrichtendienstes,<br />
<strong>Prag</strong> 9.11. 1937, Nachlaß General Fiala, Privatbesitz <strong>Prag</strong> (h ier abgedruckt als Anhang<br />
5).