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Prag und der Fall Tuchatschewski - Institut für Zeitgeschichte

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100 IvanPfaff<br />

streben <strong>der</strong> Sowjets, sich mit Berlin zu einigen 17 , vorfand - was sich Mitte April durch<br />

unspezifizierte Informationen <strong>der</strong> CSR-Gesandtschaft in Moskau über deutsch-sowjetische<br />

Kontakte wie<strong>der</strong>holt zu bestätigen schien 18 . <strong>Prag</strong>er Regierungskreise zeigten<br />

sich in immer eindrucksvollerem Maße über eine mögliche Militärdiktatur in<br />

Moskau beunruhigt. Von dieser Angst wurden auch die in <strong>Prag</strong> akkreditierten Vertreter<br />

<strong>der</strong> Deutschland fre<strong>und</strong>lichen Staaten ergriffen 19 , insbeson<strong>der</strong>e als auch <strong>der</strong> französische<br />

Botschafter in Moskau, Coulondre, zur gleichen Zeit auf angebliche prodeutsche<br />

Tendenzen bei <strong>Tuchatschewski</strong> <strong>und</strong> Woroschilow aufmerksam machte <strong>und</strong><br />

die zwei als potentielle Gefahr, als Drahtzieher einer Wende in <strong>der</strong> Sowjetpolitik bezeichnete<br />

20 . Coulondre ging Mitte April 1937 noch viel weiter, als er dem französischen<br />

Botschafter in Berlin anvertraute, er habe bei den „offiziellen" Deutschen in Erfahrung<br />

gebracht, sie verträten die Ansicht, Stalin, Litwinow, Dimitroff, die<br />

Komintern <strong>und</strong> die jüdischen Politiker müßten verschwinden <strong>und</strong> statt dessen müßte<br />

ein nationales, auf Militärherrschaft gestütztes Rußland, das bereit zur Zusammenarbeit<br />

mit Deutschland wäre, entstehen 21 .<br />

Das Gestrüpp von Indizien <strong>und</strong> Informationen verdichtete sich <strong>der</strong>art, daß es die<br />

Trugbil<strong>der</strong> verdeckte <strong>und</strong> das Denken <strong>der</strong> <strong>Prag</strong>er Politiker mit einer Fiktion von<br />

Glaubwürdigkeit umhüllte, die selbst kritischer Kontrolle standgehalten hätte. Der<br />

auffallende Wi<strong>der</strong>spruch zwischen <strong>der</strong> langen Vorbereitung, dem scheinbar vielversprechenden<br />

Verlauf <strong>der</strong> Gespräche <strong>der</strong> deutschen Emissäre mit Benes <strong>und</strong> ihrer<br />

plötzlichen Unterbrechung (die Unterbrechung <strong>der</strong> Gespräche wurde mit <strong>der</strong> Mitteilung<br />

über den bevorstehenden Umsturz in <strong>der</strong> Sowjetunion angekündigt <strong>und</strong> begründet),<br />

scheint es zu erlauben, die von Berlin angeregten Gespräche mit <strong>Prag</strong> <strong>für</strong> einen<br />

fingierten Schachzug zu halten, <strong>für</strong> eine <strong>Fall</strong>e, die ausschließlich zwei Dinge zum Ziel<br />

hatte: einerseits Benes die „Beweise" gegen <strong>Tuchatschewski</strong> zuzuspielen, an<strong>der</strong>erseits<br />

die Sowjetarmee zu schwächen <strong>und</strong> das Mißtrauen <strong>der</strong> <strong>Prag</strong>er <strong>und</strong> <strong>der</strong> Pariser Regierung<br />

gegenüber Moskau künstlich zu nähren 22 .<br />

Damit sind wir allerdings <strong>der</strong> Entwicklung auf <strong>der</strong> deutschen Seite zuvorgekommen,<br />

<strong>und</strong> es wäre angebracht, sich <strong>der</strong> eigentlichen nationalsozialistischen Intrige zuzuwenden.<br />

Es ist schwer zu entscheiden, ob es wirklich <strong>der</strong> weißrussische General<br />

Skoblin in Paris war - gleichzeitig Agent des SD <strong>und</strong> <strong>der</strong> NKVD -, <strong>der</strong> Heydrich<br />

durch seine „Informationen" auf den Gedanken brachte, die Intrige gegen Tuchat-<br />

17<br />

Pavlü an Krofta, Moskau 7.4. 1937, Moskau 1937, Nr.24; Slävik an Krofta, Warschau 8.4. 1937,<br />

Warschau 1937, Nr.30 (beides: AMZV <strong>Prag</strong>).<br />

18<br />

Pavlü an Krofta, Moskau 16.4.1937, Moskau 1937, II/2, Nr. 52532, AMZV <strong>Prag</strong>.<br />

19<br />

Der ungarische Gesandte Wettstein an Budapest, <strong>Prag</strong> 18.4.1937, in: Irätok Magyarorszäg Külpolitikajähoz,<br />

Bd. III, Budapest 1964, S. 394.<br />

20<br />

Osusky an Krofta, Paris 17.4.1937, Kab. 1937, Nr. 3123, AMZV <strong>Prag</strong>.<br />

21<br />

Phipps an das Foreign Office (FO), Berlin 13.4.1937, FO 371, Vol. 21095, Doc.N 2064, PRO London.<br />

22<br />

Als erster überhaupt deutete Kamil Krofta diese Möglichkeit an; Kamil Krofta, Z dob naäi prvni re-<br />

publiky (Aus den Zeiten unserer Ersten Republik), <strong>Prag</strong> 1939, S. 125.

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