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Gadamer vor Heidegger Es ist unzweifelhaft, daß die Begegnung ...

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nur dem Agathon zufallen kann. 72 Die Lust wird aber auch eine positive Rolle<br />

übernehmen dürfen, insofern sie berufen <strong>ist</strong>, <strong>die</strong> Immanenz des Guten in<br />

unserer Wirklichkeit, also das Bei-uns und In-uns-sein des Guten<br />

her<strong>vor</strong>zukehren. 73 Dieser Begriff eines immanenten Guten wird in <strong>Gadamer</strong>s<br />

späteren Analysen bis hin zu den letzten Aufsätzen der 90er Jahre bestimmend<br />

bleiben. 1922 dürfte er wohl noch im Zusammenhang mit Natorps<br />

mon<strong>ist</strong>ischer, aber zugleich allumfassender Deutung der Ideenlehre stehen.<br />

So wird sich der junge <strong>Gadamer</strong> bemühen, <strong>die</strong> positive Anerkennung<br />

eines legitimen Hedonismus bei Platon herauszustellen. In der Politeia wird<br />

zum Beispiel behauptet, <strong>daß</strong> <strong>die</strong> Gemeinsamkeit der Lust <strong>die</strong> Bürger<br />

zusammenbinden kann und <strong>daß</strong> ein gerechter Staat der Lust nicht entbehren<br />

kann. 74 Entscheidend <strong>ist</strong> <strong>vor</strong> allem <strong>die</strong> Lehre der späteren Dialoge Platons,<br />

nach denen das <strong>vor</strong>zuziehende Leben ein “gemischtes” <strong>ist</strong>, das zwar an <strong>die</strong><br />

Ideenperspektive gebunden <strong>ist</strong>, dennoch das Ganze des sinnlichen Seins<br />

miteinbezieht. <strong>Gadamer</strong> erblickt mit Recht darin eine Antizipation der<br />

ar<strong>ist</strong>otelischen Mesoteslehre, 75 nach der <strong>die</strong> Tugend ein Mittleres zwischen<br />

zwei Extremen bildet. Die gesamte Phileboslektüre wird nach <strong>die</strong>sem<br />

Gesichtspunkt durchgeführt. Damit wird der Boden für <strong>die</strong><br />

phänomenologische Interpretation des Philebos in der Habilitationsschrift von<br />

1928, aber auch für <strong>die</strong> <strong>die</strong> späteren Stu<strong>die</strong>n charakterisierende Suche nach<br />

den gemeinsamen Anliegen von Plato und Ar<strong>ist</strong>oteles hinsichtlich der Idee des<br />

Guten <strong>vor</strong>bereitet. 76 Wie <strong>Gadamer</strong> 1922 erhellend ausführt, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Frage nach<br />

dem Guten als dem Vollendeten sowohl für den Staat als auch für den<br />

Philebos <strong>vor</strong>dergründig, aber so, <strong>daß</strong> <strong>die</strong> Idee des Guten im Staat nicht näher<br />

bestimmt worden war. In <strong>die</strong>ser Hinsicht bringt der Philebos eine Klärung,<br />

aber auch einen Durchbruch, sofern dort “<strong>die</strong> große Umwendung des Blicks<br />

auf den Bereich der Erfahrung ausdrücklich vollzogen” wird: “<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />

‘dialektische’ Wendung, <strong>die</strong> nicht mehr gegenüber den Polla in einsamer<br />

Ferne das Hen stehen läßt, sondern beide zusammenbindet durch Maß und<br />

72 Ebd. 39.<br />

73 Ebd., S. 46f.<br />

74 Ebd., S. 63.<br />

75 Ebd., S. 78.<br />

76 Vgl. dazu Die Idee des Guten zwischen Plato und Ar<strong>ist</strong>oteles, Heidelberg 1978, jetzt in<br />

GW, Bd. 7, 128-227.<br />

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