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willigen Irreführungen <strong>de</strong>r Journalistik« mitbeklagt, hat damals als erstes in<br />
Plakatlettern einem in Kriegsfurcht schlottern<strong>de</strong>n Publikum die Neuigkeit <strong>de</strong>r<br />
Ermordung Prochaskas verkün<strong>de</strong>t und die Angst in eine Panik verwan<strong>de</strong>lt.<br />
Der Vogel, <strong>de</strong>n es endlich einmal abschoß, war eine Wil<strong>de</strong>nte, <strong>de</strong>ren Genuß<br />
<strong>de</strong>r Bevölkerung einen Teil <strong>de</strong>r ungezählten Millionen kostet, die das Fest jener<br />
Tage auf <strong>de</strong>r Rechnung hat. Wie aber war diese Ente in die Nähe <strong>de</strong>s wil<strong>de</strong>n<br />
Diebs getrieben wor<strong>de</strong>n? Welche nichtswürdigen Müßiggänger haben die<br />
Gelegenheit benützt, um ernste Männer, die ihre schwere Berufspflicht erfüllen,<br />
zu täuschen? Wer gab damals <strong>de</strong>r Polizei <strong>de</strong>n Fingerzeig, wo sie das Nest<br />
aufstöbern könnte, um die gesamte Presse <strong>de</strong>r Monarchie und auch die gesamte<br />
Bevölkerung vor solchen verruchten Bübereien zu schützen, durch die<br />
zwar nicht die Angehörigen <strong>de</strong>r Arbeiter in <strong>de</strong>n Schönbrunner Gaswerken, die<br />
es nicht gibt, wohl aber die Angehörigen <strong>de</strong>r österreichischen Monarchie, die<br />
es noch immer gibt, geängstigt wur<strong>de</strong>n und in ihrer Gesundheit geschädigt<br />
wer<strong>de</strong>n konnten: also vor einer Verbreitung falscher, beunruhigen<strong>de</strong>r Gerüchte,<br />
auf die <strong>de</strong>r § 308 einmal zutrifft und die <strong>de</strong>m Staate einen Millionenscha<strong>de</strong>n<br />
zugefügt hat? Wo hat damals ein flinker Strafrechtsprofessor sein Gutachten<br />
abgeliefert, für wen mit kerkermeisterlicher Miene Tatbestän<strong>de</strong><br />
berochen? Wer hat Protokolle aufgenommen und auf die Täter hingewiesen,<br />
damals, als »die Kenntnis technischer Verhältnisse« recht wohl eine Fährte<br />
für die gerichtliche Untersuchung geben konnte? Denn es war ein interner<br />
Ulk <strong>de</strong>r journalistischen Kollegenschaft. Eine Katastrophe Österreichs war ein<br />
Aufsitzer von Blatt zu Blatt. Die Kriegskorrespon<strong>de</strong>nten spielten Sechsundsechzig<br />
und die politischen Redakteure, die daheim saßen, »am Ofen«, arrangierten<br />
eine Nie<strong>de</strong>rlage <strong>de</strong>s Lippowitz. Nämlich so: Ein offiziöser Journalist<br />
sprach telefonisch mit <strong>de</strong>m Auswärtigen Amt und hörte und wie<strong>de</strong>rholte, was<br />
er nicht schreiben durfte. Die Toilette—Berichterstatterin hörte und trug es<br />
ihrem Gatten zu, <strong>de</strong>r in jenem Blatte wirkt, wo <strong>de</strong>r Nachdruck keine Quelle<br />
kennt und die Sensation keine Rücksicht. Als aber <strong>de</strong>r offiziöse Journalist<br />
merkte, daß seine Telefongespräche sich pünktlich in die Belgra<strong>de</strong>r Original<strong>de</strong>peschen<br />
<strong>de</strong>s Neuen Wiener Journals verwan<strong>de</strong>lt hatten, stellte er <strong>de</strong>n Unfug<br />
nicht ab, son<strong>de</strong>rn führte von jetzt an tote Telefongespräche. Eine falsche,<br />
jedoch beruhigen<strong>de</strong> Nachricht, die so zustan<strong>de</strong>kam, soll <strong>de</strong>r Neuen Freien<br />
Presse überlassen wor<strong>de</strong>n sein, die gern entspannt und die schwierige russische<br />
Sprache à la hausse übersetzt, aber nicht Phantasie genug hat, eine Entente<br />
mit Petersburg selbst zu erfin<strong>de</strong>n. Die Verschärfung und Zuspitzung <strong>de</strong>r<br />
Lage jedoch fiel <strong>de</strong>m Lippowitz zu. Und nach<strong>de</strong>m jener offiziöse Spaßvogel eines<br />
Tages vor <strong>de</strong>r Telefonmuschel <strong>de</strong>n entsetzten Ausruf getan hatte: »Was<br />
Sie nicht sagen, Herr Hofrat! Prochaska ermor<strong>de</strong>t?«, las er es am an<strong>de</strong>rn<br />
Morgen im Neuen Wiener Journal. Eine Mordshetz! Noch viel amüsanter als<br />
die wirkliche Benützung <strong>de</strong>s Telefons für eine falsche Nachricht über vierzig<br />
Tote. Beunruhigen<strong>de</strong>r, aber lustiger. Druckerschwärze schafft eine Atmosphäre<br />
<strong>de</strong>r Unverantwortlichkeit, die harmlose Leute zu Schurkentaten treibt.<br />
Druckerschwärze in <strong>de</strong>r Hand einer weibischen Zeit ist Vitriol gegen Alles.<br />
Den größern Scha<strong>de</strong>n am Geist sieht <strong>de</strong>r Staat nicht und <strong>de</strong>n großen Scha<strong>de</strong>n<br />
am Staat wagt er nicht mehr zu vermei<strong>de</strong>n. »Was das Schwert uns gewonnen<br />
hat, wird durch die Presse wie<strong>de</strong>r verdorben«: hat Bismarck erkannt. Und die<br />
Presse habe »die drei letzten Kriege veranlaßt«. Und »je<strong>de</strong>s Land sei auf die<br />
Dauer doch für die Fenster, die seine Presse einschlägt, irgen<strong>de</strong>inmal verantwortlich«.<br />
Und »manches, das in <strong>de</strong>n Zeitungen steht, ist <strong>de</strong>nn doch wahr,<br />
wenn auch nicht alles«: hat Bismarck erkannt. Er hat <strong>de</strong>n journalistischen Fall<br />
Prochaska auch nicht einmal geahnt. Er war ja auch schon tot, als sie in sein<br />
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