STATT EINES VORWORTS. Von Mathias Döpfner - Axel Springer AG
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<strong>STATT</strong> <strong>EINES</strong> <strong>VORWORTS</strong> <strong>Mathias</strong> <strong>Döpfner</strong><br />
Ich weiß gar nicht, nicht im entferntesten, wie <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> war. Ich habe ihn nie<br />
kennengelernt. Als <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> starb, im Jahr 1985, schrieb ich Musikkritiken für<br />
die FAZ. <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> interessierte mich nicht. Als Verlagshaus nicht, und auch als<br />
Person nicht wirklich. Mich interessierte nur Die Welt. Die war unser Konkurrent.<br />
Und ich hatte das Gefühl, nein die Gewißheit: Wir bei der FAZ sind besser.<br />
1995, zehn Jahre später, arbeitete ich als Chefredakteur der in Berlin erscheinenden<br />
Wochenpost. Das ehemals ostdeutsche, bedingt linientreue Blatt hatte eine zerklüftete<br />
Redaktion: ein Drittel unideologische, veränderungswütige Modernisierer, ein Drittel<br />
in der Wolle gefärbte und im Rätsel- oder Leserbriefressort versteckte SED-Jünger<br />
und ein Drittel nostalgisch verklärte Alt-68er. Dazwischen ich, der Jungchefredakteur,<br />
auf den niemand gewartet hatte – zwangsentsandt vom großen Gruner + Jahr-<br />
Konzern aus Hamburg.<br />
Es krachte oft und heftig. Einmal besonders laut: Ich hatte einen Text über den<br />
Friedensprozeß im Mittleren Osten aus dem Blatt genommen, der nach meiner<br />
Wahrnehmung die Israelis als übermächtige Aggressoren, die Palästinenser als kleine,<br />
bedrohte Minderheit von Friedensengeln beschrieb, denen man nur mehr Vertrauen<br />
entgegenbringen müsse. In der nächsten Konferenz wurde ich deshalb kritisiert. Das<br />
sei eine Beschränkung der Meinungsfreiheit, des verabredeten Redaktionspluralismus<br />
und so weiter.Ich holte zu einer Gegenrede aus: Als ostwestdeutsche Zeitung seien wir<br />
nicht nur ein Seismograph derWiedervereinigung,es gebe meiner Meinung nach noch<br />
ein paar andere Grundprinzipien, für die dieses Blatt stehen müsse: Marktwirtschaft<br />
statt Planwirtschaft, eine gleichermaßen deutliche Kritik von linkem und rechtem<br />
Extremismus sowie keinerlei Toleranz von Antisemitismus und Antiisraelismus.<br />
Da brüllte ein Ressortleiter, ich glaube es war die Innenpolitik, dazwischen: Da<br />
können Sie ja gleich zu <strong>Springer</strong> gehen, da steht das in den Verträgen. Ich war verdutzt,<br />
weil ich damals von den Präambeln in den Arbeitsverträgen des <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong><br />
Verlages keine Ahnung hatte. Es war ein Zufall. Oder eben keiner. Auf jeden Fall<br />
ein Schlüsselerlebnis. Nicht, daß mich diese Begebenheit in die Arme des Verlages<br />
getrieben hätte. Das wäre Legende. Aber neugierig gemacht auf das geistige Erbe<br />
<strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong>s hat es mich doch.<br />
Wieder zehn Jahre später, im Jahr 2005, stehe ich als Vorstandsvorsitzender an<br />
der Spitze der <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> <strong>AG</strong>. In dieser Funktion bin ich verantwortlich für den<br />
wirtschaftlichen Erfolg dieses Unternehmens. Und der ist bei einem publizistischen<br />
Unternehmen, das von Nachrichten, Gedanken, Meinungen lebt, ohne geistigen,<br />
inhaltlichen Erfolg nicht denkbar. Der Geist bestimmt immer noch das Geld – und<br />
nicht umgekehrt.<br />
Und hier setzt meine Bewunderung an, meine verspätete Bewunderung und<br />
meine durch die Arbeit induzierte Annäherung. <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong>, so sehe ich ihn, war<br />
wahrlich kein Intellektueller, aber doch ein Geistesmensch. Er stattete den Idealisten<br />
mit den Instrumenten des Pragmatikers aus. Er wollte etwas, und er wollte davon<br />
nicht nur träumen, er wollte es auch machen. Was er sich vornahm, war so unbescheiden<br />
wie klar: Die Welt verbessern.<br />
Die Welt verbessern mit Bild? Ja, sogar das. „Hätte es Bild gegeben, wäre Adolf<br />
Hitler nicht gekommen“, hat er einmal gesagt. Unabhängig davon, ob es stimmt,<br />
geglaubt hat er es – glaube ich.<br />
Der Nachkriegs-Glücksritter entwickelte sich zum politischen Verantwortungsethiker,<br />
der darunter litt, daß es zu seiner Tragik gehörte, bisweilen wie eine Kraft<br />
zu erscheinen, die stets das Gute will, und manchmal doch das Böse schafft. Mit<br />
mancher Attacke im Kalten Krieg, mit der Eskalation gegen die 68er-Bewegung<br />
und mit mancher Schlagzeile.<br />
Die Zuspitzungen während der Studenten-Revolte haben demVerlag geschadet.<br />
Die Epigonen des Verlegers beschädigten das Haus durch Übereifer. Schlagzeilen<br />
glichen mehr Schlägen als Zeilen. Selbst Kunst- und Musikkritiken lasen sich manchmal<br />
so, als seien sie „auf Linie“ gebracht worden. Viele gute Autoren machten das<br />
nicht mit – und gingen. Die Intelligenz wurde zur Anti-<strong>Springer</strong>-Bastion. Nur ein<br />
paar ganz wenige wirklich Gute sind geblieben. Die, die verstanden, daß <strong>Axel</strong><br />
<strong>Springer</strong>s Anhänger sich zwar in den Mitteln, in den Formulierungen vergriffen,<br />
in der Sache aber oft einfach recht hatten. Und daß die noch größere Intoleranz<br />
auf der anderen Seite gepflegt wurde, gerechtfertigt durch die gute Gesinnung, die<br />
vermeintlich ideelle Absicht.<br />
Die Anti-68er-Bewegung hat <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> isoliert, hat eine Bunker- und Barrikaden-Mentalität<br />
in den eigenen Reihen erzeugt, auch eine Verbissenheit und<br />
Unfröhlichkeit, ein selbst bis heute nicht überall verschwundenes, manchmal irgendwie<br />
verdruckstes Selbstbewußtsein. Die Intelligenz war 20 Jahre lang links,<br />
irgendwie antispringer. Statt eines fröhlichen Antikommunismus, statt der leisen<br />
Souveränität des Gewinners, statt einer bürgerlichen Haltung des gelassenen Selbstbewußtseins<br />
haben viele Mitarbeiter, vor allem die Intellektuellen unter ihnen, eine<br />
Art geistigen Minderwertigkeitskomplex ausgeprägt. Ohne Grund:<br />
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