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STATT EINES VORWORTS. Von Mathias Döpfner - Axel Springer AG

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<strong>STATT</strong> <strong>EINES</strong> <strong>VORWORTS</strong><br />

A la longue nämlich fasziniert die Persönlichkeit <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> eben gerade nicht<br />

als tragischer Held, als visionärer Idealist, den die Erfolglosigkeit moralisch nur noch<br />

mehr adelt, sondern er fasziniert und polarisiert, weil er mit seinen Grundprinzipien,<br />

mit seinen politischen und gesellschaftspolitischen Zielen auf geradezu bestürzende<br />

Weise recht behalten und von der Geschichte recht bekommen hat.<br />

Sein Weltbild ist einfach. Sein gesellschaftspolitisches Wollen ist – wie alle<br />

wirklich großen und erfolgreichen Entwürfe – fast simplizistisch. Der Einwand,<br />

so einfach sei die Sache nun wirklich nicht, man müsse hier differenzieren, traf<br />

und trifft auch ihn. Der Einwand kann ihm egal sein, er ist akademisch. Realpolitisch<br />

geht er ins Leere. „Wer verstanden werden will, muß vereinfachen“,<br />

donnerte Marcel Reich-Ranicki auf den Redaktionsfluren. Brandt, Adenauer,<br />

Reagan, Thatcher hatten Erfolg, weil sie vereinfachten, sich auf Wesentliches<br />

konzentrierten.<br />

Wofür stand und steht <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong>?<br />

Für die gleichermaßen klare Bekämpfung von linkem und rechtem<br />

Extremismus und Terrorismus.<br />

Für ein wiedervereinigtes Deutschland.<br />

Für Berlin als gesamtdeutsche Hauptstadt.<br />

Für das Scheitern des Kommunismus.<br />

Für die Verteidigung der Marktwirtschaft.<br />

Für eine verläßliche transatlantische Partnerschaft und Freundschaft.<br />

Für die Unterstützung des Staates Israel und seiner Bewohner als Brückenkopf<br />

der Demokratie im zum Teil fundamentalistisch islamistischen Nahen Osten.<br />

Für die Aussöhnung mit den Juden als Voraussetzung eines Deutschlands,<br />

das sich seiner selbst gewiß ist, ohne selbstgewiß zu werden.<br />

<strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> war ein bewußter Deutscher, aber alles andere als ein Nationalist.<br />

Wie sieht seine gesellschaftspolitische Bilanz 20 Jahre nach seinem Tod aus? Überwältigend<br />

erfolgreich, um es gelinde auszudrücken.<br />

Der antitotalitäre Grundkonsens ist mittlerweile eine Art Fundament der Republik<br />

geworden, der Irrglaube, daß linker Extremismus irgendwie besser sei als rechter,<br />

ist spätestens seit der historischen Aufarbeitung der RAF-Methoden ins Reich der<br />

Legenden verwiesen.<br />

Die Wiedervereinigung hat stattgefunden. Sie ist ein grandioser Erfolg und hat<br />

16 Millionen Menschen aus einer Diktatur befreit.Wer – wie ich – in der Universität<br />

zu Frankfurt noch gelernt hat, daß die „deutsche Frage“ nicht zu stellen sei und daß,<br />

wer sie dennoch stelle, ein „Reaktionär und Präfaschist“ sei, der weiß, daß er damals<br />

Unsinn gelernt hat. Die Wiedervereinigung hat eben nicht dazu geführt, daß auf<br />

dem Boulevard Unter den Linden wieder in Schaftstiefeln paradiert wird. Sondern<br />

sie hat gezeigt, daß der „Brandenburger Tor“ – wie <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> damals<br />

verspottet wurde – recht hatte und daß das Brandenburger Tor heute nicht nur offen<br />

ist, sondern ein Ort für die Love Parade, für türkische Grillfeste und Aids-Hilfe-Parties.<br />

Berlin ist seit mehr als einem Jahrzehnt deutsche Hauptstadt. Und da, wo <strong>Axel</strong><br />

<strong>Springer</strong> vor mehr als 40 Jahren, kurz nachdem die Mauer gebaut war, sein Verlagshaus<br />

eröffnet hat („eines Tages wird es in der Mitte der deutschen Hauptstadt<br />

stehen“), verläuft heute mehr denn je die Nahtstelle zwischen Ost und West, die<br />

Schlagader des Tourismus zwischen Checkpoint Charlie, Mauermemorial und<br />

Jüdischem Museum. Bereits 1959 hat er gesagt: „Ich glaube an Deutschland. …An ein<br />

Deutschland mit der Hauptstadt Berlin. Aber ich glaube nicht nur an dieses<br />

Deutschland, sondern ich will es eben auch. Und deshalb baue ich in Berlin.“<br />

Berlin ist heute mehr denn je deutsche Wirklichkeit, mit 60 Milliarden Schulden,<br />

schreienden sozialen Problemen, der lebendigsten, hedonistischsten Entertainment-<br />

Kultur des Landes, der politischen und geistigen Elite. Und <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> mittendrin.<br />

Als hätte er es gewußt.<br />

Der Kommunismus ist gescheitert. Noch kläglicher, noch krachender als selbst<br />

<strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> das vorherzusagen gewagt hätte. Der Versuch, die DDR als Dritten<br />

Weg, als alternatives gesellschaftspolitisches Modell zu idealisieren, ist endgültig als<br />

naive Idee fixe diskreditiert. DieVerherrlichungs-Touristen, die in den Osten fuhren,<br />

um zu belegen, daß alles nicht so schlimm sei, sind endgültig aus der Zeit gefallen.<br />

Auch hier hat <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> einfach recht behalten, auf ganz trockene, heute vielen<br />

unangenehme Weise.<br />

Die freie Marktwirtschaft, der Kapitalismus haben sich auch dem verbissensten<br />

Antikapitalisten als geringeres Übel erwiesen. Es gibt keine echte Alternative. Tony<br />

Blair folgt wirtschaftspolitisch Maggie Thatcher – und hat in der dritten Amtszeit<br />

Erfolg. Die Iren deregulieren den Arbeitsmarkt, senken die Steuern und die Staatsquote,<br />

halbieren dabei die Arbeitslosigkeit und verdoppeln das Volksvermögen. Die<br />

Deutschen und die Franzosen meinen, es gehe anders, etatistischer, mit Kündigungs-<br />

<strong>Mathias</strong> <strong>Döpfner</strong><br />

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