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Zur Beurteilung der starken Unterrepräsentation von Migranten in den Freiwilligenorganisationen<br />

der Mehrheitsgesellschaft kann ich wegen der Forschungsdefizite nur<br />

Vermutungen äußern bzw. Schlußfolgerungen aus den allgemeinen Erkenntnissen des<br />

Freiwilligen-Surveys ziehen.<br />

Die Kommunikation in vielen traditionellen Freiwilligenorganisationen – wie<br />

Feuerwehren, Rettungsdiensten, Vereinen zur Erhaltung des lokalen Kulturgutes – ist<br />

durch eine starke Gruppenidentität gekennzeichnet, die mit hohen Konformitätserwartungen<br />

und u.U. auch mit unterschwelligen ethnisch-kulturellen Zugehörigkeitsdefintionen<br />

verknüpft sein kann. Dadurch wirken diese Gruppierungen besonders auf<br />

Einwanderer wie “geschlossene Gesellschaften”.<br />

Die geringen informellen Kontakte und Freundschaftsbeziehungen zu den<br />

Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft blockieren den wichtigsten Rekrutierungspfad<br />

für Freiwilligenorganisationen. Die meisten “Neuen” werden – nach den Ergebnissen<br />

des Freiwilligen-Surveys – über persönliche Ansprache der bereits Engagierten in<br />

ihrem Bekannten- und Freundeskreis angeworben (BMFSFJ 2000b Bd.1, S.24).<br />

Das vergleichsweise geringere, an die Allgemeinheit gewendete Engagement –<br />

jenseits von Selbstsorge und der Organisation von Gruppeninteressen – widerspiegelt<br />

aber auch den unterprivilegierten Sozialstatus des überwiegenden Teils der<br />

Migranten. Wie der Freiwilligen-Survey belegt, steigt das bürgerschaftliche<br />

Engagement mit dem Bildungs- und Beschäftigungsstatus. Ganz besonders hoch ist<br />

es bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes, bei dem die Migranten extrem<br />

unterrepräsentiert sind (3 Prozent). Sozial benachteiligte Schichten sind viel stärker<br />

als bessergestellte durch die Bewältigung ihrer Alltagsprobleme absorbiert (BMFSFJ<br />

2000b Bd.1, S. 60f). Im Umkehrschluß ist durch die zunehmende Schichtdifferenzierung<br />

der eingewanderten Gruppen längerfristig mit einer Zunahme des Freiwilligenengagements<br />

zu rechnen. Bei einer jüngeren Untersuchung in Berlin zeigte sich<br />

bereits ein bisher noch ungenutztes Potential für die Freiwilligenarbeit bei Migranten<br />

mit einem höheren Bildungsgrad (AriC 2001).<br />

Die modernen Selbsthilfegruppen im Gesundheitswesen z.B. attrahieren v.a. gebildete<br />

und stark individualisierte Personen, die keine Scheu haben, ihr Innerstes in einer<br />

anonym zustande gekommenen Gruppe nach außen zu kehren und in der Gruppe<br />

Selbsterfahrungen zu reflektieren. Hier gibt es bei Migranten starke, kulturell und<br />

sozial vermittelte Hemmungen, Unsicherheiten und Ängste vor Stigmatisierung<br />

(Gaitanides1992).<br />

Neben den Schwellenängsten gegenüber modernen Selbsthilfegruppen, – die übrigens<br />

auch deutsche Unterschichten haben – , herrscht auch ein großes Unwissen über die<br />

Methodik und die Effektivität des Selbsthilfeansatzes. Die Selbsthilfegruppen gehen<br />

dieses Problem des Informationsmangels erst langsam an (vgl. Ansätze zur<br />

Integration von Migranten-Selbstorganisationen in den “Selbsthilfebeirat” des<br />

Münchner Sozialreferate). Dass kultursensibel vorgehende Ansätze unerwartet<br />

schnell Früchte tragen können, zeigt u.a. das Beispiel einer Behinderten-Selbsthilfeorganisation<br />

in Amsterdam, die von Angehörigen aufgebaut wurde, und einen Preis<br />

für “best-practice” im Bereich vorbildlicher interkultureller Projekte bekommen hat<br />

(Migranten Platform Gehandicapten - in Amsterdam und Omstreke).<br />

Auch andere Indikatoren verweisen auf eine wachsende Bereitschaft von Migranten, sich<br />

auf posttraditionale Selbsthilfeansätze einzulassen.

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