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DAS PFEFFER, Ausgabe Herbst 2013

Vom Emskopp bis zum Friesengeist. Magazin für den Raum Papenburg und Umgebung.

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28 <strong>DAS</strong> <strong>PFEFFER</strong> Buchbesprechung<br />

Eine Rose am Auto<br />

Ich war 15 und eine kleine Querflöte.<br />

Nein, nein, ich spielte Querflöte in unserem<br />

Orchester. Zusammen mit vielen<br />

anderen Mädchen. Aber unser Orchester<br />

bestand nicht nur aus Querflöten.<br />

Eigentlich waren alle Instrumente vertreten,<br />

die so gebraucht wurden. Eines<br />

der wichtigsten war die Trompete. Und<br />

damit bin ich bei meiner ersten Liebe:<br />

Thomas. Er war 19 und der Startrompeter,<br />

spielte auch Soli. Ich schmachtete<br />

dahin, wenn ich ihn mit seinem Popperschnitt<br />

und seinen stahlblauen Augen<br />

sah. Thomas wusste nur zu genau,<br />

dass er umwerfend gut aussah, was ihn<br />

zu einer gewissen Arroganz verleitete.<br />

Trotzdem war ich so aufgeregt, wenn er<br />

in der Nähe war, dass ich rot anlief und<br />

keinen Ton mehr herausbrachte.<br />

Unser Startrompeter leitete für eine<br />

Weile die Jugendgruppe, in der ich<br />

spielte und da fiel sie mir sofort auf.<br />

Anja. Sie sah ebenfalls sehr gut aus,<br />

hatte auch sehr schöne Augen. Thomas<br />

behandelte sie von Anfang an anders<br />

als uns. Er schien sie immer ein wenig<br />

zu bevorzugen. Ich war rasend vor Eifersucht.<br />

Wie konnte sie es wagen, ihn<br />

mir wegzunehmen? Und was war denn<br />

schon so toll an ihr, dass er sie so viel<br />

besser behandelte? Über einige Wochen<br />

hinweg stellte ich mir immer wieder<br />

diese Frage. Dann fand ich es heraus.<br />

Sie war seine Cousine! Wie dumm<br />

von mir, wie konnte ich das übersehen?<br />

Sie hatte die gleichen stahlblauen Augen<br />

wie er.<br />

Nachdem das geklärt war, konnte ich<br />

ihm endlich wieder meine ganze Aufmerksamkeit<br />

widmen. Ich wuchs in<br />

einem kleinen Dorf im Sauerland auf,<br />

in dem das Jahreshighlight das Schützenfest<br />

war. Von der Wichtigkeit her<br />

ungefähr zu vergleichen mit dem Oktoberfest<br />

in München. Aber nicht nur in<br />

unserem Dorf gab es ein Schützenfest,<br />

sondern in allen anderen umliegenden<br />

Dörfern auch. In der Festsaison wurde<br />

dann über mehrere Wochenenden<br />

hinweg jeweils an einem anderen Ort<br />

der kulturelle Jahreshöhepunkt gefeiert.<br />

Dazu spielten auch immer die<br />

Orchester in einem großen Festumzug.<br />

Die Straßen entlang dieses Umzuges<br />

waren stets gesäumt von zahlreichen<br />

Zuschauern. Und ich war jedes Mal dabei.<br />

Nur um ihn spielen zu sehen. Für<br />

mein Vorhaben hatte ich einiges auf<br />

mich genommen. Ich war ja erst 15 und<br />

somit musste ich alle Wege mit dem<br />

Fahrrad zurücklegen. Aber für Thomas<br />

tat ich das gern. Ich sah ihn spielen und<br />

war glücklich.<br />

Endlich war auch unser Dorf an der<br />

Reihe. Auf der Festwiese waren einige<br />

Buden aufgebaut, an denen man entweder<br />

etwas essen oder seine Schießkünste<br />

unter Beweis stellen konnte. Im<br />

Mittelpunkt stand natürlich das große<br />

Festzelt, in dem getrunken und getanzt<br />

wurde. Die Tanzmusik wurde wieder<br />

live gespielt. Und in dieser Tanzkapelle<br />

spielte Thomas die erste Trompete. Ich<br />

himmelte ihn den ganzen Abend an,<br />

wie ein Groupie.<br />

Zwischendurch bin ich zusammen mit<br />

meiner Clique auch über die Festwiese<br />

gezogen. Dort hat dann Dirk, ein Kumpel<br />

von mir, der mich allerdings nicht<br />

im Geringsten interessierte, eine Rose<br />

geschossen. Gedankenversunken spielte<br />

ich den Rest des Abends mit dieser<br />

Blume, während ich weiter nur Augen<br />

für Thomas hatte. Später am Abend<br />

klemmte ich auf dem Weg nach Hause<br />

Dirks Rose an die Windschutzscheibe<br />

von Thomas Auto.<br />

Ich lag schon im Bett, als es mir wie<br />

"Schuppen von den Augen fiel". Katharina,<br />

du hast ihm doch gar keine Nachricht<br />

hinterlassen. Er weiß ja gar nicht,<br />

dass die Rose von dir ist. Dann war es<br />

total überflüssig.<br />

Die darauf folgenden Tage waren sehr<br />

quälend. Immer wieder versuchte<br />

ich, herauszufinden, ob er die Rose<br />

bemerkt hatte. Schließlich hielt ich es<br />

nicht mehr aus, ignorierte mein Zittern<br />

und meine weichen Knie und fragte<br />

Thomas. Seine Antwort war einfach<br />

nur: "Ach, die war von dir?" Nicht mehr<br />

und nicht weniger. Das war es. Ich<br />

glaubte nicht genug an mich und gab<br />

auf. Wenn ich heute darüber nachdenke,<br />

finde ich das ganz schön blöd, denn<br />

in den folgenden Jahren habe ich stets<br />

das bekommen, was ich wollte.<br />

Aber bei Thomas war irgendwie alles<br />

anders. Mit 16 fing ich dann eine Beziehung<br />

mit Achim an, unserem zweiten<br />

Trompeter. Als ich fünf Jahre mit ihm<br />

zusammen war, unterhielt ich mich<br />

während eines Osterfeuers mit Thomas.<br />

Nach dem üblichen Smalltalk fragte er<br />

mich ganz überraschend, ob mit mir<br />

und Achim alles in Ordnung sei. Er<br />

hätte das Gefühl, ich sei nicht glücklich.<br />

Damit hatte er den Nagel auf den Kopf<br />

getroffen, was ich aber abstritt. Ich war<br />

nicht mehr glücklich mit Achim, wollte<br />

es nur nicht so richtig wahrhaben.<br />

Was mich aber noch mehr überraschte<br />

war die Offenheit, die dieses Gespräch<br />

hatte. Und dabei war es doch sachlich.<br />

Ohne Gefühle.<br />

Was dann jedoch kam, schlug dem Fass<br />

den Boden aus.<br />

Autorin Svenja Bhatty<br />

Wer war eigentlich meine erste<br />

große Liebe? Und warum? Was<br />

ist aus dieser Person geworden?<br />

Habe ich noch Kontakt? Möchte<br />

ich noch Kontakt? Wie betrachte<br />

ich das ganze Thema aus heutiger<br />

Sicht?<br />

All diesen Fragen ist die Autorin<br />

Svenja Bhatty auf den Grund gegangen.<br />

Mit 31 Interviewpartnern hat sie<br />

die Reise in die Vergangenheit<br />

gewagt und in Geschichten verarbeitet.<br />

Die Namen und Orte<br />

sind verändert worden, aber<br />

nicht das Erlebte. Es sind echte<br />

Storys, die das Leben schrieb.<br />

Verlag:<br />

Michael Bhatty Entertainment,<br />

118 Seiten<br />

Als Kindle Edition bei Amazon<br />

Media EU S.à.r.l.<br />

"Vor fünf Jahren war ich ja mal so richtig<br />

verknallt in dich." Hatte ich mich eben<br />

verhört? Ich konnte es nicht glauben,<br />

dass Thomas genauso empfunden hatte<br />

wie ich.<br />

Wir sprachen noch eine ganze Weile<br />

darüber, aber konnten nicht herausfinden,<br />

warum wir fünf Jahre zuvor nicht<br />

den Weg zueinander gefunden hatten.<br />

Und nun war der Funke irgendwie erloschen.<br />

Thomas und ich haben danach nie wieder<br />

so ein intensives Gespräch geführt.<br />

Er ist aus dem Orchester ausgetreten,<br />

aber er wohnt, genauso wie ich, immer<br />

noch im gleichen Dorf. Hin und wieder<br />

sehe ich ihn. Er ist älter geworden und<br />

sieht immer noch toll aus. Die Blicke,<br />

die wir uns zuwerfen, sind nur kurz aber<br />

wissend. Und ich stelle mir jedes Mal<br />

die Fragen, was gewesen wäre, wenn...?<br />

Könnte seine Tochter im Teenageralter<br />

auch meine sein?<br />

Aber dann komme ich immer wieder<br />

zum gleichen Schluss. Ich denke, aus<br />

uns wäre vielleicht ein Paar geworden,<br />

aber keine wirklich dauerhafte<br />

Beziehung. Denn die Musik war unsere<br />

einzige Verbindung. Ich hatte darüber<br />

hinaus noch weitere Interessen,<br />

er jedoch leider nicht. Es hätte sich<br />

wahrscheinlich sehr schnell Monotonie<br />

eingestellt. Etwas, was ich bis heute nur<br />

schwer ertrage. Ich hatte mich ein Jahr<br />

später von Achim getrennt und nach<br />

ihm noch einige Beziehungen. Aber<br />

mehr als einige Jahre hielt keine.<br />

Gelernt habe ich aber daraus, Gefühle<br />

auszusprechen und um Liebe zu kämpfen.<br />

Abwarten ist nicht!<br />

(Katharina, Brilon)

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