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Friedrich Kümmel Josef König. Versuch einer Würdigung seines ...

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Sprung zwischen verschiedenen Manifestationsebenen, die sich nicht mehr zur Deckung bringen<br />

lassen, eine Entscheidung über die ‘wahre’ Ansicht der Sache. Tschuang-tse Frage zielt<br />

gar nicht darauf ab, welche Seite ‘real’ ist und welche nicht, denn im Spiegelverhältnis bricht<br />

sich auch das Wirklichsein [179/180] selbst und kann grundsätzlich nicht mehr der einen oder<br />

anderen Seite zugeordnet werden.<br />

Was dem Auge im Spiegel als sein eigener Selbst-Unterschied des Sehenund-gesehen-<br />

Werdens zurückgespiegelt wird, entspricht dem Phänomen der selektiven Resonanz im Gehör,<br />

von dem <strong>König</strong> im Zusammenhang mit der Natur der ästhetischen Wirkung an anderer<br />

Stelle spricht (vgl. NäW 303 ff.). In beiden Fällen ist eine ganz individuelle Verständnisgrundlage<br />

angesprochen, denn wie jeden nur die von ihm selbst miterzeugte Rückspiegelung<br />

eigentlich betrifft, so hat auch jeder seine ihm eigene Resonanzmöglichkeit, der entsprechend<br />

er etwas aufnimmt und beantworten kann.<br />

Daß eine analoge Problematik auch in anderen philosophischen Kontexten gegeben ist, zeigt<br />

hinsichtlich des Dingbegriffs das unvermeidliche Pendeln zwischen Substanzdenken und<br />

Phänomenalismus, das eine Entscheidung über ‘Schein’ oder ‘Sein’ auf beiden Seiten gegenstandslos<br />

macht (vgl. DiE 340 ff., 352 ff.). In anderer Weise macht die prädikatenlogische<br />

Unterscheidung von Prädikation und Existenzbelegung deutlich, daß eine Satzfunktion wie ‘-<br />

ist wirklich’ grundsätzlich nicht wie ein Prädikat behandelt werden kann, weil beides dem logischen<br />

Status nach formal unterschieden werden muß. Die Logik grenzt hier etwas ab bzw.<br />

aus, was, auch wenn es sich sprachlich bzw.semantisch nicht unterscheiden läßt, in anderer<br />

Dimensionalität verbleibt.<br />

<strong>König</strong> zieht aus diesen Überlegungen die Konsequenz, daß die das philosophische Seh- und<br />

Sprechvermögen schulende Logik nur eine formal unterscheidende und keine vermittelnde<br />

oder explikative Funktion haben kann. Er meint deshalb mit Logik stets die formale Logik<br />

und schließt die Rede von <strong>einer</strong> dialektisch-vermittelnden oder hermeneutisch-explizierenden<br />

Logik für sich selbst aus. Mit der Formalität ist dem sachlichen Anliegen Rechnung getragen.<br />

Die Phänomene lassen sich in der Tat nur retten, wenn man sie keinem subsumierenden Allgemeinen<br />

mehr unterwirft und auch das Vermittelnwollen von allem und jedem aufgegeben<br />

hat.<br />

6. Studien im Grenzgebiet von Logik, Ontologie und Sprachphilosophie<br />

Studien im Grenzgebiet von Logik, Ontologie und Sprachphilosophie müssen von vornherein<br />

der <strong>Versuch</strong>ung widerstehen, die schwebenden Ursprungsverhältnisse von Sein und Denken,<br />

Sprache und Wirklichkeit zu verfestigen und in einseitiger Weise auf objektiv Selbstgegebenes<br />

oder subjektiv Zurechtgelegtes zu reduzieren. In der Konstitution der Phänomene kann<br />

weder der [179/180] subjektiven noch der objektiven Seite ein prinzipieller Vorrang eingeräumt<br />

werden. Idealistische und nachidealistische Theoreme, die einseitig den Begriff und die<br />

Sprache als universellen Bezugsrahmen und letztlich bestimmende Macht hervorheben, gehen<br />

ebenso fehl wie die einem kritischen Bewußtsein naiv erscheinende Vergegenständlichung<br />

von Formen und Inhalten des Denkens. Weder das bereits im Wort Liegende noch das vermeintlich<br />

am Gegenstand selbst Ablesbare kann der wahre Sachverhalt sein. Die damit verlangte<br />

Gratwanderung ist nicht leicht durchzuhalten. So lassen sich die Thesen <strong>einer</strong> radikalisierten<br />

Sprachkritik, wie wir sie von W. v. Humboldt, Nietzsche, Hoffmannsthal, Whorf und<br />

anderen her kennen, bei <strong>König</strong> durchaus wiederfinden und verfehlen doch dessen Intention.<br />

Geistig erfüllte, wirklichkeitshaltige Sprachkonzeptionen passen nicht in die Alternative von<br />

gegenständlicher Abbildung und/oder hypostasierendem Übergriff. Was im Wort als ein rein<br />

Bedeutendes faßbar wird, muß in s<strong>einer</strong> qualitativen Differenz und ontologischen Seinsselbständigkeit<br />

belassen werden und kann nur so in seinem sprachlichen Gewand zu eigentlicher<br />

Wirkungsmächtigkeit gelangen.

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