Magazin - FunWithMusic
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22 Oldie-Markt 2/07 Holger Czukay: Solo-Auswahl<br />
Jenseits von Can<br />
Holger Czukay brachte seine<br />
Faszination für elektronische Musik<br />
in Can ein – als Solist konnte er sie<br />
voll ausleben.<br />
Musik kennt keine Grenzen – das ist ebenso<br />
banal wie richtig, findet aber im Alltag der<br />
Rockmusik kaum seine Entsprechung. Für<br />
Holger Czukay jedoch wäre ohne diesen<br />
Satz seine Karriere als Musiker überhaupt<br />
nicht denkbar gewesen. Von Anfang an<br />
strebte er eine Verbindung der disparatesten<br />
Quellen an, gerade weil er davon überzeugt<br />
war, dass Musik zunächst einmal nur Musik<br />
ist, ohne Kategorien oder Einschränkungen.<br />
Als Musikdozent in der Schweiz erlebte er<br />
natürlich das genaue Gegenteil und folglich<br />
war es für ihn wie eine Offenbarung, als er<br />
auf Musiker traf, die das genauso sahen wie<br />
er. Daraus entstand Can. Doch bevor er in<br />
dieser Gruppe aktiv wurde, hatte er die<br />
Chance, sein musikalisches Credo erstmals<br />
auf eigene Rechung umzusetzen, mit seinem<br />
Freund Rolf Dammers als Technical Space<br />
Compoer’s Crew. Zusammen nahmen sie<br />
Canaxis 5 (Revisited/SPV 305082)in einer<br />
Nacht im Studio von Karlheinz Stockhausen<br />
auf, weil es technische Möglichkeiten besaß,<br />
die sie sonst nicht finden konnten. Erstmals<br />
setzten sie die Vision von Czukay in die Tat<br />
um: Die Verbindung exotischer Musik mit<br />
der westlichen Tradition, hier beispielsweise<br />
eine singende Vietnamesin. Zusammen mit<br />
den elektronischen Klängen ergab das einen<br />
fremdartigen, interessanten, problematischen<br />
Sound, der zwischen Pop und E-Musik<br />
stand.<br />
Kam diese LP 1969 – heute mit zwei Tracks<br />
von der letzten Tour – noch als eine bessere<br />
Privatpressung auf den Markt, erschien<br />
Radio Wave Surfer (Revisited/SPV<br />
305092) 1989 auf Virgin, dank seiner Jahre<br />
bei Can. Letztlich verwirklichte Czukay hier<br />
das, was er schon in den letzten Jahren mit<br />
der Band umgesetzt hatte: Eine Mischung<br />
aus seinen Backing-Tracks und Musik aus<br />
aller Welt, die er mit einem Radio-Apparat<br />
ganz zufällig einfing. Sobald etwas zu seiner<br />
Musik passte, integrierte er es in den Sound<br />
mit dem Ergebnis, dass man quasi eine<br />
Weltreise in 40 Minuten absolvierte, die<br />
heute um Mono Tone aus den damaligen<br />
Sessions bereichert wurde. Die Skala geht<br />
von faszinierend bis verstörend, je nachdem<br />
wie gut Czukay die verschiedenen Teile<br />
aneinander anpassen konnte.<br />
Nachdem dieses Album vom kommerziellen<br />
Erfolg her enttäuschend ausgefallen war –<br />
wenig überraschend, denn für die Masse war<br />
das sicher nicht angelegt – obwohl er es mit<br />
Michael Karoli und Jaki Liebezeit von Can,<br />
sowie dem amerikanischen Sänger Sheldon<br />
Ancel eingespielt hatte, erschien<br />
Good Morning Story (Revisited/SPV 305102)<br />
1999<br />
nur in den USA. Im Prinzip war es eine<br />
konsequente Fortsetzung der Musik von Radio<br />
Wave Surfer, obwohl er diesmal nicht mit<br />
Radio-Apparaten arbeitete, sondern Collagen<br />
in seine Stücke einfügte. Diesmal half ihm die<br />
gesamte Can-Besetzung und Ancel, dazu die<br />
Sängerin U-She und der Percussionist Rhani<br />
Krija. Von der Technik her war das erneut ein<br />
Treffen der Kulturen, die durch die Ideen von<br />
Czukay zusammen fanden. Von der Technik<br />
her ist das ähnlich, aber die Anrichtung war<br />
total anders. Einige Tracks spielte Czukay<br />
sogar komplett solo ein. Diesmal erhält man<br />
einen Remix der Komposition Mirage.<br />
Noch konsequenter ging er 2001 auf dem nur<br />
als Privatpressung in einer Auflage von 1000<br />
Stück erschienenen Linear City (Revisited /<br />
SPV 305112) vor, bei dem er das Internet für<br />
seine Zwecke einsetzte. Von der BBC erhielt er<br />
ein Band von einer sudanesischen<br />
Hochzeitsfeier mit der Bitte, sie auf seine Art<br />
neu abzumischen. Nach einem Jahr stieß er<br />
durch Zufall wieder darauf und remixte es<br />
nicht nur selbst, sondern schickte es auch an<br />
andere Musiker, die ihren Senf dazu gaben,<br />
ohne das zu kennen, was andere dazu geliefert<br />
hatten. Czukay nahm das Ganze dann und<br />
mischte es erneut ab – fertig.