April Mai 2010 - Evangelische Kirchengemeinde Freisenbruch-Horst ...
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Ich verstehe<br />
das einfach nicht!<br />
Letztes Weihnachten war es wieder soweit,<br />
und wahrscheinlich wird es auch Ostern<br />
wieder passieren. Meine Eltern werden uns<br />
etwas schenken. Warum ich das erwähnenswert<br />
finde? Weil wir uns geeinigt hatten, uns<br />
nichts zu schenken.<br />
Kennen Sie das? Natürlich hatten wir<br />
nichts dabei, als wir sie besuchten – man hält<br />
sich schließlich an Absprachen. Aber dann<br />
kamen wir ins Wohnzimmer, meine Mutter<br />
wies auf den Schrank und sagte bewusst beiläufig:<br />
„Nur eine Kleinigkeit.“ Immerhin, fand<br />
ich, hatte sie den Anstand, dabei eine leicht<br />
schuldbewusste Miene aufzusetzen.<br />
Ich war sauer und habe das auch gesagt.<br />
In solchen Situationen kann ich nur schwer<br />
meinen Mund halten. Wir sind schließlich erwachsene<br />
Leute! Wir treffen Vereinbarungen<br />
und halten diese auch ein! Wie stehen wir<br />
denn da, ohne etwas in der Hand? Ich kapiere<br />
das nicht!<br />
Da schaute sie mich nur an, mit diesem<br />
Dackelblick, wie ihn nur Mütter beherrschen.<br />
Oder Dackel halt. Und sagte klein und leise:<br />
„Lass mich doch.“<br />
In diesem Moment wurde mir wieder<br />
einmal klar: ich muss nicht alles verstehen.<br />
Liebe zum Beispiel – oder warum manche<br />
Menschen auf eine bestimmte Art handeln,<br />
obwohl ich nie auf einen solchen Gedanken<br />
käme. Andere Menschen haben andere Bedürfnisse,<br />
denken anders und drücken sich<br />
anders aus – so einfach ist das. Ich muss es<br />
nicht verstehen, nur akzeptieren; auch dies<br />
ist schließlich eine Form von Respekt und<br />
(Nächsten-)Liebe. Und solange niemandem<br />
6 thema<br />
dadurch ein Schaden entsteht – wozu sich<br />
aufregen? Liebe wird mir eben nicht immer<br />
so gezeigt, wie ich es mir vorstelle. Ich darf<br />
einfach daran glauben und sie annehmen.<br />
Seien wir ehrlich – wenn es nur die Dinge<br />
gäbe, die wir verstehen, wäre dies eine ziemlich<br />
arme Welt.<br />
Andreas Müller<br />
Niet verstaan?<br />
Die Erinnerung an meine Großmutter ist<br />
nicht mehr allzu deutlich ausgeprägt, ich war<br />
19 Jahre alt, als sie hochbetagt starb. Als<br />
Nesthäkchen in einer imposanten Enkelschar<br />
genoss ich allerdings ihr besonderes Wohlwollen.<br />
So fuhr sie zum Beispiel in den Sommerferien<br />
mit mir nach Holland, wo meine<br />
Tante, ihre Tochter, in einer Kleinstadt am<br />
Waal, einem Mündungsarm des Rheins, verheiratet<br />
war. Der schmale Sandstrand, fast<br />
wie am Meer, endlose Deiche, die Arbeit meines<br />
Onkels in der Hafenschmiede – das waren<br />
die schönsten vier Wochen des Jahres.<br />
Auch meine Oma genoss offenbar diese Zeit<br />
auf ihre Weise. Vielleicht ruhte sie sich aus<br />
von der Sorge um sieben Kinder und nach<br />
zwei überstandenen Kriegen, was ich, damals<br />
im Grundschulalter, noch nicht überblicken<br />
konnte.<br />
Sie saß auf der Terrasse des kleinen Hauses,<br />
putzte das Gemüse aus dem angrenzenden<br />
Garten und unterhielt sich. Ihre<br />
Gesprächspartnerin war die andere Oma im<br />
Haus, die Schwiegermutter meiner Tante.<br />
Was der Unterhaltung der alten Damen den<br />
Charakter surrealer Komik verlieh, war die<br />
Tatsache, dass beide nur ihre jeweilige Muttersprache<br />
beherrschten. Der Einwand, Niederländisch<br />
und Deutsch seien nicht so weit<br />
voneinander entfernt, erklärt das Geheimnis<br />
ihrer funktionierenden Kommunikation nicht