Handschlag - Zeigegestus – Kniefall - Prof. Frank Kämpfer
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I. beugt wie die Hirten anbetend die Kniee!<br />
Die mittelalterliche Vorstellung von der Geste folgt der Annahme, dass Gesten<br />
die ganze Person einbeziehen und eine machtvolle Verbindung herstellen<br />
konnten zwischen sich und der Außenwelt. Dies galt für Menschen wie für<br />
Gegenstände, denen besondere (symbolische) Eigenschaften<br />
zugesprochen wurden, wie beispielsweise Schwert, Zepter oder Hostie. In<br />
diesem Sinne ermöglichten Gesten die Übertragung politischer und<br />
religiöser Macht. Charakteristisch und grundlegend für die Epoche ist die<br />
Ritualisierung des Körpers. Gesten machten demnach geheime,<br />
verborgene Bewegungen der Seele kenntlich, ihre Durchformung wirkte<br />
auf die Seele zurück, zähmte sie und ließ sie sich zu Gott erheben. Die<br />
Körpersprache mit ihren Ausdrucksmöglichkeiten als politische Gestik<br />
beschränkt sich keineswegs nur auf Finger-Hand-Arm-Gebärden. An<br />
dieser Stelle ist eine besondere Form politischen Gebahrens zum Beispiel<br />
gewählt, von der ebenso wie vom Händedruck gesagt werden kann, sie<br />
sei so alt wie die menschliche Gesellschaft: der Knie- oder Fußfall<br />
(supplicium, proskynesis) - ein körperlicher Ausdruck, dessen<br />
semantische Spannweite noch im 21. Jahrhundert von der gewaltsam<br />
erzwungenen Unterwerfung bis zur flehentlichen religiösen Ekstase reicht.