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Rotcrowd #6 - Kommunistischer StudentInnenverband

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nr. 6 stadtblatt für verschwenderische selbstbestimmung in allen lebensbereichen<br />

Uni 2-5 crowd & rüben 6-9<br />

Schwerpunkt Asien 7-12<br />

ÖH-Wahlen<br />

31. Mai bis<br />

2. Juni ‘05


UNI<br />

„Wir wollen den<br />

ganzen Kuchen!“<br />

rotcrowd sprach mit Andreas Nitsche und Hanno Wisiak über Zugangsbeschränkungen,<br />

Eliteunis und scheinbare und tatsächliche Auswege aus<br />

der Bildungsmisere. Das Interview führte Goran Lovric.<br />

Mandatar Hanno Wisiak (li.) und Vorsitzender Andreas Nitsche<br />

Über die Österreichischen Universitäten ist<br />

derzeit viel zu hören und lesen. Wie schätzt<br />

ihr als Kommunisten die derzeitige Situation<br />

ein?<br />

Andreas Nitsche: An der Uni-Graz haben<br />

sich die Zugangsbeschränkungen als<br />

sinnlos erwiesen. In Psychologie und BW<br />

wurden alle BewerberInnen aufgenommen,<br />

in meiner Studienrichtung,<br />

Pharmazie, wurde nur ein Bruchteil der<br />

BewerberInnen abgewiesen. Die<br />

Forderung der ÖH in weiteren<br />

Gesprächen mit der Unileitung kann<br />

deshalb nur die Rücknahme sein.<br />

Hanno Wisiak: Der Ansturm von<br />

deutschen Studierenden ist – wie man<br />

durch Diskussion neuerlicher<br />

Quotenregelungen merkt – nur ein<br />

Vorwand für die Zugangsbeschränkungen<br />

gewesen. So wird massiv<br />

Geld in schwindlige Prestigeprojekte wie<br />

der Elite-Uni in Maria Gugging gesteckt,<br />

das den anderen Unis, fehlt. Wie so die<br />

von Gehrer proklamierten „Weltklasseunis“<br />

entstehen sollen, bleibt ein<br />

Geheimnis.<br />

Andreas: Das Hochschulbudget ist<br />

gemessen am Bruttoinlandsprodukt seit<br />

1999 um 33 Prozent gesunken. Hier fehlt<br />

eindeutig der politische Wille, ein breites<br />

öffentliches Bildungssystem zu erhalten<br />

geschweige denn auszubauen. Diese<br />

Zahlen sind in Anbetracht der<br />

Einführung der Studiengebühren im Jahr<br />

2000 eine Frechheit. Studierende müssen<br />

so für immer weniger Leistungen zahlen.<br />

Hinter den Kulissen findet ja auch ein von<br />

den Medien unbeachteter Umbau der Unis<br />

statt. Was tut sich da?<br />

Hanno: Die flächendeckende Umstellung<br />

auf Bakkalaureats- und Magister-<br />

Studienpläne wird enorme Probleme<br />

nach sich ziehen, weil zuerst alle Nawi-,<br />

dann alle Gewi-Studienrichtungen im<br />

Paket in Paket in die Begutachtung gehen.<br />

Vermutlich kommt es hier zu vielen<br />

Husch-Pfusch-Maßnahmen – von einigen<br />

wenigen Ausnahmen einmal abgesehen.<br />

Um die so entstandenen Schwierigkeiten<br />

später wieder auszubügeln, ist ein<br />

enormer Verwaltungsaufwand<br />

2<br />

vonnöten. Die Leidtragenden sind wieder<br />

einmal die Studierenden.<br />

Andreas: Problematisch kann es auch<br />

für viele StudentInnen jetzt gültiger<br />

Studienordnungen werden. Hier muss<br />

gewährleistet sein, dass diese ihr Studium<br />

in der jetzigen Form ohne gröbere<br />

Komplikationen beenden können.<br />

Hanno: Dazu kommt auch noch die<br />

Gefahr, dass es zu weiteren<br />

Zugangsbeschränkungen kommt. Durch<br />

eine als simple Umbenennung des<br />

Magisterstudiums in Masterstudium<br />

könnten dann zwischen Bakk. und<br />

Master weitere Hürden kommen. So<br />

unwahrscheinlich ist das in der<br />

derzeitigen politischen Konstellation<br />

nicht.<br />

Seht ihr durch einen eventuellen<br />

Regierungswechsel eine Chance auf eine<br />

Umkehr dieser Entwicklungen?<br />

Andreas: Keinesfalls! Diesbezüglich hat<br />

die Aussage des Dichters Majakowski<br />

„Es stiften nur Schaden / Die<br />

sozialdemokratischen Rouladen“ nichts<br />

an Aktualität verloren.<br />

Durch das Verhalten der grün-roten<br />

Führung an der Meduni Graz ist ja auch<br />

schon der grüne Bildungssprecher<br />

Grünewald auf die Linie eingeschwenkt,<br />

Selektion im Medizinstudium für gut zu<br />

befinden. Außerdem wird auch gerade<br />

eine rot-grüne Bundesregierung zwar<br />

schulterzuckend aber willfährig<br />

bildungspolitische Weisungen der EU<br />

umsetzen – sie wollen ja nicht<br />

„antieuropäisch“ sein. Kann sein, dass<br />

die Eliteuni halt nach Wien kommt, und<br />

sie die Studiengebühren in der jetzigen<br />

Form abschaffen, weil diese eine<br />

budgetpolitische Lappalie darstellen.<br />

Solcherlei heften sie sich dann auf die<br />

Fahnen, und an der Unterfinanzierung<br />

und der Eliteuni wird wahrscheinlich<br />

kaum bis gar nichts geändert.<br />

Hanno: Dass sich bei einer großen<br />

Koalition nichts ändern wird, lässt sich<br />

mit dem Beispiel Steiermark denke ich<br />

bestens verdeutlichen. Bei schwarz-grün<br />

werden die Grünen ihr letztes Hemd<br />

verkaufen, um irgendwie zu<br />

„Regierungsverantwortung“ zu


3 UNI<br />

kommen. Das kann anhand diverser<br />

Aussagen van der Bellens ja recht einfach<br />

erahnt werden.<br />

Wo seht Ihr in diesem Zusammenhang<br />

Auswege oder Lösungsansätze?<br />

Andreas: Wichtig ist, dass Studierende<br />

über ihren Tellerrand hinausschauen.<br />

Einerseits müssen sie, um für ihre<br />

Interessen wirkungsvoll kämpfen zu<br />

können, sich mit den anderen<br />

Universitätsangehörigen – Lehrenden<br />

und Allgemeinbediensteten –<br />

zusammentun. Dazu sind die öffentlichen<br />

Um den Trend aufzuhalten, hat sich<br />

der Senat schon im Juni des Vorjahres für<br />

ein Reihungsverfahren im ersten Semester<br />

entschieden. Die ÖH-Führung hat bei der<br />

Ausarbeitung geholfen, das Mitstimmen<br />

bloß wegen der schlechten Optik unterlassen.<br />

Das geschah noch vor dem EuGH-<br />

Urteil. Das virtuelle Semester und die Anmietung<br />

der Stadthalle wurden aber erst<br />

danach ausgebrütet. Wir können also sa-<br />

Lehrveranstaltungen im April ein guter<br />

Anfang.<br />

Hanno: Die Einsparungen und der<br />

Umbau der Universitäten entstehen ja<br />

auch nicht im luftleeren Raum – sie<br />

sind Teil eines Konzepts der<br />

Zerschlagung der sozialen<br />

Errungenschaften der Zweiten<br />

Republik. Um diese Zerschlagung<br />

einzubremsen oder aufzuhalten, muss<br />

ein Schulterschluss her mit allen, die<br />

von diesen Entwicklungen betroffen<br />

sind. Die Privatisierung der Post wäre<br />

hierfür ein Anknüpfungspunkt.<br />

gen: In den letzten Jahren wurde an der<br />

Grazer Meduni fleißig daran gearbeitet, die<br />

katastrophalsten Studienbedingungen Österreichs<br />

zu schaffen. Die Hauptleidtragenden<br />

sind dabei Studierende aus sozial<br />

schwächeren Schichten. Bei jeder Verschlechterung<br />

werden sie doppelt getroffen,<br />

weil sie kein elterliches Geldbörserl<br />

abfedern kann.<br />

Am Anfang war der neue Studienplan.<br />

Ein Modul nach dem anderen,<br />

nur ein Tag Pause. Wer<br />

eine Prüfung nicht schafft,<br />

muss sie länger aufschieben,<br />

weil er/sie gleichzeitig für die<br />

Praktika des nächsten Moduls<br />

lernen muss. Wer nicht in der<br />

Zeit bleibt, verliert gleich ein<br />

Jahr, es winkt der Verlust von<br />

Studien- und Familienbeihilfe.<br />

Die Praktika sind so auf den<br />

Tag verteilt, dass Arbeiten<br />

nebenbei praktisch unmöglich<br />

wird.<br />

Das allein ist schon schlimm<br />

genug, aber das heurige Wintersemester<br />

übertrifft an Frechheit<br />

alles bisher da gewesene.<br />

Die Situation ist derzeit halt leider nur so,<br />

dass – obwohl es zehn Stück Kuchen<br />

gäbe – zehn Menschen sich um drei Stück<br />

streiten, weil ihnen die anderen sieben<br />

weggenommen wurden. Die Antwort<br />

kann aber nur lauten: Wir wollen den<br />

ganzen Kuchen!<br />

Andreas Nitsche ist Vorsitzender des Grazer<br />

Kommunistischen <strong>StudentInnenverband</strong>es<br />

(KSV) und Alternativreferent der Grazer ÖH<br />

Hanno Wisiak ist seit 2005 KSV-Mandatar an<br />

der Universitätsvertretung der ÖH Uni-Graz.<br />

Meduni: Systematische<br />

Verschlechterungen<br />

Etliche Studierende, die die Vorraussetzungen für den zweiten Abschnitt<br />

erfüllen, wurden bereits im Oktober wegen Platzmangel aufs nächste Wintersemester<br />

vertröstet. Die Plätze für 2007/08 sind jetzt auch schon vergeben.<br />

Dass es zu einer derartigen Problematik kommen würde, wussten die<br />

Verantwortlichen der Meduni schon bei der Implementierung des neuen<br />

Studienplans. Das nahmen sie aber gern in Kauf.<br />

Studienvertreter Sebatsian Wisiak (KSV)<br />

Nachdem sich fast 3.000 Studierende<br />

vorangemeldet hatten, nahm die Meduni<br />

Abstand von der Präsenzlehre. Das<br />

bedeutete für viele die Notwendigkeit<br />

sich einen PC samt Breitbandinternet<br />

anzuschaffen. Die empfohlenen neun<br />

Bücher zu kaufen, war auch empfehlenswert,<br />

wenn man zu den 100 besten gehören<br />

wollte. Für jene die dann noch<br />

941,- Euro parat hatten, gab es von einem<br />

privaten Institut doch noch Kurse<br />

mit Unterrichtenden, denen man Fragen<br />

stellen konnte. Zu allem Überfluss besteht<br />

noch die Gefahr, dass jene einen<br />

Studienwechsel verlieren, die nicht zu<br />

den besten Hundert gehören und etwas<br />

anderes inskribieren. Das bedeutet, sie<br />

sollten jetzt das richtige Studium finden,<br />

denn nach noch einem Wechsel besteht<br />

kein Anspruch auf ein Stipendium mehr.<br />

Sebastian Wisiak (KSV) aus der Studienvertretung<br />

Humanmedizin brachte<br />

– sich auf die obigen Tatsachen berufend<br />

– einen Antrag in der Studienkommission<br />

zur Rückerstattung der Studiengebühren<br />

für jene, die das Auswahlverfahren<br />

nicht bestehen ein. Der Antrag<br />

wurde einstimmig abgelehnt, also<br />

auch von den sozialdemokratischen und<br />

grünen StudierendenvertreterInnen.<br />

Der KSV hält eine solche Vorgehensweise<br />

für einen Skandal und fühlt sich<br />

bestätigt in der Richtigkeit Grün-Rot an<br />

der ÖH der KF-Uni am 3.Oktober 2005<br />

abgewählt zu haben.


UNI<br />

Einmal Uni mit extra Käse!<br />

Liefern sie auch nach NÖ?<br />

Als die Diskussion um das sogenannte „Eliteuni“-Projekt und seine<br />

Ansiedlung in der Niederösterreichischen Tundra auf dem Höhepunkt<br />

war, wurde in der medial geführten Diskussion im Allgemeinen<br />

ausgeblendet, dass es sich bei diesem Coup um den mittlerweile dritten<br />

Versuch von Pepi Pröll handelte, seiner Trophäensammlung einen Uni-<br />

Campus hinzuzufügen. Interessierte konnten bereits seit 2004 verfolgen,<br />

wie mit beinahe allen zur Verfügung stehenden Mitteln ÖVP-Hofschranzen<br />

darum bemüht waren, zumindest Teile einer österreichischen Universität<br />

nach Pröllistan zu übersiedeln. von Philipp Funovits<br />

Der erste, später kläglich gescheiterte<br />

Versuch war, Teile der TU Wien nach<br />

Tulln zu übersiedeln. Der Druck, den die<br />

suboptimale Unterbringung<br />

insbesondere der Chemieinstitute und<br />

der gewaltige Sanierungsbedarf beim<br />

bestehenden Gebäudebestand, den zu<br />

tragen die Bundesimmobiliengesellschaft<br />

nicht bereit war, war bereits seit<br />

längerem spürbar. Nachdem die Gerüchteküche<br />

eine zeitlang brodelte, erfolgte<br />

dann schließlich Anfang 2005 die Ankündigung<br />

der Übersiedlungspläne. Der<br />

bei schwarzen Granden hoch im Kurs<br />

stehende Rektor Skalicky und die wenigen<br />

dem Projekt freundlich gegenüberstehenden<br />

Universitätsfunktionäre hatten<br />

alle Mühe plausibel zu machen, worin<br />

die Vorteile einer Umsiedlung der<br />

Fakultäten für Chemie und Elektrotechnik<br />

ausgerechnet nach Tulln haben sollte.<br />

Zwar versuchte man mit billigem Bauland<br />

und der Aussicht auf vom Land<br />

mitfinanzierten F&E-Initiativen zu punkten,<br />

aber die Perspektive tagtäglich in<br />

einen sterilen Laborpark auspendeln zu<br />

müssen, der ohne stimulierendes urbanes<br />

Umfeld auf der grünen Wiese steht,<br />

war nicht nur für StudierendenvertreterInnen<br />

eher traurig.<br />

Aber alle guten Worte halfen wenig,<br />

denn die handelnden Personen schienen<br />

den Leuten, bei denen Pröll die Uni geordert<br />

hatte, im Wort zu sein. Darüberhinaus<br />

hätte auch hier die Stadt Wien<br />

wie später beim „Eliteuni“-Projekt die<br />

Diskussion komplett verschlafen, wenn<br />

nicht Angehörige der TU kräftig hinter<br />

den Kulissen dafür gesorgt hätten, dass<br />

das großzügige Gegenangebot die TU<br />

auf das Entwicklungsgebiet am Gelände<br />

des ehemaligen Flugfeldes Aspern (U-<br />

Bahn-Anbindung und Infrastruktur inklusive)<br />

zustande kam. Sobald die erste<br />

ernsthafte Konkurrenz zu Tulln in der<br />

Gestalt von Flächen<br />

und Objekten in der<br />

Nähe der Stadt auf<br />

dem Tisch lagen,<br />

war Niederösterreich<br />

aus dem Rennen.<br />

Hier war die<br />

Geschichte natürlich<br />

nicht zu Ende: Bald<br />

wurde auch das<br />

Flugfeld Aspern wieder<br />

als nicht allzu<br />

gut geeignet befunden,<br />

die aktuelle Variante<br />

umfasst die<br />

Sanierung des bestehendenGebäudebestandes<br />

am Getreidemarkt<br />

inklusive der<br />

Wiedererrichtung<br />

von bereits abgerissenen<br />

Objekten aus<br />

Sondertöpfen des<br />

Bildungsministeriums,<br />

wodurch nur<br />

einzelne Großlabors<br />

in die Peripherie abgesiedelt<br />

werden<br />

würden.<br />

Nachdem der<br />

Anschlag auf die TU<br />

4<br />

Wien gescheitert war, suchte man sich<br />

leichtere Beute. Die Universität für Bodenkultur<br />

schien perfekt geeignet zu<br />

sein. Sie ist nicht einmal halb so groß<br />

wie die TU. Rektor, Universitätsrat und<br />

sogar der Großteil des Universitätspersonal<br />

sind (vermeintlich) hochgradig<br />

ÖVP-kompatibel. Zusätzlich hatte sich<br />

Boku-Rektor Dürrnstein und seine<br />

Mannschaft den Ruf erworben, wo nötig<br />

gnadenlos über Belegschaft und Studierende<br />

drüberzufahren. Davon abgesehen<br />

unterhielt die Boku mit der IFA<br />

bereits eine kleine Dependance in der<br />

niederösterreichischen Wildnis. Bereits<br />

im Februar 2005, als die Kontroverse um<br />

die TU Wien in vollem Gange war, gab<br />

es eine kleine Pressemeldung, in der sich<br />

StudierendenvertreterInnen und Be-<br />

Für die einen ist es eine Glatze, für die<br />

anderen der breiteste Scheitel der Welt


5 UNI<br />

dienstete gegen eine Auslagerung der<br />

Boku nach Tulln aussprach. In Stellungnahmen<br />

von offizieller Seite wurden derlei<br />

Pläne damals noch als übertriebene<br />

Hirngespinste abgetan: Wir nach Tulln?<br />

– Was haben wir dort verloren?!? Am<br />

Beginn des Wintersemesters 05/06<br />

allerdings wurde es ernst. Überfallsartig<br />

ging Dürrnstein mit der Mitteilung an<br />

die Presse, Materialwissenschaften und<br />

Teile der Chemie nach Tulln abzusiedeln,<br />

weil „das Tullnerfeld ausreichend Platz<br />

für Versuchsflächen bietet“. Auch der<br />

Universitätsrat habe bereits grünes Licht<br />

gegeben, die Verträge würden<br />

demnächst unterzeichnet. Der Presse<br />

gegenüber wurde das Einverständnis<br />

von Senat und Betriebsrat als Formalität<br />

dargestellt.<br />

Nach einer langen Schrecksekunde<br />

formierte sich massiver Widerstand unter<br />

den Universitätsangehörigen, die wie<br />

sich bald zeigte, geschlossen gegen den<br />

Umzug waren. Nachdem einmal Sand<br />

im Getriebe war, zeigten sich andere<br />

Lücken in den Plänen zum Exodus: Weder<br />

war exakt geklärt welche Institute<br />

und Organisationseinheiten tatsächlich<br />

umziehen würden, noch wie die Durchführung<br />

des Studienbetriebes (angefangen<br />

beim Ersatz der erheblichen Fahrtkosten)<br />

in den in Zukunft auf drei Standorten<br />

aufgeteilten Studienrichtungen erfolgen<br />

soll.<br />

All dies führte dazu, dass der Universitätsrat<br />

der BoKu, der ursprünglich<br />

voll des Überschwanges für die Dürrsteins<br />

Pläne zur „Standortentwicklung“<br />

war, merklich auf die Bremse stieg. Um<br />

vollendete Tatsachen zu schaffen, wurde<br />

unterdessen die Finalisierung der<br />

Rahmenverträge mit dem Land Niederösterreich,<br />

der Stadt Tulln anderen ProjektpartnerInnen<br />

beschleunigt, mit dem<br />

Ziel, sie Mitte Dezember 2005 zu unterzeichnen.<br />

Der Inhalt dieser Vereinbarungen<br />

wurde so lange als möglich vor den<br />

Universitätsangehörigen verheimlicht.<br />

Die dem Senat am Ende hart abgerungene<br />

Zustimmung zu dem Projekt führte<br />

zu Veränderungen am ursprünglichen<br />

Konzept. Nicht nur würde die endgültige<br />

Übersiedlung erst am Ende dieses<br />

Jahrzehnts abgeschlossen sein, auch<br />

musste Dürrstein Änderungen an der<br />

Studienorganisation versprechen, die<br />

eine vollständige Durchführung<br />

wenigstens der Bakkalaureatsstudien in<br />

Wien ermöglicht.<br />

Schätzungen des Rektorats sprachen<br />

davon, dass nur mehr 10 Prozent der<br />

Studierenden von der Umsiedlung betroffen<br />

wären, um KritikerInnen zu beruhigen.<br />

Bei beiden Verpflanzungsprojekten<br />

war nicht zu erwarten dass der<br />

narzisstische Landesfürst Einsicht in die<br />

nachteiligen hochschulpolitischen Implikationen<br />

und die verheerenden Folgen<br />

für die Universitätsentwicklung haben<br />

würde. Verblüffend war aber, wie sich<br />

hochrangige Universitätsfunktionäre<br />

zum Schaden der Organisationen, die<br />

sie vertreten, zu willfährigen Erfüllungsgehilfen<br />

profilierungssüchtiger ProvinzpolitikerInnen<br />

machen ließen.<br />

Der im Fall der BoKu erzielte Teilerfolg<br />

war vom Land Niederösterreich teuer<br />

erkauft aber nicht wirklich befriedigend.<br />

Pröll wollte anscheinend eine echte<br />

eigene Uni ganz für sich allein, ein<br />

paar mickrige BoKu-Subeinheiten ohne<br />

Campusfeeling war da deutlich zu wenig.<br />

Die Shoppingtour musste weitergehen.<br />

Während unbedarfte noch glaubten,<br />

ein ungleiches Rennen zwischen<br />

Wien und Graz um den Standort für<br />

Gehrers Eliteuni zu sehen, war hinter<br />

den Kulissen nur mehr die Frage wie<br />

man der Öffentlichkeit die Uni in der<br />

Nervenheilanstalt verkaufen soll. Dass<br />

die beteiligten WissenschafterInnen<br />

ebenso wie der für seine unverbrüchliche<br />

nibelungentreue zur Frau Minister<br />

gerühmte Sektionschef Höllinger sofort<br />

nach Bekanntgabe des Manövers absprangen,<br />

trübte die Optik aus Regierungssicht<br />

nur unwesentlich. Angenehmerweise<br />

hat die Diskussion um den<br />

Standort die viel akutere Frage nach der<br />

Sinnhaftigkeit der Gehrerschen Kaderschmiede<br />

abseits der etablierten Universitäten<br />

ganz erstickt. Weil SPÖ und Grüne<br />

mit einem mal begehrlich auf das leckere<br />

Prestigeprojekt blickten und seine<br />

Verlegung nach Wien verlangten, mussten<br />

diejenigen aus ihren Reihen, die zuvor<br />

Zeilingers Projekt als Schnappsidee entlarvten,<br />

aus Parteiraison schweigen.<br />

Wer glaubt, mit diesem letzten<br />

Streich käme die Ruralisierung des tertiären<br />

Sektors ans Ende, hat geirrt: Erst<br />

kürzlich ließ eine euphorische Pressemeldung<br />

aus Fürstenfeld aufhorchen, eine<br />

ungarische Privatuniversität habe angekündigt<br />

sich in der Oststeiermark anzusiedeln,<br />

man schreite in Bälde zur Vertragsunterzeichnung...<br />

na dann gute<br />

Nacht!<br />

Kommentar<br />

Med.-ÖH gibt freien<br />

Uni-Zugang auf<br />

von Sebastian Wisiak<br />

Zwar fordern sie die Aufhebung des<br />

§124b in Bezug auf die Nichtmedizinischen<br />

Fächer, auf den Medunis haben sie jedoch<br />

die Zugangsbeschränkungen bereits akzeptiert.<br />

Anstatt sich zu schämen, möchten sie<br />

sich auch noch selber ihre „konstruktive<br />

Arbeitsbereitschaft“ loben.<br />

Kaum ist ein Semester mit Zugangsbeschränkungen<br />

vorüber, zieht die Bundes-ÖH<br />

ein defätistisches Resümee. In den<br />

Fächern BWL, Psychologie, Biologie, Pharmazie<br />

und Journalistik waren kaum Studierende<br />

abgewiesen worden. Nur in den<br />

medizinischen Fächern war der Ansturm<br />

so hoch wie erwartet. Die Schlussfolgerung:<br />

Die Schranken in der Medizin können bleiben,<br />

die anderen sollen weg.<br />

Was ist das für eine Haltung? Haben<br />

die ÖH-VertreterInnen vor einem halben<br />

Jahr nicht daran geglaubt, dass in der Medizin<br />

viele Studierwillige abgewiesen werden?<br />

Warum ändern sie innerhalb von einem<br />

halben Jahr ihre Meinung?<br />

Das kann nur bedeuten, dass die Haltung<br />

der rot-grünen ÖH von Anfang an<br />

eine halbherzige war. Das erste Anzeichen<br />

war schon das lange Zuwarten mit dem<br />

Demonstrationsaufruf. Anstatt nach dem<br />

Nationalratsbeschluss rasch eine Demo anzukündigen,<br />

wartete man bis spät in den<br />

Herbst hinein damit. Begründet wurde das<br />

damit, dass die Studierenden in den Sommerferien<br />

waren. War es aber nicht eher<br />

so, dass die Studierenden dafür genug Zeit<br />

gehabt hätten? Mit dem Herbsttermin<br />

konnte die ganze Demonstration zu dem<br />

umfunktioniert werden, was die Bundes-<br />

ÖH sich vorstellte: Eine Vorwahlkampfveranstaltung<br />

für SP und Grüne. Anstatt<br />

sich wirklich für die Interessen der Studierenden<br />

einzusetzen, wird die ÖH für Parteipolitik<br />

verwendet. Auch das ist rechts.


Kürzlich konnten Menschen, die mit<br />

einem Anschluss an das deutsche Privatfernsehen<br />

gesegnet oder auch damit<br />

gestraft sind, ZeugInnen der Verseuchung<br />

der Menschen durch den medialen<br />

Einheitsbrei werden. In einer hierorts<br />

bekannten Talkshow gaben einige Vertreterinnen<br />

des weiblichen Geschlechts<br />

ihre Meinung zum Feminismus im Allgemeinen<br />

und zu den Feministinnen im<br />

Speziellen zum Besten: „Den Feminismus<br />

hatten wir schon, der hat uns nichts<br />

gebracht außer Probleme mit den Kindern.“<br />

(?!?!) Eine 15jährige meinte:<br />

„Wenn mich jemand Emanze oder Feministin<br />

nennen würde, dann wäre das<br />

eine Beleidigung für mich.“<br />

Druckwerke wie „Warum Frauen<br />

schlecht einparken und Männer nicht<br />

CROWD UND RÜBEN<br />

ZUM 8. MÄRZ – VERSUCH EINER BESTANDSAUFNAHME<br />

Was heißt feministischer<br />

Wahnsinn?<br />

zuhören können“ von Allan und Barbara<br />

Pease finden sich auf den Bestsellerlisten<br />

in der Kategorie „Sachbuch“ weltweit<br />

an der Spitze.<br />

Die Frage der Kinderbetreuung bleibt<br />

nach wie vor von ermüdender Aktualität,<br />

geht aber unter in Zeitungsartikeln<br />

der Sorte „Wie vereinbare ich eine Key-<br />

Account-Managerin-Karriere mit anthroposophiekonformerKindererziehung<br />

und dem Aussehen eines Vogue-<br />

Cover-Models“. Das schrammt haarscharf<br />

an der Lebensrealität von ca. 95<br />

Prozent der Frauen vorbei.<br />

Soweit so schlecht – ein Querschnitt<br />

durch Medien aller Art, die uns derartige<br />

Bilder von der gesellschaftlichen<br />

Wahrnehmung der heutigen Situation<br />

der Frau zu vermitteln versuchen.<br />

Wie sieht nun<br />

aber ein Teil der gesellschaftlichenRealität<br />

der Frauen aus<br />

Sicht der Sozialwissenschaften<br />

aus?<br />

Frauen leisten<br />

nach wie vor zwei<br />

Drittel der gesellschaftlichnotwendigen<br />

Arbeit – also<br />

auch jene Arbeiten,<br />

die gesellschaftlich<br />

nicht anerkannt und<br />

daher auch nicht<br />

entlohnt werden:<br />

Reproduktionsarbeiten<br />

– erhalten<br />

dafür zehn Prozent<br />

der Einkommen und<br />

verfügen über ein<br />

Prozent des weltweiten<br />

Vermögens. In<br />

Österreich verdienen<br />

Frauen auch im<br />

Jahre 2005 für die<br />

gleiche Arbeit ein<br />

Drittel weniger als<br />

ihre männlichen<br />

Kollegen. Von den<br />

6<br />

Menschen, die in absoluter Armut leben,<br />

sind weltweit zwei Drittel Frauen.<br />

Diese Liste der empirisch erhobenen<br />

Fakten der Ungerechtigkeiten ließe sich<br />

ins Uferlose fortführen. Da dafür aber<br />

weder Platz, noch es im Sinne der Autorin<br />

ist, sei einfach auf diverse Publikationen<br />

der UN-Frauenorganisation DAW<br />

verwiesen.<br />

Zur Lösung dieser Probleme gab und<br />

gibt es unterschiedliche Ansätze und<br />

Strategien. Den heute vorherrschenden<br />

gemeinsam ist die Taktik der Reförmchen<br />

und das Nichtinfragestellen der<br />

gesellschaftlichen Vermögensverteilung.<br />

Sei es der Differenzfeminismus, der<br />

jene Differenzen auf Basis biologischer<br />

Unterschiede, die er vorgibt auflösen zu<br />

wollen, eher festschreibt, indem er bestehende<br />

Unterschiede tendenziell und<br />

letztendlich verteidigt und dadurch nur<br />

bestehende Benachteiligungen von Frauen<br />

legitimiert; oder der vorherrschende<br />

bürgerliche Feminismus der Marke Gender<br />

Mainstreaming und Quotenregelung,<br />

der zwar in einigen Bereichen unbestrittenermaßen<br />

Fortschritte für die<br />

Sache der Frauen brachte, aber aus seiner<br />

systemkonformen Haltung nicht herausfindet.<br />

Wirklich geholfen wäre uns mit einer<br />

neu geknüpften Synthese aus Marxismus<br />

und Gleichheitsfeminismus mit<br />

dekonstruktivistischen Elementen. Anstatt<br />

die Unterschiede zwischen den Geschlechtern<br />

einzuzementieren würde<br />

eine solche Synthese der egalitaristischen<br />

Strategien versuchen gesellschaftlich zuund<br />

festgeschriebene Rollenbilder gerade<br />

auf der Interaktionsebene der Menschen<br />

zu dekonstruieren.<br />

Solange nicht die Macht- und Eigentumsverhältnisse<br />

unserer Gesellschaft<br />

grundsätzlich in Frage gestellt werden,<br />

wird auch die feministische Bewegung<br />

über einzelne Reformen nicht in eine<br />

Gesellschaft der Gleichberechtigung der<br />

Geschlechter vordringen.


7 CROWD UND RÜBEN<br />

Der Vorgänger des heutigen Spiels<br />

Monopoly wurde von Elizabeth Magie<br />

Phillips entwickelt und hatte den klangvollen<br />

Namen ‚The Landlord’s Game’.<br />

Elizabeth „Lizzie“ J. Magie war eine junge<br />

Quäkerin aus Virginia und eine sogenannte<br />

Georgistin, eine Verfechterin des<br />

Ökonomen Henry George (1839–1897).<br />

Um dessen wirtschaftspolitische Gedanken<br />

auch den einfachen Leuten begreifbar<br />

zu machen, entwickelte sie ein Spiel.<br />

Das Interessante an diesem Spiel war,<br />

dass es im Prinzip auf die Gefahren des<br />

monopolistischen Landbesitzes aufmerksam<br />

machen sollte und auf die damit<br />

einhergehende Verarmung der<br />

Landbevölkerun Sie erhielt das Patent<br />

unter der Nummer U.S. Patent 740626<br />

am 5. Januar 1904.<br />

Doch erst 1910 wurde es von der Economic<br />

Game Company of New York erstmals<br />

produziert und vertrieben. Zuvor hatten<br />

sich durch Mundpropaganda viele<br />

StudentInnen und QuäkerInnenvereinigungen<br />

das Spiel selbst gezeichnet und<br />

verbreiteten es weiter. In England wurde<br />

es 1913 von der Newbie Game Company<br />

of London unter dem Titel Brer Fox an’<br />

Brer Rabbit veröffentlicht. In Österreich<br />

wurde eine abgewandelte Version unter<br />

dem Namen DKT, Das kaufmännische<br />

Talent und eine weitere Version unter<br />

dem Namen Trust vertrieben.<br />

Als der Erfinder von Monopoly galt<br />

lange Zeit Charles Darrow. Er will Monopoly<br />

1930 als Zeitvertreib für die lange<br />

Zeit der Beschäftigungslosigkeit, welche<br />

durch die Weltwirtschaftskrise entstand,<br />

entwickelt haben.<br />

1974 entwickelte Ralph Anspach ein<br />

Spiel namens Anti-Monopoly. Die Firma<br />

General Mills, welche Parker Brothers<br />

inzwischen übernommen hatte, reagierte<br />

auf dieses Spiel wie auf andere<br />

dieser Art vorher, und versuchte es vom<br />

Markt zu klagen. In einer langjährigen<br />

Auseinandersetzung setzte sich Ralph<br />

Anspach jedoch letztendlich durch. Als<br />

Ergebnis dieser Klage musste General<br />

Mills eingestehen, dass Charles Darrow<br />

Monopoly<br />

Jeder kennt es und hat es schon einmal gespielt, Monopoly, hierzulande auch DKT (Das kaufmännische<br />

Talent) genannt. Woher kommt dieses Spiel und warum wurde es entwickelt? Auf diese und<br />

ähnliche Fragen soll dieser Aufsatz ein bisschen näher eingehen. von Matthias Obermüller<br />

nicht der Erfinder von Monopoly ist,<br />

sondern dass es sich bei diesem Spiel<br />

um eine Kopie des seit 1904 im Umlauf<br />

befindlichen Landlord’s Game handelte,<br />

beziehungsweise, dass es bereits vor<br />

1930 Spiele mit dem selben Namen und<br />

Spielprinzip (explizit erwähnt wird Atlantic<br />

City Monopoly) gegeben hat. Ein<br />

nahezu identisches Spiel namens Finance<br />

war bereits seit 1932 im Handel, bevor<br />

es von Parker Brothers aufgekauft wurde.<br />

Das Spiel hat also eine bewegte Geschichte,<br />

auf die es zurückblicken kann.<br />

Das Entscheidende ist aber der Grund,<br />

warum es entwickelt wurde. Und der<br />

lautet Gefahr der Monopolisierung und damit<br />

einhergehende Verarmung der Bevölkerung.<br />

JedeR der Monopoly gespielt hat<br />

(oder DKT), der/die weiß, dass man nur<br />

siegen kann, wenn man die anderen MitspielerInnen<br />

ruiniert und am Ende das<br />

Monopol auf sämtliche Hotels/Straßen<br />

besitzt. Was als vielgepriesene freie<br />

Marktwirtschaft beginnt, entwickelt sich<br />

im Sinne des Spiels langsam zu einer<br />

Konzentration des Besitzes in den Händen<br />

weniger; und in letzter Konsequenz<br />

in der Hand eines Einzelnen. In der realen<br />

Welt verhält es sich genauso. Dazu<br />

ein Zitat von Michael Moore: „Man nennt<br />

das Kapitalismus. Im Jahr 1919, 20 Jahre<br />

nach der Erfindung des Autos, gab es 108<br />

Autohersteller in den vereinigten Staaten.<br />

Zehn Jahre später war die Zahl auf 44 geschrumpft.<br />

Ende der fünfziger Jahre waren<br />

dann noch 8 übrig, und heute haben wir<br />

noch insgesamt 2 1/2 amerikanische Autohersteller.<br />

So funktioniert das in unserem<br />

System.“ 1 Auch Daimler-Finanzdirektor<br />

Dieter Zetsche hat dazu ein interessantes<br />

Zitat parat und nimmt dabei – wohl<br />

eher unbewusst – eine hübsche Anleihe<br />

bei Lenins Imperialismusanalyse, wenn<br />

er feststellt: „Es gibt nun keine neuen Märkte<br />

mehr in der Industrie zu entdecken. Wir<br />

bekämpfen/übernehmen einander um zu siegen.“<br />

2<br />

Was bedeutet eigentlich ‚Imperialismus’?<br />

Das ist nichts anderes als eine Um-<br />

schreibung für Monopolkapitalismus.<br />

Die Entwicklung dieses Monopolkapitalismus<br />

ist auf die Entwicklungsgesetzte<br />

der kapitalistischen Gesellschaft zurückzuführen.<br />

Denn nur wer in seinem<br />

Bereich durch Übernahmen und Fusionen<br />

andere Konkurrenten ausschaltet<br />

und dadurch überflüssig gewordene Arbeitsplätze<br />

einspart, kann letzten Endes<br />

als einzig Übriggebliebener höchste Profite<br />

einstreifen (z.B. durch willkürliche<br />

Preisfestsetzungen). Und das ist ja der<br />

Sinn und Zweck: Maximalprofit, unter<br />

allen Umständen.<br />

Leider ist es im Kapitalismus so, dass<br />

der erwirtschaftete Kapitalüberschuss<br />

nicht zur Hebung des Lebensstandards<br />

der Massen in dem betreffenden Land<br />

verwendet wird – denn das würde eine<br />

Verminderung der Profite der Kapitalisten<br />

bedeuten. Womit wir zum sogenannten<br />

‚Grundwiderspruch’ im Kapitalismus<br />

kommen. Der lautet: Gesellschaftliche<br />

Produktion, aber private Aneignung<br />

dessen was produziert wurde, durch<br />

eine Handvoll „Besitzer“ von Fabriken/<br />

Produktionsmitteln die selber nicht produzieren;<br />

man kann auch sagen: Privatisierung.<br />

Denn man darf nie vergessen,<br />

dass das Kapital ein gesellschaftliches<br />

Produkt ist. Denn wer erschafft Kapital?<br />

Nur die Menschen die arbeiten (geistig<br />

sowie körperlich). Es kann nur durch<br />

eine gemeinsame Tätigkeit vieler Mitglieder,<br />

in letzter Instanz nur durch die gemeinsame<br />

Tätigkeit aller Mitglieder der<br />

Gesellschaft erzeugt werden. Wenn man<br />

jetzt das Kapital in gemeinschaftliches,<br />

allen Mitgliedern der Gesellschaft gehörendes<br />

Eigentum verwandeln würde, so<br />

verwandelt man nicht persönliches Eigentum<br />

in gesellschaftliches, denn das<br />

Kapital ist ja ein gesellschaftliches Produkt,<br />

sondern es würde der gesellschaftliche<br />

Charakter des Eigentums verwandelt<br />

werden.<br />

1 Moore, Michael: Stupid White Men. S.82<br />

2 Sunday Times, 29.8.1999


Against the Attempts at De-legitimization<br />

of the Palestinian People’s Rights<br />

rotcrowd bringt an dieser Stelle eine Einschätzung des Politischen Büros<br />

der Kommunistischen Partei Israels zum Ausgang der Wahlen der<br />

Palästinensischen Autonomiebehörde.<br />

“The Hammas movement’s success<br />

in the Palestinian legislative assembly<br />

election implies a significant change in<br />

the state of affairs in the occupied territories,<br />

concerning the Israeli-Palestinian<br />

conflict and with regard to the Middle<br />

East as a whole”, stated the Political Bureau<br />

of CPI on January 27th.<br />

In its statement the PB emphasized<br />

the fact that Hammas has been reinforced<br />

by the official policy of Israel and<br />

United States. The danger is that in the<br />

near future Israeli government, with the<br />

support of Bush administration will use<br />

Hammas’ victory as an excuse for military<br />

actions against the Palestinians and<br />

against Iran.<br />

The everlasting official Israeli policy<br />

of occupation, fully supported by the U.S<br />

administration, the suffering caused as<br />

a result of many decades under occupation,<br />

the thousands of victims, the ongoing<br />

construction of settlements and the<br />

separation wall, on one hand, and on<br />

the other hand Israeli government’s refusal<br />

to renew the negotiations with the<br />

Palestinians and its decision to withdraw<br />

the army and the settlements from the<br />

Gaza strip unilaterally all of these have<br />

weakened the Palestinian authority and<br />

empowered the Hammas. Add to this<br />

the weakness of the Palestinian authority<br />

and the public exposure of corruption.<br />

These have led many Palestinians to<br />

vote for Hammas as means of protest<br />

against the Fattah.<br />

Long before, we have welcomed the<br />

popular character of the first Palestinian<br />

uprising and criticized the military form<br />

of the second one. We have estimated<br />

that armed struggle and terror activities<br />

would not lead to end the occupation<br />

but rather increase the aggression of the<br />

occupying forces.<br />

On September 2005 CPI has published<br />

a strategic file analyzing Sharon’s<br />

disengagement plan. That file included<br />

CROWD UND RÜBEN<br />

the assessment that the disengagement<br />

would be followed by a collapse both in<br />

Israeli and Palestinian political arenas.<br />

This forecast has been realized by the<br />

Hammas victory and by the numerous<br />

changes that have already occurred in<br />

the political map of Israeli parties.<br />

Leaders of Kadima, Likud and Labor<br />

parties harried to announce, following<br />

Hammas’ victory, that Israel has no partner<br />

in the Palestinian side. The truth is,<br />

however, that the last decade is marked<br />

by the refusal of Israeli governments to<br />

any political negotiation, which would<br />

lead to the end of the conflict by the<br />

establishment of an independent Palestinian<br />

state, with East Jerusalem as its<br />

capital. Instead of arriving at a peace<br />

agreement based on the 4th of June 1967<br />

lines, the Israeli governments starved the<br />

Palestinian people, imprisoned them behind<br />

walls, robbed its lands and created<br />

throughout the occupied territories po-<br />

8<br />

litical and physical apartheid.<br />

CPI evaluates that Hammas’ success<br />

might strengthen the Israeli right wing<br />

forces and the refusal policy of the Israeli<br />

government. CPI warns against any<br />

attempt of the Israeli establishment at<br />

abusing the Palestinian legislative assembly<br />

election results as justification<br />

for amplified oppression and further<br />

confiscation of territories as well as for<br />

racist and exorcising campaign against<br />

the Arab citizens of Israel.<br />

CPI calls upon the peace seekers in<br />

Israel, Jews and Arabs, to thrust away<br />

the attempt at de-legitimization of the<br />

Palestinian people and the political conspiracies<br />

by Israeli leaders and the Bush<br />

administration against just peace and<br />

Palestine independence. We shall continue<br />

with greater vigor with our public<br />

struggle for the evacuation of all the territories<br />

occupied in 1967 and for an overall<br />

and just Israeli-Palestinian peace.<br />

Quelle: http://www.solidnet.org<br />

KPI: http://www.maki.org.il/english/<br />

english.html<br />

Die völkerrechtswidrige israelische Apartheidmauer


9<br />

Verbotsdrohung gegen die<br />

Kommunistische Jugend<br />

Tschechiens<br />

Der Kommunistische Jugendverband<br />

Tschechiens (KSM) ist der Jugendverband<br />

der Kommunistischen Partei Böhmens<br />

und Mährens (KSCM). Die KSCM<br />

ist die drittstärkste Fraktion im tschechischen<br />

Parlament; laut Umfragen wäre<br />

sie derzeit sogar die zweitstärkste Partei<br />

des Landes. Dem Jugendverband der<br />

Partei werden nun vom tschechischen<br />

Innenministerium insbesondere die Passagen<br />

im Statut der Organisation, die<br />

zum „Umsturz des Kapitalismus durch<br />

die Masse der arbeitenden Bevölkerung“<br />

aufrufen, zum Vorwurf gemacht. Um<br />

dem Verbot zu entgehen, soll der Jugendverband<br />

sein Programm ändern<br />

und seine sozialen Aktivitäten weitgehend<br />

einstellen – dazu allerdings ist der<br />

Verband nicht bereit.<br />

Die versuchte Kriminalisierung ist<br />

nur ein Teil einer breit angelegten antikommunistischen<br />

Kampagne in der<br />

Tschechischen Republik und der EU:<br />

demnächst wird das tschechische Parlament<br />

über einen Antrag, Kommunismus<br />

Impressum:<br />

rotcrowd, Lagergasse 98a,<br />

8020 Graz<br />

rotcrowd@hotmail.com<br />

Redaktion:<br />

Andreas Nitsche und<br />

Hanno Wisiak<br />

MitarbeiterInnen dieser<br />

Nummer:<br />

Sebastian Carlens, Philipp<br />

Funovits, Maria Koller,<br />

Goran Lovric, Kurt Luttenberger,<br />

Dr. Ghulam<br />

Mohsenzada, Andreas<br />

Nitsche, Matthias Obermüller,<br />

Christiane Steiner,<br />

Didi Stöckl, Klemens Wallner,<br />

Hanno Wisiak und<br />

Sebastian Wisiak.<br />

CROWD UND RÜBEN<br />

und Faschismus als gleichwertige Verbrechen<br />

einzustufen, beraten; die Parlamentarische<br />

Versammlung des Europarates<br />

(PACE) gibt der Hetze mit ihrem<br />

Dokument „Die Notwendigkeit der internationalen<br />

Verurteilung des Kommunismus“<br />

neuen Auftrieb.<br />

Die viel gepriesene „Freiheit der Kritik“<br />

in der bürgerlichen Demokratie hört<br />

genau da auf, wo die Kritiker zu stark<br />

werden. Dieser dreiste Vorstoß antikommunistischer<br />

Kräfte geht uns alle an, ob<br />

in der Tschechischen Republik oder<br />

sonst wo in Europa: heute will die Bourgeoisie<br />

die starke kommunistische Bewegung<br />

in der Tschechischen Republik<br />

zerschlagen – wenn wir eines Tages die<br />

„kritische Masse“ an Stärke erreicht haben,<br />

werden sie es auch in Österreich<br />

versuchen.<br />

Unterzeichnet den Solidaritätsaufruf<br />

unter:<br />

http://4ksm.kke.gr/de/<br />

PARTY<br />

Musik aus demexil<br />

#1: The Velvet<br />

Underground & Nico<br />

März 1967: Inmitten der Beatparty in<br />

England und der Hippie-flower-powerwir-lieben-uns-alle-seligkeit<br />

in Kalifornien<br />

veröffentlichen vier junge New Yorker<br />

ihr erstes Album. The Velvet Underground<br />

bestehend aus Lou Reed, Sterling Morrison,<br />

John Cale und Moe Tucker. Benannt<br />

nach einem Sexroman, unterstützt von der<br />

Chanteuse Nico und Pop Art Künstler<br />

Andy Warhol (Bananencover) sind sie<br />

schwarz, roh und radikal anders als alles<br />

bisher Dagewesene. Die Party ist vorbei.<br />

Schwarze Lieder über Drogen, Sadomasochismus,<br />

verzweifelte Liebe waren nicht<br />

der Stoff aus dem die Hits dieser Zeit waren.<br />

Diese Texte aus dem „Keller“ des<br />

menschlichen Empfindens wurden durch<br />

gebrochenenen Gesang (Reed), schräge Violaklänge<br />

(Cale), ein genial minimalistisches<br />

Schlagzeug (Tucker), rumpelnde<br />

Gitarren (Morrison, Reed) und die schaurig-schöne<br />

Stimme Nicos musikalisch passend<br />

unterlegt. Der kommerzielle Erfolg<br />

sollte ob dieser schwervertaulichen Kost<br />

ausbleiben, was die Band 1968 (diesmal<br />

ohne Nico & Warhol) nicht davon abhielt<br />

das noch sperrigere Album White light/<br />

White Heat aufzunehmen. Kurz darauf<br />

folgte der Bruch zwischen Reed und Cale.<br />

Reed, mittlerweile mehr Diktator als<br />

Bandmitglied, nahm mit den restlichen<br />

Mitgliedern noch zwei Alben auf: das wunderschön-zerbrechliche<br />

The Velvet Underground<br />

und das etwas eingänglichere,<br />

kommerziell erfolgreichere Loaded.<br />

Mit der Auflösung der Band begann<br />

der Mythos: Unzählige Musiker sollten<br />

sich auf Velvet Underground berufen (David<br />

Bowie, Sonic Youth, Dinosaur Jr.,...).<br />

Zu hören bei Didi Stöckl im<br />

exil<br />

Josefigasse 1, 8020 Graz<br />

Dienstag bis Samstag ab 19:00 Uhr


SCHWERPUNKT<br />

Chinas Weg – zum Sozialismus<br />

des 21. Jahrhunderts?<br />

Neben allen Meinungsunterschieden über den Kurs der Volksrepublik<br />

China – angefangen bei linker Kritik am „Verlassen des sozialistischen<br />

Weges“ bis hin zu bürgerlichen, antikommunistischen Angriffen auf<br />

das bevölkerungsreichste Land der Welt – herrscht bei allen, die sich mit<br />

China beschäftigen, in einer Frage Einigkeit: Derzeit macht China eine<br />

Entwicklung durch, die nicht nur das Angesicht des Landes, sondern<br />

auch das Kräfteverhältnis auf der Erde in den nächsten Jahrzehnten tief<br />

greifend verändern wird. von Sebastian Carlens<br />

Die rasante ökonomische Veränderung<br />

der VR China – einem Land, das<br />

noch vor einigen Jahrzehnten in halbfeudalen<br />

und halbkolonialen Zuständen<br />

gefangen war und dem kaum eine der<br />

Katastrophen des 20. Jahrhunderts, von<br />

Zerschlagungsversuchen europäischer<br />

Kolonialmächte bis hin zu faschistischen<br />

Eroberungskriegen, verschont blieb –<br />

hält die Welt in Atem. Seit Gründung<br />

der Volksrepublik China im Jahre 1949<br />

unternimmt die chinesische Bevölkerung<br />

riesige Kraftanstrengungen, um an die<br />

Moderne anzuschließen; und seit<br />

nunmehr über 25 Jahren „boomt“ China<br />

ununterbrochen; mit Wachstumsquoten,<br />

die jährlich immer, oftmals deutlich,<br />

über 8% Wirtschaftswachstum liegen –<br />

die letzten Zahlen, das Jahr 2004 betreffend,<br />

geben 16,8% Wachstum an. Und<br />

dies trotz aller Unkenrufe, die mit jährlicher<br />

Verlässlichkeit das „Ende des überhitzten<br />

Wirtschaftswachstums“ prophezeien.<br />

In bereits 20 Jahren (vor noch wenigen<br />

Jahren lag diese Schätzung bei 50<br />

Jahren), so die Einschätzung westlicher<br />

ÖkonomInnen, wird China der dominante<br />

Faktor der Weltwirtschaft sein und<br />

damit vor den USA, Japan und Deutschland<br />

auf Platz Eins der nationalen Ökonomien<br />

liegen. Solche Prognosen, vor<br />

einigen Jahren noch belächelt, erscheinen<br />

heute greifbar und plausibel: China<br />

nimmt bereits den dritten Platz der Handelsnationen<br />

ein; als Wirtschaftsmacht<br />

hat es im Jahr 2005 den vierten Platz<br />

erreicht.<br />

Bei dieser allgemeinen Anerkennung<br />

des tief greifenden Wandels und schnellen<br />

Anschlusses an die Standards der<br />

westlichen Ökonomie hört die Einigkeit<br />

der Beobachter Chinas allerdings auch<br />

schon auf. Ab hier beginnt das Terrain<br />

der Spekulationen, Hoffnungen, Befürchtungen<br />

und Projektionen.<br />

Eine Untersuchung der jüngsten chinesischen<br />

Entwicklungen kommt nicht<br />

um einige Streifzüge in der Vergangenheit<br />

herum – um zu verstehen, wie in<br />

China heute Politik gemacht wird, muss<br />

man den Blick zunächst auf die Geschehnisse,<br />

die – ausgehend vom Fanal der<br />

russischen Oktoberrevolution – auch in<br />

Südostasien tief greifende Veränderungen<br />

hervorriefen, richten.<br />

Die Situation Chinas zu Beginn des<br />

20. Jahrhunderts<br />

Nach Tausenden von Jahren feudalistischer<br />

Hochkultur und seit dem sog.<br />

„ersten Opiumkrieg“, den britische Kolonialtruppen<br />

gegen China erzwingen,<br />

um das Land gewaltsam zu Handel und<br />

10<br />

Konzessionen zu zwingen, markiert die<br />

erste bürgerliche Revolution im Jahre<br />

1911 den Beginn der chinesischen Moderne.<br />

Diese bürgerliche – in China „altdemokratische“<br />

genannte – Revolution<br />

vermochte es, die Monarchie, die Qing-<br />

Dynastie, zu stürzen, deren letzter Kaiser<br />

1912 abdankte, konnte China jedoch<br />

nicht aus den halbkolonialen Fesseln, die<br />

dem Land seit den sogenannten „Opium-Kriegen“<br />

des 19. Jahrhunderts aufgezwungen<br />

waren, und der halbfeudalen<br />

Rückständigkeit zu befreien.<br />

Nach dem kurzen Intermezzo einer<br />

bürgerlich-demokratischen Regierung<br />

wurde Dr. Sun Yat-Sen bereits zwei Jahre<br />

später durch lokale, mit verschiedenen<br />

imperialistischen Mächten kooperierende,<br />

Militärmachthaber entmachtet<br />

– China stürzte für Jahrzehnte in Chaos<br />

und Bürgerkriege und blieb weiterhin,<br />

insbesondere nach dem ersten Weltkrieg,<br />

begehrte Beute imperialistischer Zugriffsversuche.<br />

Die siegreiche Große Sozialistische<br />

Oktoberrevolution im Jahre 1917 gab<br />

auch an den energischsten, fortschrittlichsten<br />

Teil der chinesischen Bevölkerung<br />

das Signal, mit einer wissenschaftlichen<br />

Weltanschauung gewappnet den<br />

Die Stadt Guangshou als Beispiel für die – wenn auch umstrittene –<br />

Aufbauleistung in der Volksrepublik China


11 SCHWERPUNKT<br />

Kampf um die vollständige Befreiung<br />

des Landes von inneren wie äußeren<br />

Reaktionären und Aggressoren zu beginnen.<br />

Beim Gründungsparteitag der Kommunistischen<br />

Partei Chinas, kurz KPCh,<br />

in Shanghai 1921, genau 10 Jahre nach<br />

der gescheiterten bürgerlichen Revolution<br />

unter Dr. Sun Yat-Sen, vertreten<br />

ganze dreizehn Delegierte, unter ihnen<br />

auch der Bibliothekar und Lehrer Mao<br />

Zedong, die insgesamt 53 Mitglieder<br />

zählende chinesische Partei.<br />

In den folgenden knapp 30 Jahren<br />

des Kampfes befreite die KPCh – in einem<br />

beispiellosen Kampf, aber nicht<br />

ohne innere Konflikte, falsche taktische<br />

und strategische Entscheidungen und<br />

herben Rückschläge – das riesige Land<br />

von lokalen Militärmachthabern, der<br />

nach Dr. Sun Yat-Sens Tod zum Ausverkauf<br />

Chinas bereiten reaktionären „Guomindang“<br />

(nationalistische Partei) und<br />

den japanischen Aggressoren, die seit<br />

Anfang der dreißiger Jahre China in ihr<br />

Kolonialreich einfügen wollen – und deren<br />

Schreckensherrschaft vor und während<br />

des zweiten Weltkrieges in China<br />

nur mit dem Wüten deutscher Truppen<br />

in der UdSSR verglichen werden kann.<br />

Die Gründung der VR China<br />

Als am 1. Oktober 1949 der Vorsitzende<br />

der KPCh und erste Präsident des<br />

neuen Staates, Mao Zedong, mit den<br />

Worten „China ist nun aufgestanden“<br />

die Volksrepublik China ausrief, lag das<br />

Land nach rund dreißig Jahren Revolution,<br />

Krieg und Bürgerkrieg am Boden:<br />

noch immer waren weite Teile des Landes,<br />

zum Beispiel Tibet und Taiwan,<br />

wohin sich die geschlagenen innenpolitischen<br />

Gegner zurückgezogen hatten,<br />

in der Hand der Feinde. Die Bevölkerung<br />

war arm, rückständig und bestand<br />

zu über 80 % aus AnalphabetInnen;<br />

Hungersnöte, die ständige Geißel der<br />

chinesischen Bauern und Bäuerinnen,<br />

kehrten periodisch wieder. Über nennenswerte<br />

industrielle Zentren verfügte<br />

das Land nicht.<br />

Energisch machte sich der junge<br />

Staat, der zunächst nur von der UdSSR<br />

und den befreundeten sozialistischen<br />

Staaten Europas anerkannt wurde, an<br />

den Wiederaufbau. Ein 1950 mit der<br />

UdSSR geschlossener Freundschaftsvertrag<br />

erleichterte den chinesischen KommunistInnen<br />

die Erarbeitung einer<br />

schwerindustriellen Basis und gab dem<br />

Land ein Stück weit Sicherheit vor den<br />

Guangzhou: Im Vordergrund alte, kurz vor dem Abriss stehende Gebäude;<br />

im Hintergrund die neue Skyline<br />

Erstickungsversuchen der USA, die im<br />

Koreakrieg insbesondere durch 500.000<br />

chinesische Freiwillige am Durchmarsch<br />

nach China gehindert werden konnten;<br />

eine gewaltige Bodenreform entmachtete<br />

die Großgrundbesitzer und Provinzfürsten,<br />

die über Jahrhunderte die breite<br />

bäuerliche Bevölkerung geknechtet hatten.<br />

Die Entwicklung schwerindustrieller<br />

Zentren, die Stärkung der Städte und<br />

die Sicherstellung der Versorgung der<br />

zum Zeitpunkt der Staatsgründung etwa<br />

600 Millionen Menschen umfassenden<br />

Bevölkerung mit Nahrungsmitteln standen<br />

hierbei im Mittelpunkt.<br />

Diese Politik zeitigte große Erfolge<br />

und wird auch heute in China als positiv<br />

eingeschätzt. Mit der einsetzenden<br />

Verschlechterung der Beziehungen aber<br />

mit der UdSSR nach dem Tode Stalins –<br />

bis hin zum Abbruch der Beziehungen<br />

und dem Rückzug aller sowjetischer<br />

„SpezialistInnen“ und militärischen<br />

Scharmützeln an der gemeinsamen<br />

Grenze, was als Resultat die allermeisten<br />

im Bau befindlich Fabriken und<br />

Kraftwerke unbenutzbar zurückließ –<br />

warf die VR China hart zurück. Die Spaltung<br />

der kommunistischen Weltbewegung<br />

hatte für China, das als beinahe<br />

isoliertes, kaum industrialisiertes Land<br />

aus dem Konflikt hervorging, verheerende<br />

Folgen.<br />

Dazu kamen gehäufte Naturkatastrophen<br />

und mehrere Missernten<br />

hintereinander sowie politische Fehlentscheidungen<br />

während des sog. „Großen<br />

Sprunges nach Vorn“ in den Jahren<br />

1958–1962 und der späteren chaotischen<br />

Entwicklung der „Großen Proletarischen<br />

Kulturrevolution“, die im Jahre 1966 begonnen<br />

wurde. Neben der notwendig<br />

gewordenen theoretischen Untersuchung<br />

der Faktoren, die in der kommunistischen<br />

Weltbewegung zur Spaltung<br />

und Feindschaft geführt hatten, musste<br />

China insbesondere aus der Umklammerung<br />

durch feindlich gesonnene<br />

Großmächte und der nachlassenden<br />

wirtschaftlichen Entwicklung Lehren<br />

ziehen.<br />

Nach dem Tode Maos wurde in der<br />

chinesischen Parteispitze breit diskutiert,<br />

wie der zukünftige Kurs des Landes auszusehen<br />

habe – von engerer Anlehnung<br />

an den sowjetischen Weg, dessen mögliche<br />

Probleme allerdings bereits absehbar<br />

waren, bis hin zur Aufgabe der sozialistischen<br />

Perspektive war nichts ausgeschlossen.<br />

Die Wirtschaftsreform 1978<br />

Die chinesische Partei entschied sich<br />

gegen beide Alternativen. Der Sozialismus<br />

sollte als Ziel nicht aufgegeben, die<br />

Fehler der Sowjetunion nach Stalins Tod<br />

nicht wiederholt werden. China musste<br />

seine eigene Antwort auf die spezifischen<br />

Probleme des Landes finden.<br />

Richtschnur bei der schrittweisen<br />

Umgestaltung des Wirtschaftssystems<br />

sollten die „Vier Grundprinzipien“ sein:<br />

Festhalten am sozialistischen Weg,<br />

insbesondere Schutz des sozialistischen<br />

Gemeineigentums an Produktionsmitteln;<br />

Festhalten an der Diktatur des Pro-


letariats in seiner chinesischen Form;<br />

Festhalten an der führenden Rolle der<br />

KP Chinas im Rahmen eines Mehrparteiensystems<br />

und Festhalten am Marxismus-Leninismus<br />

und den Ideen Mao<br />

Zedongs als der leitenden Ideologie.<br />

Mit den grundlegenden Reformen<br />

der chinesischen Wirtschaft, die im Jahr<br />

1978 vorgenommen wurden, begann der<br />

Prozess, den wir heute als chinesischen<br />

„Boom“ bezeichnen. Eine Lockerung des<br />

Systems der „Volkskommunen“ und eines<br />

Abbaus des hochzentralisierten<br />

planwirtschaftlichen Systems, das<br />

zunächst freie Märkte für Bauern und<br />

Bäuerinnen zuließ, brachte deutliche<br />

Entlastungen des Versorgungssektors.<br />

Die „vier Grundprinzipien“ gaben<br />

(und geben; sie sind nach wie vor gültig)<br />

den Rahmen auch für tolerierte und<br />

staatlich geförderte privatwirtschaftliche<br />

Sektoren. Nach wie vor ist in China<br />

Grund und Boden Gemeineigentum,<br />

nach wie vor befinden sich alle nennenswerten<br />

chinesischen Schlüsselindustrien<br />

und Großbetriebe in staatlicher Hand.<br />

Auf dem Lande, wo immer noch die<br />

Mehrheit der chinesischen Bevölkerung<br />

als Bauern und Bäuerinnen lebt, wurde<br />

es den Menschen freigestellt, in welcher<br />

Form sie zu wirtschaften gedenken: kollektiv,<br />

privat oder auch in Produktionsgenossenschaften.<br />

Dem Charakter nach soll die in den<br />

70er Jahren eingeleitete Reform den<br />

Rückstand Chinas gegenüber der kapitalistischen<br />

Welt aufholen helfen – das<br />

Ziel besteht in der Schaffung der so genannten<br />

„industriell-technischen Basis“,<br />

auf deren Sockel der Sozialismus errichtet<br />

werden soll. Die 30 Jahre lang praktizierte<br />

hochzentralistische Planwirtschaft,<br />

die hierfür die zunächst nötige<br />

Entwicklung schwerindustrieller Zentren<br />

vorantrieb, ist nicht aufgegeben,<br />

sondern gelockert worden: die meistverbreitete<br />

Eigentumsform ist nach wie vor<br />

staatlicher und kollektiver Besitz, dessen<br />

Transfer in den privaten Sektor verfassungsrechtlich<br />

verboten ist. Weniger<br />

als ein Viertel, insbesondere Kleinbetriebe,<br />

jedoch keinerlei nennenswerte<br />

Schwerindustrie und kaum Großbetriebe,<br />

der chinesischen Wirtschaft befindet<br />

sich in privater Hand; davon wiederum<br />

nur ein Bruchteil in Teilbesitz ausländischer<br />

Konzerne (darüber hinaus zwingt<br />

das chinesische Modell der „Shareholder<br />

Values“ die ausländischen Mitbesitzer<br />

zur Preisgabe von Technologie und<br />

Patenten).<br />

SCHWERPUNKT<br />

Gemeinsames Mittagessen von chinesischen Kindern am Lande<br />

Perspektiven, Erfolge und Probleme<br />

Die Lockerung der chinesischen Planwirtschaft<br />

erzeugte und erzeugt nach<br />

wie vor eine Menge Spekulationen: Wird<br />

in China ein sog. „Manchester-Kapitalismus“,<br />

also nackte und direkte Ausbeutung,<br />

unter sozialistischer Phraseologie<br />

restauriert? Einig sind sich linke<br />

wie bürgerliche KritikerInnen Chinas<br />

zumindest in dieser Frage: Sozialismus<br />

ist es nicht, was in China geschieht.<br />

Man sollte vor diesen Vermutungen,<br />

Hoffnungen und Befürchtungen<br />

zunächst einmal die ChinesInnen selbst<br />

zu Wort kommen lassen, denn von einem<br />

reifen, entwickelten Sozialismus<br />

spricht in China niemand, auch nicht die<br />

Parteispitze. China befinde sich in der<br />

„Anfangsphase des Aufbaus des Sozialismus“,<br />

lautet die offizielle Definition<br />

des derzeitigen Gesellschaftsstandes.<br />

Dabei gehe es zur Zeit vor allem darum,<br />

den Rückstand aufzuholen, unter dem<br />

China nach wie vor strukturell zu leiden<br />

hat, und gleichzeitig in einer politisch<br />

nach dem Zusammenbruch der UdSSR<br />

und der europäischen sozialistischen<br />

Staaten, den China – trotz aller<br />

manchmal heftigen Differenzen – als<br />

herben Rückschlag für die weltweite Sache<br />

des Sozialismus einschätzt, potentiell<br />

feindlich gesonnenen Welt Bestand<br />

zu haben. Begrenzter Kapitalimport,<br />

Ankurbelung der Wirtschaft durch Konkurrenz<br />

und Übernahme fortschrittlicher<br />

westlicher Technologien sei dazu unerlässlich.<br />

Erst nach der Konsolidierung des sozialistischen<br />

Aufbaus, dessen Fertigstellung<br />

rund um das Jahr 2020 angestrebt<br />

wird, könne überhaupt von einer „sozialistischen<br />

Gesellschaft“ die Rede sein –<br />

von einer sozialistischen Vollentwick-<br />

12<br />

lung könne man bei angenommenem<br />

heutigen Tempo nicht vor 2050 reden.<br />

Man mag zu diesem „Fahrplan“ stehen,<br />

wie man will – in China fand die<br />

Revolution nun einmal nicht auf dem<br />

technisch-gesellschaftlichen Niveau des<br />

Westens statt, sondern in einem halbfeudalen,<br />

halbkolonialen Land. Die<br />

KPCh nahm die ungeheuren Aufgaben<br />

in Angriff, die chinesische Gesellschaft<br />

in die Zukunft zu führen. Weder bei<br />

Marx noch bei der häufig verglichenen<br />

Leninschen „NEP“, der begrenzten Liberalisierung<br />

des (vorwiegend bäuerlichen)<br />

Marktes in der frühen Sowjetunion,<br />

kann sich die KPCh dafür Rezepte<br />

entleihen – China vollzieht ein bisher<br />

erst- und einmaliges Experiment.<br />

Die Probleme, mit denen China<br />

dabei konfrontiert ist, sind dabei<br />

enorm. Ein deutliches Gefälle zwischen<br />

städtischer und ländlicher Bevölkerung,<br />

was Lebensstandard und<br />

Gewichtung – 60 % der Chinesen leben<br />

immer noch auf dem Land – angeht;<br />

Korruption und private Bereicherung<br />

unter politischen Kadern und<br />

Wirtschaftslenkern; das weitgehende<br />

Fehlen von sozialer und Altersabsicherung;<br />

ökologische Probleme durch<br />

hohes Wachstumstempo. All diese Erscheinungen<br />

sind nicht nur im Westen,<br />

sondern auch in China bekannt<br />

und werden als schwerwiegend und<br />

dringend zu lösen eingestuft.<br />

Recht geben der chinesischen Führung<br />

bei ihrem Kurs die Zahlen: das ungebrochen<br />

hohe, von keiner der zyklischen<br />

Krisen tendierte Wachstum, der<br />

konstant steigende Lebensstandard, die<br />

Meisterung von Spitzentechnologien,<br />

zuletzt bewiesen durch die beiden bemannten<br />

Raumflüge der Volksrepublik.


13 SCHWERPUNKT<br />

Chinesische StudentInnen zu Semesterbeginn am Bahnhof<br />

China – wohin?<br />

Auch wenn die enormen Erfolge für<br />

sich sprechen, kann heutzutage niemand<br />

eine verlässliche Prognose über den weiteren<br />

chinesischen Weg abzugeben. Nur eines<br />

scheint sicher: die kritische Stufe hat<br />

das „Schwellenland“ China bereits überschritten;<br />

ein Rückwärts der ökonomischen<br />

Entwicklung wird es nicht mehr geben.<br />

Ob jedoch das Experiment, durch begrenzte<br />

Zulassung kapitalistischer Strukturen<br />

die Basis für den Sozialismus zu<br />

schaffen (und danach immer noch über<br />

genügend Menschen mit sozialistischer<br />

Perspektive zu verfügen!), gelingt, oder<br />

doch nur „ganz ordinärer“ Kapitalismus<br />

dabei herauskommt, kann nicht sicher sein,<br />

da es an allen denkbaren Parallelen in der<br />

menschlichen Geschichte fehlt. Aber selbst<br />

ein Eintritt des bevölkerungsreichsten Landes<br />

der Erde in die hoch entwickelte kapitalistische<br />

Hemisphäre wäre eine riesiger<br />

Erfolg: Seit 150 Jahren teilen sich im wesentlichen<br />

immer dieselben Nationen die<br />

ökonomischen Spitzenpositionen der Erde.<br />

Das zwei Jahrhunderte spätere Eindringen<br />

eines sog. „Entwicklungslandes“ in diesen<br />

hermetischen Klub ist ein bis jetzt einmaliges<br />

Ereignis – und beweist zumindest die<br />

Richtigkeit der chinesischen Wirtschaftspolitik,<br />

keinen Ausverkauf an nationalen<br />

Gütern, Arbeitskräften, Grund, Boden und<br />

Rohstoffen zuzulassen, durch den sich die<br />

allermeisten vergleichbaren Nationen nach<br />

wie vor und immer tiefer in ökonomische<br />

und politische Abhängigkeiten verstricken.<br />

Die größten Nutznießer am chinesischen<br />

Wachstum, also vor allem Japan, die<br />

USA und auch Deutschland/EU, sind<br />

gleichzeitig die größten Konkurrenten des<br />

Landes. Auf ökonomischer Ebene längst<br />

aneinandergekettet, macht der Boom Chi-<br />

nas, der zu erwartende weltweite Machtzuwachs<br />

– und die verkörperte historische<br />

Alternative, die einerseits für andere Entwicklungsländer,<br />

andererseits langfristig<br />

eventuell sogar für die heutigen kapitalistischen<br />

Zentren Anziehungskraft gewinnen<br />

könnte – den derzeit ökonomisch, politisch<br />

und militärisch uneingeschränkt<br />

dominanten Mächten der Welt Angst. Und<br />

wo ökonomisch kaum Mechanismen mehr<br />

verfügbar sind, um den lästigen neuen<br />

Konkurrenten, dessen Bedarf an Rohstoffen<br />

und Energie selbst ständig wächst und<br />

der selbst mittlerweile zum Kapitalexport<br />

großen Stils fähig ist, niederzuhalten, ohne<br />

sich und seinen Profitinteressen dabei<br />

selbst zu schaden, wird politisch und militärisch<br />

agiert: Von außen geschürte Spaltungstendenzen<br />

innerhalb des chinesischen<br />

Territoriums, insbesondere über die Insel<br />

Taiwan, von der sich die gesamte wirtschaftlich<br />

ungemein wichtige chinesische<br />

Ostküste militärisch bedrohen ließe, aber<br />

auch über Tibet und das überwiegend von<br />

Moslems besiedelte Xinjiang, bis hin zu<br />

altbekannter Förderung von „DissidentInnen“<br />

und politischen Sekten wie Falun<br />

Gong. Durch diese Maßnahmen soll Druck<br />

auf China ausgeübt werden; an den „Heimatfronten“<br />

der imperialistischen Nationen<br />

sorgt antichinesische Stimmungsmache,<br />

von traditionellem Antikommunismus<br />

bis hin zum Zweckargument der „Menschenrechte“,<br />

für Misstrauen und unverhohlene<br />

Feindschaft gegenüber dem chinesischen<br />

Aufbauwerk.<br />

Chinas weiteres ökonomisches Wachstum<br />

und die Partizipation von immer breiteren<br />

gesellschaftlichen Schichten am steigenden<br />

Wohlstand sind die Konstanten,<br />

an denen sich Chinas weiterer Weg festmacht.<br />

Das Land benötigt dafür Integrität<br />

nach außen, insbesondere in noch immer<br />

nicht geklärten Fragen wie Taiwan, das<br />

seit alters her integraler Bestandteil Chinas<br />

ist und dessen Bevölkerung sich mehrheitlich<br />

der chinesischen Nation zugehörig<br />

fühlt; Frieden und stabile internationale<br />

Beziehungen, an denen China als verlässliche<br />

und ausgleichende Kraft in UN,<br />

Sicherheitsrat und bilateralen Beziehungen<br />

wirkt; und nicht zuletzt innere Stabilität.<br />

Es gibt keine Kraft neben der KPCh, die in<br />

der Lage wäre, den lang angelegten Plan<br />

konsequent zu verfolgen; nur das seit 50<br />

Jahren erfolgreich praktizierte Bündnis der<br />

Kommunistischen Partei und der weiteren<br />

acht demokratischen Parteien Chinas verfügt<br />

über den Rückhalt und die Erfahrung,<br />

die strategischen Zielsetzungen auch über<br />

den Wechsel von Generationen und Führungskräften<br />

hinaus sicherzustellen. Diese<br />

Sicherstellung der Regierungsfähigkeit der<br />

KPCh wurde auf der 4. Tagung des ZK der<br />

KPCh im Oktober 2004 denn auch als wichtigste<br />

Frage nach der Machtergreifung eingeschätzt.<br />

China und wir<br />

Ein kommunistischer Slogan der dreißiger<br />

Jahre nahm die Stellung zur Sowjetunion<br />

als „Prüfstein“ eines jeden fortschrittlichen<br />

Menschen. Davon sind wir<br />

heute weit entfernt; eine breite internationale<br />

Solidarität, trotz – oder gerade wegen!<br />

– aller Schwierigkeiten und Probleme,<br />

mit dem großen Aufbauwerk Chinas<br />

steht nicht auf der Tagesordnung. Die<br />

sicherlich en detail oftmals nicht unberechtigte<br />

Kritik dominiert den sachlichen,<br />

freundschaftlichen Blick auf die Vorgänge<br />

in China.<br />

Wir schulden China keine kritiklose<br />

Anerkennung. Wohl aber Solidarität und<br />

Respekt – vor dem gigantischen Aufbauwerk,<br />

vor der Bevölkerung, die trotz aller<br />

Hürden optimistisch nach ihrer Zukunft<br />

greift. Umso unterstützenswerter muss uns<br />

der chinesische Kampf um Fortschritt und<br />

Sozialismus sein, als die Volksrepublik<br />

nicht allein bei wirtschaftlichem Aufschwung<br />

und nationaler Stärkung stehen<br />

zu bleiben gedenkt, sondern ganz praktisch<br />

an die Überwindung der Klassengesellschaft<br />

geht. Mag das Land gegenüber<br />

den hochentwickelten kapitalistischen<br />

Zentren immer noch viel ärmer und rückständiger<br />

sein. In seinen Zielen jedoch ist<br />

China uns weit voraus.<br />

Sebastian Carlens studiert Geschichte und<br />

Philosophie in Göttingen/BRD und ist<br />

Betreiber der world-wide-web-<br />

Anvantgarde www.secarts.de


Die Analyse war vor allem auf<br />

grundlegende makroökonomische2<br />

Kennzahlen gerichtet, etwa den Arbeitsmarkt,<br />

Investitionen, das Wachstums des<br />

Volkseinkommens und die damit verbundenen<br />

Schwierigkeiten. China ist ja<br />

hierzulande seit geraumer Zeit wegen<br />

seines enormen (Wirtschafts-) Wachstums<br />

im Gespräch. Dieser fast beispiellose<br />

seit mehreren Jahrzehnten andauernde<br />

Prozess lässt, zumindest oberflächlich<br />

betrachtet, Europa alt aussehen.<br />

Während hier von Aufschwung in den<br />

letzten Jahren wenig zu spüren ist hält<br />

im Reich der Mitte der wirtschaftliche<br />

Aufholprozess ungebrochen an.<br />

Doch er ist nicht ohne Folgen. Armut<br />

und Unterbeschäftigung sind sehr<br />

weit verbreitet, vor allem abseits der östlichen<br />

Küstenregionen. Und auch die<br />

Umweltverschmutzung in China erreicht<br />

Ausmaße, die in Europa<br />

größtenteils überwunden sind. Eben darauf<br />

angesprochen erläuterte Prof. Gong<br />

Gang dazu, dass die Menschen derzeit<br />

einfach gut leben wollten, sehr praktisch<br />

orientiert sind und deshalb für die meisten<br />

anderes in den Hintergrund trete.<br />

Man will die Früchte des Wachstums<br />

auch selbst ernten. Aber diese sind sehr,<br />

sehr ungleich verteilt, vor allem das<br />

Wohlstandsgefälle zwischen Land und<br />

Stadt ist hoch.<br />

In der enormen Größe der noch unterbeschäftigten<br />

Teile der Bevölkerung<br />

sah er, einen der bedeutendsten Faktoren<br />

für das ungehemmte Wachstum.<br />

Weiters nennt er als Hauptgründe für<br />

die hohen Investitionen und das daraus<br />

resultierende schnelle Wachstum die<br />

politische Stabilität 3 und die „Vorteile<br />

eines großen Landes“4. Es gebe „billiges“<br />

Kapital und auch Arbeit und Land<br />

sind ausreichend verfügbar. Die ständig<br />

SCHWERPUNKT<br />

Hoffnung für die<br />

freie Zukunft Chinas<br />

Am 14. und 15. Dezember fanden im Resowi-Zentrum zwei Vorträge im Rahmen des unlängst gegründeten Graz-<br />

Schumpeter-Centrums statt. Es ging um die Wirtschaft der Volksrepublik China, deren Wachstum und die<br />

enormen Probleme, die dieses Land zu bewältigen hat. Referent an beiden Tagen war Prof. Gong Gang 1 von der<br />

Tsinghua University in Beijing, der Chinas Wirtschaft seit längerem studiert und der chinesischen Regierung<br />

beratend zur Seite steht. von Klemens Wallner<br />

steigende Nachfrage nach Arbeitskräften<br />

steht einem fast grenzenlosen Arbeitsangebot<br />

gegenüber. Momentan sind<br />

hierbei speziell Wenig-Ausgebildete gefragt.<br />

Wer einen Universitäts-Abschluss<br />

oder sonstige höherer Bildung erworben<br />

hat, sei es in China selbst oder im Ausland,<br />

hat es nicht ganz leicht, einen Arbeitsplatz<br />

zu finden. Im bevölkerungsreichsten<br />

Land der Erde ist das technische<br />

Niveau der Produktion meist noch<br />

relativ niedrig, ebenso die Kapitalintensität<br />

5. Es werden hauptsächlich arbeitsintensive<br />

Erzeugnisse hergestellt. Dort<br />

liegt allem Anschein nach zurzeit der<br />

wirtschaftliche Vorteil Chinas, zum Beispiel<br />

gegenüber der EU, denn die durchschnittlichen<br />

Löhne sind niedrig. Dies<br />

ist vor allem auf die große industrielle<br />

Reservearmee zurück zu führen, also die<br />

große Anzahl an Un- und Unterbeschäftigen,<br />

die Arbeit suchen. Prof. Gong<br />

14<br />

Gang hält es aber für wahrscheinlich,<br />

dass dieses Überangebot noch vor dem<br />

Jahr 2010 soweit zurückgeht, dass das<br />

Lohnniveau wieder deutlich stärker als<br />

bisher ansteigt.<br />

Spätestens dann sieht er ein Problem<br />

Chinas schlagend werden. Der geringe<br />

Ausbildungsgrad der Beschäftigten. China<br />

könne nicht nur Wissen einkaufen,<br />

sondern müsse auch seine Menschen<br />

ausbilden, damit sie ausreichende Fähigkeiten<br />

haben um es zu handhaben, zu<br />

vermehren und selbst zu erweitern. Nur<br />

wenn das „Humankapital“ 6 genügend<br />

entwickelt ist kann China die Qualität<br />

des Wachstums steigern und auf Dauer<br />

sichern: “Human capital is the key to<br />

several kinds of improvements“ 7, betonte<br />

Gong Gang.<br />

Schließlich ist es langfristig weder<br />

sicher noch sinnvoll auf niedrige Löhne<br />

zu setzen. Ganz abgesehen davon, dass<br />

Beijing: hier werden die Widersprüche der Modernisierung manifest


15<br />

– wie erwähnt – auch die ChinesInnen<br />

es für erstrebenswert halten, etwas mehr<br />

zu verdienen.<br />

Die Quantität des Wachstums in China<br />

steht außer Zweifel, aber die Qualität<br />

ist gering, wie Prof. Gong Gang erklärte.<br />

Es sind mit dem Wachstum noch keine<br />

signifikanten Verbesserungen des Ausbildungsgrades<br />

der Menschen verbunden<br />

gewesen. Ebenso verhält es sich bei<br />

der Hochtechnologie, trotz der Erfolge<br />

in der Weltraumforschung. Die Fähigkeiten<br />

inländischer Unternehmen was<br />

Forschung und Entwicklung anbelangt<br />

sind gering. Es werden ganze Produktionsanlagen<br />

importiert, während speziell<br />

im Export arbeitsintensive Produkte<br />

dominieren. Es gilt also den Wachstumsprozess<br />

zu transformieren um die<br />

Schwierigkeiten Chinas zu überwinden.<br />

Als die größten Probleme der chinesischen<br />

Wirtschaft nannte der Vortragende<br />

folgende:<br />

1. Den hohen produktiven Konsum<br />

an Ressourcen, Energie und Umwelt<br />

2. Das Kredit- und Bankensystem<br />

3. Die Ungleichheit in der Einkommensverteilung<br />

4. Die regionalen ökonomischen Ungleichheiten<br />

Dazu ist zu bemerken zu bemerken,<br />

dass zum einen der steigende chinesische<br />

Bedarf an Energie auch eine Ursache<br />

für den enormen Rohölpreis derzeit<br />

ist. Zum anderen ist anzumerken, dass<br />

auf Grund der relativ wenigen technisch<br />

hoch ausgebildeten ChinesInnen, die<br />

Mittelklasse eher klein ist. Deren Löhne<br />

und die der Oberschicht sind aber stark<br />

im Ansteigen. Die Ungleichheiten im<br />

Ausbildungsgrad sind neben dem Stadt-<br />

Land-Gefälle und dem teilweise wieder<br />

erlaubten Privateigentum an Produkti-<br />

SCHWERPUNKT<br />

onsmitteln (Privatbesitz an Grund und<br />

Boden gibt es jedoch weiterhin nicht)<br />

auch ein Grund für die großen Einkommensungleichheiten.<br />

Es müssen die großen Schwierigkeiten<br />

gelöst werden um die Gegenwart<br />

und Zukunft der Menschen in China<br />

weiter zu verbessern, ehe es zu noch größeren<br />

Konflikten kommt als dies in der<br />

Vergangenheit bereits der Fall war.<br />

Dass die Wachstumsstruktur transformiert<br />

werden muss, hat auch die Führung<br />

der kommunistischen Partei Chinas<br />

(KPCh) verstanden. Seit dem Beginn<br />

der Reformen 1978 geht China einen<br />

Weg, der immer mehr marktwirtschaftliche<br />

und auch kapitalistische Elemente<br />

in sich trägt. Dies scheint auf den ersten<br />

Blick als Widerspruch, schließlich streben<br />

auch die chinesischen KommunistInnen<br />

den Sozialismus an. Doch dies ist<br />

nur scheinbar ein Widerspruch, denn<br />

von unterentwickelten, feudalen Wirtschaftsbedingungen<br />

ausgehend direkt<br />

den Sozialismus zu erreichen ist wohl<br />

kaum möglich. In drei Schritten, hier<br />

grob umrissen, will man das Land weiterführen:<br />

über die kapitalistische Entwicklung<br />

in der Wirtschaft, zur Erlangung<br />

der materiellen Basis für den Beginn<br />

des Aufbaus des Sozialismus, bis hin<br />

zum Fernziel des Kommunismus.<br />

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg,<br />

doch die neue Führung unter Präsident<br />

Hu Jintao scheint innovativer, durchsetzungsfähiger<br />

und vor allem fester in der<br />

Realität der Menschen verankert zu sein,<br />

als manche davor. Auch wenn seine persönliche<br />

Haltung zur Regierung nicht<br />

eindeutig war, betonte Prof. Gong Gang<br />

gegen Ende seines Vortrages:<br />

“The party listens to the people’s<br />

voice...“8 Das macht Hoffnung für die<br />

freie Zukunft Chinas.<br />

1 Dr. Gong Gang ist außerordentlicher Professor für Wirtschaft und Management an der<br />

Tsinghua University in Beijing, China. Derzeit ist er auch beschäftigt in der Abteilung für<br />

Chinesische Studien der Universität Leiden, Holland.<br />

2 makroökonomisch: die großen (griechisch: „makro-“) wirtschaftlichen Fakten und<br />

Kennzahlen im Überblick betrachtend<br />

3 Politische Stabilität: Die Volksrepublik China steht unter der Führung der<br />

Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Das sozialistische Wirtschafts- und Staatssystem<br />

ist in der Verfassung verankert.<br />

4 China ist flächenmäßig das viertgrößte Land der Welt.<br />

5 Kapitalintensität: Kapitaleinsatz je Arbeitskraft in der Produktion.<br />

6 Humankapital wird in der Volkswirtschaftslehre definiert als die Fähigkeiten und<br />

Fertigkeiten sowie das Wissen, das in Personen verkörpert ist und das durch Ausbildung,<br />

Weiterbildung und Erfahrung erworben werden kann.<br />

7 engl. in etwa: „Humankapital ist der Schlüssel zu mehreren Arten von Verbesserungen.“<br />

8 engl. in etwa: „Die Partei hört auf die Stimme des Volkes“<br />

kurz & klein<br />

Chinesische Agrarsteuer<br />

abgeschafft<br />

Ab dem 1. Jänner müssen<br />

chinesische Bauern nicht mehr die<br />

2.600 Jahre alte Agrarsteuer bezahlen.<br />

Wie die amtlichen Medien in der<br />

Volksrepublik China berichteten, fiel<br />

eine entsprechende Entscheidung im<br />

Ständigen Ausschuss der Nationalen<br />

Volksversammlung.<br />

Die Abschaffung der Agrarsteuer<br />

ist Teil der Bemühungen der<br />

Staatsführung, die zunehmende<br />

soziale Ungleichheit zwischen Stadt<br />

und Land zu verringern. Vorgesehen<br />

ist, die etwa 800 Millionen auf dem<br />

Land lebenden Menschen, etwa 60<br />

Prozent der insgesamt 1,3 Milliarden<br />

Chinesen, stärker an der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung teilhaben<br />

zu lassen.<br />

Demonstration<br />

für Rückkehr zur<br />

Demokratie in Nepal<br />

Rund 150.000 Menschen haben<br />

am 12. Jänner 2006 in Nepal für eine<br />

Rückkehr zur Demokratie<br />

demonstriert. Mit roten Fahnen und<br />

Transparenten zogen die Menschenmassen<br />

durch die Stadt Janakpur, 300<br />

Kilometer südöstlich der Hauptstadt<br />

Kathmandu.<br />

Beobachter sprachen von der<br />

größten Kundgebung seit der<br />

Machtergreifung von König<br />

Gyanendra am 1. Februar vergangenen<br />

Jahres. Die Opposition hat<br />

die Bevölkerung zu einem Boykott<br />

der Kommunalwahl im Februar<br />

aufgerufen. „Wir wollen die<br />

Regierungspläne zur Kommunalwahl<br />

vereiteln und das Rückgrat des<br />

autokratischen Regimes brechen“,<br />

sagte der Generalsekretär der<br />

Kommunistischen Partei Nepals,<br />

Madhav Nepal, auf der Kundgebung.


Der 15. April 2005, ein Tag wie<br />

jeder andere, beginnt im Todesstreifen<br />

der seit 50 Jahren getrennten koreanischen<br />

Halbinsel. Der Touristenbus<br />

aus Südkoreas Hauptstadt Seoul<br />

wird zum Slalom zwischen Drahtverhauen<br />

und Brachland eingewinkt.<br />

Kontrolle am „Checkpoint Charly“,<br />

dem Grenzposten zwischen Süd- und<br />

Nordkorea. JedeR muss unterschreiben,<br />

dass er/sie auf dem Weg nach<br />

Panmunjom nicht mit nordkoreanischen<br />

SoldatetInnen „fraternisiert“<br />

oder gar Gesten macht, die der anderen<br />

Seite als Propagandamaterial dienen<br />

könnten.<br />

Panmunjom war einmal das bekannteste<br />

Dorf der Welt. In seinen<br />

SCHWERPUNKT<br />

Nichtangriffsabkommen<br />

bedeutet Deeskalation<br />

Nachrichten aus „Choson Minjujuui Inmin Konghwaguk“ oder der Koreanischen<br />

Demokratischen Volksrepublik von Kurt Luttenberger<br />

Baracken beendeten Nord und Süd,<br />

Ost und West den Koreakrieg mit einem<br />

Waffenstillstand, schlossen jedoch<br />

keinen Frieden. Ein „Eisener<br />

Vorhang“, eine die koreanische Halbinsel<br />

querende Mauer als Schutzwall<br />

des Südens gegen den Norden ist<br />

seither Realität. Bis heute teilt er Korea<br />

und eine Million Familien entlang<br />

des 38. Breitengrades – und dies seit<br />

Kriegsende 1953.<br />

Blenden wir etwas zurück. Der 15.<br />

April 2003 Mittag. Ein Essen mit Donald<br />

Rumsfeld in einer niedrigen UN-<br />

Feldbaracke an der innerkoreanischen<br />

Demarkationslinie. Er redet<br />

befeuert vom Sturm auf Bagdad. Er<br />

droht Syrien. Er sonnt sich in der his-<br />

Verfügt über Atomwaffen: der Staats- und Parteichef der KDVR, Kim Jong Il<br />

16<br />

torisch beispiellosen Machtdemonstration<br />

von Prävention und Präzision.<br />

Amerika ist auf niemanden mehr angewiesen.<br />

Die Nacht vom 22. April 2003. Im<br />

Pekinger Staatsgästehaus Diaoyutai,<br />

hinter Mauern und Gärten verborgen,<br />

sagt der nordkoreanische Unterhändler<br />

Li Gun seinem amerikanischen<br />

Gegenüber James Kelly unverblümt<br />

ins Gesicht: „Wir besitzen<br />

Atomwaffen. An Ihrem Land liegt es,<br />

ob wir sie auch testen und exportieren<br />

werden.“ Die Botschaft der<br />

KDVR an die USA lautet sehr direkt:<br />

„Wir sind nicht der Irak. Bei uns brauchen<br />

eure Soldaten gar nicht erst vergeblich<br />

nach Massenvernichtungswaffen<br />

zu suchen. Wir haben sie.“<br />

Die Amerikaner sind vor drei Jahren<br />

nach Peking gekommen um kategorisch<br />

die Aufgabe aller Atomprogramme<br />

in der KDVR zu verlangen; nachdem<br />

der Gesandte aus Nordkorea die<br />

obengenannte Aussage tätigte, waren<br />

sie mit ihrem Latein am Ende.<br />

Der Unilateralismus der USA mag<br />

– und dies auch nur vordergründig –<br />

für militärische Blitzkriege im Nahen<br />

Osten taugen, gegen Nordkorea hilft<br />

er nicht weiter, denn sie würden Südkorea<br />

mit ins Verderben reißen, Japan<br />

erschüttern, China und Russland<br />

in Raserei versetzen und Nordostasien<br />

– die dritte weltwirtschaftliche<br />

Kernregion neben den USA und Westeuropa<br />

– in schwerste Turbulenzen<br />

stürzen.<br />

Auf eine Journalistenfrage, ob er<br />

jetzt weiter an eine militärische Aktion<br />

gegen Nordkorea denke, biss sich<br />

selbst Donald Rumsfeld zum ersten<br />

Mal seit langem auf die Lippen: Der<br />

Präsident ist auf dem „diplomatischen<br />

Weg“ und „Nordkorea hat nur<br />

zugegeben was wir immer schon<br />

wussten“. Richtig!<br />

Schon Präsident Clinton suchte<br />

konkret zwischen 1993 und 1994<br />

durch die Wiederaufnahme des<br />

KDVR-Atomprogramms eine direkte<br />

militärische Konfrontation, welche


17<br />

nur durch massive Intervention des<br />

damaligen südkoreanischen Präsidenten<br />

Kim Yong Sam abgeblasen<br />

werden konnte.<br />

Seit dem Frühjahr 2002 hatte die<br />

militärische Bedrohung der KDVR<br />

durch die einzig verbliebene Supermacht<br />

zweifellos eine neue Qualität<br />

erhalten: „Im Falle überraschender<br />

militärischer Entwicklungen“ hielt<br />

ein neues Grundsatzpapier des Pentagons<br />

auch einen atomaren Erstschlag<br />

gegen Russland, der VR China,<br />

Irak, Iran, Libyen, Syrien und der<br />

KDVR nicht für „ausgeschlossen“.<br />

Anfang Oktober 2002 reiste der<br />

dann in Peking agierende Assistant<br />

Secretary of States James Kelly nach<br />

2005 ist ein Jahr zahlreicher Jahrestage in der revolutionären<br />

Geschichte des vietnamesischen Volkes. Vor<br />

75 Jahren wurden die ersten Sowjets und die KP Vietnams<br />

gegründet. 60 Jahre liegt die Gründung der Demokratischen<br />

Republik Vietnams und der Volksarmee<br />

zurück. Am 1. Mai 1975 konnte das vietnamesische<br />

Volk und mit ihm die progressiven Kräfte in der Welt<br />

die Befreiung Saigons von zwanzigjähriger blutiger<br />

Unterdrückung durch den Aggressor USA feiern.<br />

Anlass für Irene und Gerhard Feldbauer, in ihren<br />

„Erinnerungen an Vietnam“ schockierende Erlebnisse<br />

während des Bombenterrors, Begegnungen mit Opfern<br />

und Tätern aber auch Persönlichkeiten der weltweiten<br />

Solidarität, mit Ho Chi Minh, Soldaten und Offizieren<br />

der Befreiungsarmee, bewaffneten Arbeitern und Bauern<br />

aufleben zu lassen. Von 1967 bis 1970 berichteten<br />

sie als Korrespondenten für ADN und ND aus der Demokratischen<br />

Republik Vietnam, wurden sie Zeugen<br />

einer der bedeutendsten Phasen des Befreiungskampfes.<br />

„Sieg in Saigon“ geht weit über persönliche Erinnerungen<br />

hinaus. Beweiskräftig wird das völkerrechtswidrige<br />

Handeln der USA, der tausendfache Bruch internationaler<br />

Abkommen, der Einsatz von Giftgas, Napalm,<br />

Todesschwadronen, Folterzentren und Massenmord<br />

dokumentiert.<br />

Damals Vietnam – heute Irak. Die Szenarien des<br />

Überfalls und der Unterdrückung gleichen sich: My Lai<br />

und Faludscha, Con Son und Abu Ghraib.<br />

Ein Rückblick in die Geschichte Vietnams und seines<br />

mehr als hundertjährigen Befreiungskampfes gegen<br />

koloniale Unterdrückung veranschaulicht auch die<br />

Unterschiede zur Situation des Widerstandes im heutigen<br />

Irak. Der Vietnamesische Befreiungskampf basierte<br />

auf der Einheit des Volkes, verfügte über eine tief in<br />

SCHWERPUNKT<br />

Pyongyang um Einzelheiten über das<br />

geheimnisvolle Urananreicherungsprogramm<br />

der KDVR in Erfahrung<br />

zu bringen; er schockierte durch sein<br />

arrogantes und ungehobeltes Benehmen<br />

die zuständigen nordkoreanischen<br />

Regierungsbehörden – nicht<br />

gerade eine Meisterleistung der US-<br />

Diplomatie.<br />

Pyongyang machte Kelly unmissverständlich<br />

klar, dass Washington<br />

folgende drei Bedingungen der Koreaner<br />

für bilaterale Beziehungen akzeptieren<br />

müsse:<br />

1. die Anerkennung der Souveränität<br />

der KDVR<br />

2. den Verzicht auf ökonomische<br />

„Strafmaßnahmen“<br />

3. die Unterzeichnung eines Nichtangriffsabkommens.<br />

An diesen grundlegenden, aber<br />

nicht unerfüllbaren, Voraussetzungen<br />

für eine militärische Deeskalation auf<br />

der koreanischen Halbinsel hat sich<br />

aus Sicht der KDVR seit den 50er Jahren<br />

nichts geändert.<br />

Die seit geraumer Zeit in Peking<br />

geführten „Sechser-Gespräche“ sind<br />

naturgemäß sehr kompliziert und<br />

hinterlassen oft auch widersprüchliche<br />

Eindrücke.<br />

Es ist den verantwortlichen Spitzenpolitkern<br />

aus der Koreanischen<br />

Demokratischen Volksrepublik dennoch<br />

zu wünschen, dass diese Verhandlungen<br />

in absehbarer Zeit von<br />

Erfolg gekrönt sind.<br />

rotcrowd-Buchtipp<br />

Sieg in Saigon – Erinnerungen an Vietnam<br />

ihm verwurzelte starke KP und kampferprobte Volksarmee.<br />

Es existierte ein starkes sozialistisches Lager,<br />

eine zunehmende Solidaritäts- und Friedensbewegung,<br />

die an den Grundfesten der USA und westlicher Staaten<br />

rüttelte. Die Autoren widmen mehrere Kapitel der<br />

Solidarität, der militärischen Ausrüstung und Strategie<br />

der Volksarmee und FNL, der Bedeutung vietnamesischer<br />

Kundschafter, dem Widerstand in den USA und<br />

unter den GI’s.<br />

Mit harten Fakten, akribisch zusammengestellten militärhistorischen<br />

Daten und Zitaten der bürgerlichen<br />

Presse werden Demagogie und Verlogenheit der bis<br />

heute vorherrschenden westlichen Berichterstattung<br />

bloßgelegt.<br />

Interessant auch, welche Positionen die BRD und<br />

DDR zum Krieg in Vietnam einnahmen. Während ein<br />

Antifaschist, ehemaliger KZ-Häftling, als DDR Botschafter<br />

in Hanoi weilt, die Solidaritätsbewegung der DDR<br />

Schulen, Krankenhäuser, zivile Betriebe ausstattet, wird<br />

die BRD in Saigon durch einen der Gefolgsleute Hitlers<br />

vertreten. Von der Hitlerbesessenheit des Diktators Ky<br />

über die Beteiligung an Produktion und Lieferung von<br />

Giftgasen, inklusive Menschenversuchen vor Ort durch<br />

die IG-Farben-Nachfolger bis zu direkten Kampfeinsätzen<br />

deutscher Piloten reicht die hier dargestellte Palette.<br />

Ein wichtiges und notwendiges Buch von höchster<br />

Aktualität, bereichert durch ein breites Angebot weiterführender<br />

Literatur, eine Chronologie wichtiger Ereignisse<br />

und ein Personenregister. Sonja Ryll<br />

Irene und Gerhard Feldbauer: Sieg in Saigon.<br />

Pahl-Rugenstein-Verlag. 2005 | ISBN: 3-89144-366-8; 19,90 Euro<br />

Dankend übernommen aus der Kommunistischen Arbeiterzeitung<br />

(KAZ) Nr. 314 www.kaz-online.de


Die Geberländer haben in den letzten<br />

drei Jahren über 16 Milliarden US-<br />

Dollar als „Hilfe“ für Afghanistan beschlossen.<br />

Diese Summe ist einmalig<br />

zum Vergleich mit dem Budget für den<br />

siebenjährigen Entwicklungsplan (1976–<br />

1983). Man stellte fest, dass man mit diesem<br />

Geld vieles in Afghanistan verändern<br />

kann. Das Budget für die siebenjährige<br />

Entwicklung wurde von Präsident<br />

Daud mit „nur“ 2,5 Milliard US-<br />

Dollar dotiert.<br />

Nach der Petersberger-Vereinbarung<br />

in Bonn (5. Dezember 2001) war die<br />

Übergangsregierung verpflichtet für nationale<br />

Einheit, Menschenrechte, Frieden,<br />

Demokratie und Wohlstand der<br />

Bevölkerung Afghanistans durch die<br />

Beteiligung aller demokratischen Kräfte<br />

zu sorgen. Dabei sollte die Entwaffnung<br />

der Verbrecherbanden und Warlords,<br />

die Errichtung eines funktionierenden<br />

Staatsapparats, bestehend aus ExpertInnen,<br />

und die Schaffung einer nationalen<br />

Armee an Stelle von bewaffneten Banden<br />

oberste Priorität haben.<br />

Ein kurzes Resümee der letzte fünf<br />

Jahre zeigt, dass es trotz massiver internationaler<br />

Unterstützung und Finanzhilfe<br />

den Machthabern in Afghanistan<br />

nicht gelungen ist, die fundamentalen<br />

Fragen bezüglich Frieden, Demokratie<br />

und Menschenrechte zu lösen. Im Westen<br />

hört und liest man nicht selten die<br />

großen Schlagzeilen „große Vorschritte“,<br />

„(...) die demokratischsten und fairsten<br />

Wahlen in der Geschichte Afghanistans<br />

(...)“, und man ist stolz darauf, dass<br />

es Reis, Öl, Zement, Elektrizität bis hin<br />

zu Kiri-Käse, Kellogg’s Cornflakes und<br />

Coca Cola aus dem Import die Regale<br />

der Supermärkte überfüllen. Den Medien<br />

zufolge haben über 3000 Hilfsorgani-<br />

SCHWERPUNKT<br />

Afghanistan: zwischen<br />

Hoffnung und Opium<br />

Am 1. Feber 2006 endete die Londoner Geberkonferenz für Afghanistan mit dem Beschluss eine Finanzhilfe in der<br />

Höhe von 10,5 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Nach der Bonner Konferenz im Jahre 2001, der<br />

Geberkonferenz in Tokio und der folgenden Konferenz in Berlin war die Londoner Konferenz mit der Beteiligung<br />

von VertreterInnen aus über 70 Ländern und internationalen Organisationen für die afghanische Regierung und<br />

seine Verbündeten ein wichtiges Ereignis. von Dr. Ghulam Mohsenzada<br />

*<br />

sationen das Gesicht Kabuls verändert.<br />

Es wird überall Englisch gesprochen, die<br />

Kabuler Night Clubs vermehren sich wie<br />

die Pilze, es wird sogar von einer Millionen-Show<br />

gesprochen.<br />

Die Kabuler Regierung und deren<br />

amerikanische Freunde versuchen die<br />

milliardenschwere Finanzspritze aus<br />

dem Ausland nur zur eigenen Bereicherung<br />

zu nutzen. Statt Arbeit, Bildung<br />

und Demokratie, nimmt tagtäglich das<br />

organisierte Verbrechen, der Drogenhandel,<br />

Raubüberfälle und Prostitution<br />

ein noch nie da gewesenes Ausmaß an.<br />

Entführungen, Geiselnahmen, Menschenhandel,<br />

Drogenschmuggel und<br />

hunderte kriminelle Vergehen bestimmen<br />

das Leben der Menschen dort.<br />

18<br />

Nach einem Bericht des internationalen<br />

Sucht-Kontrollrates der UNO hat<br />

sich die Opiumproduktion in Afghanistan<br />

in den letzten vier Jahren vervierfacht<br />

und deckt 80 Prozent der weltweiten<br />

Heroin-Nachfrage.<br />

Über 50.000 Bauernfamilien betreiben<br />

in Afghanistan Mohnanbau. Die Einnahmen<br />

aus dieser Quelle beträgt nach<br />

Schätzungen der internationalen DrogenexpertInnen<br />

jährlich über 35 Milliarden<br />

US-Dollar, die in erster Linie den<br />

Warlords zu Gute kommen. Die Bush-<br />

Administration versucht sich als „Befreier“,<br />

„Freund“ und „Wiederaufbauer“<br />

Afghanistans zu erklären, um Sympathie<br />

und Anerkennung in der Bevölkerung<br />

zu gewinnen. Das brutale Vorge-<br />

Kinder in Afghanistan werden oft entführt und verkauft


19<br />

hen der amerikanischen Besatzungsmacht<br />

führt aber zu großer Unzufriedenheit.<br />

Die Sorge um die Menschenrechtsituation<br />

ist sehr groß. Am helllichten Tag<br />

werden unzählige Kinder entführt, und<br />

der Handel mit ihnen floriert. Offiziellen<br />

Berichten zufolge wurden allein im<br />

vorigen Jahr über 400 Kinder als vermisst<br />

gemeldet. Was passiert mit den<br />

verschleppten Kindern? Die Kinder (egal<br />

welchen Geschlechts) werden für Sklaverei,<br />

Organverkauf, Drogenschmuggel<br />

und Prostitution für die nationalen und<br />

internationalen Märkten gekidnappt.<br />

Allein während meiner zweiwöchigen<br />

Reise im Dezember 2005 wurde ich<br />

selbst Zeuge einiger tragischer Ereignisse.<br />

Am zweiten Tag meines Aufenthalts<br />

wurde der Sohn unseres Nachbarn, eines<br />

Geschäftsmannes, tagsüber in einem<br />

der sichersten Teile Kabuls von Angehörigen<br />

der Armee entführt. Es wurde<br />

ein Lösegeld in der Höhe von 100.000<br />

US-Dollar von den Eltern gefordert. Da<br />

er diese Summe nicht rechtzeitig an die<br />

Kidnapper zahlen konnte, wurden zwei<br />

Tage später auch seine anderen zwei<br />

Söhne verschleppt. Mir wurde erzählt,<br />

dass man vor einigen Wochen in der<br />

Nähe von Bala Hessar sechs Leichen von<br />

blinden Koran-Rezitierern gefunden<br />

habe. Bei der Obduktion der Leichen<br />

stellte man fest, dass bei allen Organteile<br />

gefehlt haben sollen. Weitere Vorfälle<br />

folgten, wie zum Beispiel beim Transport<br />

eines Häftlings aus dem Zentralgefängnis<br />

in Pole Charkhi zur Gerichtsverhandlung<br />

kam es an der Mikro Raion-Kreuzung,<br />

ca. fünf Kilometer weit<br />

von der Armeezentrale der USA und des<br />

Präsidenten-Palasts zu Feuergefechten<br />

zwischen Angehörigen der nationalen<br />

Armee und der nationalen Polizei. Auf<br />

beiden Seite kamen zwei Menschen ums<br />

Leben, und der Häftling wurde „befreit“.<br />

Die Lage in Afghanistan nach wie vor<br />

nicht sicher und stabil<br />

Wer steht hinter diesen Verbrechen?<br />

Warum kommt Afghanistan nicht zur<br />

Ruhe? Die aktuelle Situation in Afghanistan<br />

ist die direkte Folge der Ereignisse<br />

der 80er Jahre. Nach der Machtübernahme<br />

durch Mohammad Daud im Jahre<br />

1973 und der Abschaffung der Monarchie<br />

wurden die afghanischen Mudjahiddin<br />

(Gotteskrieger) auf pakistanischem<br />

Territorium mit Hilfe der CIA or-<br />

SCHWERPUNKT<br />

ganisiert, ausgebildet und für Sabotageakte<br />

in Afghanistan bewaffnet.<br />

Als im April 1978 die linksdemokratischen<br />

Kräfte durch eine militärische<br />

Aktion an die Macht kamen, nahmen<br />

diese Aktivitäten zu, und Pakistan wurde<br />

zum Schauplatz anti-progressiver<br />

Aktivitäten gegen Afghanistan und andere<br />

Nachbarn. Diese Vorgänge und die<br />

Einmischung in die inneren Angelegenheiten<br />

Afghanistans nahmen gefährliche<br />

Ausmaße an, bis im Dezember 1979 die<br />

Sowjets zur Rettung der revolutionären<br />

Regierung und zum Schutz seiner südlichen<br />

Grenze ins Land marschierten. Die<br />

damalige amerikanische Regierung unter<br />

Ronald Reagan nahm diese Ereignisse<br />

in Afghanistan zum Vorwand um die<br />

Unterstützung der Fundamentalisten,<br />

deren Bewaffnung und Ausbildung zu<br />

beschleunigen. Es wurden hunderte<br />

Ausbildungslager in der Nähe der afghanischen<br />

Grenzen geschaffen. Arabische<br />

Kämpfer aus vielen Ländern wurden<br />

ebenso in diesen Krieg einbezogen.<br />

Im April 1992 wurde die Macht in Afghanistan<br />

an die Mujaheddin übertragen,<br />

und sie bestimmten von da an das<br />

Schicksal der AfghanInnen.<br />

Mit der Machtübernahme durch die<br />

zerstrittenen, rivalisierenden Mujaheddin-Gruppen<br />

begann der Bürgerkrieg<br />

und die Zerschlagung Afghanistans. Die<br />

Frauen wurden ihrer Rechte beraubt und<br />

die Städte zu Ruinen umgewandelt. Jeder<br />

Warlord kontrollierte und bestimmte<br />

über das Schicksal der Menschen in<br />

seinem Revier. Die brutale Herrschaft der<br />

Mujaheddin hat den Weg für die Machtübernahme<br />

durch die Taliban geebnet.<br />

Die Machthaber in Kabul halfen den Taliban<br />

selbst, die Kontrolle des Landes in<br />

die Hand zu nehmen. Das Volk hatte<br />

die Nase voll von den Repressalien der<br />

Mujaheddin und der ehemaligen „Freiheitskämpfer“.<br />

Sie setzten große Hoffnung<br />

in die Taliban.<br />

Nach den Ereignissen vom 11. September<br />

war für die Amerikaner die Zeit<br />

für einen militärischen Schlag und direkte<br />

militärische Präsenz in Afghanistan<br />

reif. Der Dauerkonflikt mit dem Iran,<br />

die enormen Rohstoffvorkommen in den<br />

Nachbarstaaten Afghanistans und die<br />

Nähe zu China machte die Schaffung<br />

eines dauerhaften Stützpunktes im Land<br />

nötig.<br />

Die Bush-Administration entmachtete<br />

die Taliban. Die ehemaligen Mujaheddin,<br />

die durch die Taliban entwaffnet<br />

worden waren, wurden noch einmal von<br />

den USA mit schweren Waffen ausgerüstet<br />

und kamen abermals an der<br />

Macht.<br />

Die Generale Almas, Hazrat Ali,<br />

Mutaleb, Atta, Daud, Tufan, Fahim und<br />

andere Kriegsherrn bestimmten das<br />

Schicksal des Volkes. Sie verhinderten<br />

die Schaffung einer starken Zentralregierung<br />

in Afghanistan. Die Politik der<br />

Doppelgleisigkeit der USA diente der<br />

Stärkung der politischen, militärischen<br />

und wirtschaftlichen Macht der Warlords<br />

in der Gesellschaft. Sie sind die<br />

Nutznießer der internationalen Hilfe für<br />

Afghanistan und bilden den Nährboden<br />

für eine mafiose Vetternwirtschaft.<br />

Obwohl die Wahlen zur nationalen<br />

Versammlung als „großes historisches<br />

Ereignis in der Geschichte Afghanistans“<br />

bezeichnet wurden, haben laut internationalen<br />

ExpertInnen die Fundamentalisten<br />

und Drogenbosse die meisten Sitze<br />

im Parlament.<br />

Wie geht es in Afghanistan weiter?<br />

Das Volk hat sich nach der Zerschlagung<br />

der Talibanherrschaft Demokratie,<br />

Achtung der Menschenrechte, Arbeit<br />

und Bildung gewünscht. Die aktuelle<br />

Menschenrechtslage und die große Armut<br />

macht die Menschen dort skeptisch<br />

gegenüber den Praktiken der Amerikaner<br />

und die Politik der Karzei-Administration.<br />

Die einzige Chance für ein friedliches<br />

Leben in Afghanistan ist die Entmachtung<br />

der Kriegsherrn und Warlords, die<br />

Schaffung von Arbeitsplätzen und Bildung.<br />

Weiters auch die Förderungen der<br />

demokratischen Kräfte Afghanistans, die<br />

sich in der „National United Party of<br />

Afghanistan“ vereinigt haben und trotz<br />

massiven Wahlfälschungen immerhin<br />

eine Fraktion mit 15 Abgeordneten in<br />

der nationalen Versammlung des Landes<br />

stellen. Sie veröffentlichen eine Wochen-Zeitschrift<br />

mit dem Namen „Rahe<br />

Afghan“ (Afghanischer Weg) und besitzen<br />

großes Ansehen und Vertrauen in<br />

der Bevölkerung.<br />

* Der Autor studierte in Darmstadt und<br />

Berlin und war mehrere Jahre Dozent an<br />

der Universität Kabul. Er ist Herausgeber<br />

und Chefredakteur der „Andescha“ –<br />

Zeitschrift für Gesellschaft und Kultur in<br />

afghanischer Sprache und lebt seit 1992 in<br />

Österreich.


o das immer gratis zugeschickt<br />

bekommen<br />

o die nVs – Neue Volksstimme.Texte,<br />

Argumente, Berichte (4 Ausgaben/Jahr) um 15,– Euro<br />

o Informationen über den KSV<br />

o ein Revolutionäres Telefongespräch – ruft mich an!<br />

o in den rotcrowd-Newsletter-Verteiler (linke News/<br />

Veranstaltungstipps etc.) aufgenommen werden.<br />

o Pickerl in Hülle und Fülle<br />

Name<br />

Anschrift:<br />

Tel., E-Mail:<br />

DIE LETZTE SEITE<br />

Denken ist modern!<br />

Doppelangriff und Räumung<br />

Der weiße Springer scheint in Gefahr.<br />

Aber gerade dieser Springer verbürgt für<br />

Weiß am Zug eine gewinnbringende<br />

Fortsetzung mit Materialgewinn.<br />

Lösung: für Weiß nutzt die ungedeckte Stellung<br />

des Turmes e7 aus: 1. Se5-g6! Dd5xf5 2.<br />

Sg6xe7+ Kg8-h8 3. Se7xf5 mit Turmgewinn<br />

(Krogius – Sergiewski, UdSSR) 1959).<br />

mpl<br />

Erzwungener Sieg?<br />

Wie kann Schwarz den Sieg erzwingen?<br />

Lösung: Durch Beseitigung des überflüssigen<br />

Turms (1... Tb2-a2 + 2.Lb1xa2)<br />

Bauer setzt Schach (b2-b3+) König kann nur<br />

auf ein Feldausweichen (3. Ka1-b1) und wird<br />

durch Springer Matt gesetzt (Sb5).<br />

ICH MÖCHTE Bitte<br />

○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />

KSV Graz<br />

frankieren,<br />

wenn Marke<br />

zur Hand<br />

Lagergasse 98a,<br />

8020 Graz<br />

E-Mail:<br />

rotcrowd@hotmail.com<br />

20<br />

Verpasste Gelegenheiten<br />

Weiß am Zug akzeptierte hier ein Remisangebot<br />

seines Gegners. Stattdessen<br />

konnte er gewinnen. Wie?<br />

Lösung: Weiß konnte gewinnen durch 1. Ld6!<br />

mit den Varianten:(a) 1. ... Dxb3 2. Tf8 matt(b) 1.<br />

... Txd6 2. Db8+ nebst Matt. Weiß wird in das<br />

Remis eingewilligt haben, weil er keine direkte<br />

Mattfortsetzung gesehen haben wird, z.B. 1. Db8+<br />

Tc8 (B. Lasker – Kagan, Berlin 1894).

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