12.07.2015 Aufrufe

Herunterladen - Kommunistischer StudentInnenverband

Herunterladen - Kommunistischer StudentInnenverband

Herunterladen - Kommunistischer StudentInnenverband

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

0tcrowd1facebook.com/ksvgraz


6 UNIr0tcrowdStudienvorerfassung:Von Pontius zu PilatusAls ich mich im Juli im Internet registrierte, um mich für ein Studiumvoranzumelden, hatte ich mir über die hochgepriesene frühe Registrierungnoch wenig Gedanken gemacht. Dies sollte sich zu Beginn des Studiumsallerdings schlagartig ändern. Ein Erfahrungsbericht.Nicht nur Pontius Pilatuswäscht seine Hände inUnschuld – offenbar auchalle Verantwortlichen ander Universität.Foto: zeno.orgwww.comunista.atvon JULIAN JANSERNach der Registrierung im Internet standeneinige Termine für das persönlicheImmatrikulieren zur Auswahl. Es schienschon etwas eigenartig, eine Registrierungüber das Internet vornehmen zu müssen, nurum letzten Endes einen Termin zu wählen,bei dem man wie eh und je die Anmeldungpersönlich beim Schalter an der Uni vornehmenmusste. Aber sei’s drum.Ohne mir viel Gedanken zu machen, wählteich den 30. September als Immatrikulationstermin.Im Glauben, alle Voraussetzungendahingehend erfüllt zu haben, ging ich amMontag der gleichen Woche zur Erstsemes-trigen-Beratung, um mir noch die letztenTipps für den Beginn meines Studiums zuholen. Doch als ich dort ankam, schien meinemStudienbeginn einiges im Wege zu stehen.Der Beratende wies mich nämlich daraufhin, dass ich mich spätestens einen Tagzuvor(!) für alle Vorlesungen, die mit einerÜbung gekoppelt sind, anmelden hätte sollen,weil die Inskriptionsfrist für diese Lehrveranstaltungenvorbei sei. Kurz: bei der Vorerfassungwurden Termine zum Immatrikulierenvergeben, die zu einem späteren Zeitpunktangesetzt waren, als es möglich war,sich für Lehrveranstaltungen anzumelden. Zuallem Überfluss machten diese Lehrveranstaltungen,bei denen einen Anmeldung terminlichnicht mehr möglich war, den Großteildes gesamten ersten Semesters aus.Um im ersten Semester nicht gleich in einenall zu großen Rückstand zu geraten, versuchteich den Schaden zu begrenzen und trotzabgelaufener Frist noch in einige Lehrveranstaltungenzu kommen. Dazu wurde mirangeraten, an den sogenannten „Tagen derHärtefälle“ mein Glück zu versuchen, umwenigstens noch in einem oder zwei der vierPflichtlehrveranstaltungen einen Platz zu ergattern.Am Mittwoch ging ich also in die Studienabteilungum mich offiziell anzumelden. Trotzder versprochenen verringerten Wartezeitendurch die Vorerfassung nahm dies einen gesamtenVormittag in Anspruch. Als ich amnächsten Tag nach etwa zwei Stunden Wartezeitals „Härtefall“ vorgelassen wurde, erklärteman mir, dass es nicht möglich sei, michanzumelden, weil mein ÖH-Beitrag nochnicht am Konto der Uni sei. Laut Angabensollte dies jedoch kein Problem sein, weil esspätestens am nächsten Tag, beim zweiten„Härtefall“-Termin möglich sein sollte, micheinzutragen.Als ich am Freitag nach einer weiteren Stundewarten wieder als „Härtefall“ behandeltwurde, wollte man davon aber nichts mehr


0tcrowdUNI7wissen. Es sei ganz normal, dass man trotzExpressüberweisung drei bis vier Tage wartenmüsse, bis man im System registriert ist.Der einzige Erfolg dieses Tages war schlussendlich,dass ein E-Mail an die Institutsleiterinverfasst wurde, in dem meine Situation geschildertwurde.Montags bei ihr angekommen und nach stolzerWartezeit endlich vorgelassen, wusste siedavon wieder einmal nichts. Alle Personen,mit denen ich in dieser Zeit zutun hatte, kanntenzwar das Problem von etlichen anderenFällen, doch niemand hatte eine Ahnung, wieman damit umgehen sollte. Nach meinem fünftenBesuch mit dem selben Anliegen wurdemir geraten, mich bei den einzelnen Sekretariatender verschiedenen Institute um Plätzein den VUs zu bemühen. Als ich dies tat, stellteich mit Freude fest, dass teilweise sogar nochPlätze frei waren. Wer jetzt glaubt, es wäremöglich gewesen, sich einfach anzumelden,hat sich schwer getäuscht.Von der Institutsleitung wurde ich in dieSekretariate geschickt, von dort wieder zurInstitutsleitung. Von der Institutsleitungwieder ins Sekretariat, um von dort auf Professorenverwiesen zu werden, die noch Plätzefrei hatten. Bei den Besagten nach einerWoche Unibesuch ohne Lehrveranstaltungangekommen, hieß es, man müsse die Situationerst mit der Institutsleitung und dem jeweiligenSekretariat abklären. Nach einerWoche der Unsicherheit bekam ich wenigstensin zwei der vier VUs einen Platz. Nichtsdestotrotzhabe ich eines meiner zwei Toleranzsemesterverbraucht bevor ich mit meinemStudium begonnen hatte.Es ist sehr stark zu bezweifeln, dass dieseVorerfassung, wie angenommen, zu einer Verringerungder Wartezeiten führte. Genausowenig trug sie dazu bei, die Anzahl der StudienanfängerInneneinschätzen zu können, daviele zur Sicherheit gleich mehrere Studien anmeldeten,um die alt gewohnte Bedenkzeitüber den Sommer ausschöpfen zu können.Der einzige Effekt dieses Konzeptes ist eingigantischer bürokratischer Aufwand undganze Scharen von Erstsemestrigen, die durcheinen denkbar schlechten ersten Eindruckdemotiviert und mit einer Verzögerung insStudium starten. Was als Maßnahme zur besserenPlanung gedacht war, endete in einemviel größeren Durcheinander als jemals zuvor.Anstatt sich über Lehrinhalte, Finanzierungder Unis oder die ständig weiter fortschreitendeVerschulung der Universitäten Gedankenzu machen, hält man es anscheinend fürwichtiger nutzlose bürokratische Hürden einzuführen.JULIAN JANSER ist Aktivist des KSV und studiert– allen Widrigkeiten zum Trotz –VWL an der Uni Graz.1.000 Euro Studiengebühren –und niemand macht was dagegen!?von ROBERT KROTZERDie Führung der ÖHUni Graz hat bis jetztnoch keinen Finger gerührt.Möglicherweise können dieUniversitäten ab März 2012 Studiengebühren in beliebiger(!)Höhe einheben! Der Verfassungsjurist Heinz Mayersieht das in einem im Auftrag des Wissenschaftsministeriumserstellten Gutachten zumindest so. Und nicht nur der ÖVP,sondern auch den sozialdemokratischen LandeshauptleutenVoves und Burgstaller käme das sehr recht.Dagegen und gegen die katastrophale Kahlschlagspolitikim Hochschulbereich richteten sich am 18. Oktoberdie österreichweit stattfindenden Universitätsvollversammlungen.Dabei berieten Lehrende, Studierende und Allgemeinbedienstete,wie eine bessere finanzielle Ausstattungder Unis erreicht werden könnte.Nicht so an der Karl-Franzens-Universität Graz: Trotz gegenteiligerBeteuerungen in der Universitätsvertretungssitzungberief der ÖH-Vorsitzende Stefan Thum (Fachschaftsliste)keine Vollversammlung ein. Anstatt auf breite und geschlosseneProtestbewegungen setzte die ÖH-Führung aufsymbolisches Tingeltangel in Form einer Suppenküche.Für die meisten Studierenden wie auch für uns als Kommunistischen<strong>StudentInnenverband</strong> (KSV) ist allerdingsklar, dass nur solidarisches und konsequentes Handeln zumZiel führt. Das haben die von der studentischen Protestbewegung2009 erkämpften 34 Millionen Euro Notfallsbudgetebenso gezeigt wie die MetallerInnenstreiks. Die symbolischeArmenausspeisung vor dem Uni-Hauptgebäudedagegen war ein Armutszeugnis für die von FLUG und konservativerAktionsGemeinschaft geführte ÖH.Statt auf handzahme StellvertreterInnenpolitik zu vertrauen,müssen wir gemeinsam Widerstandsbündnisse aufbauenund unsere Geschicke selbst in die Hand nehmen. DennWiderstand tut angesichts von Kaputtsparpolitik, steigendemDruck, mangelndem Angebot, Studiengebühren, Studieneingangsphasen,Zugangsbeschränkungen und vielemmehr dringend Not!ROBERT KROTZER studiert Geschichte und Germanistikund ist Mandatar des KSV in der Universitätsvertretungder ÖH Uni Graz.Foto: Anna FürederKommentarfacebook.com/ksvgraz


8 UNIr0tcrowdGefällt mir – nicht!von JAKOB MATSCHEKOKommentarWie die Grazer ÖH-Führung Wirtschaftsbund undIndustriellenvereinigung auf den Leim geht.Foto: Han-DoDie Verlinkung eines Artikels derOnlinezeitung derstandard.atführte auf Facebook zu einer längerenAuseinandersetzung. Die Grazer ÖH-Exekutive fand nämlich den in diesemInterview gemachten Vorschlag – im Gegenzugfür längere Lebensarbeitszeiten das Universitätsbudget zuerhöhen – „sehr vernünftig. Jetzt muss nur die Umsetzung noch funktionieren…“.Der Vorschlag der ÖVP-Wissenschaftssprecherin, wonach die ältereGeneration durch längeres Arbeiten den Universitätsbetrieb finanzierensolle, ist jedoch weder vernünftig, noch kann er – so erüberhaupt umgesetzt wird – an der finanziellen Misere der Universitätenetwas ändern. Im Gegenteil: Die Verknüpfung der Lebensarbeitszeitmit der Unterfinanzierung der Universitäten folgt der bestechendenLogik von divide et impera, also konkret „die Alten“gegen die Studierenden auszuspielen, und so letztlich beiden ökonomischdas Messer auf die Brust zu setzen.Wahr ist, dass eine verlängerte Lebensarbeitszeit die älteren Beschäftigtenauf Kosten ihrer Gesundheit länger an die Arbeitsstellefesselt, wodurch gerade für die Jungen weniger Arbeitsplätze durchPensionierungen frei werden. Das trifft bekanntlich gerade AkademikerInnenin mehrfacher Hinsicht, zumal sie studienzeitbedingt durchein späteres Berufseintrittsalter umso länger zu arbeiten hätten!Es ist im Übrigen in höchstem Maße präpotent, im bequemenStuhl im 2. Stock der Schubertstraße zu sitzen und von dort ausder arbeitenden Bevölkerung auszurichten, sie solle doch längerhackeln. Nicht jede Tätigkeit ist körperlich so unanstrengend wie dieeines ÖH-Vorsitzenden.Dass Österreich international augrund fehlender Vermögensbesteuerungund zugleich wegen massiver Steuernachlässe für Unternehmenund Banken (Stichwort Gruppenbesteuerung, Stiftungsrechtusw.) als Steueroase gilt, sei den Herren Studierendenvertreternder Grazer ÖH-Führung – ja, es sind wirklich nur Männer – insStammbuch geschrieben. Hier müsste man ansetzen, wollte man tatsächlichan der finanziellen Misere der Bildungseinrichtungen im Landetwas ändern.Die Zustimmung zu diesem Vorschlag zeigt jedoch, wie beschränktdie Sichtweise des FLUG/AG-Vorsitzteams ist – oder wie sehr siedie Arbeit der ÖVP-AktionsGemeinschaft schon bezahlt gemacht hat.Statt kritische Debatten über die Bildungsfinanzierung anzustoßen, hecheltman lieber der Meinungsmache von Industriellenvereinigung undWirtschaftskammer hinterher. Offenbar hat insbesondere die Fachschaftslistevergessen, dass sie den Studierenden verpflichtet ist und nicht derÖVP, dem Wirtschaftsbund oder dem Giebelkreuz-Konzern.JAK OB MATSCHEKO studiert Geschichte und ist familienpolitischerSprecher des KSV.Joanneum: Geschäftemit US-AirforceSkandalöse Verstrickung derJoanneum Research in dieRüstungsforschung!Die Joanneum Research „betreibt ungeniertmilitärische Technologieentwicklung fürkriegsführende Länder, dies stellt für micheine klare Neutralitätsverletzung dar“, kritisiertKPÖ-Landtagsabgeordneter WernerMurgg.In der letzten Sitzung des SteiermärkischenLandtags lag der Fördervertrag des Landes mitder Joanneum Research ForschungsgesellschaftmbH zur Beschlussfassung vor. Murggwies in seiner Wortmeldung auf die einträglichenGeschäfte der Joanneum Research mit derUS-Airforce und ihre Beteiligung an Projektenim Bereich militärischen Telekommunikationgemeinsam mit der niederländischen TNO hin,die seit 2006 mit zehn Prozent an der JoanneumResearch beteiligt ist.KPÖ fordert sofortiges EndeSPÖ, ÖVP und FPÖ blocken abEin Antrag der KPÖ, der die Landesregierungaufforderte, dafür zu sorgen, dass dieForschungsgesellschaft des Landes sich vollständigaus der Waffenforschung zurückziehensoll, wurde von ÖVP, SPÖ und FPÖ einmütigabgelehnt.Werner Murgg: „Das Land Steiermark alsFördergeber und Mehrheitseigentümer derForschungsgesellschaft Joanneum Researchunterstützt damit Forschung und Entwicklungim militärischen Bereich durch öffentlicheMittel. Diese skandalöse Verstrickung desLandes in die Rüstungsforschung musssofort ein Ende finden.“Impressumr0tcrowd # 18 | Wintersemester 2011/12Herausgeber und Medieninhaber:<strong>Kommunistischer</strong> StudentInnenVerband GrazLagergasse 98a | 8020 GrazMitarbeiterInnen dieser Ausgabe:Georg Erkinger, Julian Janser, Samar Ibrahim, Elke Kahr,Robert Krotzer, Jakob Matscheko, Alex Melinz, Werner Murgg,Mirjam Pot, Walter Weiß, Hanno Wisiak & Zoran SergievskiNamentlich gekenntzeichnete Beiträge müssen nicht der Auffassungder Redaktion entsprechen.Herstellerin: Hausdruckerei der KPÖ-GrazRedaktion: Robert Krotzer & Hanno WisiakLayout und Satz: Han-Dograz@comunista.atwww.comunista.at


0tcrowdRAT UND HILFE9Streichkonzert geht weiterZuschuss zum Fernsprechentgelt auf 12 Euro monatlich gekürzt.von GEORG ERKINGERBezieherInnen von Leistungennach dem Studienförderungsgesetz(Studienbeihilfe)können bei der GIS (www.orfgis.at)um Befreiung von derRundfunkgebühr ansuchen. Mitdem selben Formular kann auchum einen Zuschuss zum Fernsprechentgeltangesucht werden.Im Formular trägt man denTelefonanbieter ein, bei dem derZuschuss eingelöst werden soll.Der von der GIS ausgestellte Bescheidgilt gleichzeitig als Gutscheinund muss nur noch an denTelefonanbieter übergeben werden.Dann wird der Zuschuss 12Monate lang automatisch von derTelefonrechnung abgezogen.Kürzung trifft wieder jene, dieohnehin schon wenig habenBezieherInnen des Zuschusseshaben es wohl schon auf ihrerTelefonrechnung bemerkt. Währendder Sommermonate wurde dervom Infrastrukturministerium (DorisBures, SPÖ) ausbezahlte Zuschussum mehr als 27 Prozent gekürzt.Er beträgt nur noch 12 Europro Monat. Betroffen sind u.a. auchStudentInnen, die Studienbeihilfebeziehen. Begründet wurde derSchritt mit den in den letzten Jahrengesunkenen Telefonkosten.Dies stimmt jedoch nur zumTeil. Gerade die Grundgebühr fürFestnetzanschlüsse, die vielfachdie Basis für echtes Breitbandinternetbilden, hat sich keineswegsverbilligt. So steigen z.B. die monatlichenKosten für einen ADSL-Internetanschluss für Bezieher-Innen des Zuschusses von 3,32Euro auf 7,90 Euro. Über das Jahrgerechnet bedeutet das – neben allden anderen Belastungen – einenVerlust von 55 Euro, der wiedereinmal jene trifft, die ohnehinschon am wenigsten haben.Wie ansuchen?Falls du ihn noch nicht beantragthast – so funktioniert derZuschuss:Der Zuschuss kann sowohl fürHandy als auch für Festnetzanschlüsse(interessant in Kombinationmit Internet oder Kabel-TV)verwendet werden. Er kann prinzipiellauch bei bestehenden Verträgeneingelöst werden. A1 z.B.akzeptiert den Zuschuss derzeitbei A1 Festnetz, A1 Kombi, A1 TVKombi, bei den mobilen Sprachtarifenund auch bei der Diskontmarkebob.Informationen zu den Telefonanbietern,die den Gutschein akzeptieren,finden sich auf der GIS-Homepage. Achtung! – Wenn einAnbieter den Gutschein prinzipiellakzeptiert, muss dies nicht füralle seine Tarife gelten!GastkommentarKahlschlag beiWohnbeihilfe trifftStudierendeFoto: kpoe-steiermark.atvon ELKE KAHRNatürlich sind es nicht die Bankenund Reichen, die in der Krise zurKasse gebeten werden. Zahlen müssenjene, die ohnehin wenig haben und dieKrise ganz sicher nicht verursacht haben.Das Land Steiermark, wo SPÖ, ÖVPund FPÖ das Sagen haben, bildetdabei keine Ausnahme. Nicht genug damit,dass die sogenannte „bedarfsorientierteMindestsicherung“ viele Arme noch ärmermacht, durch die radikale Kürzung derWohnbeihilfe trifft man jene, die sich dieüberteuerten Mieten auf dem sogenannten„freien Markt“ nicht mehr leisten können,gleich doppelt.Das bedeutet auch, dass es für viele Studierendenoch schwieriger wird, ihreMieten zu bezahlen. Je nach Anzahl der Personenim Haushalt gibt es nun zwischen39 und 102 Euro weniger pro Monat. EinUmstand, der es vielen Studierenden nichtgerade leichter macht, sich auf ihr Studiumkonzentrieren zu können.Für Fragen zur Wohnbeihilfe sowieallgemeinen Fragen rund um das Wohnensteht mein Büro gerne zur Verfügung:Tel. 0316 – 872-2060E LKE KAHR (KPÖ) ist Wohnungsstadträtinin Graz.facebook.com/ksvgraz


10 INTERNATIONALr0tcrowd„Wir sehen uns einer völligunfähigen Regierung gegenüber“Chile: Seit Ende Mai und damit seit fünf Monaten zeigen sich wiederholthunderttausende StudentInnen und SchülerInnen kämpferisch, treten in denHungerstreik, bleiben hartnäckig und besetzen ihre Bildungseinrichtungen.LehrerInnen, ProfessorenInnen, Eltern, Gewerkschaften und ArbeiterInnenprotestieren mit.Die 23-jährige KommunistinCamila Vallejo gilt als dasGesicht der chilenischenStudierendenproteste.Foto: wikimedia commonswww.comunista.atvon SAMAR IBRAHIMDie Unterstützung zeigt sich auch inden abendlichen sogenannten Cacerolazos,bei denen BürgerInnen in der ganzenStadt auf Töpfe und Pfannen schlagen.Ihrer Kreativität ist kein Ende gesetzt, buntbemalt und leicht bekleidet verkünden sie ihreForderung auf ein gerechtes und besseresBildungssystem, das für alle zugänglich ist.Es sind die größten Proteste, die das Land seitseiner Rückkehr zur Demokratie 1989 gesehenhat.Das Gesicht der RevolteDie Revolte der chilenischen SchülerInnenund StudententInnen gegen das aus derPinochet-Diktatur stammende Bildungs-system hat ein Gesicht. An ihrer Spitze stehtdie seit 2008 im Jugendverband der KommunistischenPartei Chiles engagierte und gleichzeitigcharismatische Präsidentin der FECH(Studierendenvereinigung der Universität vonChile) – Camila Vallejo. Mit ihrer überlegenenArgumentation steht die 23-jährige Geographiestudentinaus Santiago de Chile, „füreine Jugend, die nicht nur bessere Bildungschancenfordert, sondern sich gegen den vonautoritärem Gehabe bestimmenden Politikbetriebauflehnt“ ein: „Es geht nicht um kurzfristigeVerbesserungen, sondern um einegrundsätzliche Neustrukturierung auf langeSicht.“ Sie und ihre Landsleute können nichtverstehen, warum in Chile Bildung als „privateInvestition“ und „Konsumgut“ gekauftwerden muss. Es ist es ein „soziales Recht“,dass die Regierung für „eine jedem Individuumgemäße Bildung“ aufkommt.Horrende Studienkosten„Derzeit wird nur ein Viertel des Bildungssystemsvon öffentlicher Hand finanziert. Dassind gerade einmal 838 Dollar jährlich die proStudentIn aus staatlicher Kasse fließen, wobeider OECD-Durchschnitt zehnmal so hochliegt“ 1 . Für den/die einzelneN bedeutet daseinen jährlichen Kostenaufwand von mehrerentausend Euro, der selbst in den staatlichenBildungseinrichtungen gefordert wirdund in Privatschulen und -universitäten nichtnur zur Kostendeckung dient, sondern gewinnorientierteUnternehmer, die teilweisenoch Subventionen vom Staat bekommen, bereichert.Für die meisten ein unleistbarer finanziellerAufwand. Die Kosten eines Universitätsstudiumsübersteigen das Einkommensniveauvon über der Hälfte der Bevölkerung,was viele Eltern, die ihren Kindern Bildungverschaffen möchten, und junge Men-


0tcrowdINTERNATIONAL11Foto: facebook.com/jotachileschen dazu zwingt, hohe Kredite aufzunehmen,die sie letztlich in den Ruin treiben undchancenlos bleiben lässt.„Die volle Härte staatlicherUnterdrückung“Die Regierung antwortet mit brutalster Polizeigewaltauf die Aufstände in der Bevölkerung.Allein bei der Demonstration am 12.Oktober wurden unter 250.000 Protestierenden132 verhaftet und 30 Menschen verletzt. Tränengasund Wasserwerfer werden gegen diemeist friedvoll demonstrierenden ChilenInneneingesetzt. „Sie seien doch nur gekommen, umihre Grundrechte wahrzunehmen“, sagte einStudent der chilenischen Zeitung The SantiagoTimes. „Und uns traf die volle Härte staatlicherUnterdrückung: berittene Polizei undMotorräder, Wasserwerfer und Tränengas.“ 2Regierungspräsident Piñera drohte Studierendenund SchülerInnen an, ihre Stipendieneinzustellen oder sie aus den Universitätenzu entlassen, sollten sie weiter an Protestaktionenteilnehmen. „Wir zeigen keinen gutenWillen denen gegenüber, die nicht auf ihrenCampus zurückkehren“, so Piñera. Auchdie Besetzung von Schulen und Hochschulenwird kriminalisiert. Mit bis zu drei JahrenGefängnis sollen die, die sich der staatlichenObrigkeit nicht fügen wollen, bestraft werden.Doch der Zusammenhang und der konsequenteKampf in der Bevölkerung sind beeindruckendstark. Schon zwei Mal wurden Verhandlungenmit Bildungsminister FelipeBulnes abgebrochen, weil die Forderung deram Verhandlungstisch teilnehmenden StudentInnenund LehrerInnen auf eine zu 100Prozent freie Bildung in öffentlichen Einrichtungenund das Verbot von Gewinnen in Privatschulenund Universitäten mit fadenscheinigenKompromissen immer wieder zurückgedrängtwurde. Laut einer Umfrage von150.000 Befragten unterstützen 89 Prozent dieStudierendenproteste. Die Beliebtheit desStaatschefs Piñera ist in den vergangenen Monatenauf 27 Prozent zurückgegangen. 3Der Kampf geht weiterUnd zu Recht geben sie nicht auf! Am 18.und 19. Oktober riefen die StudentInnen- undSchülerInnenbewegung, der Gewerkschaftsdachverbandund weitere 70 soziale Organisationenzum Nationalen Aktionstag für die Bildungauf. Junge DemonstrantInnen in Chilebesetzten für acht Stunden den früheren Senatin Santiago. Erneut versuchten sie, eine Volksabstimmungzu den sozialen Problemen desLandes durchzusetzen und verließen das Gebäudeerst nachdem OppositionspolitikerInnenersten Schritten zu einem Referendumzugesagt hatten, das wiederum starkenWiederhall bei rechten Regierungsmitglie-dernfand. Demonstrationen, die zur gleichen Zeitstattfanden, eskalierten. Laut offiziellen Angabenwurden 153 Polizisten und 53 Demonstrantenverletzt, weitere 1394 Menschen verhaftet.Jüngsten Berichten zufolge wurde ein 16-Jähriger durch eine Polizeikugel getötet.Selbst nach fünf Monaten laufender Protestaktionen,die starke Unterstützung in der Bevölkerungfinden, zeigt sich die Regierungunbeweglich. Der am Beginn der Woche vorgelegteHaushaltsentwurf für 2012 sieht eineAnhebung der Bildungsausgaben von siebenProzent vor und trifft damit auf starke Ablehnungund Kritik: „Der Haushalt reicht nichteinmal für die Grundförderung der Universitätenund ist nicht wirklich eine Anhebungder Stipendien und keine Hilfe für Studierendeaus armen Familien“, empört sich der Rektorder Universidad de Chile und Vizepräsidentdes Rektorenrats Víctor Pérez.Die UNO soll vermittelnDie Protestbewegung gab öffentlich bekannt,nach langem Stillstand der Regierung,um die Unterstützung der UNO, die bei derKonfliktvermittlung helfen soll, zu bitten. DerVertreter des Studierendenverbandes CON-FECh José Ankalao erklärt dazu: „Da wir unseiner unfähigen Regierung gegenüber sehen,kommt aus vielen Teilen der CONFECh dieForderung, dass die UNO in diesem Konfliktvermitteln sollte, um in diesem Konflikt zuirgendeiner Lösung zu kommen.“ 4Ein Aufgeben der Volksbewegung ist somitnicht in Sicht. Nach langen, harten Auseinandersetzungenmit der Regierung trifft sieständig auf taube Ohren, wird trotzdem nichtmüde und bleibt geschlossen und entschlossenim Kampf um ihre Rechte, was wir in Österreichwohl noch lernen müssen.Samar Ibrahim studiert Soziologie an derKF-Uni Graz und ist Aktivistin des KSV.Mit Gewalt ging diechilenische Staatsmachtauch am 18. Oktoberwieder gegen DemonstrantInnenvor.1 http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,789273,00.html2 http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,790459,00.html3 http://fech.cl/4 http://amerika21.de/nachrichten/2011/10/41252/senatsbesetzung-chilefacebook.com/ksvgraz


12 EURO-KRISEr0tcrowdDie EU ist nicht Teil der Lösung,sondern Teil des ProblemsDie 2007 ausgebrochene Krise des Kapitalismus ist noch lange nicht vorbei.Derzeit hat sie über die gewaltig gestiegenen Staatsschulden der EU-Länderden Euro erreicht und stellt dessen Fortbestand in Frage.Grafik: SDAJwww.comunista.atvon WERNER M URGGEs sind vor allem die gewaltigen wirtschaftlichenUngleichgewichte zwischenden europäischen Kernländern wieDeutschland, Österreich oder die Niederlandeund den Staaten an der Peripherie – Griechenland,Portugal, Spanien, Italien, Zypernund andere. Letztere bleiben in der Wettbewerbsfähigkeitimmer weiter zurück.Kein Wunder. Der Kapitalismus verstärktUngleichgewichte, statt sie abzubauen. Dabeigenügt ein Blick auf Italien. In sechzig JahrenNachkriegsentwicklung herrscht immer nochein himmelschreiender Unterschied zwischendem Süden und Norden des Landes.Warum sollte, was in sechzig Jahren in Italiennicht möglich war, plötzlich in einer vielkürzeren Zeit zwischen den EU-Staaten möglichsein? Solange die Staaten ihre eigenenWährungen besaßen, war die mangelndeKonkurrenzfähigkeit schwächerer Länder,wie Griechenland oder Italien, kein Problem,konnten sie doch ihre Währungen abwertenund damit konkurrenzfähig bleiben. Mit demEuro war das vorbei. Da stellt sich die Frage,wer profitiert von der neuen Situation? In ersterLinie Deutschland, aber auch andere Exportnationenwie Österreich oder die Niederlande.Und hier in erster Linie die privatenAktionärInnen der exportorientierten Konzernedieser Länder. Es sind vor allem deutscheProdukte, von Rüstungsgütern bis zu technischenAusrüstungen, welche Griechenlandmit Krediten, die aufgrund der niedrigenEurozinsen leichtfertig aufgenommen wurden,bezahlt hat. Gleichzeitig waren die eigenenProdukte auf Grund mangelnder Produktivitätam Weltmarkt – eine Abwertung derWährung war nicht mehr möglich – kaummehr wettbewerbsfähig. Das ist die wesentlicheUrsache der griechischen Schuldenmisere.Und es sind vor allem deutsche undfranzösische Banken, bei denen der griechischeStaat in der Kreide steht und die mit dengewaltigen Rettungspaketen, wofür auch Österreichund damit in erster Linie die österreichischenLohnsteuerzahlerInnen haften,gerettet werden sollen.Rettung der BankenMan kann es nicht oft genug sagen: Es gehtbei den ganzen Rettungsmaßnahmen nichtum die Rettung Griechenlands und schon garnicht um die Rettung seiner ArbeiterInnenund Angestellten, Jugendlichen, Studierendenund kleinen PensionistInnen vor deren end-


0tcrowdEURO-KRISE13gültiger Verarmung. Es geht um die Rettungprivater Banken. Und es geht um die Rettungdes imperialistischen Weltgeldes Euro – einerWährung, die nicht zuletzt vom deutschenKapital mit dem französischen imSchlepptau kreiert wurde, um mit dieser Währungden Kontinent zu durchdringen, periphereLänder in Abhängigkeit zu bringen undgegenüber den USA und dem asiatischenRaum bessere Karten im Kampf um globaleVormachtstellung zu besitzen.Die EU ist ein Bündnis imperialistischer Nationalstaaten;der wichtigste unter ihnen istDeutschland. Nach deren Pfeife tanzt im Wesentlichender Rest der EU-Länder. Das zeigtsich gerade jetzt wieder bei der Verabschiedungdiverser „Rettungspakete“. Deutschland,mit seinem exportorientierten Modell,braucht den Euro wie die Butter auf das Brot.Bisher haben die deutschen Konzerne denEuro zum Nulltarif bekommen. Diese Zeitensind vorbei. Vom Euro ohne Kosten profitieren,das geht auch trotz des ökonomischenÜbergewichtes von Deutschland nicht mehr– zu groß sind die innerimperialistischen Widersprücheinnerhalb der EU. Das haben diedeutschen Eliten und ihre entscheidendenHandlanger in CDU, SPD, FDP und bei denGrünen längst erkannt. Darum dreht sich dieganze Debatte um die Eurobonds. Eurobondssind Anleihen, die alle Euro-Staaten gemeinsambegeben. Diese würden günstigere Zinsenfür Griechenland und die angeschlagenenPeripherieländer aber höhere Zinsen fürDeutschland oder auch Österreich bedeuten.Entweder kommen Eurobonds oder Griechenlandverschwindet aus der Euro-Zone.Letzteres hätte für Deutschland und seineExportwirtschaft auch einen gewaltigen Preis.Derzeit scheint man in Berlin eher auf gemeinsameeuropäische Anleihen zu setzen undnicht auf einen Austritt Griechenlands ausder Eurozone. Letztlich sind der Aufkauf vongriechischen, italienischen und spanischenStaatsanleihen durch die Europäische Zentralbank(EZB) bzw. die gewaltigen „Rettungsschirme“nichts anderes als die Einführungvon Eurobonds auf Umwegen. Drücktdieser Aufkauf doch die Kreditzinsen fürPeripherieländer, während er diejenigen derKernländer a la longue steigen lässt; Deutschlandals größter Anteilseigner der EZB, haftetmit dem größten Betrag aller EU-Staaten, solltedie EZB im Falle einer griechischen oderportugiesischen Staatspleite auf diesen Papierensitzen bleiben.Die Ratingagentur Standard & Poors hat bereitslaut über eine mögliche Herabstufungdes Ratings von Deutschland nachgedacht.Der Austritt Griechenlands aus der Euro-Zonewird noch(!) als das größere Übel angesehen.»BilanzBahn und Post sperren zuAuf Grund der EU-Postliberalisierung baute die Post zwischen1999 und 2009 27 Prozent der Beschäftigten ab undsperrte jedes zweite Postamt zu. Gleichzeitig stiegen Gewinnund Dividendenausschüttung ins Unermeßliche. Die EU-Eisenbahnliberalisierung führt zur Zerstörung eines kooperativenEisenbahnsystems, Gewinne werden privatisiert, Verlustesozialisiert. Die Folge: Immer mehr Regionalbahnen werdenzugesperrt und die Fahrpläne ausgedünnt. Einem Drittel desSchienennetzes droht die Stillegung.Steuerpolitik für die GroßenDie Steuerreformen seit Anfang der 90er Jahre zeigen eineeindeutige Handschrift zugunsten der großen Vermögen,Kapitalgesellschaften und SpitzenverdienerInnen: Senkung derKörperschaftssteuer, Einführung der Gruppenbesteuerung fürKonzerne, Abschaffung von Vermögens-, Erbschafts- undSchenkungssteuer und Einführung von Privatstiftungsprivilegien.Seit 1992 sind die Einnahmen aus Lohnsteuerndoppelt so stark gestiegen, wie die Einnahmen aus Gewinnsteuern.Arbeitslosigkeit nimmt zuDie Zahl der Arbeitslosen hat sich seit Mitte der 90er Jahrenum rund 100.000 Arbeitslose erhöht. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigtenist von 10 auf 25 Prozent gestiegen. Die Zahlder Sozialhilfe- bzw. MindestsicherungsbezieherInnen hat sichin den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Das ist dersteigende „Wohlstand“ den wir laut Grünen, SPÖ und ÖVPder EU verdanken. Arbeitslosigkeit und Lohndumping wirdnoch verstärkt. Menschen werden auf der Suche nach einerArbeit europaweit wie Pakete herumgeschickt, weil sie inihrer Heimat keine finden.Ungleichheit wächstSeit dem EU-Beitritt ist die Lohnquote am Volkseinkommenum 7 Prozent gesunken. Die durchschnittlichen Nettorealeinkommen(also inflationsbereinigt) der ArbeiterInnenund Angestellten sind zwischen 1995 und 2008 um 2,6Prozent gesunken. Das Bruttoinlandsprodukt ist in diesemZeitraum real um 32 Prozent gestiegen. Das heißt, dass einemassive Umverteilung zugunsten der Einkommen aus Gewinnund Vermögen stattgefunden hat. Besonders dramatischeEinbußen gibt es in den unteren Lohngruppen, wo sich seitdem EU-Beitritt ein Subproletariat herausgebildet hat; Menschen,die von ihrem Einkommen tatsächlich nicht lebenkönnen. So sind die Realverdienste der einkommensschwächsten20 Prozent aller ArbeiterInnen und Angestelltenvon 1995 bis 2008 um netto 22,4 Prozent gesunken!Pensionen sinkenIm Sinne der EU-Lissabon-Strategie wurde unter der ÖVP-FPÖ-Regierung das Pensionssystem massiv verschlechtert;vor allem der Bemessungszeitraum wurde massiv ausgedehnt.Für Menschen bis ins mittlere Alter bedeutet das Pensionsverlustebis zu 40 Prozent.facebook.com/ksvgraz


0tcrowdSTREIK15Arbeiter, klasse!Erstmals seit Jahrzehnten streikten die MetallarbeiterInnen –zweifelsohne ein Erfolg und eine neue Qualität in der politischenAuseinandersetzung in Österreich. Die sozialpartnerschaftlicheMutlosigkeit der Gewerkschaftsspitze verhinderte jedoch dasErreichen der Ziele.von HANNO WISIAK„ Die Theorie wird zur materiellen Gewalt,wenn sie die Massen ergreift“,wusste weiland schon Karl Marx. Quod eratdemonstrandum kann man nach der Streikbewegungder österreichischen MetallarbeiterInnennun den UnkenruferInnen insStammbuch schreiben, die viel zu lang – fastunwidersprochen – über das Ende der Arbeiterklasseals politisches Subjekt schwadronierthaben.Coitus interruptusUmgefallen ist jedoch die Gewerkschaftsführung.Der magere Lohnabschluss ist nichtnur ein schlechtes Zeichen für die anderenBranchen, er ist auch blanker Verrat an derkampfbereiten Basis und letztlich ein politischerCoitus interruptus.Betrachtet man die Tatsachen, wären 5,5Prozent schon ein Kompromiss gewesen, derkeinesfalls unterschritten hätte werden dürfen.Die Fakten: Ohne viel Aufsehen wurdendie Managergehälter um 5 Prozent erhöht. Sieverdienen jetzt im Schnitt das 41-Fache derArbeiterInnen. Österreichweit wurden sattezwei Milliarden Euro Dividende an die AktionärInnenausbezahlt, während gleichzeitigdie Inflation bei Dingen des täglichen Bedarfsim September um 7,1 Prozent angestiegen ist.Angesichts der enormen Gewinnausschüttungen,der Erhöhung der Grundgehälter derFührungskräfte inkl. sagenhafter Boni, wärendie 385 Millionen Euro, die die Erhöhung um5,5 Prozent gebracht hätte, für die Industriedurchaus „verkraftbar“ gewesen.Der breite Rückhalt, den der Arbeitskampf inder Bevölkerung hatte, braucht daher nicht zuwundern. Er zwang sogar ORF und bürgerlicheMedien dazu, wohlwollend zu berichten.Gemeinsam statt einsam!Die Angriffe auf das Bildungs- und dasSozialsozialsystem werden nicht weniger.Mauscheleien an grünen Tischen und symbolischeSuppenküchen werden sie keineswegsabwehren können. Die Streikbewegung derMetallerInnen und der Kampf für eine besserefinanzielle Ausstattung der Universitäten sindzwei Seiten einer Medaille. Sie sind Bestandteildes Ringens um die Umverteilung des gesellschaftlichenReichtums.Der Blick über den universitären Tellerranderweitert also nicht nur den Horizont, er istnachgerade die Grundvoraussetzung dafür,politisch wieder Tritt zu fassen.Der Streik der MetallerInnen war ein wichtigerSchritt der österreichischen Arbeiterbewegung.Weiteren Schritten kann sich die Gewerkschaftsbürokratienicht mehr in der Wegstellen, wenn die Wut zu Widerstand wird.P.S.: Der vielleicht angenehmste Nebeneffekt,wenn Betroffene beginnen, sich zur Wehr zusetzen, ist: Strache hat Sendepause.Foto: streik.atFast in allen großenIndustriebetrieben derSteiermark beteiligten sichdie Belegschaften an denKampfmaßnahmen.Betriebsversammlungen beiAVL List in Graz (links)und bei der voestalpine inLeoben-Donawitz (rechts)Foto: Erich Müllegger | streik.atfacebook.com/ksvgraz


0tcrowdCROWD UND RÜBEN17Denken wir etwa an die Anfänge des konspirativenOnlinejournalismus, wie er seit Jahrenvon indymedia betrieben wird. Und denkenwir an die rasante Zunahme von Blogs inden vergangenen Jahren. Praktisch jedeRkann überall (Internetanschluss vorausgesetzt)Informationen heranziehen, verbreitenund seinen Senf zum Weltgeschehen dazugeben.Der Fortgang des digitalen Umbruchswird diese Dynamik in Zukunft gewiss weitervertiefen. Aber diese Netzwerke, ebensowie das Internet an sich, machen von sich auskeine Revolution. Es ist ein Fetisch, der sichso gestaltet, als behaupte jemand, ein Hammer,Zement und ein Bagger würden von sichaus bereits ein Haus bauen. Das Werkzeugund das Produkt entfremdet sich vom Menschen,der es nutzt bzw. herstellt. Nehmen wirein anderes Medium, um den potenziellenFunktionen von Facebook und Co. näher zukommen: die althergebrachte gedruckte Zeitungund ihre Rolle für den politischenKampf.Bemühen wir mal wieder Wladimir Iljitsch:„Die Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandistund ein kollektiver Agitator, sondernauch ein kollektiver Organisator.“ 4 DieOrganisationsfunktion kann das Internetnoch viel stärker erfüllen als die klassischeZeitung. Im Gegensatz zu einem Printmediumhaben LeserInnen bzw. NutzerInnendurch das Web nämlich die Möglichkeit, inviel direkterer – und großteils barrierefreier –Weise auf verschiedene Inhalte zu reagierenbzw. eigene Positionen zu pushen. Der Gradder potenziellen Interaktionen ist viel höherals in einer Zeitung. Nicht zuletzt sind dieMöglichkeiten zur Konspiration viel breitergestreut – was immer wieder „Anti-Terror“-Kreuzritter auf den Plan ruft. Hier stoßen wirauf einen wichtigen Punkt: die Aneignungund der Austausch von Wissen allein kannund wird die Aktion auf der Straße nicht ersetzen.5 Würde man diesem Trugschluss folgen,könnte man sich sogleich in altklugerManier auf einen Baum hocken, die Klassikerstudieren und warten, bis sich die Revolutionvon allein ergibt.Online-Aktionismus und AktivismusGruppen wie Anonymous lehren den Herrschendendas Fürchten. Sie koordinieren Attackenauf die Websites von Regierungen,Großkonzernen, Geheimdiensten. Die Masseder InternetnutzerInnen ahnt nur von diesenpotenziellen taktisch-strategischen Möglichkeitender neuen Medien. Online verbreiteteDemoaufrufe bereiten den Herrschendenzunächst wenig Sorgen. Es mangelt den meisten(revolutionären) AktivistInnen an konkretem,praktisch anwendbarem Wissen fürschmerzhafte virtuelle Angriffe. Sich diese Fertigkeitenin naher Zukunft anzueignen, wirdso essentiell sein wie die Teilnahme an einerDemonstration.Also: das Internet gewinnt nicht nur alsQuell des Wissens, sondern vielmehr alsWaffe im politischen Kampf zunehmend anBedeutung. Aber auch ein Stein fliegt nichtvon allein – es braucht wen, welcheR ihndraußen vor der Tür in die Hand nimmt. DieRevolution gibt’s nicht zum Download. Wirsehen uns auf der Straße.ZORAN SERGIEVSKI studiert Publizistik inWien und Beograd, ist Aktivist des KSVund Chefredakteur der KJÖ-Zeitungvorneweg.1 Alle Werte gerundet.2 Zum Vergleich: in Österreichsind 75 Prozentder Bevölkerungvernetzt, das entspricht6,1 Mio. Menschen.3 Die hier genanntenZahlen basieren aufden auf dieser HomepagepräsentiertenStatistiken. Als Quellengibt die Seite u.a.die CIA, die ITU (InternationaleFernmeldeunion,UN-Behörde),die GfK (Gesellschaftfür Konsumforschung,deutscheinternational tätigeMarktforschungsagentur)und andere vergleichbareInstitutionenan.4 Lenin: Womit beginnen?5 Vgl. Lenin: Die Aufgabender Jugendverbände.Gegen den Faschismus. Hand in Hand. In jedem Land!FASIZME KARSI OMUZ OMUZA!Montag, 7. November, 19 UhrHörsaal C (06.03), Uni Graz, VorklinikEine Veranstaltung des KSV Graz in Kooperation mit der Kurdischen Jugend und DIDF(Föderation der demokratischen Arbeitervereine / Demokratik Iºçi Dernekler Federasyonu).Save the Date!Graue Wölfe – Rechtsextremismus aus der TürkeiFaschistische Organisationen gibt esbeileibe nicht nur in Österreich oderDeutschland.Mit dem Rechtsextremismus aus derTürkei wird sich THOMAS RAMMERSTORFER(Infoladen Wels) in seinem Bild- undTonvortrag am 7. November auf derUni Graz beschäftigen. Er wird dabeiauf die Fragen der ideologischen Hintergründeund der Organisation dertürkischen Faschisten eingehen, ihreMordanschläge gegen kurdische undtürkische Linke behandeln und darstellen,wie die „Grauen Wölfe“ auch in Österreichorganisiert sind.facebook.com/ksvgraz


18 CROWD UND RÜBENr0tcrowd„Wie wir die Weltins Dorf bekommen“Thilo Sarrazin zu Gast beim steirischen Bauernbund in GrazDürfen natürlich nichtfehlen: FP-GeneralsekretärKickl, Krone-Chef Pándi undFP-Chef Strache (v.r.)Foto: Han-Dowww.comunista.atvon MARTINA POCKVor etwa einem Monat lud der Präsidentdes Österreichischen Bauernbunds,Fritz Grillitsch, in die Grazer Seifenfabrik.Grund für die Einladung war nicht etwa eineKrisensitzung zur mehr als prekären Lage derösterreichischen bzw. europäischen Landwirtschaft.Nein, vielmehr sollte Thilo Sarrazin,der deutsche Skandalautor des Buches„Deutschland schafft sich ab“ zum Thema„Demographie und Europäische Zukunft“referieren. Doch bevor der ehemalige Chef derDeutschen Bank das Podium betrat, trat derGastgeber selbst ans Rednerpult.Grillitsch, der sich wahrlich nicht als begnadeterRhetoriker auszeichnete, erzähltevon seiner Kindheit und dem Gasthaus, dasseine Eltern betrieben. „Ich bin in einem sehrpolitischen Haus aufgewachsen. Ich sag’sganz offen, neunzig Prozent unserer Gästewaren Rote!“ Er wolle mit allen in einen Dialogtreten, „auch mit denen da draußen“, gemeintwaren von Grillitsch die etwa 100DemonstrantInnen, die an der Einfahrt zumAreal der Seifenfabrik gegen den GastvortragSarrazins demonstrierten. Sie hatten zuvordie Einfahrt blockiert, bis sie von der Polizeientfernt wurden. Danach passierte eine Karawanevon Autos das nun entstandene Spalieraus DemonstrantInnen. Allen voran derRedakteur der Kleinen Zeitung, Ernst Sittinger,in einem Elektrocar. Der Bauernbund hatteihn als Moderator geholt. Als Sarrazin ineinem grünen BMW heran chauffiert wurde,setzte sich ein Trott aus JournalistInnen inRichtung Veranstaltungsgebäude in Bewegung.FPÖ sticht Sarrazin ausDas Interesse an Sarrazin riss jedoch schlagartigab, als Heinz-Christian Strache erschien.Gefolgt von FPÖ Generalsekretär und Strache-Reden-Schreiber Herbert Kickl, dem GrazerLandesrat Gerhard Kurzmann und einerHand voll B- und C- Promis der rechten politischenSzene. „Es gibt amerikanische Studien,die belegen, dass es in unterschiedlichenKulturrahmen unterschiedliche Intelligenzquotientengibt“, so Strache. Weder kenne erSarrazin persönlich, noch wäre er vonGrillitsch eingeladen worden. Es seien vielmehr„steirische Bürger“ an ihn heran getreten,die ihn gebeten hätten, der Veranstaltungbeizuwohnen. Strache hielt letztendlich eineVIP-Karte in Händen. Immer in der Nähe der„blauen Partei-Traube“ war ein einschlägigbekannter und wegen schwerer Körperverletzungmehrfach vorbestrafter Neo-Nazi, derstets bemüht war, einen Alibi-Abstand zuStrache halten.Schwarz-Blau Volume IIIDie Dominanz der Mitglieder von ÖVP undFPÖ unter den 700 geladenen Gästen warmehr als signifikant. Unter ihnen Alt-Vizekanzlerund Grillitschs Onkel Josef Rieglerund der ehemalige Bundesminister MartinBartenstein, seines Zeichen damals (wie auch


0tcrowdCROWD UND RÜBEN19Foto: Han-Doheute) ein großer Verfechter von Schwarz-Blau. Politisch hat die FPÖ wenig bis garnichts mit der Landwirtschaft zu schaffen. Bisdato gab es lediglich einen FPÖ-Landwirtschaftsminister,Anton Reinthaller, seinesZeichens Mitbegründer der FPÖ und verurteilterNationalsozialist. Im aktuellen Parteiprogrammder FPÖ ist dem Thema „Landwirtschaft“nicht einmal ein eigenes Kapitel gewidmet,das Wort selbst kommt in dem 17 Seitenumfassenden Werk lediglich zweimal vor.Dass Fritz Grillitsch ein Revival von Schwarz-Blau favorisiert, ist seit langem kein Geheimnismehr. Seit Jahren ist der Nationalratsabgeordnetein einer Beziehung mit der ehemaligenFPÖ-Mandatarin Magda Bleckmann; diebeiden sind zudem Eltern eines gemeinsamenSohnes. Auch wenn Grillitsch seine Nähezum rechten Lager dementiert – „Ich lasse esmir von niemandem bieten, dass ich in einrechtes Eck gedrängt werde. Man muss dochüber alles offen diskutieren können.“ – ist seinFlirt mit der FPÖ mehr als offensichtlich, wieauch die blaue Dominanz in den ersten beidenReihen des Auditoriums zeigte.Mehr Töchter braucht das LandZu Beginn seines Vortrages erzählte ThiloSarrazin kurz über die Entstehung seinesBuches 2010. Dann nimmt Sarrazin in wenigen– aber nicht besonders aussageträchtigen– Sätzen Bezug auf die Landwirtschaft, denenein eleganter Schwenk hin zum ThemaDemographie folgte. Sofort wurde auf die Migrationund die damit angeblich einhergehendeProblematik Bezug genommen. „Intelligenzist zu 50 bis 80 Prozent vererbt“, so Sarrazin.Eine ständig verringerte Bildungsleistung istein Weg der „Abschaffung“. In seinem Buch„Deutschland schafft sich ab“ macht der Autorkeinen Hehl daraus, dass aus seiner Sicht „türkischeund arabische Einwanderer keine produktiveFunktion, außer für den Obst- undGemüsehandel“ hätten. Für noch mehr Kritiksorgte ein Interview Sarrazins im Lettre Internationalmit folgender Aussage: „Ich mussniemanden anerkennen, der vom Staat lebt,diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seinerKinder nicht vernünftig sorgt und ständigneue kleine Kopftuchmädchen produziert.“Der Aussage folgte zwar eine Entschuldigung,jedoch heizte er die Debatte um seinePerson erneut mit einem Interview mit der Weltam Sonntag an: „Alle Juden teilen ein bestimmtesGen, Basken haben bestimmte Gene, diesie von anderen unterscheiden.“ Auch beiseinem Vortrag in Graz scheute Sarrazin nichtdavor zurück den Terminus „Rasse“ in seinemVortrag unterzubringen. In Bezug auf italienischeEinwanderer in Deutschlandsprach er davon, dass „diese entweder wiederausgewandert sind oder eben im deutschenVolkskörper aufgegangen sind.“Das landläufige Hauptargument für Zuwanderung,nämlich ihre Notwendigkeitaufgrund der niedrigen Fertilitätsrate derdeutschen und österreichischen Frauen, dementierteSarrazin. Denn, nur eine „qualifizierteZuwanderung könne das demographischeLoch stopfen.“ Aber nicht nur in dieserliegt für Sarrazin der Schlüssel. Laut dem Statistik-affinenDeutschen liegt das Problem inder zu niedrigen Anzahl von Töchtern proFrau. Die deutsche Frau gebärt im Schnitt 0,65Töchter, zu wenige für Sarrazin, denn je wenigerFrauen, desto weniger Kinder.Während Grillitschs Veranstaltung in derSeifenfabrik mit Bier und Wein ausklang undnoch der eine oder die andere ein Foto vonsich und Strache zu ergattern versuchte, wurdeam Grazer Hauptplatz beim InterkulturellenVolxfest gefeiert. Der Gegenveranstaltungwohnten etwa 250 Menschen bei. Der deutscheAutor Sascha Stanicic, der aus seinemBuch „Anti-Sarrazin – Argumente gegen Rassismus,Islamfeindlichkeit und Kapitalismus“lesen sollte, hatte aber kurzfristig abgesagt.Mag. a MARTINA POCK ist Historikerin und lebtund arbeitet als freie Journalistin in Graz.Thilo Sarrazin, vonJournalistInnen undBodyguards umringtfacebook.com/ksvgraz


0tcrowdCROWD UND RÜBEN21der Anwesenheit der „Creative Class“ undsteigendem Wirtschaftswachstum mehr alsfragwürdig.Zusätzlich lassen sich vor allem auchGentrifizierungsprozesse (d.h. die Verdrängungökonomisch schwächerer Gruppendurch ökonomisch stärkere Gruppen amImmobilienmarkt in bestimmten Vierteln) kritisieren,die oft mit einer stadtpolitischen Neuorientierunghinzu Kreativität und Designeinhergehen. Beispiele in Graz hierfür sinddie Aufwertungsprojekte um das Mariahilfer-2 sowie das Jakominiviertel 3 . Pricing-out sowiedesigning-out von sozioökonomischschwächeren AnwohnerInnen und deren Ersetzungdurch einkommensstärkere Schichtensind zwei oft vernommene Mechanismendie in direktem Zusammenhang mit kulturorientierterstädtischer Regeneration stehen.Und sie sind oft, wenn auch nicht offen deklariert,die den Bemühungen zugrunde liegendenMotivationen.Neoliberale UmverteilungspolitikWarum wird die Geschichte von der kreativenStadt dann trotzdem von mehr und mehrStädten als Marketingstrategie übernommen?Einige mögen sich wundern, warum geradein Zeiten großflächiger Budgetkürzungen imSozial- und Kulturbereich die Stadtregierungeine läppische Summe von 1,5 Millionen Eurofür eine Unterstützung der Kreativindustrielocker machen kann.So verwunderlich ist das aber bei näheremHinsehen gar nicht. Die creative city-Politikist ein durchaus ideologisches Instrument zurUmverteilung öffentlicher Gelder weg vonsozioökonomisch schwachen Gruppen hinzur konsumstarken Mittelschicht. Insofern istsie keine Alternative zu neoliberaler Umverteilungspolitikund Standortvermarktung,sondern ein essentieller Teil derselben. Die feelgood-Variante sozusagen, die durch ihrescheinbare Neutralität (wer ist schon gegenDesign, Kreativität und Kultur?) mit einerdurchaus breiten Unterstützung unterPolitikerInnen als auch BürgerInnen rechnenkann. Das Statement einer Modedesignerinauf der City of Design-Homepage in dem siemeint: „City of Design zu sein, heißt jungewilde Kreative weder dem Alltag noch derPolitik unterzuordnen“ 4 klingt in diesem Zusammenhangdoch etwas naiv.Für eine kreative Stadt von untenDie Charakteristik einer Stadt kann nichtdurch PolitikerInnen festgelegt werden. Siewird bestimmt durch verschiedenste Initiativenund Projekte, welche Raum für kulturellewie auch gesellschaftliche Experimente bieten,welche Kreativität und Kultur in ihrerVielseitigkeit fördern und welche es letztendlichausmachen, ob eine Stadt ihr kreativesPotential ausleben kann. Es gilt, sich stark zumachen für Kreativität und Kultur, deren erstesZiel nicht ihre eigene ökonomische Verwertbarkeitdarstellt, sondern die eine Bereicherungfür die diversesten Bevölkerungsgruppenin der Stadt sein kann. Genau so eineKultur geht oft aus den unzähligen möglichenOppositionspraktiken gegen neoliberalePrestigeprojekte wie jenem der City of Designhervor.MIRJAM POT ist Aktivistin des KSV,Stadtgeographin und studiert EuropäischeEthnologie an der Karl-Franzens-UniversitätGraz.1 FLORIDA, R. (2002)The Rise of the CreativeClass: And HowIt’s TransformingWork, Leisure andEveryday Life. BasicBooks, New York.2 http://www.saiko.cc/lokalheroes/index.php?idcat=1003 http://www.cis.at/de/Schwerpunkte/cis-projekte/pilotprojekt-jakomini-viertel4 http://graz-cityofdesign.at/index.php?ID_m=2&ID_sm=35&view=sheet&lang=dtfacebook.com/ksvgraz


22 CROWD UND RÜBENr0tcrowdKlarschiff zur AnpassungSeit ihrem Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus sind sie in allerMunde. Die Rede ist natürlich von der Piratenpartei. Dieser moderne,hippe und als neue Protestpartei dargestellte Verein hat aber durchausseine Schattenseiten, die von mangelnder Positionierung bis zuKuscheleien mit dem rechten Rand reichen.von WALTER WEISSViel konnte die Berliner Landespartei beieinem Pressefrühstück im heurigenApril noch nicht vorweisen, außer eine Anpreisungdes Internetdiensts Twitter. Was man fürSchulformen anstrebe, würde noch diskutiertwerden, hieß es später auf besagtemFrühstücksmeeting. Zum Thema Mieten undder Verdrängung sozial schlechter gestelltenSchichten aus der Berliner Innenstadt hatteman dann aber, außer der Anmerkung, dassman bald versuchen werde, sich zu positionieren,doch noch etwas zu sagen. Nämlich,dass staatlich festgelegte Mietobergrenzen „einextrem schwieriges Thema für eine Partei, diedie Freiheitsrechte in den Mittelpunkt stellt“seien. Gut, das war immerhin noch vor demgroßen Erfolg, vielleicht sieht es ja inzwischenanders aus, könnte man denken.Krise, Krieg und Co.– Schweigen im Walde.Dass dem aber nicht so ist, zeigte eine Bundespressekonferenzder Piratenpartei am 5. Oktoberin Berlin. Auf Fragen zu Themen wie dereuropäischen Wirtschafts- und Finanzkriseund dem deutschen Kriegseinsatz in Afghanistankam nur die Antwort, es gebe „überhauptkeinen Grund für eine Partei, zu allen Themenetwas zu sagen“. Allerdings wurde auch daraufverwiesen, dass es zu den nächstenBundestagswahlen möglicherweise ein umfangreicheresProgramm geben werde. Selbst zuBereichen wie Daten- und Urheberschutz konnteman kein Papier vorlegen, was insofern absurdist, da dies eines der Hauptthemen der Piratenist. Hier müsse man erst „runde Tische“einrichten, war die Auskunft dazu.Die Piratenpartei will sich aus ihrem Selbstbildheraus auch nicht links oder rechts imPolitspektrum einordnen, sie bezeichnet sichlieber als „sozialliberale Grundrechtspartei“.Was dabei herauskommt wenn man sozialund liberal mischt, ist am besten an der SPÖund den Grünen zu sehen.Foto: http://insight.noblogs.orgAuf das Erwähnen von Piratinnen kann imÜbrigen auch verzichtet werden. Ihre ausschließlichmännliche Eigenbezeichung korreliertmit dem Faktum, dass es sich bei derGruppierung fast ausschließlich um Männerhandelt. Im Berliner Abgeordnetenhaus sitzenvon der Piratenpartei 14 Männer und eineFrau.Neonazismus als„freie Meinungsäußerung“Doch das alles ist harmlos, wenn man sieht,wie die Partei mit der politischen Vergangenheitihrer Mitglieder und vor allem der ihrerFunktionäre umgeht.Im September wurde bekannt, dass derLandesverband Rheinland-Pfalz einen Funktionär,gegen den seit 2009 ein Ausschlussverfahrenwegen rechter Äußerungen imInternet am Laufen ist, auf ein großes Piratentreffennach Nürnberg schicken wollte. WolfgangDudda, Parteimitglied und Ex-Bundesvorstandsangehöriger,meinte dazu, „dass esbei den Piraten Meinungsfreiheitsfanatikergibt, die glauben, dass auch ein Nazi seineMeinung frei sagen können muss.“ Gleichzeitighabe die Partei aber, so Dudda, „dieVerfassung und die Grundrechte eigentlichfest im Parteiprogramm verankert.“Aufsehen erregte auch eine Aussage vonParteichef Sebastian Nerz, der anscheinendkein Problem mit Neonazis in den eigenenReihen hat. So ist die ehemalige NPD-Mitgliedschafteiniger Mitglieder für ihn nur eine„Jugendsünde“. Anders sieht das allerdingssein Vize Bernd Schlömer, der meint, dasskein Platz für ehemalige NPD-Mitglieder unterden Freibeutern wäre. „Wir sind kein Sammelbeckenfür verfassungsfeindliche Meinungen.Wir müssen da sehr sensibel sein“, wirder in der deutschen taz zitiert.Nicht Fisch, nicht FleischAlso kurz zusammengefasst: Die Piratenwerden überall als Protestpartei gesehen.Proteststimmen sind meistens gegen die etabliertenParteien gerichtet. Das ist die Piraten-www.comunista.at


0tcrowdCROWD UND RÜBEN23partei aber im Grunde auch.Denn wer die deutsche Verfassungin seinem (sehr lückenhaften) Parteiprogrammverankert, muss doch geradezugeil auf die derzeit herrschende kapitalistischeGesellschaftsordnung sein. Links sinddie Piraten also auf keinen Fall. Im Gegenteil,sie stehen (zumindest was die Verfassungstreuebetrifft) mehr in der Mitte als die Linksparteiund sogar diese tut sich (vor allem inder ehemaligen DDR) mit dem Links-Seinschwer und das, obwohl sie im deutschenVerfassungsschutzbericht als „linksextreme“Organisation geführt wird.Und in Österreich? – handlungsunfähig,unpositioniert und zerstrittenHier wurde die Piratenpartei in einem Standard-Artikelim Mai, der sich auf einenBlogeintrag eines ehemaligen Parteimitgliedsberuft, für handlungsunfähig erklärt.Diese Aussage rührt daher, dass ehemaligePartei- und Vorstandsmitglieder technischeAccount-Zugangsdaten für die Netzpräsenzender österreichischen Piraten nicht an denderzeitigen Vorstand übergeben. Die Ex-Piratenberufen sich darauf, dass diese Datensatzungsgemäß übergeben werden müssen.Hierzu ist jedoch eine Bundesgeneralversammlungnotwendig, die nur einberufenwerden kann, wenn jedes Parteimitglieddarüber informiert wird. Auf die Mitgliedsdatenhaben aber auch nur jene Zugriff, diedie Einberufung der Bundesgeneralversammlungfordern. Angeblich sind auch Teileder Mitgliedsdaten einesaktuellen Vorstandsmitgliedsim Blog eines dieser Ex-Parteimitglieder zu finden. Weiters wurdenangeblich während der Amtszeit der Altvorständewichtige E-Mails mit sensiblen Datenunterschlagen. Soviel also zum gefordertenSchutz der Anonymität.Gut. Sollen diese internen Streitereien denPiraten selbst überlassen bleiben. Die potentiellenWählerInnen interessiert doch eher einBlick ins Parteiprogramm. Hoppla, das ist jagar nicht möglich. Will man auf der Homepageder Piraten darauf zugreifen, sieht mannur einen Verweis, dass das Parteiprogrammgerade überarbeitet wird. (Stand: 21.10.11)Zwar ist der Aufruf der Satzung und der Geschäftsordnungmöglich. Dass man aus diesenaber kaum schlau wird, ist irgendwie einleuchtend.Somit scheinen die österreichischen Piratennoch unpositionierter und noch zerstrittenerals ihr deutsches Pendant. Auch ein Standard-Interview mit der Geschäftsführerin, gibtnicht wirklich Aufschluss über diese Gruppierung.Ob es einen Aufschwung à la Berlingeben wird, kann noch nicht gesagt werden.Angesichts der derzeitigen gesellschaftlichenLage wäre man aber ohne eine neue Partei,die eigentlich eh nur ist wie die anderen besserdran.WALTER WEISS studiert Chemie an derTechnischen Universität Graz und ist Aktivistdes KSV.Foto: rfjwatch.wordpress.comfacebook.com/ksvgraz


24 DIE LETZTE SEITEr0tcrowdDenken ist modern #13Bedingte EinfachheitDie Schach-HängematteUnglaublichEinfach – wenn man es denn nursieht. Wie setzt Weiß hier Schwarzin zwei Zügen matt?Wie setzt hier Weiß am Zuge matt?Und sie bewegt sich doch nicht, aberdafür bewegen sich andere. Wie könnteWeiß hier in zwei Zügen gewinnen?Auflösungen auf Anfrage an graz@comunista.atFür die Auflösung des ersten Rätsels werden zwei schöne Preise vergeben.Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.Einsendungen an graz@comunista.atICH MÖCHTEO die r0tcrowd immer gratis zugeschickt bekommenO die nVs – neue Volksstimme. Texte, Argumente, Berichte(4 Ausgaben/Jahr) um 15,-- EuroO Informationen über den KSVO von Euch per E-Mail / Telefon kontaktiert werdenO in den r0tcrowd-Newsletter-Verteiler (linke News,Veranstaltungstipps etc.) aufgenommen werden.O Pickerl in Hülle und FülleBITTE FRANKIEREN,FALLS MARKEZUR HAND !GrazGraz<strong>Kommunistischer</strong>StudentInnenVerbandName: _________________________________________________________Anschrift: ____________________________________________________________________________________________________________________________________________Tel., E-Mail: ____________________________________________________www.comunista.atLagergasse 98a,8020 GrazE-Mail:graz@comunista.atwww.comunista.atfacebook.com/ksvgrazfacebook.com/ksvmedunigraz

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!