Downloads - Kommunistischer StudentInnenverband
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0tcrowd<br />
1<br />
# 12 | März 2008<br />
stadtblatt für verschwenderische selbstbestimmung in allen lebensbereichen<br />
Schwerpunkt:<br />
Nie wieder Faschismus!<br />
Nie wieder Krieg! !/#<br />
!/# ## –#<br />
außerdem:<br />
# $<br />
& $ ##<br />
$<br />
# $ $<br />
$ $ Ausblick auf die geplante UG-Novelle S. 4 6<br />
Zur sozialen Lage der Studierenden !/# S. 8 9<br />
Stagnation an der Meduni S. !/ 10 13 q<br />
Streik in Hollywood S. 22 23
2 UNI<br />
r0tcrowd<br />
KSV: Nein zu Studiengebühren<br />
und Zugangsbeschränkungen!<br />
Der Kommunistische StudentInnenVerband (KSV) sagt deutlich „Nein!“<br />
zu den Vorschlägen von Bildungsminister Hahn und dem Vorsitzenden der<br />
Rektorenkonferenz Badelt, Zugangsbeschränkungen für Masterstudien<br />
einzuführen. Eine Aufstockung des Bildungsbudgets ist ein Gebot der Stunde.<br />
Studie verdeutlicht:<br />
Bildung ist eine Klassenfrage<br />
Erst vor kurzem veröffentlichte das<br />
Bildungsministerium eine Studie wonach<br />
die Zugangsbeschränkungen diskriminierend<br />
sind und zwar doppelt. Einerseits<br />
werden Studierende aus Elternhäusern mit<br />
niedrigen Einkommen schwer benachteiligt,<br />
andererseits sind die Aufnahmeverfahren<br />
so konzipiert, dass Männer besser abschneiden<br />
als Frauen. Außerdem haben sich die<br />
Zugangsbeschränkungen in den meisten<br />
Fächern ohnehin als überflüssig herausgestellt.<br />
Österreich belegt unter den OECD-Ländern<br />
den vorletzten Platz bei der AkademikerInnenquote.<br />
Soll sich das ändern, müssen<br />
zuallererst Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen<br />
fallen.<br />
Die Pläne des Ministeriums, mit den Ergebnissen<br />
dieser Studie umzugehen, kann man<br />
nur als lachhaft bezeichnen. An einigen Schulen<br />
will man Probetests einführen, weitere<br />
Maßnahmen sollen erst im Jahr 2009 folgen.<br />
„Wer heute an der Bildung spart, hat morgen<br />
noch schlechtere Politiker“, warnt der KSV vor<br />
den Auswirkungen der herrschenden Bildungspolitik.<br />
ÖH-Führung übt keinen Druck aus<br />
„Die derzeitige ÖH-Führung macht es bestimmten<br />
Herrschaften sehr leicht, sich so<br />
weit aus dem Fenster zu lehnen. Es ist traurig,<br />
dass der Minister nicht zurückrudern<br />
muss, weil die Studierendenvertretung Druck<br />
ausübt“, meint Sebastian Wisiak, Mandatar<br />
des KSV in der ÖH-Bundesvertretung.<br />
Für den KSV kommt nur eine komplette<br />
Abschaffung der Zugangsbeschränkungen<br />
an den Universitäten in Frage. Bildung ist<br />
und bleibt ein Menschenrecht und muss daher<br />
allen ÖsterreicherInnen vom Staat gewährt<br />
werden. Das stellte der Kommunistische<br />
StudentInnenVerband als Reaktion auf<br />
die Ankündigung von Minister Hahn fest,<br />
die bestehenden Beschränkungen für StudienanfängerInnen<br />
fortzuschreiben.<br />
Ansturm aus Deutschland<br />
Durch den Spruch des Europäischen Gerichtshofs,<br />
der die österreichische Regelung,<br />
ausländische StudienwerberInnen nur zuzulassen,<br />
wenn sie in ihrem Herkunftsland einen<br />
Studienplatz vorweisen können, aufgehoben<br />
hat, zeigt sich einmal mehr, dass die<br />
EU Österreich nicht gut tut. Ob in der Frage<br />
des Uni-Zuganges, des Transits, der Militarisierung<br />
oder der Privatisierung des Wassers<br />
(um nur einige Beispiele zu nehmen) werden<br />
durch die EU Maßnahmen durchgepeitscht,<br />
die den Interessen der österreichischen<br />
Bevölkerung widersprechen. Um<br />
dem entgegenzuwirken ist für den KSV der
0tcrowd<br />
UNI<br />
3<br />
EU-Austritt ein gangbarer Weg. Dass das den<br />
wirtschaftlichen Ruin Österreichs bedeuten<br />
würde, kann man leicht mit einem Verweis<br />
auf den Nachbarn Schweiz widerlegen, der<br />
gerade dank der Nicht-Mitgliedschaft gut<br />
fährt.<br />
Bildungsbudget aufstocken,<br />
Militärausgaben senken!<br />
Während das Budget gemessen am BIP für<br />
die Unis seit 1998/99 gesunken ist, sind wir<br />
ZeugInnen einer jährlichen Aufstockung des<br />
Militärbudgets. Wollen wir Österreich in den<br />
nächsten zehn Jahren nicht in eine Krise stürzen,<br />
muss rasch gehandelt werden. Berechnungen<br />
der steirischen Ärztekammer ergaben,<br />
dass wir beim derzeitigen Ausbildungsniveau<br />
in zehn Jahren ein Minus von 1.000 MedizinerInnen<br />
haben werden. Dabei ist der derzeit<br />
bestehende Ärztemangel noch gar nicht berücksichtigt.<br />
Niedergelassene ÄrztInnen haben für<br />
PatientInnen kaum mehr Zeit als fünf Minuten,<br />
in den Krankenhäusern wartet man<br />
stundenlang an den Ambulanzen, die Wartezeit<br />
für die operative Behandlung eines<br />
grauen Stars beträgt, wenn man keine Zusatzversicherung<br />
vorweisen kann, oft mehr<br />
als ein Jahr.<br />
Durch die Abschaffung der Höchstbemessungsgrundlage<br />
bei der Krankenversicherung<br />
und die Besteuerung von Millionärsvermögen<br />
kann man genügend Geld<br />
bereitstellen, um Bildungs- und Gesundheitssystem<br />
auf lange Zeit abzusichern und<br />
auszubauen.<br />
VOTA COMUNISTA!<br />
r0tcrowd # 12 | März 2008<br />
Herausgeber und Medieninhaber:<br />
<strong>Kommunistischer</strong> StudentInnenVerband Graz<br />
Lagergasse 98a | 8020 Graz<br />
MitarbeiterInnen dieser Ausgabe:<br />
Philipp Funovits, Maria Helene Koller, Jakob Matscheko,<br />
Andreas Nitsche, Anna Steiner, Klemens Wallner, Hanno<br />
Wisiak, Sebastian Wisiak, Belinda Zangerl, Harald Zeidler<br />
und Tibor Zenker.<br />
Namentlich gekenntzeichnete Beiträge müssen nicht der Auffassung<br />
der Redaktion entsprechen.<br />
Herstellerin: Hausdruckerei der KPÖ-Graz<br />
Redaktion: Andreas Nitsche und Hanno Wisiak<br />
Lektorat : Kornelia Wagner<br />
Layout: Han-Do<br />
rotcrowd@hotmail.com<br />
Impressum<br />
von Andreas Nitsche<br />
Kommentar<br />
Verbesserungen erkämpfen!<br />
Wer kennt das nicht – man hat alle Vorraussetzungen erfüllt und kommt<br />
trotzdem nicht in Seminare oder Labors. Das Resultat ist meist eine<br />
unverschuldete Verlängerung der Studiendauer, inklusive Nebenerscheinungen<br />
wie zum Beispiel länger Studiengebühren zahlen, Verlust von<br />
Familien- und Studienbeihilfe etc.<br />
Solche Probleme sind vielschichtig. Es beginnt beim viel zu niedrigen<br />
Budget für die Unis, der zusätzlichen indirekten Kürzung der Budgets<br />
über Trickserein der Bundesimmobiliengesellschaft und endet mit den<br />
nicht ausreichenden räumlichen Kapazitäten und den zu wenigen<br />
ProfessorInnen.<br />
In Anbetracht des noch nie da gewesenen Reichtums in Österreich sind<br />
solche Probleme an den Universitäten eigentlich absurd, denn genügend<br />
Geld wäre vorhanden. Das zeigt auch das stetig wachsende Budget<br />
für das Militär.<br />
Die Uni-Graz taucht aber in das tiefste Absurdistan, denn in der Satzung<br />
der KFU ist festgehalten, dass die/der StudiendirektorIn, bei Lehrveranstaltungen<br />
mit beschränkter TeilnehmerInnenzahl für die Abhaltung<br />
von Parallellehrveranstaltungen Sorge zu tragen hat, falls die Anzahl der<br />
Anmeldungen die in Summe zur Verfügung stehende Anzahl an Plätzen<br />
übersteigt. Diese Pflicht wird aber jedes Jahr konsequent ignoriert.<br />
In meiner Studienrichtung, Pharmazie, wurde Dank starken und ausdauernden<br />
Druck von Seiten der Studierenden und der ProfessorInnen einige<br />
Zusatzlabore in den Semesterferien bewilligt. Da aber die Uni ohne<br />
Rücksprache mit dem Institut mit Umbauarbeiten im Februar begann,<br />
fielen diese ins Wasser. Zumindest wurden Labore in den Sommerferien<br />
in Aussicht gestellt!<br />
Ziel ist es, auch den zukünftig betroffenen Studierenden eine Studienverlängerung<br />
zu ersparen und ihnen solche Zusatzlabore – auch in anderen<br />
Studienrichtungen – zu erkämpfen. Natürlich kann dies nur eine<br />
Notlösung darstellen, da diese Problematik ja jedes Semester auftritt. Es<br />
zeigt sich aber wieder, dass gemeinsames Handeln der Studierenden<br />
Veränderungen zum Positiven bewirken kann.<br />
ANDREAS NITSCHE (22) ist Vorsitzender des KSV-Graz, Mandatar der<br />
Universitätsvertretung und Studienvertreter für Pharmazie
4 UNI<br />
r0tcrowd<br />
Stochern im Brackwasser<br />
großkoalitionärer Bildungspolitik<br />
Ein Ausblick auf geplante Novelle des UG2002<br />
Im letzten Frühjahr kündigte der damals erst kurz im Amt befindliche<br />
Wissenschaftsminister Hahn eine Novelle des Universitätgesetzes 2002<br />
(UG2002) an. In den letzten Jahren vor ihrer Ablöse galt unter seiner<br />
Vorgängerin Elisabeth Gehrer die Devise, dass am „großen Wurf“ kein<br />
Jota geändert werden dürfe.<br />
von PHILIPP FUNOVITS<br />
Mit dem Wunsch nach der Bereinigung offensichtlicher<br />
redaktioneller Versehen oder<br />
der Beseitigung unsinniger oder nicht durchführbarer<br />
Bestimmungen, beispielsweise im<br />
Bereich der Berufungs- und Habilitationsverfahren,<br />
stießen die Universitäten seit Jahren<br />
auf taube Ohren. Die einzigen beiden substantiellen<br />
Änderungen wurden Gehrer<br />
durch den Verfassungsgerichtshof, der eine<br />
Reparatur des Leistungsvereinbarungs-Paragraphen<br />
verlangte, und das EuGH-Urteil, auf<br />
das die ÖVP mit der Einführung von Zugangsbeschränkungen<br />
reagierte, widerwillig<br />
abgetrotzt. Kein Wunder, dass Hahns Aufruf<br />
an die so genannten Stakeholder, Vorschläge<br />
für die Überarbeitung des viel geschmähten<br />
Universitätsgesetzes zu liefern, zunächst breites<br />
Wohlwollen und hektische Aktivität unter<br />
den handelnden AkteurInnen hervorrief.<br />
Großkoalitionäre Begehrlichkeiten und<br />
die Liebe zum Postenschacher<br />
Tatsächlich kamen von den mit der Materie<br />
befassten MinisterialbeamtInnen bald interessierte<br />
Rückfragen an die AutorInnen der einen<br />
oder anderen Stellungnahme. Obwohl<br />
kleine Modifikationen zum Positiven möglich<br />
schienen, war schnell klar, dass an den zentralen<br />
Leitlinien des UG2002 nicht gerüttelt<br />
werden würde. In der öffentlichen Diskussion<br />
war deutlich wahrnehmbar, dass<br />
großkoalitionäre Begehrlichkeiten, die Liebe<br />
zum Postenschacher und medienwirksame<br />
Ad-hoc-Politik den Blick auf die wesentlichen<br />
Fragen vollkommen verstellt. Dazu zwei Beispiele:<br />
Im vergangenen Jahr gelang es mehreren<br />
der ärgsten Despoten unter den Rektoren<br />
nicht, sich trotz eines gemeinsamen Hau-<br />
Rucks von alten Herren des Cartellverbandes<br />
in den Senaten und VP-Parteischranzen, ihre<br />
Wiederwahl zu sichern. Unmittelbar danach<br />
wurden Stimmen im Umfeld der Konservativen<br />
laut, die eine Gesetzesänderung forderten,<br />
die die automatische Aufnahme des amtierenden<br />
Rektors in den Dreiervorschlag zur<br />
Wahl sichern sollte. Auf Seiten der SPÖ wurde<br />
umgekehrt die Forderung nach einer<br />
Frauenquote in Universitätsräten getrommelt,<br />
nachdem die Senate bei ihren Nominierungen<br />
in der überwiegenden Zahl Männer bestellten.<br />
SPÖ stellt zentrale Fragen nicht mehr<br />
Broukal hielt der SPÖ zugute, dass sie bei<br />
dem ihr zustehenden Kontingent an<br />
Universitätsrats-Mitgliedern nur Frauen bestellen<br />
würde. Die Frage, ob der Universitätsrat,<br />
ein aus universitätsfremden Personen bestehendes<br />
Organ, überdies zur Hälfte per Dekret<br />
aus den Parteizentralen besetzt und keiner<br />
Instanz verantwortlich sei, nicht von<br />
vorneherein abgeschafft gehöre, wird da nicht<br />
mehr gestellt. Um sich in der Diskussion um<br />
die arg verstümmelte Schulreform etwas Luft<br />
zu verschaffen, ließ ausgerechnet Bildungsministerin<br />
Schmied zuletzt mit der Forderung<br />
nach Zugangsbeschränkungen für das Lehramtsstudium<br />
aufhorchen.
0tcrowd<br />
UNI<br />
5<br />
„straffere“ Unileitung statt Demokratie<br />
Tatsächlich ist die inneruniversitäre Machtverteilung<br />
eine der zentralen Fragen, die zu<br />
lösen wären. In letzter Zeit rückte daher nicht<br />
das so genannte Leitungsdreieck der Universitäten,<br />
bestehend aus Universitätsrat, Rektorat<br />
und Senat, in den Mittelpunkt der Diskussion.<br />
Die RektorInnen wünschen sich<br />
selbstverständlich eine weitere Schwächung<br />
und Aushöhlung der letzten verbliebenen demokratischen<br />
Elemente der universitären<br />
Selbstverwaltung und ziehen dabei an einem<br />
Strang mit mächtigen Interessenvertretungen<br />
wie der Industriellenvereinigung (IV), die am<br />
31. Jänner mit gewaltigem Getöse ihre Vorstellungen<br />
im Rahmen ihres Papiers „Hochschulen<br />
für die Zukunft“ deponiert hat.<br />
Organisationsrechtlich ist die IV schnell mit<br />
guten Rezepten bei der Hand: Unter anderem<br />
soll die Wahl des Rektors bzw. der Rektorin<br />
alleine dem Universitätsrat überlassen werden<br />
und damit das Vorschlagsrecht des Senates<br />
fallen und seine wichtigste verbliebene<br />
Agenda, abgesehen von der Erlassung der Satzung,<br />
nämlich die Erstellung der Curricula,<br />
dem Rektorat zugeschlagen werden. Hahn<br />
beeilte sich schon zuvor zu versichern, dass<br />
er auch eine „straffere“ Universitätsleitung<br />
wolle und für eine Aufwertung der<br />
Universitätsräte und RektorInnen zu haben<br />
sei, während Broukal daraufhin gegenüber der<br />
Wiener Zeitung angab, „gegen eine völlige<br />
Beseitigung der Senate“ zu sein.<br />
Schlechte Karikatur eines Aufsichtsrates<br />
Die ursprüngliche Konzeption, dass der<br />
Universitätsrat als objektive Instanz die Entwicklung<br />
der Universität begleitet und gleichzeitig<br />
Aufgaben der früher dichter strukturierten<br />
Aufsicht durch das Bundesministerium<br />
übernimmt, entspricht nicht der Realität. Tatsächlich<br />
ist er nur eine schlechte Karikatur<br />
des Aufsichtsrates einer Kapitalgesellschaft.<br />
Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass<br />
Universitätsräte drastische Fehlentwicklungen<br />
oder Missstände an ihrer Universität<br />
tolerieren und gleichzeitig risikoreiche<br />
Prestigeprojekte forcieren oder gutheißen,<br />
ohne auch nur annährend die Implikationen,<br />
die diese für den Forschungs- und Lehrbetrieb<br />
mit sich bringen, überschauen zu können. Der<br />
Universitätsrat als Gremium hat sich nicht<br />
bewährt. Seine Mitglieder sind entweder<br />
schlecht informiert oder betreiben Klientelpolitik<br />
zu Gunsten ihrer EinflüsterInnen oder<br />
der ihnen nahe stehenden politischen Parteien<br />
und Institutionen. Unter den Mitgliedern<br />
der Universitätsräte finden sich nicht selten<br />
die Manager einflussreicher Industriebetriebe<br />
und Konzerne, die diesen Einfluss auf universitäre<br />
Forschung und Lehre ungeniert nutzen,<br />
um die Universitäten zu verlängerten<br />
Werkbanken zu degradieren. Die Bestimmungen,<br />
die ausschließen, dass PolitikerInnen als<br />
Mitglieder im Universitätsrat tätig werden,<br />
waren erfahrungsgemäß vollkommen unzureichend,<br />
um den Zweck zu erreichen, politische<br />
und wirtschaftliche Einflussnahme auf<br />
die autonomen Universitäten zu unterbinden.<br />
Unirat verzögert nur die Entscheidungsfindung<br />
Die Zusammenarbeit zwischen Rektorat<br />
und Senat, dem höchsten Kollegialorgan der<br />
Universität, das neben gewählten VertreterInnen<br />
der anderen Kurien mindestens 25<br />
Prozent Studierende umfasst, verläuft an keiner<br />
Universität friktionsfrei; allerdings ist sie<br />
beinahe überall geprägt von intensivem<br />
Informationsaustausch und hoher inhaltlicher<br />
Kompetenz der Beteiligten. Der<br />
Interessenausgleich zwischen Rektorat und<br />
Senat trägt selbst in Konfliktfällen am Ende<br />
zu einer Verbesserung der Qualität der Entscheidungen<br />
bei. ><br />
Auch nach dem Abgang von<br />
Ministerin Gehrer änderte<br />
sich an der Ausrichtung<br />
der österreichischen<br />
Hochschulpolitik<br />
gar nichts.
6 UNI<br />
r0tcrowd<br />
Während das Rektorat Strategien und<br />
Ordnungsvorschriften entwickelt und vorschlägt,<br />
bietet der Senat eine Rückkoppelung<br />
mit den VertreterInnen der Universitätsangehörigen<br />
und versöhnt Konzepte des Rektorats<br />
mit der Planung und Organisation des<br />
akademischen Lehrbetriebs. Das Dreieck, das<br />
die drei obersten Leitungsgremien aufspannt,<br />
trägt demgegenüber nichts bei und<br />
stört lediglich die enge Zusammenarbeit von<br />
Senat und Rektorat. Das weite Spektrum der<br />
vom Universitätsrat zu genehmigenden Materien<br />
verzögert nur die Entscheidungsfindung<br />
ohne etwas beizusteuern, da von<br />
ihm kaum konzeptive Impulse ausgehen.<br />
Der einzige Schritt, der eine wesentliche<br />
Verbesserung des Status quo durch eine minimale<br />
Veränderung des bestehenden Systems<br />
erreichen könnte, wäre eine ersatzlose<br />
Abschaffung des Universitätsrates. Nach dem<br />
Ende der laufenden Funktionsperiode sollte<br />
er schlicht nicht neu bestellt werden und seine<br />
Aufgaben und Befugnisse auf Senat (kontrollierende)<br />
und Rektorat (operative) übertragen<br />
werden. Der Teil der Agenden der<br />
Universitätsräte, der die Kontrolle des wirtschaftlichen<br />
Erfolges der Universitäten umfasst,<br />
sollte zurück an den Bund fallen.<br />
Intransparenz und Freunderlwirtschaft<br />
Auch unterhalb der Leitungsebene der<br />
Universität sollte man einen Schritt zurückgehen,<br />
um der dort wuchernden Willkür Einhalt<br />
zu gebieten. Einer der stärksten Kritikpunkte<br />
am bestehenden Gesetz ist der autokratische<br />
Organisationsaufbau, der<br />
Intransparenz, Freunderlwirtschaft, Verschwendung<br />
und Fehlentscheidungen<br />
geradezu herausfordert, indem er die Kontrolle<br />
über Geld und Personal in die Hände<br />
einiger weniger Einzelpersonen konzentriert,<br />
die den von ihren Entscheidungen Betroffenen<br />
keinerlei Rechenschaft schuldig sind.<br />
Während im UOG93, dem Vorgängergesetz,<br />
einer monokratischen EntscheidungsträgerIn,<br />
immer ein Kollegialorgan, das von<br />
Lehrenden, Studierenden und allgemeinem<br />
Personal beschickt wurde, gegenüberstand,<br />
sieht das UG2002 keine Mechanismen vor,<br />
die die Allmacht des Leiters bzw. der Leiterin<br />
eine Organisationseinheit ausbalancieren.<br />
Bei der Einrichtung der Organisationseinheiten<br />
(Departments, Fakultäten, Institute,<br />
usf.) wäre daher die Einführung<br />
entscheidungsbefugter Kollegialorgane unterhalb<br />
der Leitungsebene mit einem Mitspracherecht<br />
beim Abschluss der Zielvereinbarungen<br />
mit dem Rektorat vorzusehen.<br />
Mit Spannung wird an den Universitäten<br />
der Begutachtungsentwurf erwartet, der für<br />
das Sommersemester angekündigt wurde.<br />
Noch ist, selbst aus informellen Kanälen, wenig<br />
zu erfahren, da das koalitionäre Hacklziehen<br />
um die Ausgestaltung der zentralen<br />
Bestimmungen noch voll im Gange ist. Für<br />
diejenigen, die die Entwicklung des österreichischen<br />
Hochschulrechtes seit Jahren aufmerksam<br />
verfolgen, ist eines klar: Bis jetzt ist<br />
es seit Firnberg noch jedem für die Universitäten<br />
zuständigen Minister gelungen, im<br />
gesetzgeberischen Limbo den jeweiligen Vorgänger<br />
zu unterbieten.<br />
PHILIPP FUNOVITS war von 2003 bis 2005 Vorsitzender<br />
der ÖH Uni-Graz und ist bildungspolitischer<br />
Betrater der KPÖ-Steiermark
0tcrowd<br />
AUS DER BUNDESVERTRETUNG<br />
7<br />
Absage an die Demokratie<br />
Die 2. ordentliche ÖH-Bundesvertretungssitzung unter FLÖ/GRAS/VSStÖ<br />
brachte einige heikle Entwicklungen ans Tageslicht.<br />
von SEBASTIAN WISIAK<br />
Der Antrag des KSV in Österreich eine<br />
Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag<br />
zu fordern wurde abgelehnt. Ein<br />
Fachschaftslistenmandatar von der TU-Graz<br />
sagte in einer Sitzungspause – außerhalb des<br />
Protokolls – er halte die Österreicher für zu<br />
dumm, um darüber selbst zu entscheiden.<br />
Diese Tatsache ist äußerst bedenklich. Gerade<br />
weil die ÖH, die jede Gelegenheit nutzt<br />
um das neue HochschülerInnenschaftsgesetz<br />
als undemokratisch<br />
zu brandmarken,<br />
sich nun<br />
selbst gegen die Demokratie<br />
stellt. Der<br />
Gegenantrag der Grünen,<br />
der sich für eine<br />
EU-weite Abstimmung<br />
über jeden einzelnen Punkt (!) des Vertrags<br />
aussprach, kann nicht einmal gut gemeint,<br />
sondern nur realitätsfremd genannt<br />
werden. Trotzdem wurde er angenommen...<br />
Ein weiterer bedenklicher Punkt ist die Absage<br />
des Studiengebührenboykotts. Wurde im<br />
Jänner 2007 der Beschluss desselben beinahe<br />
einstimmig gefällt, haben sich mittlerweile alle<br />
Fraktionen mit Ausnahme des KSV von dem<br />
Vorhaben verabschiedet (ein einziger Mandatar<br />
konnte die Ehre der Fachschaftslisten auch<br />
nicht retten). Die Begründungen dafür reichten<br />
von der Annahme, es würden nicht genügend<br />
Studierende teilnehmen (warum war<br />
man ein Jahr zuvor anderer Ansicht?) bis zur<br />
grotesken Ansicht ein Nichtzustandekommen<br />
würde dem Ruf der ÖH schaden. Ja genau!<br />
Die ÖH, die alle Jahre wieder daran scheitert<br />
ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen<br />
und mit 30 Prozent Wahlbeteiligung kämpfen<br />
muss, fürchtet um ihr Image, wenn sie<br />
einmal mehr täte als Worthülsen zu produzieren.<br />
„<br />
Genau die ÖH, die alle Jahre<br />
wieder daran scheitert, ihren<br />
Forderungen Nachdruck zu<br />
verleihen, fürchtet um ihr Image.<br />
pe kein einziger Antrag kam. Noch schlimmer<br />
aber, dass in den meisten Ausschusssitzungen,<br />
wo traditionell die größte<br />
Oppositionsfraktion den Vorsitz stellt, die<br />
AG-Vorsitzenden nicht einmal erschienen<br />
sind...<br />
Die erfreuliche Nachricht: Der KSV-Vorschlag<br />
das Studienberechtigungsprüfungsgesetz<br />
zu überarbeiten fand Anklang. Die Zugangsvoraussetzungen<br />
sind in Zeiten, in denen<br />
man die AkademikerInnenquote steigern<br />
möchte, erst recht nicht<br />
mehr zeitgemäß. Abgeschafft<br />
werden sollen<br />
der erforderliche Lehrabschluss<br />
für unter<br />
22jährige, sowie die<br />
Aufenthaltspflicht<br />
von fünf Jahren für in<br />
Österreich lebende (auch deutschsprachige)<br />
AusländerInnen. Bleibt die Frage, ob sich die<br />
Mühe lohnt. Denn ob der überarbeitete Vorschlag<br />
auch angenommen wird, hängt von<br />
der Durchsetzungskraft der ÖH-Exekutive ab.<br />
SEBASTIAN WISIAK ist Mandatar des KSV<br />
in der Bundesvertretung der Studierenden<br />
Im Dezember 2006 noch<br />
einhellig beschlossen,<br />
jetzt mit fadenscheinigen<br />
Argumenten abgeblasen:<br />
der Studiengebührenboykott<br />
Die größte Fraktion in der Bundesvertretung,<br />
die schwarze Aktionsgemeinschaft, hat vor<br />
allem durch Faulheit geglänzt. Schlimm<br />
genug, dass von der 20 Mandate starken Grup-
8 UNI<br />
r0tcrowd<br />
Zur sozialen Lage der<br />
Studierenden<br />
Ende 2007 erschienen die Ergebnisse der 2006 vom IHS im Auftrag des<br />
BMWF durchgeführten Studie zur sozialen Lage der Studierenden an<br />
Österreichs Universitäten. 1 Es sollen hier nur einige interessante Aspekte<br />
herausgegriffen werden, um die Probleme, die die meisten von uns kennen<br />
mit Zahlen zu belegen und die richtigen Konsequenzen zu ziehen.<br />
von HARALD Z EIDLER<br />
Soziale Herkunft: Weniger Studierende<br />
aus „bildungsfernen“ Schichten<br />
Unter den StudienanfängerInnen sind die<br />
sogenannten bildungsfernen Schichten stark<br />
unterrepräsentiert. Während zwei Drittel der<br />
Männer der Vätergeneration 2 über einen<br />
Pflichtschul- oder Lehrabschluss verfügen,<br />
gilt dies nur für ein Drittel der Väter von<br />
StudienanfängerInnen. Umgekehrt haben die<br />
Väter von StudienanfängerInnen doppelt so<br />
oft eine universitäre Ausbildung abgeschlossen<br />
wie Männer der Vätergeneration. An Universitäten<br />
beträgt diese Überrepräsentanz das<br />
2,5fache, an FHs ist sie mit dem „nur“ 1,5fachen<br />
deutlich geringer. Bei den Müttern von<br />
StudienanfängerInnen stellen sich die Relationen<br />
ähnlich dar. Mütter von StudienanfängerInnen<br />
haben mehr als doppelt so oft einen<br />
universitären Abschluss wie die Mütter der<br />
Vergleichsgeneration. Was den Beruf der Eltern<br />
anlangt, sind 9,1 Prozent der Väter der<br />
StudienanfängerInnen Arbeiter gegenüber<br />
30,1 Prozent in der Vätergeneration, bei den<br />
Müttern liegen die Anteile mit 4,5 bzw. 24,6<br />
Prozent relativ noch extremer auseinander.<br />
Bei den Studierenden insgesamt ist der Anteil<br />
aus niedrigeren sozialen Schicht 3 zurückgegangen,<br />
ob dies an kürzeren Studiendauern oder<br />
schnelleren Studienabbrüchen liegt, kann aus<br />
dem Datenmaterial nicht herausgelesen werden.<br />
Studienhindernis: Arbeiten um zu überleben<br />
Unter den jüngeren Studierenden werden<br />
vor allem überfüllte Hörsäle und Informationsdefizite<br />
als das Studium beeinträchtigende<br />
Faktoren genannt, mit zunehmendem Alter<br />
vermehren und verschieben sich die<br />
Studienhindernisse hin zu finanziellen<br />
Schwierigkeiten und zu Vereinbarkeitsproblemen<br />
mit einer Erwerbstätigkeit.<br />
In den Kategorien „überfüllte Hörsäle“ und<br />
„kein Platz in der LV“ zählen die Uni Wien<br />
und die MedUni Wien zu den „Spitzenreitern“<br />
35,8 Prozent der Studierenden an der Uni Wien<br />
und 35,4 Prozent derer an der MedUni Wien<br />
meinen, dass überfüllte Hörsäle ein Studienhindernis<br />
an ihren Unis darstellen (MedUni<br />
Innsbruck: 38,6 Prozent). Keinen Platz in einer<br />
LV zu bekommen sehen 29,5 Prozent an der<br />
MedUni Wien und 25,9 Prozent an der Uni<br />
Wien als Studienhindernis (MedUni Graz: 31,8<br />
Prozent und Uni Graz: 30,3 Prozent).<br />
Die oben angesprochene Erwerbstätigkeit<br />
verdeutlicht laut den AutorInnen der Studie<br />
(Unger, Wroblewski) wahrscheinlich am anschaulichsten<br />
die Heterogenität der<br />
Studierendenschaft. 42 Prozent der Studierenden<br />
sind während des Semesters voll und weitere<br />
18 Prozent gelegentlich erwerbstätig. Von<br />
den restlichen 40,2 Prozent waren aber 60 Prozent<br />
während der letzten 12 Monate in den<br />
Ferien erwerbstätig. Die Erwerbsbeteiligung<br />
der Studierenden variiert stark nach Universität<br />
und Studienrichtung. Die WU Wien liegt<br />
mit einem Anteil von 72,2 Prozent ihrer Studierenden,<br />
die während des Semesters regelmäßig<br />
oder gelegentlich arbeiten österreichweit<br />
an dritter Stelle (hinter dem Mozarteum Salzburg<br />
und der Musik Wien), an der BOKU und<br />
der MedUni sind die Anteile mit 47 bzw. 46,5<br />
Prozent deutlich geringer. Fast zwei Drittel der<br />
Studierenden der Geistes-, der Sozial- und der<br />
Wirtschaftswissenschaften, aber „nur“ 55 Prozent<br />
der Technischen Studiengänge sind während<br />
des Semesters berufstätig.<br />
Die stärkste Korrelation mit dem Ausmaß<br />
der Erwerbstätigkeit weist das Alter auf. Die<br />
Erwerbstätigkeit steigt mit der Fortdauer des
0tcrowd<br />
UNI<br />
9<br />
Studiums (und dem Alter) an. Während die/<br />
der durchschnittliche Studierende 11,5h in<br />
der Woche erwerbstätig ist, sind es bei den<br />
unter 20jährigen 4 Stunden/Woche, bei den<br />
25jährigen 11,5 Stunden/Woche und bei den<br />
30jährigen fast 31 Stunden/Woche, dies<br />
wohlgemerkt jeweils inklusive der Nicht-Erwerbstätigen.<br />
Die Motive für die Erwerbstätigkeit liegen hier<br />
durchaus nicht im Bereich der Selbstverwirklichung,<br />
sondern sind finanziellen Schwierigkeiten<br />
geschuldet. So arbeiten nur 47,8 Prozent aus<br />
Interesse und 47,7 Prozent, weil sie damit ihre<br />
Arbeitsmarktchancen erhöhen. Im Gegensatz<br />
dazu sind 72,4 Prozent der Studierenden erwerbstätig,<br />
weil es für die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes<br />
unbedingt notwendig ist.<br />
Vor allem der hohe Leistungsdruck führt oft<br />
zu stressbedingten Beschwerden, wie zum<br />
Beispiel Magenschmerzen, Kopfschmerzen<br />
oder Schlafstörungen. So ist nur ein Drittel<br />
der Studierenden nicht von solchen betroffen.<br />
30 Prozent der Studierenden sind von psychischen<br />
Problemen betroffen, aber nur die<br />
Hälfte der Betroffenen kennt die Psychologische<br />
StudentInnenberatung.<br />
Beihilfensystem: Kaum StipendiatInnen<br />
Der von vielen Studierenden angeführte Teufelskreis<br />
aus mangelhafter Beihilfenunterstützung,<br />
aufgenommener Berufstätigkeit,<br />
langsameren Studienfortschritts und den damit<br />
oft verbundenen Verlust von Beihilfenzahlungen,<br />
lässt uns zum Problemfeld<br />
„Beihilfensystem“ kommen. Zu kritisieren ist<br />
dabei beispielsweise, dass das Elterneinkommen<br />
bei Scheidungskindern oft kein aussagekräftiger<br />
Maßstab für die Zuerkennung<br />
bzw. Berechnung der Studienbeihilfe ist, sowie<br />
dass der Bezug der Studienbeihilfe und<br />
die Möglichkeit des Kaufs des Semestertickets<br />
für Studierende an das Alter gebunden sind.<br />
Dies stellt eine Benachteiligung für Studierende,<br />
die erst später mit dem Studium begonnen<br />
haben, dar.<br />
Lediglich 24,2 Prozent der Studierenden erhalten<br />
ein staatliches Stipendium. Dies<br />
inkludiert 18,5 Prozent die Studienbeihilfe bekommen,<br />
5,4 Prozent die ein SelbsterhalterInnenstipendium<br />
und 0,2 Prozent die ein<br />
Studienabschlussstipendium beziehen. Weitere<br />
2,2 Prozent erhalten kein staatliches Stipendium,<br />
aber den Studienzuschuss. Informationen<br />
zu sämtlichen Stipendien sind über<br />
www.stipendium.at abrufbar. Auffallend ist, dass<br />
die AutorInnen zum Schluss gelangen, dass<br />
viele in Frage kommende Studierende das<br />
SelbsterhalterInnenstipendium nicht in Anspruch<br />
nehmen und, dass offensichtlich viele<br />
Studierende mit Kind, die Studienbeihilfe beziehen<br />
und damit anspruchsberechtigt für einen<br />
Kinderbetreuungskostenzuschuss sind,<br />
diesen gar nicht kennen.<br />
Vereinbarkeit von Elternschaft<br />
und Studium nicht gegeben<br />
Für Studierende mit Kind stellt sich die Lage<br />
besonders schwierig dar. Der Anteil der Studierenden<br />
mit Kind ist seit 2002 von 10,8 auf 7,2<br />
Prozent zurückgegangen. Es wird primär auf<br />
familiäre Unterstützungen zurückgegriffen, für<br />
57 Prozent aller studierenden Mütter mit Kindern<br />
bis zwei Jahren ist eine Vereinbarkeit des<br />
Studiums mit den Betreuungspflichten nicht<br />
oder kaum gegeben, bei Müttern mit älteren Kindern<br />
ist der Anteil 40 Prozent.<br />
Schlussbemerkungen<br />
Die Einführung der Studiengebühren stellte<br />
für die meisten Studierenden eine enorme Zusatzbelastung<br />
dar, die eine Reduktion der<br />
Studierendenzahlen zur Folge hatte. Bei der<br />
vorliegenden Studie kristallisieren sich die sozialen<br />
Verwerfungen heraus: Die Berufstätigkeit<br />
ist meistens finanziell erzwungen und will von<br />
den Studierenden oftmals reduziert werden.<br />
Viele Studierende kommen aufgrund ihrer Arbeit<br />
langsamer mit ihrem Studium voran als<br />
geplant. Die Unis haben durch die finanzielle<br />
Aushungerung von Seiten des Staates aber auch<br />
zuwenig Mittel, die Unzufriedenheit mit der<br />
Infrastruktur veranschaulicht dies. Ein größeres<br />
Netz an Kinderbetreuungseinrichtungen<br />
würde wiederum die Lage der Studierenden mit<br />
Kind verbessern. Die Studie zeigt also politisch<br />
bedingte soziale Problemlagen auf, die sich aber<br />
bei Widerstand auf allen Ebenen nicht wie Naturgesetze<br />
weiter verfestigen müssen.<br />
HARALD ZEIDLER studiert Betriebswirtschaft<br />
und Volkswirtschaft an der WU<br />
Wien und ist Mitglied des KSV Wien/KJÖ-<br />
StudentInnen.<br />
Der vorliegende Artikel ist zuerst erschienen<br />
in: Rote Perspektive – Organ des KSV<br />
Wien/KJÖ-StudentInnen.<br />
1 Die Studie ist unter<br />
anderem unter http://<br />
ww2.sozialerhebung.at/<br />
Ergebnisse/PDF/Studierenden<br />
_Sozialerhebung<br />
_2006.pdf zu finden.<br />
2 Die Vätergeneration<br />
umfasst alle Männer,<br />
die im Erhebungsjahr<br />
2006 zwischen 45 und<br />
60 Jahren alt waren.<br />
3 In der Studie kommt<br />
ein Schichtindex zur<br />
Anwendung, der zwischen<br />
einer niedrigen,<br />
einer mittleren, einer<br />
gehobenen und einer<br />
hohen Schicht anhand<br />
von der Bildung und<br />
dem Beruf der Eltern<br />
unterscheidet.
10 MEDUNI<br />
r0tcrowd<br />
„ÖH trägt für kommende<br />
Ausfälle die Mitverantwortung“<br />
Die Meduni Graz ist wegen den Rektorswahlen<br />
ständig in den Schlagzeilen. Was hast du dazu<br />
zu sagen?<br />
Sebastian: Die Rektorswahlen erinnern an<br />
ein Possenspiel. Das viele Hin und Her schar0tcrowd<br />
sprach mit SEBASTIAN WISIAK über die Bilanz der rot-grünen ÖH<br />
an der Meduni Graz, den Verbleib des Vizerektors Reibnegger und wie<br />
man Druck ausüben kann, um Verbesserungen auch wirklich<br />
durchzusetzen.<br />
Das Interview führte MARIA HELENE KOLLER.<br />
r0tcrowd: Ein Semester ist vergangen seit den<br />
letzten ÖH-Wahlen. Wie sieht deine Bilanz aus?<br />
Sebastian Wisiak: Die Bilanz für die rotgrüne<br />
ÖH ist eine Katastrophe. Während in<br />
den letzten Jahren der Routinebetrieb noch<br />
funktioniert hat, konnte die neue Führung<br />
nicht einmal die Herausgabe eines Studienführers<br />
für Medizin gewährleisten. Davon abgesehen<br />
bringen sie keine großen Forderungen<br />
der Studierenden in den Gremien durch,<br />
sie erkennen manchmal nicht einmal die<br />
Mehrheitsverhältnisse und agieren stümperhaft.<br />
Das gilt ebenso für die AG, die auch in<br />
allen Gremien vertreten ist.<br />
Und was hast du in der Zwischenzeit gemacht?<br />
Sebastian: Für den KSV ist weiterhin die<br />
Einbindung der Studierenden das oberste<br />
Gebot. Im Juni habe ich eine Umfrage durchgeführt,<br />
deren Ziel es war herauszufinden,<br />
welche Probleme den Studierenden am dringendsten<br />
erscheinen. Ich bin dafür in Vorlesungen<br />
der ersten vier Studienjahre gegangen.<br />
Insgesamt haben 583 Studierende teilgenommen,<br />
die Ergebnisse sind großteils eindeutig<br />
und wurden sowohl interessierten Studierenden,<br />
als auch den Studienkommissionsmitgliedern<br />
zugeschickt. Unter bastiw@gmx.at<br />
kann man die Umfrageergebnisse anfordern.<br />
Hat die Umfrage schon irgendetwas bewirkt?<br />
Sebastian: Sie hat ihren Sinn erfüllt, nämlich<br />
gezeigt, wo die Studierenden tatsächlich<br />
der Schuh drückt. Ich war selbst von den Ergebnissen<br />
zum Teil überrascht – beispielsweise<br />
ist NBI (eine Informatikveranstaltung)<br />
scheinbar ein größeres Problem als die<br />
schlechte Vereinbarkeit von Studium und<br />
Arbeit. In der Studienkommission werden die<br />
Ergebnisse leider nicht diskutiert, aber ich<br />
glaube nicht, dass man sich langfristig über<br />
die Studierendeninteressen hinwegsetzen<br />
kann. Auch die Warteliste wollte man aussitzen,<br />
was nicht geklappt hat.<br />
Was wirst du jetzt weiter machen?<br />
Sebastian: Kernpunkt ist die Berichterstattung<br />
aus den Studienkommissionssitzungen,<br />
damit endlich bekannt wird, worüber dort<br />
geredet bzw. nicht geredet wird. Mittelfristig<br />
wäre es begrüßenswert, wenn mehr Studierende<br />
sich die öffentlichen Sitzungen selbst<br />
anschauen würden, weil das die Handelnden<br />
unter Druck setzt.
0tcrowd<br />
MEDUNI<br />
11<br />
det dem Ansehen unserer Uni. Skandalös ist,<br />
dass der designierte Rektor Reisinger wieder<br />
abgewählt und durch den hauseigenen Kandidaten<br />
Smolle ersetzt worden ist. Die Begründung<br />
dafür war, dass Reisiger sich länger nicht<br />
gemeldet habe, obwohl er schon vor Monaten<br />
deponiert hatte, in den ersten beiden Februarwochen<br />
nicht erreichbar zu sein. Smolle kann<br />
bei weitem nicht auf so viel Rückhalt bauen –<br />
er hatte anfangs nicht einmal die notwendige<br />
Mehrheit im Senat bekommen und musste erst<br />
nachnominiert werden. Was noch gegen ihn<br />
spricht, ist seine Ablehnung gegenüber mündlichen<br />
Prüfungen und dass er die Rolle der<br />
Vorklinik unterschätzt. Für ihn spricht, dass<br />
er etwas vom Studienplan versteht und sich in<br />
der Studienkommission für die Parallelabhaltung<br />
von Modulen ausgesprochen hat.<br />
Und was sagst du zum restlichen Rektorat?<br />
Sebastian: Da ist vor allem das Vizerektorat<br />
für Studium und Lehre interessant. Ich habe<br />
in einem offenen Brief gefordert, Reibnegger<br />
durch eine Person mit medizinischer Laufbahn<br />
zu ersetzen, weil ich mir von so jemand<br />
besseres Verständnis für die Studiensituation<br />
erwarte. Die ÖH hat sich aber leider für seinen<br />
Verbleib ausgesprochen. Da er geblieben<br />
ist, trägt die ÖH für seine kommenden Ausfälle<br />
die Mitverantwortung.<br />
Stichwort Parallelabhaltung von Modulen.<br />
Wie gehts da weiter?<br />
Sebastian: In der Studienkommission war<br />
eine Mehrheit für die generelle Parallelabhaltung.<br />
Das konnte man aus den Wortmeldungen<br />
von Prof. Liebmann, Prof. Smolle und<br />
Prof. Haas heraushören. Die Studierendenvertreter,<br />
egal ob AG oder rot-grün haben das<br />
nicht erkannt, weil sie sich durch Wortmeldungen<br />
von Angestellten der Organisationsabteilung,<br />
die strikt dagegen sind, ablenken<br />
ließen. Wenn die ÖH beweisen will, dass sie<br />
nicht aus kompletten Versagern besteht, sollte<br />
sie die generelle Möglichkeit zur Parallelabhaltung<br />
durchsetzen, jetzt wo wir einen<br />
Rektor haben, der sich schon dafür ausgesprochen<br />
hat. Bislang haben sie lediglich einen<br />
faulen Kompromiss erwirkt, der nur SSMs<br />
gleichzeitig mit anderen Modulen oder weiteren<br />
SSMs erlaubt.<br />
Aktuelle Informationen gibt es unter<br />
www.comunista.at. Unter bastiw@gmx.at<br />
kann der Newsletter bestellt werden. Eine<br />
E-Mail mit dem Betreff „Newsletter“ genügt.<br />
Die nächsten Studienkommissionssitzung findet<br />
am 4. März, dem 6. Mai und dem 10. Juni<br />
jeweils um 13:00 Uhr im Kutscherwirt statt.<br />
Da die Sitzungen öffentlich sind, ist jede und<br />
jeder herzlich eingeladen vorbeizukommen.<br />
Achtung Altersfalle!<br />
kurz & klein<br />
Mit dem Alter kommen für Studierende zunehmend neue Probleme hinzu.<br />
Wer über 26 Jahre ist, bekommt keine ÖBB- Vorteilscard zum Spartarif<br />
mehr, sondern muss den vollen Preis berappen. Außerdem verlieren<br />
Studierende, die älter als 26 bzw. 27 Jahre sind, ihre Familienbeihilfe.<br />
Nur wer StipendienbezieherIn ist, bekommt die Summe zumeist auf das<br />
Stipendium angerechnet. Das Problem dabei: Das Stipendium wird im<br />
Gegensatz zur Familienbeihilfe bei vielen Angelegenheiten als Einkommen<br />
gewertet, wodurch es geschehen kann, dass man unversehens über<br />
gewisse Einkommensgrenzen rutscht, und somit viele Ansprüche verliert,<br />
etwa auf Befreiung der GIS-Gebühren oder ähnliches. Auch bei der<br />
Wohnbeihilfe kann man so herabgestuft werden.<br />
Gestraft werden hier vor allem Studierende, die nicht gleich nach der<br />
Matura ihr Studium begonnen haben, oder die ihre Matura oder Studienberechtigungsprüfung<br />
erst nach Abschluss einer Lehre und Berufstätigkeit<br />
gemacht haben. Auch jene Studierende, welche einen Studienwechsel<br />
hinter sich haben – etwa weil im „alten“ Fach zu wenig Lehrangebot<br />
war, Wartelisten usw. gedroht hätten – trifft es besonders hart, da sie<br />
oftmals keinen Stipendienanspruch mehr haben oder auch keine Familienbeihilfe<br />
bekommen. Wer also keinen reichen Onkel zur Hand hat, für<br />
den kann es ziemlich eng werden.<br />
Vom Sparen und<br />
vom Geldverschwenden<br />
Wir erleben in Österreich täglich aufs Neue, wie Bildung immer mehr zur<br />
Klassenfrage wird. Bewusst werden Studierende in finanzielle Randlagen<br />
gedrängt, die Universitäten werden kaputtgespart, und somit gezwungen,<br />
sich „strategische Partner“ zu suchen. Dass diese „Partner“ dann die<br />
alleinige Verfügungsgewalt über Inhalt und Ziel von Forschung und Lehre<br />
haben, versteht sich von selbst. Von der KF-Uni Graz zur „McDonalds-<br />
Uni“, von der TU zur „Mateschitz Research“. Letztlich geht es darum,<br />
Bildungszugänge nach sozialem Status zu regeln, und Wissenschaftszweige<br />
nach ihrer ökonomischen Verwertbarkeit zu gliedern.<br />
Wer eine ordentliche Ausbildung will, wird dafür auch ordentlich löhnen<br />
müssen. Der Rest wird höchstens Bakkphilosoph.<br />
Von allen Seiten wird dabei das Argument der fehlenden finanziellen<br />
Mittel vorgebracht. Die Unis wären zu teuer, Bildung für alle sei ein<br />
utopischer Wunschtraum. Unbeantwortet hingegen bleibt die Frage, wo<br />
das Geld denn hingekommen ist. Die Erbschaftssteuer wurde ohne größere<br />
Diskussion von jener Regierung abgeschafft, die behauptet, ohne<br />
Studiengebühren wären Universitäten unfinanzierbar. Dabei brachte<br />
erstere rund 50 Millionen Euro mehr pro Jahr als letztere. Eine Vermögenssteuer<br />
gibt es schon länger nicht mehr, für Kampfeinsätze in Afrika,<br />
für neues Heeresgerät oder für Eurofighter ist trotzdem genug Geld da.<br />
Kein Wunder, wenn es an allen Ecken und Enden am Notwendigen<br />
scheitert. Wer hier beiseite steht und hofft, dass sich diese Schieflage<br />
von selbst lösen wird, irrt! Und es wäre utopisch zu fordern, die Regierung<br />
sollte mehr auf die Leute schauen, denen es im gegenwärtigen<br />
System nicht so gut geht.<br />
Denn Politik bedeutet immer das Durchsetzen von Klasseninteressen!<br />
von JAKOB MATSCHEKO (KSV-Graz)
12 MEDUNI-NEUIGKEITEN<br />
r0tcrowd<br />
Lagebericht aus der Studienkommission Humanmedizin:<br />
Stagnation am laufenden Band<br />
Seit dem Bericht in der r0tcrowd #11 hat die Studienkommission Humanmedizin<br />
dreimal getagt.<br />
Hier die wichtigsten Neuigkeiten zusammengefasst.<br />
von SEBASTIAN WISIAK<br />
NBI/KSR<br />
Langsam und zäh geht die Entwicklung in<br />
dieser Thematik voran. Prof. Egger, der für KSR<br />
verantwortlich ist, ließ sich für die November-<br />
Sitzung entschuldigen. Das nahm der Vorsitzende<br />
der StuKo (Haas, Mathematiker) zum<br />
Anlass, sowohl Diskussionen zu KSR, als auch<br />
zu NBI zu vertagen. Im Dezember war er anwesend<br />
und berichtete – mit dem Ergebnis, dass er<br />
beauftragt wurde, ein Konzept zur Weiterführung<br />
zu entwickeln. In der Jänner-Sitzung<br />
teilte Haas dann mit, dass dieses Konzept im<br />
März zur Abstimmung kommen soll. Haas<br />
möchte auch NBI weiterführen und spricht von<br />
einer guten Akzeptanz unter den Studierenden.<br />
Woher er das hat? Aus persönlichen Gesprächen<br />
(!) mit drei (!) Studierenden aus dem 4. Jahr.<br />
Die Umfrage unter 583 Studierenden, die gezeigt<br />
hat, dass weniger als neun Prozent für den<br />
Verbleib von NBI als Pflichtfach sind wird dezent<br />
unter den Tisch gekehrt. Die roten, grünen<br />
und schwarzen Studierendenvertreter erhoben<br />
keinerlei Einspruch.<br />
Studium und Arbeit<br />
Die in der ersten Sitzung in Erwägung gezogene<br />
Reduktion der Anwesenheitspflicht ist<br />
schon wieder in der Versenkung verschwunden.<br />
Der Student Fandler brachte in der<br />
Novembersitzung an, dass im Studienplan ein<br />
„slow track“ für Berufstätige angedacht ist,<br />
den es nach sechs Jahren noch immer nicht<br />
gibt. Sein Nachsatz: „Darüber brauchen wir<br />
aber nicht heute sprechen“. Im Dezember wurde<br />
dann doch darüber gesprochen und eine<br />
Arbeitsgruppe beschlossen. Diese stellt sich ein<br />
Teilzeitstudium vor, wie es auch auf Bundesebene<br />
vom Wissenschaftsminister angedacht ist.<br />
Man zahlt die Hälfte der Studiengebühren,<br />
darf dafür aber nur die Hälfte der Lehr-<br />
veranstaltungen belegen. Inhaltlich und von<br />
der Aufteilung zwischen Vorlesungen, Seminaren<br />
und Übungen soll alles gleich bleiben.<br />
Nachdem der inzwischen Rektor gewordene<br />
Prof. Smolle die Arbeitsgruppe geleitet hat, ist<br />
unklar, wie schnell sich hier etwas tun wird.<br />
Ausbildungspass<br />
Nachdem bei der OSKE (die noch immer gesetzwidrig<br />
ist) ärztliche Fertigkeiten geprüft werden,<br />
hat Prof. Haas in der Novembersitzung die<br />
Idee des Ausbildungspasses aufgegriffen. Es geht<br />
darum, verbindlich festzusetzen, was gelehrt<br />
werden muss und dies auch schriftlich festzuhalten.<br />
Wie viele gute Ideen, war diese bald wieder<br />
vergessen und wurde in keiner der beiden nachfolgenden<br />
Sitzungen wieder besprochen. Die<br />
OSKE ist gesetzeswidrig, weil sie im Studienplan<br />
als mündliche kommissionelle Prüfung bezeichnet<br />
wird. Lt. Universitätsgesetz 2002 §79 (2) hat<br />
bei kommissionellen mündlichen Prüfungen „jedes<br />
Mitglied des Prüfungssenates während der gesamten<br />
Prüfungszeit anwesend zu sein.“ Bei Hunderten<br />
Studierenden, die mehrere Stationen machen<br />
müssen, ist das schlichtweg unmöglich.<br />
Sonstiges<br />
Skill-Center: Ein Skill-Center soll kommen, in dem<br />
man ärztliche Fertigkeiten (von Reanimation bis<br />
Blutdruckmessen) trainieren kann, vorwiegend<br />
als Vorbereitung für die OSKE. Momentan stehen<br />
dafür lediglich zwei Container mit einer<br />
Gesamtfläche von ca. 60 m² zur Verfügung, also<br />
wird es noch ein bisschen dauern, bis sich ein<br />
brauchbares Konzept entwickeln lässt. Positiv<br />
zu erwähnen ist die Umfrage der Studienorganisation,<br />
um herauszufinden, was die Studierenden<br />
am meisten interessiert. Ob sich alles<br />
erfüllen lässt, ist wiederum eine Geldfrage, weshalb<br />
man sich nicht zu viel erwarten sollte.<br />
4. Semester: Reduzierung des Stoffumfangs<br />
aus Pathologie. Laut Haas werden einige
0tcrowd<br />
MEDUNI-NEUIGKEITEN<br />
13<br />
Lehrinhalte aus M11 ab dem nächsten Semester<br />
in die Module 17 (Chirurgie) und 28 (Urologie)<br />
verschoben.<br />
6. Studienjahr: Es gab Beschwerden von<br />
Studierendenseite über den Ablauf des ersten<br />
10-Wochen-Blocks. Es waren zum Teil zu viele<br />
Studierende auf den Stationen, oft hat sich seitens<br />
der ÄrztInnen niemand verantwortlich<br />
gefühlt. Die Möglichkeit in „auswärtigen“<br />
Spitälern die Praktika zu absolvieren liegt im<br />
Ermessen von Vizerektor Reibnegger. Ich<br />
empfehle daher allen, die gerne an einem<br />
Krankenhaus, das nicht dafür vorgesehen ist,<br />
ihre Praxis machen möchten, eine Email an<br />
gilbert.reibnegger@meduni-graz.at zu richten,<br />
um so Druck aufzubauen.<br />
Das Spindproblem an der Klinik wurde besprochen,<br />
aber keine Lösung gefunden. Hierbei ist<br />
anzumerken, dass die Studienkommission in<br />
dieser Frage keinerlei Entscheidungsgewalt besitzt.<br />
Auf Presseaussendungen, die dieses Problem<br />
kritisieren, wurde leider nicht reagiert. Ich<br />
empfehle daher den Betroffenen, Leserbriefe an<br />
die Zeitungen zu schreiben, weil das als zusätzliches<br />
Druckmittel sicher nicht schaden kann.<br />
Neues Rektorat: Prof. Josef Smolle ist der neue<br />
Rektor. Der eigentlich erstgereihte Emil Reisinger<br />
wurde kurze Zeit nachdem der Unirat ihm das<br />
halbe Rektorat nicht bestätigt hat, abgesetzt. Die<br />
Begründung war, dass er sich einige Zeit lang<br />
nicht gemeldet habe. Reisinger beteuert jedoch<br />
den Unirat darüber informiert zu haben, in den<br />
ersten beiden Februarwochen nicht erreichbar<br />
zu sein und prüft nun seine Rechtsmittel. Bedenklich<br />
erscheint, dass Prof. Smolle zuerst nicht<br />
einmal die notwendige Mehrheit im Senat erhielt,<br />
sondern erst nachnominiert wurde. Es ist kein<br />
gutes Zeichen, wenn ein Rektor über so wenig<br />
Unterstützung verfügt.<br />
Module parallel abhalten: Nachdem einige Studierende<br />
Module parallel absolviert hatten und<br />
dabei öfters Seminartermine verschieben mussten,<br />
wandten sich einige Modulkoordinatoren<br />
an die Studienkommission mit der Bitte eine klare<br />
Regelung zu schaffen. Die ÖH brachte<br />
daraufhin einen Antrag ein, der im Sinne der<br />
„Begabtenförderung“ die Parallelabhaltung ermöglichen<br />
sollte (mit der Einschränkung, dass<br />
ModulkoordinatorInnen keine besondere Rücksicht<br />
nehmen müssen). Der Vizerektor fühlte sich<br />
– aus wahrscheinlich nur ihm persönlich bekannten<br />
Gründen – genötigt den Begriff „Begabte“<br />
als die besten fünf Prozent des jeweiligen Jahrgangs<br />
zu definieren. Zum Zeitpunkt, als diese<br />
„Begriffsbestimmung“ Gültigkeit erlangt hätte,<br />
wären viele Studierende gezwungen gewesen,<br />
sich entweder von einem Pflichtmodul oder einem<br />
SSM abzumelden. Seitens der ÖH und vieler<br />
Betroffener wurde dagegen natürlich Sturm<br />
gelaufen. Großes Lob gebührt hierbei dem Institut<br />
für Anatomie, das Zivilcourage zeigte und<br />
sich weigerte, bereits angemeldete Studierende<br />
wieder abzumelden.<br />
Der Vizerektor gab zwar nach, doch nicht<br />
endgültig, wie sich herausgestellt hat. Ab<br />
nächstem Semester soll die Regelung zum Tragen<br />
kommen. Ein Versuch der studentischen<br />
Vertreter von GRAS, AG und VSStÖ in der<br />
Studienkommission einen Kompromiss zu erwirken,<br />
wurde zum Glück von Prof. Haas verhindert,<br />
denn er hätte eine massive Verschlechterung<br />
bedeuten können: Die doppelte Abhaltung<br />
von Pflichtmodulen wird untersagt, dafür<br />
die Abhaltung von Pflichtmodul + SSM oder<br />
zwei SSMs allen ermöglicht. (Ich wies Christian<br />
Vajda (GRAS) in der Sitzung auf den Umstand<br />
hin, dass viele Studierende, die auf der<br />
Warteliste waren, bereits alle SSMs absolviert<br />
haben und durch diesen Beschluss keine Möglichkeit<br />
mehr hätten Zeit aufzuholen, worauf<br />
er lediglich antwortete, dass es ja ein paar gibt,<br />
auf die das nicht zutrifft.) Außerdem hätten<br />
jene, die unter die fünf Prozent-Klausel fallen<br />
keine Pflichtmodule mehr parallel machen<br />
können. Haas versprach auf den VR einzuwirken,<br />
die Fünf-Prozent-Regelung fallen zu lassen.<br />
In den Semesterferien hat die ÖH mit VR<br />
Reibnegger ausgehandelt, dass die Parallelabhaltung<br />
von SSMs zu anderen LVs zugelassen<br />
wird. Für die parallele Absolvierung von<br />
Pflichtmodulen hat man noch keine fixe Lösung.<br />
Der neue Rektor, Prof. Smolle, hatte sich<br />
in der Studienkommission auch für diese Möglichkeit<br />
ausgesprochen. Es bleibt zu hoffen,<br />
dass er in seiner neuen Funktion seine Meinung<br />
nicht ändert. Bei Redaktionsschluss war<br />
leider noch nicht bekannt, wie die Angelegenheit<br />
ausgegangen ist.<br />
SEBASTIAN WISIAK ist Studienvertreter für<br />
Humanmedizin und Bundesvorsitzender<br />
des KSV<br />
Prof. Reisinger (li): Dreimal<br />
Erstgereihter und bleibt<br />
trotzdem auf der Strecke.<br />
Prof. Smolle (re): Der<br />
hauseigene Kandidat mit<br />
schwachem Rückhalt.
14 SCHWERPUNKT<br />
r0tcrowd<br />
März 1938 in Österreich:<br />
Hintergründe, Vorgeschichte und<br />
Folgen des „Anschlusses“<br />
Der im März und April 1938 vollzogene „Anschluss“ Österreichs an das<br />
Deutsche Reich markiert einerseits die Ersetzung des einen faschistischen,<br />
des austrofaschistischen, Regimes durch ein anderes faschistisches, das<br />
nationalsozialistische. Gleichzeitig handelt es sich hierbei um den Beginn der<br />
deutschen Fremdherrschaft in Österreich, denn völkerrechtlich bedeutete der<br />
„Anschluss“ die durchaus einseitige Annexion Österreichs durch Deutschland,<br />
die durch die inszenierte „Volksabstimmung“ nicht legitimiert wurde.<br />
von TIBOR ZENKER<br />
Der Charakter des Faschismus<br />
Georgi Dimitroff charakterisierte den Faschismus<br />
1935 im Sinne einer besonderen bürgerlichen<br />
Herrschaftsform als „die offene terroristische<br />
Diktatur der reaktionärsten, der am meisten<br />
chauvinistischen, am meisten imperialistischen<br />
Elemente des Finanzkapitals.“ 1 Damit ist in wenigen<br />
Worten recht viel über Ursache, Herkunft,<br />
Funktion und Zielsetzung des Faschismus<br />
gesagt, daher nur noch einmal eine kurze<br />
Rekapitulation: Der spezifische Klassencharakter<br />
des Faschismus ist ein finanzkapitalistischer,<br />
d.h. er markiert die Herrschaft<br />
der Monopolbourgeoisie oder der Finanzoligarchie,<br />
womit seine historische Verortung<br />
gleichzeitig am monopolkapitalistischen Stadium<br />
des Kapitalismus, am Imperialismus, festgemacht<br />
ist. Der Faschismus ist weiters die offene<br />
Diktatur im Gegensatz zur verdeckten des<br />
bürgerlich-demokratischen Parlamentarismus.<br />
Er ist Terrorherrschaft im Gegensatz zum bürgerlichen<br />
Rechtsstaat; die Ausrichtung der faschistischen<br />
Diktatur ist besonders reaktionär,<br />
d.h. nicht nur antiliberal, sondern v.a. konsequent<br />
antisozialistisch und antikommunistisch.<br />
Der Faschismus stützt sich zumeist auf<br />
einen überaus chauvinistischen Nationalismus,<br />
im Inneren wie nach außen. Zuletzt bedeutet<br />
der Faschismus eine aggressive Außen-<br />
politik, nicht nur diplomatischer, sondern v.a.<br />
ökonomischer und auch militärischer Natur,<br />
in ihrer Intensität freilich nach Maßgabe der<br />
regionalen und globalen Stärke des betreffenden<br />
Staates.<br />
Das austrofaschistische Regime 1934 bis<br />
1938 ist im Rahmen einer Typologie des Faschismus<br />
nicht leicht einzuordnen und weist<br />
seine Besonderheiten auf. „Das österreichische<br />
Ständestaatsregime“, schreibt Kurt Gossweiler,<br />
„hat sich nach dem Februar 1934 und der Maiverfassung<br />
als die österreichische Ausprägung einer<br />
faschistischen Diktatur entfaltet. Damit ist<br />
zugleich gesagt, dass sie trotz vielfacher Ähnlichkeiten<br />
keine Kopie irgendeines anderen faschistischen<br />
Regimes war, weder in ökonomischer noch in<br />
politischer oder ideologischer Hinsicht. Die Besonderheiten<br />
der Existenzbedingungen des österreichischen<br />
Kapitalismus – vor allem die Spaltung<br />
der Monopolbourgeoisie und dementsprechend<br />
auch des Faschismus in ein großdeutsches und ein<br />
österreichisches Lager, die Abhängigkeit des kleinen<br />
Landes von den europäischen Großmächten und<br />
auch von seinen unmittelbaren Nachbarn – um nur<br />
diese Faktoren zu nennen –, mussten dem Austrofaschismus<br />
ihren Stempel aufdrücken.“ 2 So nimmt<br />
der Austrofaschismus eine Zwischenstellung<br />
ein zwischen den beiden Haupttypen der faschistischen<br />
Diktatur, nämlich zwischen der<br />
totalitär-faschistischen Diktatur („Massenparteifaschismus“;<br />
Hitler-Deutschland,
0tcrowd<br />
SCHWERPUNKT<br />
15<br />
Mussolini-Italien) und der autoritär-faschistischen<br />
Diktatur („Militärfaschismus“, Horthy-<br />
Ungarn, Pinochet-Chile). Der Austrofaschismus<br />
weist Elemente beider Varianten sowie<br />
ganz eigentümliche Besonderheiten auf. Der<br />
faschistische Charakter der Dollfuß- und<br />
Schuschnigg-Diktatur ist dadurch jedoch nicht<br />
in Frage gestellt.<br />
Konkurrenzfaschismen in Österreich<br />
Eine im Hinblick auf die Ereignisse im März<br />
1938 und somit auf das Ende des Schuschnigg-<br />
Regimes besonders relevante Eigenheit spricht<br />
Gossweiler oben an: die Spaltung der österreichischen<br />
Großbourgeoisie. Diese Spaltung<br />
bedeutete jedoch nicht etwa einen demokratischen<br />
und einen faschistischen Flügel, sondern<br />
zwei faschistische Flügel, die nebeneinander<br />
verschiedene Konzepte verfolgten und<br />
in Konkurrenz standen. Auf der einen Seite<br />
waren die austrofaschistischen Kräfte, repräsentiert<br />
durch die reaktionärsten Führer der<br />
Christlichsozialen Partei (CSP) und die Mehrheit<br />
der Heimwehrbewegung, bemüht, die<br />
staatliche Eigenständigkeit Österreichs zu bewahren.<br />
Auf der anderen Seite orientierte sich<br />
der großdeutsch eingestellte Flügel am deutschen<br />
Nationalsozialismus.<br />
Dass sich die NS-Orientierung, in Österreich<br />
vertreten durch die hiesige Filiale der NSDAP,<br />
1938 letztlich durchsetzte und die Austrofaschisten<br />
kapitulierten war nicht nur der<br />
Übermacht Hitler-Deutschlands geschuldet,<br />
sondern auch inneren Faktoren. Der<br />
Austrofaschismus konnte die Erhaltung der<br />
österreichischen Souveränität gegenüber NS-<br />
Deutschland gar nicht gewährleisten, was<br />
ideologische und äußerst praktische Gründe<br />
hatte. „Mit der Niederschlagung der Arbeiterschaft“,<br />
schreibt Arnold Reisberg, „hatte der<br />
Austrofaschismus den Weg zum Nazifaschismus<br />
geebnet. Mit dem Verlust der Demokratie war die<br />
Widerstandskraft gegen die Lockungen des Hitler-<br />
Faschismus geschwächt, mit der Zerschlagung der<br />
Arbeiterorganisationen die stärkste Kraft im<br />
Kampf um die Unabhängigkeit Österreichs, die<br />
Arbeiterklasse, in die Illegalität gedrängt.“ 3 Die<br />
österreichischen ArbeiterInnen, die sozialdemokratischen<br />
ebenso wie die kommunistischen,<br />
waren 1938 zwar willens, gegen die<br />
drohende Annexion durch NS-Deutschland<br />
mit allen Mitteln zu kämpfen, doch die Voraussetzung<br />
dafür war, dass die Schuschnigg-<br />
Regierung zu demokratischen und sozialen<br />
Reformen bereit sei. Doch Schuschnigg hatte<br />
mehr Angst vor der Demokratie und der Arbeiterklasse<br />
als vor Hitler.<br />
Deutschnationalismus oder österreichische Nation?<br />
Dass der Austrofaschismus zum antinationalen<br />
Totengräber Österreichs wurde,<br />
war neben dem faschistischen Charakter des<br />
Regimes auch seinem ideologischen Hintergrund<br />
geschuldet. Der Austrofaschismus war<br />
zwar auf die staatliche Souveränität Österreichs<br />
orientiert – dies hatte jedoch bloß innere<br />
konkurrenzfaschistische Gründe. Dollfuß<br />
und Schuschnigg definierten Österreich explizit<br />
als „deutschen Staat“, die Österreicher-<br />
Innen somit als Deutsche. Die Ideologie des<br />
Austrofaschismus war deutschnational, aber<br />
antinationalsozialistisch – in diesem Sinne<br />
wurde Österreich nicht nur als zweiter, sondern<br />
auch als „besserer deutscher Staat“ als<br />
das Deutsche Reich propagiert.<br />
Die Vorstellung, dass die ÖsterreicherInnen<br />
Teil des deutschen Volkes seien, war damals<br />
nichts Ungewöhnliches. Mit dem Ende des<br />
Habsburger-Reiches 1918 war es sogar allgemeine<br />
Meinung, dass sich das deutschsprachige<br />
Rest-Österreich der neuen deutschen<br />
Republik anschließen solle. Dieser Anschluss<br />
wurde seitens der Siegermächte des Ersten<br />
Weltkrieges untersagt, dennoch wurde diese<br />
Zielsetzung sowohl seitens der CSP als auch<br />
der Sozialdemokratie weiter verfolgt. Im<br />
„Linzer Programm“ der Sozialdemokratischen<br />
Arbeiterpartei (SDAP) wurde 1926 die Anschlussforderung<br />
ausdrücklich erhoben. Die<br />
Austrofaschistische Kundgebung<br />
mit Engelbert Dollfuß<br />
1 Dimitroff, Georgi: Die<br />
Offensive des Faschismus<br />
und die Aufgaben<br />
der Kommunistischen<br />
Internationale<br />
im Kampf für die Einheit<br />
der Arbeiterklasse<br />
gegen den Faschismus.<br />
In: Ausgewählte<br />
Werke in zwei Bänden,<br />
Frankfurt/M. 1972,<br />
Bd. 2, S. 105<br />
2 Gossweiler, Kurt: Faschistische<br />
Bewegungen<br />
und faschistische<br />
Diktatur in Österreich.<br />
In: Aufsätze zum Faschismus,<br />
Köln 1988,<br />
Bd. II, S. 679<br />
3 Reisberg, Arnold: Februar<br />
1934 – Hintergründe<br />
und Folgen.<br />
Wien 1974, S. 230
16 SCHWERPUNKT<br />
r0tcrowd<br />
Stimmzettel der Volksbefragung<br />
übe den „Anschluss“<br />
an Nazi-Deutschland vom<br />
13. März 1938<br />
Stimmen zum „Anschluss“ 1938<br />
Feierliche Erklärung der österreichischen Bischöfe:<br />
„Aus innerster Überzeugung und mit freiem Willen erklären wir unterzeichneten<br />
Bischöfe der österreichischen Kirchenprovinz anläßlich der<br />
großen geschichtlichen Geschehnisse in Deutsch- Österreich: (...)<br />
Wir sind auch der Überzeugung , daß durch das Wirken der nationalsozialistischen<br />
Bewegung die Gefahr des alles zerstörenden Bolschewismus<br />
abgewehrt wurde. (...)<br />
Am Tage der Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständliche<br />
nationale Pflicht, uns als Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen,<br />
und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen, daß sie wissen, was<br />
sie ihrem Volke schuldig sind.“<br />
Dr. Karl Renner:<br />
„(...) obschon nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne,<br />
errungen, ist der Anschluß nunmehr doch vollzogen, ist geschichtliche<br />
Tatsache, und diese betrachte ich als wahrhafte Genugtuung (...)<br />
Als Sozialdemokrat und somit als Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes<br />
der Nationen, als erster Kanzler der Republik Deutschösterreich und<br />
als gewesener Präsident ihrer Friedensdelegation zu St. Germain werde<br />
ich mit Ja stimmen.“<br />
„Neues Wiener Tagblatt“, 3. April 1938<br />
1918 gegründete KPÖ war die einzige Partei,<br />
die gegen die Anschlusspropaganda auftrat.<br />
Dies geschah zunächst jedoch noch aus konkreten<br />
politischen und revolutionären Erwägungen,<br />
ohne dass die nationale Frage seitens<br />
der KommunistInnen geklärt gewesen wäre –<br />
dies war erst später der Fall, nämlich 1937.<br />
Im Gefolge des 1936 unterzeichneten „Juli-<br />
Abkommens“ zwischen Schuschnigg und<br />
Hitler bedurfte die nationale Frage in Österreich<br />
einer dringenden Klärung. Die Frage<br />
lautete, ob der Widerstand gegen den „Anschluss“<br />
Österreichs an das Deutsche Reich<br />
nur ein antifaschistischer sei – oder eben auch<br />
ein nationaler. Seitens der KPÖ wurde Alfred<br />
Klahr mit den theoretischen Ausarbeitungen<br />
zur nationalen Frage in Österreich beauftragt.<br />
4 Im Jahr 1937 kam Klahr zu dem Ergebnis:<br />
„Die Österreicher haben auf der Grundlage<br />
der jahrzehntelangen staatlichen Selbständigkeit<br />
eine eigene nationale, von der deutschen Nation<br />
verschiedene Entwicklung durchgemacht. Ihr<br />
Kampf um die Aufrechterhaltung der staatlichen<br />
Selbständigkeit bedeutet den Kampf um die Erhaltung<br />
der Grundlage der selbständigen nationalen<br />
Entwicklung, um die Erhaltung der nationalen<br />
Unabhängigkeit Österreichs. Er ist ein nationaler<br />
Kampf, ein Kampf für die nationale Selbstbestimmung<br />
des österreichischen Volkes.“ Klahr<br />
schreibt weiters: „Und wir müssen klar sehen<br />
und aussprechen, dass die Eroberung Österreichs<br />
durch Hitler das österreichische Volk nicht nur<br />
dem brutalsten politischen System, das die Geschichte<br />
kennt, ausliefern, sondern auch seine nationale<br />
Unterdrückung durch den deutschen Faschismus<br />
bedeuten würde. Nationale Unterdrückung<br />
kann es auch dort geben, wo der nationale<br />
Unterdrücker dieselbe Sprache spricht…“ 5<br />
Während die Entwicklung und Herausbildung<br />
der eigenständigen österreichischen Nation<br />
seitens der „austromarxistischen“ Sozialdemokratie<br />
negiert wurde, hat die KPÖ mit<br />
der Klärung der nationalen Frage in Österreich<br />
ein bleibendes Verdienst, das auch Grundlage<br />
des Kampfes vieler ÖsterreicherInnen gegen<br />
die deutsche NS-Herrschaft und für das<br />
Wiedererstehen des unabhängigen österreichischen<br />
Staates 1945 war.<br />
Was geschah im März 1938?<br />
Nachdem Hitler am 12. Februar 1938<br />
Schuschnigg das „Berchtesgadener Abkommen“,<br />
womit u.a. der Nationalsozialist Arthur<br />
Seyß-Inquart Innenminister wurde und die<br />
österreichischen Nazis sich legal politisch<br />
betätigen durften, diktiert hatte, erkannten<br />
selbst die Austrofaschisten den unmittelbaren<br />
Handlungsbedarf. Am 9. März verkündete<br />
Schuschnigg die Abhaltung einer Volksbefragung<br />
am 13. März über die Unabhängigkeit<br />
Österreichs von Deutschland. Auch die<br />
Sozialdemokratie und die KPÖ propagierten<br />
das „Ja“ zur österreichischen Unabhängigkeit,<br />
wobei hervorgehoben wurde, dass dies<br />
keine Zustimmung zur austrofaschistischen<br />
Regierung sei.<br />
Da hierdurch bei der Volksbefragung ein deutliches<br />
Votum für die Unabhängigkeit zu erwarten<br />
war, musste Hitler dieser zuvorkommen. Er<br />
kündigte offen den Einmarsch der deutschen<br />
Wehrmacht an, woraufhin Schuschnigg am 11.<br />
März zurücktrat und Seyß-Inquart die Regierung<br />
übernahm. Am 12. März erfolgte die widerstandslose<br />
Okkupation Österreichs durch<br />
deutsche Truppen. Die Volksbefragung am 13.<br />
März fand nicht statt, stattdessen verkündete<br />
Seyß-Inquart an diesem Tag den Anschluss<br />
Österreichs an das Deutsche Reich sowie die<br />
Abhaltung einer diesbezüglichen „Volksabstimmung“<br />
für den 10. April 1938.
0tcrowd<br />
SCHWERPUNKT<br />
17<br />
Natürlich war eine „Volksabstimmung“ unter<br />
den Bedingungen einer militärischen Okkupation<br />
und Fremdherrschaft sowie v.a. unter<br />
jenen einer faschistischen Terrorherrschaft<br />
ohnedies nur eine inszenierte „Formalität“.<br />
Das Ergebnis der „Volksabstimmung“, von<br />
der rund 400.000 ÖsterreicherInnen aus politischen<br />
und rassistischen Gründen ausgeschlossen<br />
waren, erbrachte offiziell über 99<br />
Prozent Zustimmung zum „Anschluss“. Die<br />
genannten Rahmenbedingungen machten<br />
eine Fälschung des Ergebnisses – zumindest<br />
im großen Ausmaß – nicht erforderlich, entziehen<br />
dieser „Volksabstimmung“ aber freilich<br />
auch jede reale Aussagekraft. Selbstverständlich<br />
handelte es sich nicht um die demokratische<br />
Entscheidung der ÖsterreicherInnen, sondern<br />
um einen deutschen Gewaltakt.<br />
Widerstand und Befreiung<br />
Im Gegensatz zum Großteil der Sozialdemokratie<br />
und des christlichsozialen bzw.<br />
austrofaschistischen Lagers kapitulierten die<br />
österreichischen KommunistInnen 1938<br />
nicht. Noch am Tag des deutschen Einmarsches,<br />
am 12. März 1938, äußerte sich KPÖ-<br />
Vorsitzender Johann Koplenig: „Für das<br />
österreichische Volk ist der Kampf um seine Unabhängigkeit<br />
nicht zu Ende. Es wird niemals eine<br />
ihm aufgezwungene Fremdherrschaft anerkennen.<br />
So schwer sich auch in der nächsten Zeit sein<br />
Schicksal gestalten mag, der Kampf für die Freiheit<br />
und Unabhängigkeit Österreichs wird aufs<br />
Neue entbrennen.“ 6 Die KPÖ trug in weiterer<br />
Folge die Hauptlast des antifaschistischen<br />
und nationalen Freiheitskampfes in Österreich,<br />
sei es in der Illegalität oder später im<br />
Rahmen der österreichischen Freiheitsbataillone<br />
innerhalb der jugoslawischen<br />
Partisanenarmee. Somit ist es v.a. den<br />
österreichischen KommunistInnen zu verdanken,<br />
dass der in der Moskauer Deklaration<br />
von 1943 geforderte eigene Beitrag Österreichs<br />
zu seiner Befreiung erbracht wurde.<br />
Im internationalen Maßstab ist es das Verdienst<br />
der Roten Armee der UdSSR, den Großteil<br />
Ost- und Mitteleuropas vom Faschismus<br />
befreit zu haben – auch die entscheidenden<br />
Teile Österreichs. Und es ist dem politischen<br />
Wirken österreichischer KommunistInnen im<br />
Exil zu verdanken, dass sich gerade die siegreiche<br />
UdSSR für die Wiederherstellung Österreichs<br />
einsetzte – und sich mit diesem Anliegen<br />
auch gegen die Ziele Großbritanniens<br />
und der USA durchsetzen konnte. Ausdruck<br />
dessen war die bereits erwähnte Moskauer<br />
Deklaration. In dieser erklärten die Außenminister<br />
der USA, Großbritanniens und der<br />
UdSSR, ihre Regierungen seien „darin einer<br />
Meinung, dass Österreich, das erste freie Land, das<br />
der typischen Angriffspolitik Hitlers zum Opfer<br />
fallen sollte, von deutscher Herrschaft befreit werden<br />
soll … Sie erklären, dass sie wünschen, ein freies,<br />
unabhängiges Österreich wieder errichtet zu sehen<br />
… Österreich wird aber auch daran erinnert,<br />
dass es für die Teilnahme am Kriege an der Seite<br />
Hitler-Deutschlands eine Verantwortung trägt, der<br />
es nicht entrinnen kann, und dass anlässlich der<br />
endgültigen Abrechnung eine Bedachtnahme darauf<br />
unvermeidlich sein wird, wie viel es selbst zu<br />
seiner Befreiung beigetragen haben wird.“ 7<br />
Im Sinne dieser Deklaration erfolgte am 27.<br />
April 1945 die Unabhängigkeitserklärung Österreichs<br />
von Deutschland. Sie wurde unterzeichnet<br />
von Vertretern der demokratischen<br />
Parteien, der SPÖ, der KPÖ und der ÖVP, der<br />
Nachfolgeorganisation der CSP. Die endgültige<br />
Befreiung Österreichs ließ aber bis zur Kapitulation<br />
der deutschten Wehrmacht am 8.<br />
und 9. Mai 1945 auf sich warten. Bis zu diesen<br />
Tagen wurde die Rote Armee in Niederösterreich<br />
in Kämpfe verwickelt. Wien war<br />
bereits am 13. April nach verlustreichen Kämpfen<br />
befreit worden. In Erinnerung an diese<br />
Kämpfe steht am Wiener Schwarzenbergplatz<br />
das Heldendenkmal der Roten Armee.<br />
TIBOR ZENKER ist Autor in Wien und Mitglied<br />
der Kommunistischen Initiative (KI)<br />
r0tcrowd-Buchtipp: Tibor Zenker: Was ist<br />
Faschismusmus? Drehbuchverlag Wien,<br />
2006. ISBN-10: 3902471506 - 14,90 Euro<br />
In seiner Collage „Der Sinn<br />
des Hitlergrußes bringt John<br />
Heartfield den Zusammenhang<br />
zwischen Faschismus<br />
und Kapital auf den Punkt.<br />
4 vgl. Klahr, Alfred: Zur<br />
österreichischen Nation.<br />
Wien 1994<br />
5 zitiert nach: Fürnberg,<br />
Friedl: Österreichische<br />
Freiheitsbataillone –<br />
Österreichische Nation.<br />
Wien 1975, S. 43<br />
6 Koplenig, Johann:<br />
Trotz alledem: Österreichs<br />
Volk kämpft<br />
weiter für seine Unabhängigkeit!<br />
In: Reden<br />
und Aufsätze 1924-<br />
1950, Wien 1951, S. 95<br />
7 zitiert nach: Spira,<br />
Leopold: 20 Jahre –<br />
Wohin geht Österreich?<br />
Wien 1965, S. 31
18 SCHWERPUNKT<br />
r0tcrowd<br />
Kinder und Jugendliche<br />
in der NS-Tötungsmaschinerie<br />
Der so genannten „Endlösung“, dem größten geplanten und ersten<br />
industriellen Massenmord der Geschichte, fielen bis zum Ende des<br />
Zweiten Weltkrieges rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden zum<br />
Opfer. Die geplante Ermordung von elf Millionen Menschen wurde bis<br />
ins Detail den Plänen der am 20. Jänner 1942 am Berliner Wannsee<br />
abgehaltenen Konferenz („Wannseekonferenz“) folgend durchgeführt.<br />
Polnische Kinder im KZ<br />
Litzmannstadt (Lodz)<br />
von ANNA STEINER<br />
In Gang gesetzt worden war die NS-<br />
Tötungsmaschinerie schon Jahre zuvor; bereits<br />
im März 1933 wurden Konzentrationslager<br />
(KZ 1 ) zum Zweck der Verfolgung und Tötung<br />
von Minderheiten und politischer Gegner-<br />
Innen des Nationalsozialismus errichtet –<br />
darunter auch eigens für Kinder und Jugendliche<br />
errichtete Tötungslager.<br />
„Jugendschutzlager“<br />
Für widerständige oder bestimmten Gruppierungen<br />
zugehörige Jugendliche und<br />
mitunter auch Kinder hatten die Nazis so genannte<br />
„Jugendschutz-“ oder „Jugendverwahrlager“<br />
errichtet: das nahe Göttingen<br />
liegende KZ Moringen, in welchem ursprünglich,<br />
im Jahr 1933, Männer, anschließend bis<br />
1938 Frauen von 1940 bis 1945 schließlich<br />
Buben und heranwachsende Männer interniert<br />
waren, das KZ Uckermark, das seit Juni<br />
1942 nahe dem Frauenkonzentrationslagers<br />
Ravensbrück bei Berlin für Mädchen errichtet<br />
worden war und ab Januar 1945 zu einem<br />
Todeslager für Erwachsene wurde, sowie das<br />
Lager im Ghetto Litzmannstadt (Lodz), dem<br />
als „Polenjugendverwahrlager“ drei Außenlager<br />
zugehörten. Diese Lager unterstanden<br />
dem Reichssicherheitshauptamt und dienten<br />
offiziell der „Jugendfürsorge“. Zu ersten<br />
gezielten Einweisungen von jungen Erwachsenen<br />
kam es im August 1940 in das sog. „polizeiliche<br />
Jugendschutzlager“ Moringen, wo<br />
bis Kriegsende etwa 1.400 Jugendliche durch<br />
Polizei und SS inhaftiert worden waren.<br />
Ganz ähnlich strukturiert war das KZ<br />
Uckermark: Knapp zwei Jahre, nachdem die<br />
ersten Buben und jungen Männer im Jugend-<br />
KZ Moringen inhaftiert worden waren, wurde<br />
in unmittelbarer Nähe des Frauen-KZ<br />
Ravensbrück im Juni 1942 ein entsprechendes,<br />
bis 30. April 1945 bestehendes Lager für weibliche<br />
Jugendliche im Alter von 13 bis 25 Jahren<br />
errichtet. Neben der Aussicht, die weiblichen<br />
Häftlinge in Land- und Forstwirtschaft durch<br />
körperlich harten Arbeitseinsatz „erzieherisch“<br />
disziplinieren zu können, boten die dort<br />
bereits angesiedelten Rüstungsbetriebe der SS<br />
vor allem die Gelegenheit, den Arbeitseinsatz<br />
der Jugendlichen durch „Vermietung“ der<br />
Häftlinge gewinnbringend zu verwerten. Das<br />
als „Polenjugendverwahrlager“ geführte KZ<br />
Litzmanstadt (Lodz) wiederum wurde 1942<br />
neben dem jüdischen Friedhof im Ghetto Lodz<br />
eröffnet und war zur „Umerziehung“ und Tötung<br />
sehr junger Menschen gedacht: Im Januar<br />
1943 wurde das Alter der Inhaftierten von<br />
zwölf bis 16 auf acht Jahre herabgesetzt und<br />
sogar ein Block für Kleinkinder über zwei Jahre<br />
eingerichtet. Bis zu seiner Befreiung am 18.
0tcrowd<br />
SCHWERPUNKT<br />
19<br />
Januar 1945 durch die Rote Armee wurden im<br />
KZ Litzmannstadt mindestens 500 Jugendliche<br />
ermordet.<br />
Der „Kinderblock“<br />
Nachdem es auf dem Gebiet des so genannten<br />
„Deutschten Reichs“ offiziell „nur“ drei<br />
Konzentrationslager für Kinder und Jugendliche<br />
gab, wurden viele von ihnen in Erwachsenen-KZ<br />
deportiert. In einem der größten dieser<br />
auf deutschem Boden, dem am 15. Juli 1937<br />
als KZ Ettersberg errichteten und ab 28. Juli<br />
1937 als KZ Buchenwald geführten Konzentrationslager,<br />
das umgeben war von einem Gelände<br />
in der Größe von ca. 40 Hektar, waren<br />
etwa 250.000 Menschen aus allen Ländern<br />
Europas interniert; unter den 56.000 geschätzten<br />
Todesopfern waren auch Kinder und Jugendliche.<br />
In dem als Quarantäne- und Durchgangslager<br />
geplanten „Kleinen Lager“ des KZ<br />
Buchenwald sollten ankommende Massentransporte<br />
zunächst isoliert werden, um die<br />
Gefahr des Seuchenausbruchs zu minimieren<br />
und die Arbeitsfähigen zur Zwangsarbeit in<br />
die insgesamt über hundert Außenkommandos<br />
von Buchenwald weitertransportiert<br />
werden. Allerdings befanden sich im August<br />
1944 bereits 38 Prozent der Gesamtzahl der im<br />
KZ Buchenwald internierten Häftlinge im<br />
„Kleinen Lager“, das zudem von zwei große<br />
Zelte am Gelände umgeben war, in denen<br />
zeitweise bis zu 6.000 Mann 2 untergebracht<br />
waren. Neben einer Tuberkulosestation befanden<br />
sich im „Kleinen Lager“ auch der sog.<br />
„Block des Todes“ und der „Kinderblock“, in<br />
welchem bis zu 400 Kinder untergebracht und<br />
dem Lageralltag ausgesetzt waren.<br />
Überlebenshilfe<br />
Im Sommer 1943 entwickelte sich der<br />
Kinderblock 8 zu einer der größten Errungenschaften<br />
der illegalen Widerstandsorganisation<br />
um das Leben der Kinder. Dem dortigen<br />
Lagerältesten gelang es, die SS-<br />
Schutzhaftlagerführung davon zu überzeugen,<br />
einen Teil der Jungen unter Aufsicht in<br />
einer Baracke zusammenzulegen und sie<br />
„deutsche Ordnung und Disziplin“ zu lehren.<br />
Hierfür bot sich die ehemalige, von<br />
Stacheldrahtzaun umgebene Isolierbaracke 8<br />
an, deren Blockältester Franz Leitner (1918 –<br />
2005) war. Der aufgrund seiner Mitgliedschaft<br />
im damals illegalen kommunistischen<br />
Jugendverband 21-jährig verhaftete Österreicher<br />
setzte sich als gewählter Blockältester<br />
erfolgreich für bessere Lebensbedingungen<br />
seiner Mitgefangenen ein, konnte die Lebensbedingungen<br />
seiner Mitgefangenen verbessern<br />
und zahlreichen jüdischen Kindern, wie<br />
etwa dem dreijährigen Stefan „Juschu“ Zweig,<br />
das Leben retten. Der 1941 in Krakau geborene<br />
und im August 1944 gemeinsam mit seinem<br />
Vater von Plachow, einem Auschwitz-<br />
Außenlager, in das KZ Buchenwald, deportierte<br />
Bub überlebte das Grauen durch atemberaubende<br />
Versteck-Manöver von Kameraden<br />
der illegalen Widerstandsorganisation,<br />
die ihn auch im „Kleinen Lager“ unterbrachten.<br />
Für das von seinem Vater unbemerkt ins<br />
Lager gebrachte Kind, dessen Geschichte in<br />
Bruno Apitz’ Roman „Nackt unter Wölfen“<br />
geschildert wird, wurden immer wieder neue<br />
Verstecke gefunden, sodass der Vater es am<br />
11. April 1945 in Freiheit in die Arme schließen<br />
konnte. Neben Juschu wurde weiteren<br />
hunderten Kindern durch selbstlose Hingabe<br />
von Häftlingsfunktionären das Leben gerettet:<br />
Drohte etwa einzelnen Kindern akute<br />
Gefahr, so wurden sie in den Häftlingskrankenbau<br />
gelegt und durch harmlose, aber<br />
fieberbringende Injektionen transportunfähig<br />
gemacht und anschließend als infektionskrank<br />
behandelt. Unmittelbar in Lebensgefahr<br />
befindliche Jugendliche wurden mitunter<br />
dadurch gerettet, dass ein Namen- und<br />
Nummerntausch mit Toten vorgenommen<br />
wurde. Im Kinderblock befanden sich im April<br />
1945 über 400 Kinder. Insgesamt erlebten 904<br />
Kinder und Jugendliche die Selbstbefreiung<br />
des Lagers Buchenwald am 11. April 1945;<br />
der spätere steirische KPÖ-Landesvorsitzende<br />
Franz Leitner erhielt später den Titel<br />
eines „Gerechten unter den Völkern“ 3<br />
Faschistische Verbrechen an Kindern und<br />
Jugendlichen bilden ein weiteres furchtbares<br />
Kapitel deutscher Geschichte von 1933 bis<br />
1945. Allein in Polen fielen Schätzungen zufolge<br />
1,8 Millionen Kinder bis zum Alter von<br />
16 Jahren den FaschistInnen zum Opfer. Unter<br />
den rund sechs Millionen ermordeten jüdischen<br />
BürgerInnen Deutschlands und den<br />
okkupierten Ländern Europas befanden sich<br />
1,2 Millionen Kinder, und unter den elf Millionen<br />
Toten in Konzentrationslagern, Haftanstalten<br />
und anderen Lagern dürften Schätzungen<br />
zufolge zwei Millionen Jugendliche<br />
und Kinder gewesen sein.<br />
Der kleine Jerzy Stefan<br />
Zweig mit einem seiner<br />
„Lagerväter“ Franz Leitner<br />
(Aufnahme nach dem 11.<br />
April 1945)<br />
1 amtliche nationalsozialistische<br />
Abkürzung<br />
„KL“<br />
2 Im KZ Buchenwald<br />
waren ausschließlich<br />
Männer interniert – mit<br />
Ausnahme der 16 Frauen,<br />
die im Lager-Bordell<br />
durch die SS zur Prostitution<br />
gezwungen<br />
worden waren.<br />
3 Ehrentitel für nichtjüdische<br />
Einzelpersonen,<br />
die zwischen 1939<br />
und 1945 ihr Leben<br />
einsetzten, um Jüdinnen<br />
und Juden vor dem<br />
Holocaust zu retten.
20 SCHWERPUNKT<br />
r0tcrowd<br />
65 Jahre Sieg in Stalingrad!<br />
Am 2. Februar 2008 jährte sich zum 65. Mal der Sieg der Roten Armee bei<br />
Stalingrad. An diesem Tag kapitulierte die deutsche 6. Armee unter Generalfeldmarschall<br />
Paulus vor den Verbänden der 62. und 64. Roten Armee unter<br />
General Schukow. Die vernichtende Bilanz für die deutsche Wehrmacht:<br />
Über 100.000 Soldaten gingen in Kriegsgefangenschaft, 165.000 ließen in<br />
Stalingrad für die faschistischen Kriegsziele ihr Leben.<br />
Erklärung der INTERNATIONALEN<br />
FÖDERATION DER WIDERSTANDSKÄMPFER (FIR)<br />
Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer<br />
(FIR) – Bund der Antifaschisten<br />
nimmt dieses Datum zum Anlass, um an<br />
die großen Leistungen der sowjetischen Soldaten<br />
und des gesamten militärischen Teils der<br />
Anti-Hitler-Koalition zu erinnern. Der vom deutschen<br />
Faschismus angezettelte Krieg zielte von<br />
Anfang an auf Mord, Totschlag, Ausbeutung,<br />
Unterdrückung und Vernichtung. Coventry,<br />
Rotterdam, Warschau und Belgrad sind die<br />
Symbole des Luftterrors, den die Wehrmacht<br />
über die Städte Europas trugen. Auschwitz,<br />
Buchenwald, Majdanek, Sobibor haben sich in<br />
die Erinnerung der Menschheit eingegraben als<br />
Orte, an denen die Vernichtungspolitik des<br />
deutschen Faschismus stattfand. Babi Jar, Oradour,<br />
Lidice sind Stätten des nationalsozialistischen<br />
Terrors, die keiner Erklärung bedürfen.<br />
kurz & klein<br />
Gedenktafel für<br />
Nazi-Opfer im Burggarten<br />
Im März 2008 jährt sich die Annexion Österreichs durch Nazideutschland<br />
zum 70. Mal. Bereits unmittelbar nach dem „Anschluss“<br />
begann auch in Österreich die Verfolgung politischer GegnerInnen des<br />
deutschen Faschismus, allein in der Steiermark wurden zwischen 1938<br />
und 1945 unzählige Menschen aus politischen und „rassischen“ Gründen<br />
vertrieben, enteignet und in tausenden Fällen ermordet.<br />
Die Burg als ehemaliger Sitz des Gauleiters und Reichsstatthalters Uiberreither,<br />
der mit seiner Politik der „Germanisierung“ auch im heutigen Slowenien<br />
für zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich war, eignet<br />
sich besonders als Standort für einen Ort des Gedenkens an die Opfer<br />
der Hitlerfaschismus. Kein Hinweis erinnert derzeit daran.<br />
Aus diesem Grund hat der Kulturausschuss des Steiermärkischen Landtags<br />
auf Initiative der KPÖ um Ernest Kaltenegger einstimmig beschlossen,<br />
im Burggarten eine Gedenktafel zu errichten. Als Standort bietet<br />
sich das lang gezogene Wasserbecken im Burggarten an.<br />
Stalingrad steht dagegen für die Hoffnung<br />
auf Befreiung und den Widerstand gegen den<br />
mörderischen deutschen Faschismus.<br />
Diese Hoffnung wurde mit zahllosen Menschenleben<br />
bezahlt. Die sowjetische Seite verzeichnete<br />
in dieser Schlacht annähernd eine<br />
Millionen Opfer unter der Zivilbevölkerung und<br />
den Kämpfern der Roten Armee. Wir erinnern<br />
der Toten und gedenken all derjenigen, die sich<br />
mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit für die<br />
Befreiung ihres Landes von der faschistischen<br />
Okkupation und die Zerschlagung der faschistischen<br />
Bestie eingesetzt haben.<br />
Diese Schlacht von Stalingrad war nicht nur<br />
von militärischer Bedeutung. Sie stellte einen<br />
historischen Wendepunkt in der Auseinandersetzung<br />
der Anti-Hitler-Koalition mit dem<br />
expansionistischen Anspruch des deutschen<br />
Faschismus dar:<br />
Militärstrategisch war diese Niederlage der<br />
deutschen Truppen ein Wendepunkt, wurde<br />
doch hiermit zum ersten Mal der Vormarsch<br />
gestoppt und der „unbesiegbaren“ Wehrmacht<br />
eine vernichtende Niederlage beigebracht.<br />
Für die Entwicklung der Anti-Hitler-Koalition<br />
wurde in dieser Schlacht unter Beweis<br />
gestellt, dass die gemeinsamen Anstrengungen<br />
aller Alliierten die mörderische Bestie des<br />
Faschismus und seines militärischen Apparates<br />
besiegen konnte. Die Ereignisse hatten<br />
für Großbritannien und die USA starke Signalwirkung.<br />
Von nun an trugen sie mit ganzer<br />
Kraft zur Niederlage des deutschen Faschismus<br />
bei. Stalingrad kann daher mit Fug<br />
und Recht als Anfang vom Ende des Raubund<br />
Mordfeldzuges der Wehrmacht durch<br />
Europa betrachtet werden.<br />
Für die Widerstandsbewegung in allen okkupierten<br />
Ländern und in Deutschland war<br />
die Schlacht von Stalingrad das Symbol für<br />
die kommende Niederlage des Faschismus.<br />
Die Frauen und Männer im Widerstand zogen<br />
daraus Kraft, Motivation und Optimismus<br />
für die Fortführung ihres antifaschistischen<br />
Kampfes.
0tcrowd<br />
CROWD UND RÜBEN<br />
21<br />
Nazis und Söldner<br />
wieder beim Bundesheer<br />
Nach dem Motto „speed kills!“ ließ die Bundesregierung vor der Weihnachtspause<br />
noch 61 Verfassungsänderungen durchwinken. Das Unterfangen trägt<br />
den sperrigen Titel „Bundesverfassungsrechtsbeschleunigungsgesetz“<br />
von SEBASTIAN WISIAK<br />
Unter anderem wurden klammheimlich zwei<br />
Artikel des Staatsvertrags eliminiert: das Verbot<br />
für Nazis und Söldner beim Bundesheer<br />
zu dienen, sowie das militärische Kooperationsverbot<br />
mit Deutschland. Ein besserer Titel<br />
wäre wohl „Verfassungsbruchbeschleunigungsgesetz“<br />
gewesen. Denn beim Abstimmungsmarathon<br />
wurde u.a. die Vereinfachung<br />
des Ratifikationsverfahrens für EU-Verträge<br />
beschlossen, sodass der EU-Reformvertrag<br />
noch schneller durchs Parlament gejagt<br />
werden kann. Durch den Bundesasylgerichtshof<br />
soll die Möglichkeit, die Höchstgerichte<br />
anzurufen, beschnitten werden.<br />
Zwei Artikel des Staatsvertrages entsorgt<br />
Von der Öffentlichkeit unbemerkt wurden<br />
auch zwei Artikel des Staatsvertrages entsorgt:<br />
Artikel 12, der es u.a. VerfasserInnen<br />
„nazistischer Druckwerke“ und „Personen, die<br />
nicht die österreichische Staatsangehörigkeit besitzen“<br />
verbietet, im Bundesheer zu dienen.<br />
Ersteres relativiert den antifaschistischen<br />
Auftrag des Staatsvertrages, zweiteres ermöglicht<br />
die weitere Umwandlung des<br />
Bundesheeres in eine EU-kompatible Streitmacht,<br />
indem sowohl der Einbindung von<br />
Söldnern als auch der Unterstellung österreichischer<br />
SoldatInnen unter fremdes Kommando<br />
der Boden geebnet wird.<br />
Artikel 15, Ziffer 2 sieht u.a. das Kooperationsverbot<br />
Österreichs mit Deutschland in<br />
der militärischen Luftfahrt und „bei der Produktion<br />
oder Instandhaltung von Kriegsmaterial“<br />
vor. Auch die Eliminierung dieses Artikels ist<br />
eindeutig auf die zunehmend engere militärische<br />
Anbindung Österreichs an Deutschland<br />
im Rahmen der EU-Militarisierung ausgerichtet.<br />
Dass diese Änderung jetzt im<br />
Eilzugsverfahren durch den Nationalrat geschleust<br />
wird, ist das Eingeständnis, dass der<br />
Ankauf der Eurofighter gegen den Staatsvertrag<br />
verstoßen hat.<br />
Fortschrittliche Grundpfeiler<br />
der Zweiten Republik für obsolet erklärt<br />
Bemerkenswerterweise hat die Regierung<br />
Vranitzky/Mock bereits im Jahr 1990 (!) diese<br />
und einige weitere Staatsvertragsartikel, die<br />
verfassungs- und völkerrechtlich abgesichert<br />
sind, putschartig für „obsolet“ erklärt. Die<br />
österreichische Regierung nutzte den Taumel<br />
der deutschen Wiedervereinigung, um diese<br />
Grundlagen Nachkriegsösterreichs zu begraben.<br />
Zweifellos eine Vorbereitung auf den EU-<br />
Beitritt. Jetzt, 17 Jahre später (!) soll dieser<br />
Handstreich diskret „saniert“ werden.<br />
Der Staatsvertrag gehört neben dem Neutralitätsgesetz<br />
zu den Geburtsurkunden der Zweiten<br />
Republik. Sowohl Antifaschismus als auch<br />
militärisches Kooperationsverbot mit Deutschland<br />
im Verfassungsrang sind Lehren, die aus<br />
der schuldhaften Verstrickung in Faschismus,<br />
Weltkrieg und Weltmachtsplänen gezogen<br />
wurden. Mit der Teilnahme an den Weltmachtsambitionen<br />
EU-Europas wollen die österreichischen<br />
Machteliten diese fortschrittlichen<br />
Grundlagen der Zweiten Republik wieder loswerden.<br />
Klammheimlich. Zur öffentlichen Debatte<br />
fehlt ihnen jegliche Courage.<br />
Klammheimliche Entsorgung<br />
des Staatsvertrags
22 CROWD UND RÜBEN<br />
r0tcrowd<br />
The Revolution<br />
Will not be Televised<br />
Am 5. November 2007 haben mehr als 3.000 Drehbuchautorinnen und<br />
-autoren in Hollywood die Federn niedergelegt und sind in den Streik<br />
getreten. Die Gewerkschaft Writers Guild of America (WGA) kämpfte um<br />
höhere Beteiligungen an DVD-Tantiemen sowie an den Einnahmen über<br />
Internet und Mobilfunk. Von den Einnahmen einer DVD, die beispielsweise<br />
14 Euro kostet, erhalten die Autorinnen und Autoren bisher nur etwa drei<br />
Cent, und bei sämtlichen <strong>Downloads</strong> von Internetseiten wie iTunes gehen<br />
sie komplett leer aus. Ihre Forderung: gerechte Gewinnbeteiligung.<br />
von BELINDA ZANGERL<br />
Die fetten Gewinne der Filmindustrie streifen<br />
diejenigen ein, die die Ideen von anderen<br />
vekaufen und sie nicht entsprechend dafür<br />
bezahlen. Denn bekämen sie einen fairen Anteil,<br />
könnten den Filmstars keine Millionengehälter<br />
bezahlt werden, und die Produktionsfirmen<br />
könnten sich nicht mittels Lizenzen<br />
ihre lebenslangen Goldesel erhalten. In<br />
diesem Fall handelt es sich um die AMPTP<br />
(Allianz der Film- und Fernsehproduzenten),<br />
die bestreikt wird. Über Monate hinweg weigerte<br />
sich der Vorstand, auf die Forderungen<br />
der Gewerkschaft einzugehen. Die AMPTP ist<br />
ein Zusammenschluss aus über 350 großen<br />
Filmstudios und somit eines der milliardenschwersten<br />
Unternehmen der USA. Warner,<br />
Disney und Co. verdienen sich goldene Nasen,<br />
weil sie in der Verwertungskette von Entstehung<br />
über Produktion bis hin zum Verkauf<br />
immer mehr Beschneidungen vornehmen,<br />
damit sie als Lizenzberechtigte soviel wie<br />
möglich absahnen und ja nicht zuviel an die<br />
Menschen, die für die Produktionen arbeiten,<br />
abgeben müssen. Denn wer die Rechte hat,<br />
hat die Millionen.<br />
Speechless Without Writers<br />
Ohne die Drehbuchautorinnen und -autoren<br />
gäbe es keinen einzigen Film, keine Serie, und<br />
Hollywood wäre nicht das, was es heute ist:<br />
ein Stück amerikanischer Kultur, von der ganzen<br />
Welt mitgetragen. Vor allem gäbe es ohne<br />
die Drehbücher und die, die sie schreiben, keine<br />
Milliardengewinne für NBC, Universal Stu-<br />
dios, Warner Bros., Sony Picture Entertainments,<br />
Walt Disney Company und wie sie alle<br />
heißen. Man kennt diese Namen, und alle assoziieren<br />
Hunderte Filme mit ihnen. Da ist es<br />
leicht vorstellbar, welche Unsummen an Gewinnen<br />
in diesen Produktionen stecken, wenn<br />
man nur die Gehälter vieler Hollywoodstars,<br />
die zwischen 15 und 100 Millionen Dollar rangieren,<br />
bedenkt. Und sogar abzüglich dieser<br />
hohen Unkosten ist es ein sehr rentables Geschäft,<br />
weil die zig Millionen wieder eingespielt<br />
werden, aber die, die die Ideen liefern, sehen<br />
kaum etwas davon.<br />
Das ist zwar ungerecht aber nicht neu –<br />
immerhin streikte die Writers Guild in<br />
Hollywood 1988 schon einmal vier Monate<br />
lang. Inzwischen gibt es neue Medien, um<br />
deren Erträge gekämpft werden muss. Denn<br />
von den horrenden Gewinnen der <strong>Downloads</strong><br />
im Internet sehen die Autorinnen und Autoren<br />
keinen Cent. Sie aber liefern die kreative<br />
Basis für die Unterhaltung und werden minimal<br />
oder gar nicht am Gewinn ihrer Arbeit<br />
beteiligt.<br />
Repressionen<br />
Um den Autorinnen und Autoren ihre Rechte<br />
zu verwehren, nahmen die Filmstudios und<br />
Verlage einiges in Kauf. Dreharbeiten zu zahlreichen<br />
Filmen und Fernsehserien mussten<br />
eingestellt werden, da die Drehbücher ausblieben.<br />
Zahlreiche Arbeitsplätze in der<br />
Traumfabrik wurden gestrichen, da sie durch<br />
den Streik nicht mehr „finanzierbar“ gewesen<br />
wären. Warner Bros. drohte mit der Kündigung<br />
von 1.000 Arbeiterinnen und Arbei-
0tcrowd<br />
CROWD UND RÜBEN<br />
23<br />
tern. Der amerikanische Fernsehsender NBC<br />
entließ 175 Personen aufgrund des Streiks.<br />
Die Talkmaster Jay Leno und Conan O´Brian<br />
kündigten an, die Gehälter der betroffenen<br />
Leute zumindest in nächster Zeit aus eigener<br />
Tasche zu bezahlen. Insgesamt sind 150.000<br />
Arbeitsplätze im Wackeln, und Tausende<br />
wurden bereits gekündigt, ungewiss ob sie<br />
nach dem Ende des Streiks ihre Arbeit wieder<br />
bekommen. Die AMPTP „hofft“, die Leute<br />
wieder einstellen zu können.<br />
Klassischerweise wird versucht in Kalifornien<br />
Feindschaften gegen die Streikenden<br />
zu schüren, um von den Urhebern der Ungerechtigkeit<br />
im Filmgeschäft abzulenken. Die<br />
Homepage der AMPTP verfügt über einen<br />
Zähler, der zeigt, welche Unsummen der<br />
Streik angeblich verschlingt. Zynischerweise<br />
sind es die Produktionsfirmen, die die Streikschäden<br />
anprangern, wo sie es doch sind, die<br />
den Streik jederzeit beenden hätten können,<br />
indem sie vom Riesenkuchen der Erträge aus<br />
Film und Fernsehen etwas abgeben und deren<br />
Profitgier es ist, die solche Verluste erst<br />
ermöglichen. Kündigungsdruck und öffentliche<br />
Verhetzung sind gängige Methoden in<br />
einem Arbeitskampf, um die Menschen einzuschüchtern<br />
und/oder zu verhetzen.<br />
Solidarität<br />
Diese Versuche der Spaltung der arbeitenden<br />
kalifornischen Bevölkerung gingen jedoch<br />
nicht auf, der Streik dauerte weiter an und<br />
wurde auch prominent und folgenschwer<br />
unterstützt. Die Screen Actors Guild (SAG) als<br />
mächtigste Gewerkschaft der Schauspielerinnen<br />
und Schauspieler solidarisierte sich mit<br />
den Streikenden, was sogar zur Absage der<br />
Golden-Globe-Verleihung führte. Die Streikenden<br />
hatten angekündigt bei der Preisverleihungsgala<br />
Streikposten einzurichten<br />
und die Actors Giuld verlautbarte, dass sie<br />
die Posten nicht durchbrechen werde. Alle für<br />
nominierten Schauspielerinnen und Schauspieler<br />
– unter anderem Tom Hanks, George<br />
Clooney und Julia Roberts – boykottierten die<br />
Gala, und die Veranstaltung wurde abgesagt.<br />
Kaum zu glauben, dass millionenschwere<br />
Hollywoodstars Solidarität mit einem Arbeitskampf<br />
über die glamouröse Selbstdarstellung<br />
stellen. Die SGA setzte damit ein wichtiges<br />
Zeichen für die Einheit der Lohnabhängigen<br />
im Filmgeschäft gegenüber den Bonzen in den<br />
Studios.<br />
Mehr Rechte<br />
Schließlich wurde am 17. Februar nach über<br />
drei Monaten Streik eine Einigung erzielt, die<br />
den Streik vorerst beendete. Die nahende<br />
Oskar-Verleihung am 24. Februar dürfte den<br />
Druck auf die AMPTP erhöht haben, denn der<br />
Streik hätte auch diese Gala massiv gefährdet.<br />
Die Streikposten waren bereits angekündigt,<br />
und das Goldkerlchen hatte erneut einen<br />
Boykott zu befürchten.<br />
Vermutlich um diesem Skandal und<br />
Geschäftsverlust zu entgehen, haben die<br />
Produktionsfirmen den Autorinnen und Autoren<br />
einen vorläufigen neuen Arbeitsvertrag<br />
mit dreijähriger Laufzeit und Gehaltserhöhungen<br />
von etwa drei Prozent angeboten. Die<br />
Gewerkschaft hat sich darauf eingelassen. Die<br />
vorläufige Vereinbarung sei zwar nicht perfekt,<br />
so die Gewerkschaftsvorsitzenden in einem<br />
Mail an die Mitglieder, aber man habe<br />
viel erreicht. Laut dem neuen Arbeitsvertrag<br />
bekommen die Schreibenden zumindest im<br />
dritten Jahr mehr Anteile am Verkauf ihrer<br />
Arbeit via Internet.<br />
Macht durch Einigkeit<br />
Es mag seltsam erscheinen, und doch ist es<br />
ein Zeichen für Fortschritt, dass keine<br />
Existenzgefährdung mehr notwendig ist, damit<br />
arbeitende Menschen aufbegehren. Denn<br />
die Berufsgruppe der Drehbuchautorinnen<br />
und -autoren gehört bestimmt nicht zu den<br />
Armen Amerikas. Nichtsdestotrotz wussten<br />
sie, was ihnen zusteht und wer es ihnen wegnimmt.<br />
Die Forderungen wurden zwar nicht<br />
alle erfüllt, aber die WGA hat gezeigt, dass<br />
man stückweise für seine Rechte kämpfen<br />
muss und damit jeden noch so vergoldeten<br />
Thron ins Wackeln bringen kann. Sie hat der<br />
Welt gezeigt, wie viel Macht in der Arbeit von<br />
einzelnen steckt, wenn diese Macht erkannt<br />
und kollektiv eingesetzt wird.<br />
BELINDA ZANGERL studiert Soziologie in<br />
Graz und ist Aktivistin des KSV<br />
r0tcrowd-Webtipp:<br />
www.spechlesswithoutwriters.com<br />
wikimediacommons<br />
Mitglieder der WGA<br />
sammeln sich zum Streik<br />
am 9. November 2007 am<br />
Fox Plaza in Los Angeles.
24 DIE LETZTE SEITE<br />
r0tcrowd<br />
Denken ist modern #7<br />
Arabermatt<br />
Epaulettenmatt mit Läufer<br />
Indische Verlockung<br />
Weiß am Zuge entdeckt tatsächlich<br />
eine Mattkombination und kündigt<br />
ein Matt in vier Zügen an. Wie gehts?<br />
Weiß am Zug kündigt ein Matt in vier<br />
Zügen an. Wie funktionierts?<br />
Warum darf hier Kramnik, als Weißer<br />
am Zug, keinesfalls den verlockenden<br />
Bauern g5 des Inders Anand nehmen?<br />
!<br />
Auflösungen auf Anfrage an rotcrowd@hotmail.com<br />
Für die Auflösung des zweiten Rätsels werden zwei schöne Preise vergeben.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Einsendungen an rotcrowd@hotmail.com<br />
ICH MÖCHTE<br />
O die r0tcrowd immer gratis zugeschickt bekommen<br />
O die UNITAT um 10,-- Euro pro Jahr<br />
Beim 3. Rätsel der vorigen Nummer ist leider ein Fehler unterlaufen<br />
und zwar sollte damit's funktioniert auf f2 auch ein weißer Bauer stehen.<br />
O die nVs – neue Volksstimme. Texte, Argumente, Berichte<br />
(4 Ausgaben/Jahr) um 15,-- Euro<br />
BITTE FRANKIEREN,<br />
FALLS MARKE<br />
ZUR HAND !<br />
Graz<br />
O Informationen über den KSV<br />
O von Euch per E-Mail / Telefon kontaktiert werden<br />
O in den r0tcrowd-Newsletter-Verteiler (linke News,<br />
Veranstaltungstipps etc.) aufgenommen werden.<br />
O Pickerl in Hülle und Fülle<br />
Graz<br />
<strong>Kommunistischer</strong><br />
StudentInnenVerband<br />
Name: _________________________________________________________<br />
Anschrift: ______________________________________________________<br />
______________________________________________________________________________________<br />
Tel., E-Mail: ____________________________________________________<br />
Lagergasse 98a,<br />
8020 Graz<br />
E-Mail:<br />
rotcrowd@hotmail.com<br />
www.rotcrowd.comunista.at