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Hypertonie: Gefäße unter Druck - Springer GuP

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T I T E l T H E m A <<br />

<strong>Gefäße</strong> <strong>unter</strong> <strong>Druck</strong><br />

[ von Hannelore Gießen ]<br />

Jeder fünfte Deutsche im Alter über vierzig ist Hypertoniker. Bluthochdruck<br />

wird auch als „silent killer“ bezeichnet; denn lange Zeit verursacht er keine<br />

Beschwerden, sondern sorgt sogar für ein gewisses Wohlbefinden. Doch unbehandelt<br />

kann ein zu hoher Blutdruck schwere Erkrankungen und Komplikation<br />

wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall nach sich ziehen.


und 18 Millionen Menschen in Deutschland haben einen<br />

erhöhten Blutdruck. Nur zwei Drittel wissen von ihrer<br />

Erkrankung, und nur bei der Hälfte davon ist der Blutdruck<br />

befriedigend eingestellt. Ohne Therapie können sich jedoch<br />

aus einem Bluthochdruck Herz-Kreislauf-Störungen, Nierenerkrankungen<br />

sowie Gefäßschäden entwickeln, Krankheiten,<br />

die die Lebensqualität einschränken und zu Frühinvalidität<br />

führen können.<br />

Werte im Wandel<br />

Im Lauf der Jahre wandeln sich nicht nur zahlreiche Werte, so<br />

auch medizinische Parameter. Wurde früher bei älteren Menschen<br />

ein Blutdruck von 160/95 mm Hg toleriert, so gilt heute<br />

als klare Grenze für alle Altersklassen 140/90 mm Hg. Optimal<br />

ist ein Blutdruck, der systolisch bei maximal 120 mm Hg und<br />

diastolisch <strong>unter</strong> 80 mm Hg liegt. Ein deutlich erhöhter Blutdruck<br />

mit Werten oberhalb von 160/95 mm Hg lässt das Risiko<br />

für einen Herzinfarkt um 20 Prozent ansteigen. Das Risiko,<br />

einen Schlaganfall zu erleiden, klettert sogar auf das Vierfache,<br />

verglichen mit einer Person mit einem normalen Blutdruck.<br />

Definition<br />

Als Blutdruck ist der in den arteriellen <strong>Gefäße</strong>n herrschende<br />

<strong>Druck</strong> definiert, der sich aus dem Zusammenspiel zwischen<br />

der Herztätigkeit (Herzzeitvolumen, pro Zeiteinheit vom Herz<br />

ausgestoßenes Blutvolumen) und den Blutgefäßen aufbaut:<br />

In regelmäßigem Rhythmus fließt hellrotes, sauerstoffreiches<br />

Blut aus dem Lungen- in den Körperkreislauf. Nachdem das<br />

Blut den Sauerstoff dort an die Körperzellen abgegeben und<br />

im Gegenzug Kohlendioxid aufgenommen hat, fließt es als<br />

dunkelrotes, sauerstoffarmes Blut durch die Venen zunächst<br />

in den rechten Vorhof des Herzens und durchströmt dann<br />

die beiden Herzkammern. Wird dann das Blut aus der linken<br />

Herzkammer in die Aorta gepumpt, stößt es dort auf deren<br />

Widerstand (Aortendruck, peripherer Gefäßwiderstand). Bei<br />

jeder Kontraktion des Herzmuskels – der Systole (oberer Messwert)<br />

– gelangt etwa jede Sekunde ein Schwall Blut in die<br />

Arterien, und der systolische Blutdruck steigt an. Während<br />

der Systole arbeitet das Herz wie eine <strong>Druck</strong>pumpe. Ist die<br />

Kontraktion beendet, erschlafft das Herz, und es beginnt die<br />

Diastole (<strong>unter</strong>er Messwert): Die Vorhöfe füllen <strong>unter</strong> geringer<br />

Kontraktion die Kammern, die nun ganz entspannt sind. In<br />

der Phase des diastolischen Blutdrucks fungiert das Herz als<br />

Saugpumpe. Systole und Diastole wechseln stetig miteinander<br />

ab; zusammen bilden sie eine „Herzaktion“. Als Herzfrequenz<br />

wird die Anzahl der Herzaktionen pro Minute bezeichnet, die<br />

normalerweise zwischen 60 und 80 liegt.<br />

Hochdruck mit Folgen<br />

Bluthochdruck bleibt häufig unbemerkt, weil sich viele Betroffene<br />

bei leicht erhöhten Werten durchaus wohl fühlen.<br />

Allerdings zeigen neuere Studien des <strong>Hypertonie</strong>zentrums<br />

München, dass manche Hypertoniker auch unspezifische Beschwerden<br />

wie Kopfschmerzen und Schwindel haben, sie jedoch<br />

nicht einordnen können.<br />

Ein hoher Blutdruck schädigt die <strong>Gefäße</strong> und in deren Folge<br />

die Organe; ein Risiko, das noch immer weit <strong>unter</strong>schätzt wird.<br />

Besonders deutlich ist in zahlreichen Studien der Zusammenhang<br />

zwischen einer Hochdruckkrankheit und dem Auftreten<br />

eines Schlaganfalls belegt. Schäden an kleinen und großen<br />

<strong>Gefäße</strong>n können zu verschiedenen Herzerkrankungen führen,<br />

wie verengten Herzkranzgefäßen bis hin zum Myokardinfarkt.<br />

Zusätzlich schädigt ein zu hoher Blutdruck den Herzmuskel,<br />

wenn dieser über Jahre gegen einen hohen <strong>Druck</strong> anpumpen<br />

muss. Als Folge vergrößert sich häufig das Herz, und es kann<br />

zu Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen kommen.<br />

Auch begünstigt eine arterielle <strong>Hypertonie</strong> an den Nieren eine<br />

Niereninsuffizienz bis hin zur Dialysepflichtigkeit.<br />

Hochdruck in Facetten<br />

Am weitaus häufigsten ist eine primäre oder essenzielle <strong>Hypertonie</strong>.<br />

Diese liegt bei 50 bis 90 Prozent aller Bluthochdruckpatienten<br />

vor. Die eigentliche Ursache ist noch immer<br />

unklar. Bis jetzt ist lediglich bekannt, dass an der Auslösung<br />

der Störung sehr viele Faktoren beteiligt sein können, und<br />

dass der Blutdruck mit dem Lebensalter ansteigt. Wesentlichen<br />

Anteil hat nach dem heutigen Verständnis die Gefäßinnenhaut<br />

(<strong>Gefäße</strong>ndothel), deren Dysfunktion sich häufig<br />

in einem erhöhten Blutdruck manifestiert. Entscheidend für<br />

ein einwandfreies Funktionieren des <strong>Gefäße</strong>ndothels ist das<br />

Gleichgewicht zwischen gefäßerweiterndem Stickstoffmonoxid<br />

und dem gefäßverengenden Enzym Angiotensin II.<br />

Kommt es aus der Balance, wird die Endothelfunktion gestört,<br />

und der Blutdruck steigt.<br />

Unter einer sekundären <strong>Hypertonie</strong> wird der erhöhte Blutdruck<br />

verstanden, der als Folge anderer Krankheiten, meist Nierenerkrankungen,<br />

auftritt. Andere Auslöser können Störungen im<br />

Stress lässt den Blutdruck in die Höhe klettern. Deshalb hilft es<br />

vielen Hypertonikern, Techniken wie Yoga, autogenes Training<br />

oder progressive Muskelrelaxation zu erlernen.<br />

Cortison- oder Aldosteron-Haushalt sowie kardiovaskuläre<br />

Erkrankungen sein. In einigen Fällen sind auch Medikamente<br />

wie Appetitzügler oder Kortikosteroide am Entstehen einer<br />

<strong>Hypertonie</strong> beteiligt. Der Blutdruck hängt außerdem davon<br />

ab, wie elastisch die großen <strong>Gefäße</strong>, besonders die Aorta, sind.<br />

Werden sie im Alter starr, bildet sich ein Elastizitätshochdruck<br />

(Widerstandshochdruck) aus. Dann ist besonders der systolische<br />

Wert erhöht, während der diastolische im Normalbereich liegt.<br />

> DAS PTA MAGAZIN -- 0 6 / 2 0 1 1 -- Heft 06 < 21


T I T E l T H E m A <<br />

Klassifikation der Blutdruckwerte<br />

Kategorie systolisch (mm Hg) diastolisch (mm Hg)<br />

optimal < 120 und < 80<br />

normal < 130 und < 85<br />

hoch normal 130 – 139 oder 85 – 89<br />

<strong>Hypertonie</strong><br />

Grad 1 (leicht) 140 – 159 oder 90 – 99<br />

Grad 2 (mittelschwer) 160 – 179 oder 100 – 109<br />

Grad 3 (schwer) > 180 oder > 110<br />

Quelle: Leitlinie zur Behandlung der arteriellen <strong>Hypertonie</strong>; Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen<br />

medizinischen Fachgesellschaften e. V. AWMF<br />

Neben diesen physiologischen Faktoren beeinflussen auch<br />

Aufregung, Stress und seelische Belastungen die Höhe des<br />

Blutdrucks. In der aufregenden Situation des Arztbesuches<br />

kann der Blutdruck erheblich höher liegen als im Alltag, ein<br />

Phänomen, das als „Weißkittelhypertonie“ bezeichnet wird.<br />

Im Tagesverlauf <strong>unter</strong>liegt der Blutdruck zudem Schwankungen.<br />

Erst eine ganze Reihe von Messergebnissen ermöglicht<br />

einen Überblick, so dass Hochdruckpatienten ihren<br />

Blutdruck am besten selbst regelmäßig messen. Um den tageszeitlichen<br />

Verlauf beobachten zu können, ist zudem heute<br />

eine 24-Stunden-Blutdruckmessung Standard, denn gefürchtet<br />

sind vor allem nächtliche Blutdruckspitzen, die nur bei einer<br />

solchen Langzeitbeobachtung auffallen.<br />

maßnahmen ohne medikamente<br />

Bei leichtem bis mittlerem Bluthochdruck wird zunächst eine<br />

nicht medikamentöse Therapie angewandt, denn allein<br />

Veränderungen des Lebensstils bringen bei Bluthochdruck<br />

mit<strong>unter</strong> gute Ergebnisse. Allerdings ist der Einfluss nicht<br />

medikamentöser Maßnahmen auf den Blutdruck individuell<br />

sehr <strong>unter</strong>schiedlich.<br />

Im Durchschnitt senkt eine Gewichtsreduktion um fünf Kilogramm<br />

bei übergewichtigen Patienten den Blutdruck um<br />

acht bis zwölf mm Hg. Ein Ausdauertraining von 30 Minuten,<br />

dreimal in der Woche, verbessert die Werte um fünf bis zehn<br />

mm Hg. Auch eine Beschränkung der Alkoholmenge kann den<br />

<strong>Druck</strong> noch um zwei bis vier mm Hg senken: Männer sollten<br />

maximal 20 bis 30 Gramm Alkohol täglich zu sich nehmen,<br />

Frauen höchstens zehn bis 20 Gramm.<br />

Inwieweit Kochsalz am Entstehen einer <strong>Hypertonie</strong> mitbeteiligt<br />

ist, wird noch immer kontrovers diskutiert. Besteht jedoch<br />

bereits ein Bluthochdruck, kann eine Kochsalzeinschränkung<br />

helfen, den <strong>Druck</strong> zu senken. Wird die tägliche Salzmenge<br />

auf etwa sechs Gramm beschränkt, vermindert sich in einem<br />

Drittel bis etwa der Hälfte der Fälle der Blutdruck.<br />

22 > DAS PTA MAGAZIN -- 0 6 / 2 0 1 1 -- Heft 06 <<br />

Länger anhaltender Stress lässt den Blutdruck in die Höhe<br />

schnellen, ein gutes Stress-Management senkt ihn. Zwar erfolgt<br />

der Stressalarm automatisch über das vegetative Nervensystem,<br />

doch die Bewältigung des Stresses läuft bewusst ab und<br />

kann kognitiv beeinflusst werden. Viele Patienten profitieren<br />

deshalb von Techniken wie autogenem Training, progressiver<br />

Muskelentspannung, Yoga oder Qi Gong.<br />

medikamente gegen Bluthochdruck<br />

Sinkt der Blutdruck durch nicht medikamentöse Maßnahmen<br />

nicht genügend, sollten frühzeitig Medikamente eingesetzt<br />

werden, wobei inzwischen – je nach Einteilung – fünf Hauptwirkstoffgruppen<br />

für die Therapie zur Verfügung stehen:<br />

ACE-Hemmer, AT1-Blocker (Sartane), Betarezeptorenblocker,<br />

Calciumkanalblocker und Diuretika. Häufig angewandt<br />

werden zudem Alpha-1-Antagonisten und Alpha-2-Agonisten,<br />

während die direkten Renin-Inhibitoren eine ganz neue Klasse<br />

von Blutdruckmitteln sind.<br />

Buchtipp<br />

Claudia Galler<br />

DAV, Stuttgart 2011<br />

151 Seiten, € 12,80<br />

ISBN 978-3-7692-5115-9<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

Aus der Reihe „Beratungspraxis“ vermittelt das vorliegende<br />

Buch das nötige Hintergrundwissen zum Thema: zur Erkrankung selbst,<br />

zu den rezeptpflichtigen Antihypertonika und zu möglichen Empfehlungen in<br />

der Selbstmedikation. Ausformulierte Beratungssätze an den Randspalten geben<br />

Hilfestellung für das Beratungsgespräch, und Fallbeispiele greifen typische<br />

Apothekensituationen auf. Ein wirklich empfehlenswertes Werk! JUP<br />

© photos.com PLUS


T I T E l T H E m A <<br />

Einordnung leicht gemacht<br />

Die Familie der Antihypertensiva ist groß und nicht zwingend übersichtlich.<br />

Einige Substanzklassen lassen sich jedoch an ihren Endungen erkennen:<br />

» ACE-Hemmer: enden auf -pril, z. B. Captopril, Enalapril, Ramipril<br />

» Alpha-1-Blocker: enden auf -zosin, z. B. Prazosin, Terazosin<br />

» Betablocker: enden auf -(o)lol, z. B. Atenolol, Carvedilol, Metoprolol<br />

» Calciumkanalblocker Nifedipin-Typ: enden auf -ipin, z. B. Nifedipin, Nimodipin<br />

» Calciumkanalblocker Verapamil-Typ: enden auf -pamil, z. B. Gallopamil,<br />

Verapamil<br />

» Sartane (AT1-Blocker): enden auf -sartan, z. B. Candesartan, Valsartan<br />

Neben der Höhe des Blutdrucks hängt es vom<br />

kardiovaskulären Risiko des Patienten ab, wann<br />

eine medikamentöse Therapie begonnen wird.<br />

Liegen bereits im mittleren Lebensalter mehrere<br />

Risikofaktoren vor, wie Diabetes mellitus,<br />

erhöhte Blutfettwerte, Rauchen und/oder kardiovaskuläre<br />

Erkrankungen, so empfiehlt die<br />

Deutsche Hochdruckliga e. V. eine medikamentöse Intervention<br />

auch bei hoch normalem Blutdruck, das heißt systolischen<br />

Blutdruckwerten von 130 bis 139 mm Hg oder diastolischen<br />

Werten von 85 bis 89 mm Hg.<br />

Antihypertensiva setzen an ganz verschiedenen Stellen im Organismus<br />

an:<br />

» an einem Enzym (ACE-Hemmer, Renin-Inhibitor)<br />

» am Ionenkanal (Calciumkanalblocker)<br />

» an einem Transportprozess (einige Diuretika)<br />

» an einem Rezeptor (Betablocker, Sartane, Alpha-2-Agonisten,<br />

Alpha-1-Antagonisten).<br />

ACE-Hemmer<br />

Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer)<br />

setzen am Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) an,<br />

das über eine Beeinflussung des Flüssigkeits- und Elektrolyt-<br />

haushaltes sowie des Gefäßwiderstandes an der Blutdruckregulation<br />

beteiligt ist. Sie blockieren das Schlüsselenzym<br />

Angiotensin-Converting-Enzym (ACE), bremsen so die Umsetzung<br />

von Angiotensin I zum Angiotensin II: Die Bildung<br />

von Angiotensin II, eine der am stärksten gefäßverengenden<br />

und damit blutdrucksteigernden Substanzen überhaupt, wird<br />

gedrosselt. In Folge sinken der periphere Gefäßwiderstand und<br />

der Blutdruck. Zudem schützen ACE-Hemmer die Niere, da<br />

sie einer Schädigung der feinen Nierenkanälchen entgegenwirken.<br />

Beispiele für häufig eingesetzte ACE-Hemmer sind Cap-<br />

24 > DAS PTA MAGAZIN -- 0 6 / 2 0 1 1 -- Heft 06 <<br />

topril, Enalapril, Lisinopril, Perindopril und Quinapril. Meist<br />

werden ACE-Hemmer gut vertragen. Allerdings entwickeln<br />

zehn Prozent aller Patienten, die mit ACE-Hemmern behandelt<br />

werden, einen Reizhusten, denn die Wirkstoffe hemmen<br />

auch den Abbau des Vasodilatators Bradykinin (Kumulation<br />

der Substanz). Dadurch können sich die Atemwege verengen,<br />

und es kann ein Hustenreiz entstehen.<br />

AT-1-Antagonisten (Sartane)<br />

Einen anderen Weg als die ACE-Hemmer, in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System<br />

einzugreifen, bieten die Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten,<br />

die auch AT1-Blocker,<br />

AT1-Rezeptorantagonisten und Sartane genannt werden. Sie<br />

blockieren direkt die Angiotensin-II-Rezeptoren, vor allem<br />

den Subtyp AT1 (antihypertensive Wirkung), haben aber keinen<br />

Einfluss auf die Bradykininbildung (Nebenwirkung Reizhusten<br />

wird vermieden). AT1-Antagonisten gelten als sehr gut<br />

Bluthochdruck verursacht kaum Beschwerden, schädigt jedoch<br />

<strong>Gefäße</strong> und Organe. Die häufigsten Folgen einer <strong>Hypertonie</strong><br />

sind Schlaganfall, Herzinfarkt oder Niereninsuffizienz.<br />

verträglich, ihre Nebenwirkungsrate liegt auf Placeboniveau.<br />

Zu dieser Wirkstoffgruppe gehören Candesartan, Eprosartan,<br />

Irbesartan, Losartan, Olmesartan, Telmisartan und Valsartan.<br />

Renin-Inhibitoren<br />

Schon lange erwarteten Hochdruckexperten Fortschritte<br />

durch einen früheren Eingriff in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System,<br />

als er bisher durch ACE-Hemmer und Sartane<br />

möglich ist. Seit Herbst 2007 ist in Deutschland der Renin-<br />

Inhibitor Aliskiren zugelassen. Damit wird bereits der erste<br />

© petersemler-photography / shutterstock.com


T I T E l T H E m A <<br />

Gewichtsreduktion ist ein wichtiger<br />

Bestandteil der antihypertensiven<br />

Therapie<br />

Schritt in der Aktivierung der RAAS-Kaskade <strong>unter</strong> drückt: Er<br />

hemmt die Umwandlung von Renin in Angiotensin I.<br />

Betarezeptorenblocker<br />

Zentralnervöse Veränderungen, insbesondere ein erhöhter<br />

Sympathikustonus, können ebenfalls für die Entwicklung einer<br />

<strong>Hypertonie</strong> verantwortlich sein. Neuere, weitgehend selektive<br />

Beta-1-Rezeptorenblocker (Betablocker, Beta-Adrenorezeptor-Antagonisten),<br />

wie Bisoprolol, Carvedilol, Metoprolol,<br />

und Nebivolol, blockieren vor allem Beta-1-Rezeptoren, die<br />

sich am Herzen, in der Niere und im Zentralen Nervensystem<br />

befinden. Sie schirmen <strong>unter</strong> anderem das Herz von dem<br />

aktivierenden Einfluss des Sympathikus<br />

ab und senken so die Herzfrequenz, das Auf einen Blick<br />

Schlagvolumen und damit den Blutdruck.<br />

Besonders ausgeprägt sind diese<br />

Wirkungen bei körperlicher und emotionaler<br />

Belastung.<br />

Calciumkanalblocker<br />

Calcium spielt eine Schlüsselrolle bei<br />

der Kontraktionsauslösung in Muskelzellen.<br />

Werden Calciumkanäle geöffnet,<br />

strömen Calciumionen in die Zelle und<br />

bilden dort mit Calciumionen bindenden<br />

Proteinen, <strong>unter</strong> anderem Calmodulin,<br />

einen Komplex, der an der Muskelkontraktion<br />

beteiligt ist. Calciumkanalblocker<br />

(Calciumantagonisten) vom<br />

Nifedipin- (1,4-Dihydropyridin-), Verapamil-<br />

und Diltiazem-Typ behindern<br />

diesen Vorgang; der Tonus der glatten<br />

26 > DAS PTA MAGAZIN -- 0 6 / 2 0 1 1 -- Heft 06 <<br />

Gefäßmuskultur sinkt, und es kommt zur Weitstellung der<br />

<strong>Gefäße</strong> und über die Abnahme des peripheren Widerstands zu<br />

einer Blutdrucksenkung. Da es <strong>unter</strong>schiedliche Calciumkanäle<br />

gibt, kann bei Versagen eines Calciumkanalblockers eine<br />

andere Substanz den <strong>Druck</strong> durchaus noch erfolgreich senken.<br />

Der heute am häufigsten eingesetzte Calciumkanalblocker<br />

ist das zum Nifedipin-Typ zählende Amlodipin. Aus dieser<br />

Gruppe werden auch Felodipin, Isradipin, Lercanidipin und<br />

Nimodipin therapeutisch verwendet, aus den beiden anderen<br />

Klassen die Leitsubstanzen Verapamil und Diltiazem.<br />

Diuretika<br />

Drei Klassen von Diuretika stehen zur Behandlung von Bluthochdruck<br />

zur Verfügung: Thiazide, Schleifendiuretika und<br />

kaliumsparende Diuretika. Ihre Hauptwirkung besteht in einer<br />

erhöhten Natriumausscheidung und damit einem sinkenden<br />

Plasma- und Herzzeitvolumen (antihypertensiver Effekt durch<br />

gesteigerten Harnfluss).<br />

Thiazid-Diuretika wie Hydrochlorothiazid und die Thiazid-<br />

Analoga Chlortalidon, Indapamid und Xipamid werden für die<br />

Monotherapie nicht eingesetzt, jedoch in der Kombinationstherapie,<br />

besonders Hydrochlorothiazid. Großer Nachteil der<br />

bewährten und preisgünstigen Therapie: Der Kaliumspiegel<br />

im Blut sinkt, was zu Herzrhythmusstörungen und im Extremfall<br />

zum plötzlichen Herztod führen kann. Thiazid-Diuretika<br />

werden deshalb nur in Kombination mit anderen Wirkstoffen<br />

angewandt. Vor allem bei älteren Menschen muss zudem der<br />

Kaliumwert im Serum regelmäßig kontrolliert werden.<br />

Hauptvertreter der Schleifendiuretika ist Furosemid, dessen<br />

wichtigste Nebenwirkung ein reversibler Hörverlust/Tinnitus<br />

ist. Allerdings weist Furosemid eine ungünstige Pharmakokinetik<br />

auf: Es wird von Patient zu Patient <strong>unter</strong>schiedlich<br />

resorbiert. Unter pharmakologischen Aspekten sind die länger<br />

wirksamen Schleifendiuretika Torasemid und Piretanid<br />

vorzuziehen.<br />

» Jeder fünfte Bundesbürger leidet an Bluthochdruck.<br />

» Als Grenzwert für einen normalen Blutdruck gilt heute für alle Altersstufen 140/90 mm Hg.<br />

» Die weitaus häufigste Form eines Bluthochdrucks ist die primäre <strong>Hypertonie</strong>, deren Ursache noch<br />

weitgehend ungeklärt ist.<br />

» Als erste Maßnahmen bei Bluthochdruck werden Änderungen des Lebensstils empfohlen: Bei Übergewicht<br />

abnehmen, auf das Rauchen verzichten, Alkoholgenuss vermindern, viel kaliumreiches<br />

Obst und Gemüse essen und wenig Kochsalz verwenden, regelmäßig Ausdauersport betreiben.<br />

» Für eine medikamentöse Behandlung der <strong>Hypertonie</strong> stehen verschiedene Substanzklassen zur<br />

Verfügung, die an <strong>unter</strong>schiedlichen Stellen der Blutdruckkaskade ansetzen.<br />

» Bei einer Ersteinstellung des Patienten wird ein Antihypertensivum je nach Alter des Patienten,<br />

weiteren Erkrankungen oder Risikofaktoren ausgewählt.<br />

» Bei mittelschwerer bis schwerer <strong>Hypertonie</strong> ist häufig eine Kombination einzelner Substanzen<br />

notwendig.<br />

» Meist muss ein Bluthochdruck lebenslang behandelt werden, wozu viele Patienten immer wieder<br />

erneut motiviert werden müssen.<br />

© Kokhanchikov / fotolia.com


T I T E l T H E m A <<br />

Anhaltender Stress lässt bei dafür empfindlichen Personen den Blutdruck steigen<br />

Die wichtigsten kaliumsparenden Diuretika sind Triamteren<br />

und Amilorid, deren diuretischer Effekt relativ gering ist. Doch<br />

da sie die Kaliumausscheidung hemmen, werden sie mit Thiaziden<br />

kombiniert und gleichen so die durch Thiazide verursachten<br />

Kaliumverluste aus.<br />

Kaliumsparend wirkt auch der Aldosteron-Antagonist Spironolacton,<br />

der die Aldosteron-Wirkung mindert: Kaliumionen<br />

werden so zurückgehalten und Natriumionen ausgeschieden,<br />

das Harnvolumen steigt (antihypertensiver Effekt). Seit einigen<br />

Jahren ist der selektive Aldosteron-Antagonist Eplerenon auf<br />

dem Markt. Die derzeitige Zulassung beschränkt sich jedoch<br />

auf die chronische Herzinsuffizienz.<br />

Alpha-1-Antagonisten und Alpha-2-Agonisten<br />

Alpha-1-Antagonisten werden auch Alpha-1-Blocker genannt.<br />

Sie setzen an Alpha-1-Adrenorezeptoren des ZNS an. In Folge<br />

erweitern sich die <strong>Gefäße</strong>, und der Blutdruck sinkt. Sie werden<br />

vor allem bei stark erhöhtem Blutdruck oder einer „Hypertensiven<br />

Krise“ angewandt, wenn Blutdruckwerte von über<br />

230/130 mm Hg auftreten. Da sich die erweiterten <strong>Gefäße</strong><br />

nur verzögert wieder verengen, kann es nach der Gabe eines<br />

Alpha-1-Antagonisten beim Aufstehen zu Schwindel bis hin<br />

zu einer Ohnmacht kommen. Deshalb werden diese Medikamente<br />

einschleichend dosiert und zu Therapiebeginn im<br />

Krankenhaus oder in der Arztpraxis <strong>unter</strong> Aufsicht angewandt.<br />

Aus dieser Gruppe werden die Substanzen Prazosin, Terazosin<br />

und Doxazosin eingesetzt.<br />

Alpha-2-Agonisten Die Antihypertensiva Clonidin und Moxonidin<br />

wirken ebenfalls im ZNS: Dort <strong>unter</strong>drücken sie durch<br />

den Angriff an Alpha-2-Adrenorezeptoren vom Sympathikus<br />

ausgehende aktivierende Impulse. Sie werden auch als indirekte<br />

Sympatholytika oder Antisympathotonika bezeichnet.<br />

Als unerwünschte Arzneimittelwirkungen treten bisweilen<br />

Sedierung und depressive Verstimmungen auf, so dass Alpha-<br />

2-Agonisten eher Reservesubstanzen sind. Auch eine alte Substanz,<br />

das Methyldopa, gehört zu dieser Gruppe von Antihy-<br />

28 > DAS PTA MAGAZIN -- 0 6 / 2 0 1 1 -- Heft 06 <<br />

pertensiva. Sie ist zwar nicht so gut verträglich, kann jedoch<br />

als eine von wenigen Substanzen auch in der Schwangerschaft<br />

eingesetzt werden.<br />

Schneller zum Ziel<br />

Im Allgemeinen wird eine Hochdrucktherapie mit einem Monopräparat<br />

begonnen. Wird damit der <strong>Druck</strong> nicht ausreichend<br />

gesenkt, geht man auf ein anderes Antihypertensivum<br />

über, bis der gewünschte Wert erreicht ist. Allerdings zeigen<br />

neuere Studien, dass zum Erreichen des Zielblutdrucks viele<br />

Patienten eine Kombinationstherapie mit mehr als einem antihypertensiven<br />

Medikament benötigen. Um schneller zum Ziel<br />

zu kommen, weicht man vor allem bei schwerem Hochdruck<br />

gleich auf Zweier- oder Dreierkombinationen aus. Die Blutdrucksenkung<br />

– so sieht es die aktuelle Leitlinie zur Behandlung<br />

der arteriellen <strong>Hypertonie</strong> vor (www.awmf.de/Stichwort<br />

<strong>Hypertonie</strong>) – soll zuverlässig über den ganzen Tag erfolgen.<br />

Bei der Auswahl der Antihypertensiva sind solche zu bevorzugen,<br />

die über 24 Stunden wirken. Patienten können entweder<br />

mehrere Tabletten einnehmen oder eine, die mehrere Wirkstoffe<br />

enthält. Die freie Kombination erlaubt eine individuelle<br />

Dosisanpassung der einzelnen Komponenten. Viele Patienten<br />

empfinden jedoch fixe Wirkstoffkombination als Erleichterung,<br />

weil sie weniger Tabletten benötigen.<br />

Infomaterial | Broschüren<br />

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dem 01.07.2011 <strong>unter</strong> www.das-pta-magazin.de/hypertonie<br />

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in<br />

unserem Serviceteil auf Seite 104 in der Rubrik Broschüren.<br />

l. S. © Lichtmeister / shutterstock.com; r. S. © Archiv Spinger <strong>GuP</strong>


Kombinieren lassen sich Diuretika und ACE-Inhibitoren<br />

beziehungsweise AT1-Antagonisten; Dihydropyridin-Calciumkanalblocker<br />

und Betablocker; Calciumkanalblocker<br />

und ACE-Inhibitoren beziehungsweise AT1-Antagonisten;<br />

Calciumkanalblocker und Diuretika sowie Betablocker und<br />

Diuretika.<br />

Selbstdisziplin und Unterstützung gefragt<br />

Die Behandlung des Bluthochdrucks wird als eine der erfolgreichsten<br />

Maßnahmen in der Medizin gefeiert. Kaum ein medikamentöser<br />

Ansatz ist über große Studien so gut belegt wie<br />

die Hochdrucktherapie, die allerdings als Langzeittherapie<br />

vom Patienten viel Ausdauer und Sorgfalt erfordert.<br />

Was theoretisch machbar erscheint, scheitert jedoch mit<strong>unter</strong><br />

in der Praxis. Nur jeder dritte behandelte Hypertoniker erreicht<br />

seinen Zielwert. Das ist trotz der guten Therapiemöglichkeiten<br />

immer noch vielfach die Realität. Die Gründe für<br />

ein Therapieversagen können vielfältig sein: Es kann ein nur<br />

scheinbar resistenter Bluthochdruck sein, wie er bei Weißkittelhypertonie<br />

beobachtet wird. Es kann auch an zu kleinen<br />

Blutdruckmanschetten bei großen Armumfängen liegen, die<br />

irrtümlich zu hohe Blutdruckwerte vorspiegeln.<br />

Oft sind die Therapieerfolge deshalb mager, weil der Patient<br />

seine Medikamente gar nicht oder nicht wie vereinbart<br />

einnimmt. In der Hochdrucktherapie ist die Compliance der<br />

Patienten mäßig, weil sie keinen Leidensdruck empfinden und<br />

ihnen die Ziele der Behandlung abstrakt erscheinen. Der langfristige<br />

Erfolg der meist lebenslangen Therapie hängt wesentlich<br />

davon ab, wie gut der Patient <strong>unter</strong>stützt und motiviert<br />

wird. Dazu kann auch das Apothekenteam bei der Abgabe der<br />

Medikamente viel beitragen.<br />

Vorher ausruhen!<br />

Eine Blutdruckmessung in der Apotheke sollte im Beratungsraum<br />

erfolgen, nachdem der Patient sich mindestens drei bis fünf Minuten<br />

ausgeruht hat. Um den passenden Gerätetyp und den richtigen<br />

Messarm des Patienten zu ermitteln, wird bei einer Erstmessung<br />

idealerweise der Blutdruck an beiden Oberarmen sowie beiden<br />

Handgelenken gemessen.<br />

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