Die Deutschen in Polen 1918 bis 1939

und den Korridor zu finden, verstärkten sich. Der deutsche Außenminister Ribbentrop
unterbreitete in einem Gespräch mit Botschafter Lipski die deutschen Vorschläge zu einer
einvernehmlichen Regelung des Korridor- und des Danzigproblems; in der Antwortnote
betonte Oberst Beck: „Trotz des komplexen Charakters eines solchen Vertrags fühlt sich die
polnische Regierung zu der Erklärung gezwungen, dass jede andere Lösung, insbesondere
die Eingliederung der Freien Stadt in das Reic, zweifellos zu einem Konflikt führen
müsse.“49) Am 21. März 1939 bat Ribbentrop Lipski zu einer erneuten Unterredung, bei der
er ihm nahe legte, keine frühere Regierung sei in der Lage gewesen, auf die deutschen
Rechtsansprüche zu verzichten, ohne innerhalb von 48 Stunden vom Reichstag fortgefegt zu
werden. Doch die polnische Regierung lehnte am 26. März ab; sie ließ ihren Botschafter in
Berlin darauf hinweisen, dass jeder Versuch, Danzig wieder an Deutschland anzugliedern,
Krieg mit Polen bedeuten würde. Der Brockhaus von 1956 schreibt unter dem Stichwort
„Weltkrieg II“ zu der Märzkrise: „Drei Tage zuvor [am 23.3.1939] hatte die polnische
Regierung Maßnahmen zu einer Teilmobilisierung und Zusammenziehung von Truppen an
der Danziger Grenze getroffen. Darauf befahl Hitler Ende März, sich auf die unvermeidlich
erscheinende militärische Auseinandersetzung mit Polen vorzubereiten. An ein Eingreifen
Großbritanniens und Frankreichs in einen deutsch-polnischen Krieg glaubte er nicht, obwohl
die britische und die französische Regierung am 31. März Polen ihre volle Unterstützung im
Falle einer Bedrohung zugesichert und Großbritannien die polnischen Grenzen garantiert
hatte.“50) Ein letzter, von Großbritannien vorgeschlagener Versuch direkter deutsch-
polnischer Verhandlungen am 29. August scheiterte, weil der polnische Unterhändler nicht
erschien.
Am 23. und am 25. August wurden zwei deutsche Flugzeuge von der Halbinsel Hela und von
einem polnischen Kriegsschiff aus beschossen.51) Am 23. August erging der Befehl zur
polnischen Mobilmachung. In den letzten Augusttagen gab es wiederholt gezielte
Grenzverletzungen seitens des polnischen Militärs.52) Wer angesichts dieser Tatsachen
noch von einem Überfall Hitler-Deutschlands auf das ahnungslose Polen redet, ist entweder
hoffnungslos hinter dem aktuellen Forschungsstand zurück oder er ist aus ideologischer
Verblendung nicht fähig, die Tatsachen zu sehen und richtig einzuordnen. Zwei Tage nach
dem deutschen Angriff am 1.September erklärten die selbsternannten Schutzmächte Polens,
England und Frankreich, Deutschland den Krieg. Dadurch weitete sich der bilaterale
kriegerische Konflikt zu einem Weltkrieg aus, einem Krieg – wie Gerd Schultze-Rhonhof in
seinem grundlegenden Werk dargelegt hat -, der viele Väter hatte.53) Einer davon war
Polen. In den ersten Tagen des Krieges sahen sich die dortigen Deutschen grauenvollem
Terror ausgeliefert. Am sogenannten Bromberger Blutsonntag, am 3. September, zwei Tage
nach dem deutschen Einmarsch, wurden fast 4000 Deutsche ermordet. Die Überlebenden
und andere Deutsche Westpreußens wurden abgeführt und auf Todesmärschen nach
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