Bericht über meine Seereise - Jocham-Schiffe
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Sonntag, 9. Januar 2011<br />
Gestern sind wir um 23:00 Uhr ausgelaufen. Bis heute 01:00<br />
Uhr war ich auf der Brücke, um das Auslaufen zu beobachten.<br />
Das Schiff läuft mit 17 kn (72 U/min) durch die Straße von<br />
Dover. In Le Havre müssen ca. 140 Container nachgeladen<br />
werden, die beim letzten Aufenthalt dort wegen eines bevorstehenden<br />
Streiks nicht mehr verladen werden konnten. Deshalb<br />
verließ das Schiff noch vor Beginn des Streiks den Hafen,<br />
sonst wäre es für die Dauer des Ausstands dort festgesessen.<br />
Um 09:40 Uhr wurde die engste Stelle des Kanal zwischen<br />
Dover und Calais passiert. Es herrscht ein starker Schiffsverkehr,<br />
ausgehend (O-W) in der Nähe Englands (Küste in der<br />
Sonne), eingehend (W-O) unter der französischen Küste (unter<br />
Wolken). Dazu der Querverkehr. Kein Wunder, das sich früher<br />
so viele Schiffszusammenstöße ereigneten, als es noch keine<br />
Radar-Überwachung gab. Die alten Feuerschiffe liegen noch<br />
aus: Goodwin, Sandettie etc. sind mir noch von den Reisen<br />
auf der Sir Winston Churchill her bekannt. Was sind das doch<br />
für winzige Dinger! Dabei waren sie damals das Nonplusultra<br />
der Technik und die größte Hilfe für den Seefahrer. Das sind<br />
sie heute zwar auch noch, aber wenn man die modernen nautisch-elektronischen<br />
Hilfsmittel damit vergleicht, ist das so gut<br />
wie nichts. Die elektronische Seekarte sagt dir jederzeit deinen<br />
wahren Ort, die zurückgelegte Distanz, Zeit und Strecke zum<br />
Zielort, Wind und Wetter usw. Das Gequassel des Sprechfunks<br />
stört sehr auf der sonst ruhigen Brücke, ist aber wahrscheinlich<br />
doch wichtig.<br />
Gegen 12:00 Uhr nähern wir uns mit 19 kn dem Leuchtturm<br />
Beachy Head. Kurz darauf entsteht eine gefährliche Verkehrssituation<br />
auf dem Null-Meridian: Zwei große <strong>Schiffe</strong> an Bb.<br />
achteraus, eines davon setzt zum Überholen an. Unser Schiff<br />
soll aber an dieser Stelle von Kurs 260° (West) auf 180° (Süd)<br />
nach Bb. drehen! Dadurch geraten beide <strong>Schiffe</strong> auf Kollisionskurs<br />
mit uns. Der Kapitän entschließt sich zur Kursänderung<br />
nach Stb. und fährt eine 270°-Kurve, um die Situation zu entschärfen.<br />
Später habe ich den in <strong>meine</strong>r Kammer befi ndlichen Überlebensanzug<br />
angezogen. Das dauerte ein bisschen, aber ich<br />
habe es dann doch und ohne<br />
große Mühe geschafft. Um<br />
21:00 Uhr war das Schiff in<br />
Le Havre fest. Ich war bei der<br />
Achtergang dabei. Während<br />
der Wartezeit habe ich mir die<br />
Rudermaschine angesehen.<br />
Das ist vielleicht ein Riesengerät!<br />
Wenn vom Rudergänger<br />
die Maschine betätigt wird,<br />
bewegt sich sofort und ohne<br />
jede Verzögerung der Ruderschaft<br />
mit dem daran befestigten<br />
Ruder. Der Schaft hat<br />
immerhin einen Durchmesser<br />
von 70 cm und das Ruderblatt<br />
eine Fläche von ca. 85 qm.<br />
Starker Schiffsverkehr im Englischen Kanal Die englische Südküste mit ihren berühmten Kreidefelsen<br />
Die im Text geschilderte Verkehrssituation in natura (oben)<br />
und auf der elektronischen Seekarte (rechts)<br />
mit Kurslinie und Schiffsort (Doppelkreis)<br />
So sieht man im<br />
Überlebensanzug aus.<br />
CMA CGM L‘ETOILE 6 April 2011