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ROMANA SCHEFFKNECHT 1982 2013 - romana scheffknecht videos

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geht hier keinesfalls um den von Benjamin mit dieser Entwicklung verbundenen Verlust der<br />

Aura. Zwei Arten des Blicks werden uns angeboten: Der voyeuristische Blick und der distanzierte<br />

Blick aus der Vogelperspektive. Romana Scheffknecht lässt uns die Erde durch drei Abbildungsvorgänge<br />

hindurch verfolgen, als Abbild eines Abbildes eines Abbildes und es bleibt<br />

uns nichts anderes übrig, als uns im Geiste in der Rolle von Platons Höhlenbewohnern wieder-<br />

zufinden. Das Bild von der Wirklichkeit ist nicht die Wirklichkeit. Wenn Illusion mit Wirklichkeit<br />

verwechselbar wird, dann tritt die Illusion an die Stelle der Wirklichkeit. Schlichter als mit<br />

René Magrittes Text-Bildaussage „Dies ist keine Pfeife“ im Bild Der Verrat der Bilder aus dem<br />

Jahr 1929 konnte man diesen komplizierten Bruch in der Moderne nicht auf den Punkt bringen,<br />

in der sich das nach wie vor der Romantik verhaftete Subjekt zwischen Selbst-, Objekt-<br />

und Realitätserkennung im Kreis bewegte. Magritte hatte eine der grundlegenden Fragen nach<br />

dem Realitätsbegriff der Gesellschaft der Moderne formuliert: Unsere Wahrnehmung ist eine<br />

Falle, wenn wir aus ihr die Wirklichkeit ableiten. In der Naturwissenschaft wurde diese Frage<br />

um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im Bereich der Kernphysik in einem paradigmatischen<br />

Streit zwischen zwei Physikern in Wien ausgetragen. Während Ernst Mach behauptete,<br />

es könne keine Atome geben, weil man sie nicht beobachten kann, versuchte Ludwig<br />

Boltzmann mit seiner Theorie der statistischen Thermodynamik das Gegenteil zu beweisen.<br />

Boltzmann hatte alleine durch seine Denkleistung einen theoretischen Beweis erbracht, verlor<br />

aber den Streit. Das Auge erschien unbestechlich, eine Vorstellung, auf der auch die Tradition<br />

der Wiener Kunstgeschichtswissenschaft mit Otto Pächts Leitsatz „Am Anfang war das Auge“<br />

gründet. Das künstlerische Werk von Romana Scheffknecht scheint sich zu erlauben, dem zu<br />

widersprechen.<br />

Die Tischinstallationen, die Romana Scheffknecht seit den frühen 1990er Jahren aus Fundstücken,<br />

Apparaturen, Figuren, Zeichnungen, Videokameras und Monitoren zusammenstellt,<br />

sind künstlerische Versuchsanordnungen zur Frage nach der Gesellschaft und ihrer Mediatisierung,<br />

nicht ohne die conditio humana immer im Auge zu behalten. Scheffknecht lässt für<br />

diese Installationen mechanische Vorrichtungen, mit denen man Blickwinkel umlenken und<br />

verändern kann, von Spezialisten anfertigen. Ihre Apparaturen sind kleine wie großformatige<br />

Ungetüme, die oft Bewegungsabläufe bei anderen Apparaturen auslösen. Das Übersetzen<br />

und Umlenken scheint immer wieder zentrale Funktion dieser Konstruktionen zu sein. Dem<br />

kleinen Motor und langen Arm, der Motor und schwenkbaren Spiegel miteinander verbin-<br />

det, ist anzusehen, dass es hier kein Anliegen war, die effizienteste Lösung zu finden. Vielmehr<br />

ist anzunehmen, dass da jemand am Werk war, der den Nutzen von Maschinen freudig<br />

ironisiert.<br />

II. Der Fall 4<br />

Architektonische Pläne der Galerie im Taxispalais, Grundrisse, Aufrisse, Skizzen und Notizen<br />

der Künstlerin zur Ausstellung sind über den Tisch ausgebreitet. Hier liegt alles, was vor Ort ist,<br />

die Räume und die Ausstellung <strong>1982</strong> / <strong>2013</strong> – in ihrer geistigen Planung. Mit Wittgenstein<br />

gesprochen, könnte man sagen: Tatsache (Fall) und Idee der Substanz treffen aufeinander. Ein<br />

Ventilator bringt Bewegung in die ungeordneten Papiere und lässt einen Plan mit einer Raumansicht<br />

hochflattern. Er wird von einer Handkamera abgefilmt, die auf dem Tisch liegt und auf<br />

einen Monitor übertragen. Auf dem Monitor erscheint der Plan wie ein dreidimensionaler Raum<br />

mit einer Tür, auf die die Kamera fokussiert ist – ein Eingang und ein Ausgang. Wieder wird der<br />

Prozess der Veränderung von Wirklichkeit durch das Abbilden als Übertragung in eine andere<br />

Dimension offengelegt, aber auch als Möglichkeit des Erkenntnisgewinns vorgestellt.<br />

Wenn man will, kann man hier von Institutionskritik im Sinne eines (kritischen) Blicks auf das<br />

Ausstellungshaus und seine Rolle als öffentliche Institution in Verbindung mit künstlerischer<br />

Arbeit sprechen. Diese als zentrales Anliegen von Romana Scheffknecht in ihrem Werk darzustellen,<br />

wäre jedoch übertrieben. Vielmehr ergibt sie sich aus der Natur der Sache, alles, ,was<br />

die Welt ist‘, zum Thema zu machen. Dabei geht es um die Wahrnehmung und Auslotung der<br />

Konditionen, in denen sich die Künstlerin vorfindet oder – bildlich gesprochen – um den Weg<br />

hinein und um den Weg hinaus. Der Ort in Verbindung mit der Ausstellung und deren Entste-<br />

hung wird einer Reflexion unterzogen, in der die Idee und der Planungsvorgang zum Teil der<br />

künstlerischen Arbeit deklariert wird.<br />

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