ROMANA SCHEFFKNECHT 1982 2013 - romana scheffknecht videos
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um Joseph Beuys, der damals die große Referenzfigur<br />
war, nicht zuletzt deshalb, weil er ja selbst auf der<br />
Angewandten unterrichtet hat.<br />
PG: Was hast du dir aus dieser Lehre mitgenommen?<br />
RS: Zum einen, dass man vor allem viel Zeit braucht,<br />
um ein gutes Kunststudium zu absolvieren. Dass man<br />
alles ausprobieren muss. Diese Methode finde ich großartig:<br />
Es sind Selbstversuche am eigenen Leib. Wenn<br />
aber die Schiene schon früh so gelegt ist, dass alle<br />
möglichst ein Superprodukt hinausschießen müssen,<br />
funktioniert das nicht. Und da hat Oberhuber immer<br />
geschaut, dass es anders läuft.<br />
PG: Später bist du an die Düsseldorfer Kunstakademie<br />
gegangen, um bei Nam June Paik zu studieren, ein eben-<br />
falls sehr charismatischer Künstlertyp. Was hat er dir<br />
gebracht? Waren diese beiden Lehrer nicht auch eine<br />
Art Überväter, die man irgendwann überwinden muss?<br />
RS: Im Falle Oberhuber gab es eigentlich sehr wenig<br />
Opposition oder Gegenpositionen. Bei Paik war es nicht<br />
viel anders. Er lebte damals bereits in New York und<br />
ist für den Unterricht immer eingeflogen. Meine erste<br />
Erinnerung an Paik war eine Begegnung auf der Stiege<br />
der Akademie in Düsseldorf, als mir so ein zerwuselter,<br />
völlig zerschränzter Typ entgegenkam. Das war Paik.<br />
Er war in gewisser Weise verwahrlost. Und diese Verwahrlosung<br />
war in der Klasse in dem Sinn spürbar, dass<br />
er ganz ähnlich wie Oberhuber alles zugelassen hat.<br />
Er ließ sich von den Studierenden immer die neuesten<br />
Arbeiten zeigen, und dazu nahm er sich jeweils ein<br />
McDonald’s-Paket mit, von dem er dann immer aß.<br />
PG: Was aß er da? Pommes frites?<br />
RS: Alles. Auch Hamburger. Und dazu trank er Coca-<br />
Cola. Dazwischen schlief er dann ein bisschen und<br />
nachdem er wieder aufgewacht war, rief er: „Wow! Na,<br />
das war aber nicht schlecht!“ Paik hat die Arbeiten<br />
der Studierenden so richtig erdöst.<br />
PG: Welches Hauptinteresse hattest du bei ihm?<br />
RS: Die Akademie in Düsseldorf hat anders funktio-<br />
niert, das war eine Eliteschmiede und war als solche<br />
definiert, der Kunstmarkt war immer viel wichtiger.<br />
Man achtete auf die Sammler, die schon da draußen<br />
warteten. Und in Wien gab es weder das eine noch<br />
das andere. In Düsseldorf gab es zu der Zeit eine hochaktive<br />
Szene, die auch das ganze Umfeld der Akade-<br />
mie geprägt hat.<br />
PG: Welche Arbeiten hast du damals produziert?<br />
RS: Ein ziemlich großes Konvolut früher Arbeiten ist<br />
dort entstanden. Mich haben die Wiener Väter damals<br />
weniger interessiert als die Väter in Köln. Da waren<br />
beispielsweise Gerry Schum und diese ganze Szene,<br />
die hochaktiv und sehr politisch war. In Wien ging es<br />
einfach nicht weiter, weil es auch keine Möglichkeiten<br />
gab, auszustellen. Medienkunst zu zeigen, war immer<br />
sehr teuer gewesen im Vergleich zur Malerei.<br />
PG: Es erstaunt doch, dass es in der Zeit genug<br />
Sammler für Medienkunst gab, die eben Nam June<br />
Paik zum Beispiel gekauft haben. Installative Kunst<br />
hat ja erst heute so richtig Einzug in Sammlungen<br />
gefunden, und da auch hauptsächlich in Museen.<br />
War Paik damals auch so etwas wie ein Role Model,<br />
was den Umgang mit dem Material betraf?<br />
RS: Die Medienleute waren im Vergleich zur Malerei<br />
immer viel aktiver, weil sie einfach spielen mussten.<br />
Zwar war Oberhuber auch ein sehr spielerischer Typ,<br />
aber Paik war ‚asiatischer‘ im Spiel. Diese beiden<br />
Positionen haben mich so erfreut.<br />
PG: Paiks Arbeit vermittelt dieses paradox-meditative<br />
Moment des Mediums Fernsehen, das nicht zuletzt von<br />
der Zen-Meditation beeinflusst ist. Siehst du da einen<br />
Einfluss auf deine Arbeit?<br />
RS: In meinen Arbeiten kommen die 1980er Jahre sehr<br />
stark ins Spiel, was bei Paik nicht der Fall war. Durch<br />
die ersten Beamer wurde die Möglichkeit geboten,<br />
monumentaler zu arbeiten. Paik war immer noch dem<br />
Monitor oder den kleinen Objekten verhaftet. Meine<br />
kleinen Objekte, die Figürchen, die ich in vielen Installationen<br />
verwendete, sind auch zum Teil mit der Rolle<br />
der kleinen Objekte von Paik vergleichbar, er nimmt<br />
Buddha, ich die Spielsachen. Aber für ihn ist der Fernseher<br />
oft ein Beispiel für ein Zeitrequisit. Mir war es<br />
immer egal, auf welchem Monitor meine Videos gezeigt<br />
wurden. Paik kam aus einer anderen Zeit und ist auch<br />
viel tiefer dem Objekt verhaftet geblieben, er hat die<br />
Geräte als Objekte in Frage gestellt. Bei mir waren die<br />
Geräte nur Hilfsmittel, um das zu zeigen, was ich gemacht<br />
hatte.<br />
PG: Deine Arbeiten sind ja in vieler Hinsicht sehr<br />
minimal: Im Vergleich zum damaligen figurativen Über-<br />
schwang waren deine Videos formal oftmals sehr<br />
abstrakt.<br />
RS: Die Medienkunst, und meine ganz besonders, war<br />
sehr mit dem Fluxus verbunden. Meine Väter waren die<br />
Fluxusleute, die selbst minimalistisch in Film und Video<br />
gearbeitet haben. Mich hat da von der Malerei immer<br />
viel getrennt. In Düsseldorf haben sich auch außerhalb<br />
der Akademie Medienkunst und Malerei nicht berührt.<br />
PG: Du hast davon gesprochen, dass man Kunst nur<br />
unterrichten kann, wenn man sich obsessiv mit Kunst<br />
beschäftigt, aber was kann die obsessive Kunstfigur?<br />
RS: Zum Beispiel weiß sie, welche Strömungen die Zeit<br />
beeinflussen. Wenn Oberhuber über Giovanni Segantini<br />
sprach, wußte er, was bei verschiedenen Malern sichtbar<br />
war. Es geht darum, herauszufinden, mit welcher<br />
Energie etwas gemacht wird, weniger um die Produk-<br />
tion als um die Energie, die sehr vieles beeinflusst: Wie<br />
wird etwas verwendet, weitergedreht und was kann<br />
es bewirken. Manches, das in der Gesellschaft ist, verschwindet<br />
und anderes wird wieder aufgenommen.<br />
PG: Nachdem du Studierende auf der Angewandten<br />
warst, bist du jetzt zur Lehrenden geworden. Was hat<br />
sich persönlich und stimmungsmäßig geändert?<br />
RS: Der Zeitgeist hat andere Kategorien verstärkt, es<br />
wird mehr über den Kunstmarkt, über Preise oder<br />
Seilschaften nachgedacht, während es bei Oberhuber,<br />
der ein obsessiver Künstler war – und unter dessen<br />
Rektorat – nicht so sehr darum ging, permanent nach<br />
außen zu agieren, sei es durch Ausstellungen oder<br />
durch Öffentlichkeitsarbeit. Aber meine persönliche<br />
Freude ist es, dass ich nach wie vor das machen kann,<br />
was mir am meisten Spaß bereitet, nämlich Kunst anzuschauen.<br />
Und das kann ich noch dazu mit Leuten,<br />
die das auch gerne tun.<br />
PG: Wie der ahnungslose Idiot.<br />
RS: Genau. Aber ein ahnungsloser Idiot, der schon viel<br />
idiotische Lebenserfahrung hat. Und der ahnungslose<br />
Idiot ist der Bonus, den man als Künstlerin hat.<br />
spricht man kaum mehr von der Medienkunst als solcher,<br />
sondern sie scheint wieder aufgegangen in all den<br />
anderen Gattungen als Mixed Media Installation.<br />
RS: Die 1980er Jahre waren die Zeit, in der die Me-<br />
dienkunst sich mit den Medien selbst beschäftigt hat,<br />
mit dem Fernsehen, mit Video und anderem, aber<br />
die große, experimentelle Phase war abgeschlossen.<br />
Anfang der 1990er Jahre hat eine Diversifizierung der<br />
Mittel stattgefunden und das Feld sowohl durch neue<br />
technische Möglichkeiten wie den zum ersten Mal in<br />
Maßen verwendeten Videobeamer erweitert, aber auch<br />
durch eine Art Retro-Bewegung, bei der viele Leute<br />
wieder mit Super 8-Filmen oder im 16mm-Format gearbeitet<br />
haben. Die Videokunst hat sich bereits früher<br />
in Richtung Skulptur bewegt, ein Paradox an sich, aber<br />
möglicherweise konnte sie dadurch erst ausstellungs-<br />
und museumskompatibel werden.<br />
PG: Du selbst hast einige sehr skulptural anmutende<br />
Arbeiten produziert, wie Prison (2000) oder einige der<br />
Philosophischen Untersuchungen (1991–2000).<br />
RS: Für mich war aber immer das Thema wichtiger:<br />
Welcher Inhalt ist da und wo ist der Zufall, der mir<br />
etwas zuspielt und was kann ich damit machen.<br />
PG: Das ist vielleicht auch durch die Beschäftigung mit<br />
Philosophie so entstanden, nicht?<br />
RS: Der Zufall war immer, ‚was der Fall war‘, natürlich.<br />
Ludwig Wittgenstein geisterte in der gesamten Kunstgeschichte<br />
jener Zeit herum. Nach den Videoarbeiten<br />
Anfang der 1980er Jahre habe ich gemerkt, dass ich<br />
irgendwie Nahrung brauche und über die Philosophie<br />
habe ich einen Weg gefunden, mir Nahrung zu verschaffen,<br />
um weiter arbeiten zu können.<br />
PG: Meinst du mit Nahrung eine gewisse Fundierung?<br />
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* * *<br />
PG: Die Medienkunst hat sich seit der Zeit, als du in<br />
Düsseldorf warst, mehrmals selbst neu dargestellt: Vom<br />
Apparativen, Objektverhafteten der 1970er Jahre zu<br />
den neueren, digitalen Aufnahmeverfahren und schließlich<br />
zu den Distributions- und Produktionsmöglichkeiten<br />
via Internet ab den 1990er Jahren hat sie auch einen<br />
langen Weg der Musealisierung hinter sich. Und heute<br />
Prison, 2000