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ROMANA SCHEFFKNECHT 1982 2013 - romana scheffknecht videos

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Eine an der Wand hängende Collage ergänzt die Installation. Die Collage besteht aus einem<br />

Foto des Kernphysikers Enrico Fermi 6 , der anhand eines Diagramms mit Kreisen und Dreiecken<br />

die Kernspaltung erklärt, einem Foto von einem Schlepplift aus dem Wintersport, einer<br />

Entwurfszeichnung der Künstlerin für einen Schlepplift, Fotos von Umlenkscheiben eines<br />

Schlepplifts, Kopien von technischen Konstruktionszeichnungen einer solchen Scheibe, das<br />

Foto eines Fließbandes aus der VW-Autoproduktion und diversen Fotos von abstrakten Formen,<br />

zwischen denen der Ausschnitt eines Auges herausschaut. Das Auge schaut uns an, möglicher-<br />

weise aber auch die Welt, wie sie langsam über die Wand wandert.<br />

Die Collagen, die seit den 1970er Jahren entstehen, sind ein zentraler Werkkomplex der<br />

Künstlerin. In Anlehnung an die Methode Aby Warburgs werden durch das Zusammenfügen<br />

von Fotografien von Bildern oder Ausschnitten aus früheren Arbeiten, Fotokopien und eigenen<br />

Zeichnungen Zusammenhänge zu bestimmten Themen aufgezeigt und erzeugt. Hier findet<br />

Erkenntnissuche über die Kombination von formal sowie inhaltlich Ähnlichem statt. Wie bei<br />

Warburgs Tafeln sind die Rahmen und der Hintergrund schwarz.<br />

Das Förderband wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Zweck der Massenproduktion von<br />

Waffen in den USA eingeführt und vor allem im Bereich der Autoindustrie weiterentwickelt.<br />

Es steht für die industrielle Revolution, in der das Handwerk durch Maschinen ersetzt wurde.<br />

Mit dem Ziel der maximalen Produktionssteigerung gilt in der Massenproduktion das Prinzip<br />

der Arbeitsteilung sowie das strikte Trennen der planenden, also der geistigen, von der ausfüh-<br />

renden Arbeit. Vor diesem Hintergrund erscheint Scheffknechts experimentelles Konstruieren<br />

von Maschinen als Mittel der Ironie und der Kritik an einer ‚mechanisierten Menschheit‘ sowie<br />

an einer von dieser postulierten Trennung von geistigem und ausführendem Handeln. Der auf<br />

der Effizienz von maschinenbetriebener Arbeit basierenden Welt der ökonomischen Gewinnmaximierung<br />

setzt sie eine Welt des Denkens gegenüber, in der es als gegeben gilt, dass unsere<br />

Vorstellung von Wirklichkeit durch die dem kontinuierlichen Irrtum unterliegende Wahrneh-<br />

mung erzeugt wird und somit also nur der Zufall Wirklichkeit hervorbringen kann. Ein Quanten-<br />

physiker würde wohl nichts anderes sagen.<br />

1 Der Begriff ‚Name‘ ist in diesem Zusammenhang vom Titel des Buches Der Anfang von Himmel und Erde hat keinen Namen<br />

von Heinz von Foerster, Berlin 1997, geborgt.<br />

2 Schlusssätze des Vortrags Where do we go from here, gehalten von Marcel Duchamp anlässlich eines Symposiums im<br />

Philadelphia Museum College of Art im März 1961. Zitiert nach: Serge Stauffer (Hg.), in: Marcel Duchamp, Die Schriften,<br />

Zürich 1981, S. 241.<br />

3 „Der Zufall ist alles, was der Fall ist“, sagt Romana Scheffknecht immer in Abwandlung von Ludwig Wittgensteins erstem<br />

Satz des Tractatus logico – philosophicus „Die Welt ist alles, was der Fall ist“, wenn sie auf die Welt schaut. Von dem Platz,<br />

den sie sich ausgesucht hat, hat sie eine gute Aussicht. Sie macht das schon lange. Doch ist sie beileibe nicht erfreut,<br />

wenn man sie dabei beobachtet, auch wenn sie sich nichts anmerken lässt. In gewisser Weise ist es auch kaum möglich,<br />

sie dabei zu beobachten. Da sie die anderen beobachtet. Erstaunlicherweise ist sie sehr gelassen, sogar heiter dabei. Kein<br />

Anflug von Angewidertheit, die einen bei einem solch skeptischen Blick auf die obszöne Korrumpiertheit der Gesellschaft<br />

überkommen könnte.<br />

4 Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico – philosophicus, Werkausgabe Bd.1, Frankfurt / Main 1984, S.11 f.: „2 Was der Fall<br />

ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten. [ ... ] 2.024 Die Substanz ist das, was unabhängig von dem was der<br />

Fall ist, besteht. 2.025 Sie ist Form und Inhalt.“<br />

5 Mit dem ‚weißen Rauschen‘ bezeichnet man ein mathematisches Modell für zufällige Schwankungserscheinungen. In Fach-<br />

kreisen spricht man von thermischem Rauschen, weil es sich um Eingangswiderstände in den Antennen der Fernsehgeräte<br />

handelt, die von Wärme erzeugenden Molekularbewegungen ausgelöst werden und in dem Moment sichtbar werden,<br />

wenn keine Signale von außen empfangen werden. Allen Annahmen zum Trotz handelt es sich um ein Eigenrauschen im<br />

Gerät und nicht um das Empfangen kosmischer Strahlungen. Trotzdem gibt es Parallelen zum Hintergrundrauschen des<br />

Universums, dessen Strahlung genau die Eigenschaften des störenden Rauschens im Fernsehen hat und das gleichsam<br />

das Echo des Urknalls ist. Dieses wäre in einem Empfangsgerät dann hör- oder sichtbar, wenn man das Eigenrauschen<br />

eliminiert.<br />

6 Enrico Fermi hatte 1934 – ohne sich dessen bewusst zu sein – zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte ein Atom<br />

gespalten. 1938 erhielt Enrico Fermi für seine Arbeiten den Nobelpreis der Physik, obwohl seine Interpretation des Neu-<br />

tronenexperiments nach dem heutigen Stand der Wissenschaft eine auf Irrtümern beruhende, fehlerhafte Spekulation war.<br />

Im Dezember 1942 gelang es Fermi in Chicago, die erste kontrollierte Kettenreaktion in einem Kernreaktor auszulösen.<br />

Gemeinsam mit einer Gruppe von Physikern war er am Bau der Atombombe beteiligt.<br />

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