Global Compact Deutschland Jahrbuch 2011 - GC Yearbook
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Agenda<br />
INteGRIeRtes<br />
technologie-roadmaPPing<br />
Angesichts der gestiegenen Dynamik und Komplexität<br />
der Umfeldbedingungen für Unternehmen<br />
kommt der Früherkennung und dem Monitoring<br />
technologischer, marktwirtschaftlicher,<br />
politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen<br />
eine immer größere Bedeutung für den Innovationserfolg<br />
zu. Die gestiegene Dynamik und Komplexität<br />
von Innovationsprozessen zeigen sich bei<br />
„nachhaltigen“ Innovationen in besonderer Weise,<br />
zumindest dann, wenn diese nicht ein „zufälliges<br />
Nebenprodukt“ betriebswirtschaftlicher Kalküle<br />
oder politischer Vorgaben, sondern das Resultat<br />
bewusster Zielsetzungen im Innovationsprozess<br />
sein sollen. Ein leistungsfähiges Instrument zur<br />
Beantwortung dieser Kernfragen sind Roadmaps.<br />
Sie sind eine Art Landkarte im erweiterten Sinne,<br />
die viele Einzelthemen bündeln, Handlungsoptionen<br />
identifizieren und Prioritäten benennen.<br />
Ausgehend vom Stand der Technik liefern Roadmaps<br />
Aussagen über Art, Geschwindigkeit und<br />
Richtung möglicher Technologieentwicklungen<br />
in einem Innovationskontext.<br />
Von Dr. Siegfried Behrendt<br />
50 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2011</strong> globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2011</strong><br />
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Innovation<br />
Allerdings greift angesichts der hohen Veränderungsdynamik der<br />
marktlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen<br />
eine Verengung des Roadmapping auf eine Technologievorausschau<br />
zunehmend zu kurz. Innovationen entziehen sich immer<br />
deutlicher einer nur technologischen Sichtweise und einem zu<br />
eng verstandenen unternehmerischen Kontext. Es geht nicht<br />
nur darum, Technikbilder zu produzieren, die das technisch<br />
Machbare fortschreiben, sondern vielmehr um eine Erweiterung<br />
der Perspektive durch sozioökonomische Aspekte und einen<br />
frühen Einbezug von Stakeholderanforderungen. Mit Blick auf<br />
eine frühzeitige Steuerung von Nachhaltigkeitseffekten reicht<br />
die Analyse von Marktsog und Technologiedruck nicht aus,<br />
vielmehr ist die Einbeziehung weiterer Push- und Pull-Faktoren<br />
notwendig, um frühzeitig nicht-intendierte gesundheitliche,<br />
ökologische oder soziale Nebenfolgen sowie nutzerbedingte<br />
Nachhaltigkeitseffekte identifizieren und steuern zu können.<br />
Dazu gehört insbesondere<br />
• die Beachtung rechtlicher Entwicklungen, gesellschaftlicher<br />
Leitbilder und von Visionen proaktiver Unternehmen.<br />
• die Frage nach Lösungsbeiträgen von Technologien zur Bewältigung<br />
sozio-ökonomischer Trends und gesellschaftlicher<br />
Herausforderungen.<br />
• das Suchfeld nicht nur auf Technologien oder Produkte zu<br />
begrenzen, sondern die Frage nach Nutzungs- und Funktionssystemen<br />
in den Vordergrund zu rücken.<br />
• neue Technologien und Applikationen über ihren Lebensweg<br />
zu analysieren und zu bewerten.<br />
Mit Blick auf diese Aufgabe wurde vom Institut für Zukunftsstudien<br />
und Technologiebewertung das Konzept der „Integrierten<br />
Technologie-Roadmap“ entwickelt. Mit der Integrierten<br />
Technologie-Roadmap (ITR) wird es möglich, mehrere<br />
Dimensionen zukunftsfähigen Wirtschaftens in dynamischen<br />
Technologiefeldern simultan zu betrachten. Sie fragt auch<br />
nach technologischen Lösungsbeiträgen zur Bewältigung von<br />
gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen und ökologischen<br />
Herausforderungen und rückt die Sicht der Stakeholder und<br />
Anwender in den Mittelpunkt. Beides hilft, Unsicherheiten bei<br />
Technologieentwicklung, Markteinführung und Geschäftsmodellen<br />
zu minimieren und die Richtungssicherheit zu erhöhen.<br />
Roadmapping als Instrument in Innovationsprozessen<br />
Roadmaps sind ein Instrument der Forschungs- und Entwicklungsplanung<br />
und können dort den intuitiv-strukturierten<br />
Suchverfahren zugeordnet werden. Die Bedeutung des Roadmapping<br />
besteht in der Bündelung vieler Einzelthemen, dem<br />
Identifizieren von Handlungsoptionen und dem Setzen von<br />
Prioritäten. Der Hauptnutzen liegt in der Bereitstellung mittel-<br />
bzw. langfristigen Orientierungswissens für unternehmerische<br />
und/oder politische Akteure. Mit der Weiterentwicklung des<br />
Konzeptes seit Mitte der 80er Jahre findet das Konzept immer<br />
stärkere Anwendung bei Unternehmen bis hin zu Industriezweigen,<br />
für gemeinsame, unternehmensübergreifende Technologieziele<br />
und bei der Bereitstellung von Orientierungen für<br />
die Forschungs- und Entwicklungspolitik.<br />
Soll über eine technikzentrierte, mehr oder weniger eindimensionale<br />
Betrachtung hinausgegangen werden und sollen<br />
darüber hinaus konkrete und praktische Ergebnisse erbracht<br />
werden, muss die Roadmap mehrere Anforderungen erfüllen:<br />
Erstens muss die Roadmap bezüglich des Umfangs der betrachteten<br />
Bereiche ein genügend großen Rahmen bieten, der<br />
die Komplexität übergeordneter Trends und Entwicklungen in<br />
ihrem Wirkungsgefüge abbildet und eine Orientierung (Auslöser,<br />
Triebkräfte, Veränderungsdynamik bei Märkten, Lebensstilen<br />
und Technologien etc.) bietet.<br />
Zweitens ist den komplexen Umwelten, der Unsicherheit von<br />
Trendaussagen und ungewissen Handlungsfolgen durch eine<br />
Komplexitätsreduktion entsprechend Rechnung zu tragen.<br />
Hierzu müssen Schwerpunkte gesetzt werden, um konkrete<br />
und über ohnehin bekannte Herausforderungen (Geschäftsfelder,<br />
Potenziale, Standardisierungsfragen etc.) hinausgehende<br />
Einsichten gewinnen zu können. Auf diese Fokusthemen, die<br />
wichtige Teilbereiche abdecken, müssen die verfügbaren Ressourcen<br />
mit Priorität konzentriert werden, weil dort konkrete<br />
Umsetzungen am ehesten erreichbar sind.<br />
Drittens stellt ein nachhaltigkeitsorientiertes Roadmapping<br />
besondere Anforderungen an die Komplexität von Systembetrachtungen,<br />
an die Abschätzung ökologischer und sozialer<br />
Wirkungen und den Umgang mit auftretenden Konflikten<br />
zwischen ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen<br />
Zielsetzungen. Da unter Bedingungen hoher Unsicherheit<br />
möglichst konkrete Aktivitäten aus Roadmaps abzuleiten<br />
sind, sind Expertenbefragungen (Unternehmen, Kunden,<br />
Wissenschaft), Szenario- und Modellierungstechniken als<br />
Strategien des „(Nicht)-Wissensmanagements“ zu nutzen,<br />
um Zukunftsbilder und Korridore möglicher Entwicklungen<br />
identifizieren zu können.<br />
Viertens stellt die Integration von Kunden und anderen Stakeholdern<br />
besondere Anforderungen an leistungsfähige Dialogstrukturen.<br />
Dies betrifft auch die Frage, welche künftigen<br />
Bedarfe und Bedürfnisse existieren könnten, die sich naturgemäß<br />
nicht vorhersehen lassen.<br />
Fünftens muss der unmittelbare und spätere Nutzen eines<br />
erweiterten Roadmapping deutlich und praxisnah vermittelbar<br />
sein. Sozio-ökonomische Zukunftsbilder müssen konkrete,<br />
neue Geschäftsmöglichkeiten oder Forschungsfelder sichtbar<br />
machen oder in Meilensteine, Aktivitäten und Maßnahmen<br />
für unternehmerisches bzw. politisches Handeln überführt<br />
werden können. Es geht um die Klärung der Frage: Welche<br />
Innovationen können eine Schlüsselposition auf dem Weg<br />
zu mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft einnehmen? >>