1999-06 Der «ausgebrannte» Hodentumor: eine seltene ...
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Diskussion<br />
238<br />
Historisch<br />
Bei den ausgebrannten <strong>Hodentumor</strong>en handelt<br />
es sich um Keimzelltumoren des Hodens, die<br />
sich weitgehend zurückbilden oder sogar verschwinden<br />
können. 1927 wurde erstmals <strong>eine</strong><br />
autoptische Untersuchung beschrieben, bei<br />
welcher im Hoden <strong>eine</strong>s an metastasiertem<br />
Chorionepitheliom verstorbenen Patienten nur<br />
Narbengewebe, aber kein aktives Tumorgewebe<br />
mehr gefunden wurde [1]. <strong>Der</strong> Ausdruck<br />
«ausgebrannter (burned-out) <strong>Hodentumor</strong>»<br />
wurde erstmals 1973 gebraucht [2]. Da in der<br />
Regel noch kl<strong>eine</strong> Tumorreste erhalten bleiben,<br />
sprachen andere Autoren von okkulten <strong>Hodentumor</strong>en<br />
[3–5]. In den letzten Jahren haben<br />
Autoren zwischen okkulten und «burnedout»-<strong>Hodentumor</strong>en<br />
unterschieden. Bei okkulten<br />
Tumoren können durch sorgfältige Aufarbeitung<br />
des gesamten Hodens doch noch<br />
kl<strong>eine</strong> Tumorreste gefunden werden, bei ausgebrannten<br />
Karzinomen findet sich nur Narbengewebe<br />
[6].<br />
Epidemiologie<br />
Es gibt nur spärliche Angaben über die Häufigkeit<br />
von okkulten <strong>Hodentumor</strong>en. Diese<br />
Tumoren wurden bei 10% der Autopsien von<br />
Patienten, die an metastasierenden Keimzelltumoren<br />
gestorben waren, gefunden [7]. Bei<br />
allen diesen Patienten wurden bei der Autopsie<br />
beide Hoden nach Narben oder atypischen<br />
Keimzellen vollständig untersucht. In <strong>eine</strong>r<br />
1994 publizierten Arbeit wurden 286 Patienten<br />
mit testikulären Keimzelltumoren retrospektiv<br />
erfasst und in 2 Untergruppen unterteilt<br />
[6]. In der ersten Gruppe waren 250 Patienten<br />
(88%), die den Arzt wegen der «typischen»<br />
Erscheinungsform des <strong>Hodentumor</strong>s,<br />
<strong>eine</strong>r progredienten, schmerzlosen skrotalen<br />
Schwellung, aufsuchten. Die 34 Patienten<br />
(12%) der zweiten Gruppe zeigten «atypische»<br />
(metastatische) Manifestationen des <strong>Hodentumor</strong>s<br />
(Abdominalschmerzen, Nierenstauungsschmerzen,<br />
Lumbalgien, Darmpassagestörungen).<br />
In 22 dieser 34 Patienten war bei<br />
<strong>eine</strong>r genauen skrotalen Palpation ein <strong>Hodentumor</strong><br />
doch feststellbar, bei 9 Patienten wurde<br />
ein okkulter Tumor gefunden und bei 3 ein ausgebranntes<br />
Karzinom.<br />
Kasuistik Schweiz Med Wochenschr <strong>1999</strong>;129: Nr 6<br />
Histologie<br />
Die Tumoren äussern sich meistens in Form<br />
kl<strong>eine</strong>r Narbenherde, die bevorzugt in der<br />
Nähe der Rete testis liegen [8]. Auch bei unseren<br />
beiden Patienten war der Tumor im Oberpol<br />
des Hodens lokalisiert. Charakteristisch<br />
sind runde und ovale Hämatoxylin-positive<br />
Einschlüsse, die durch <strong>eine</strong> Basalmembran vom<br />
umliegenden Narbengewebe abgegrenzt werden<br />
[9]. In der Regel sind in solchen Herden<br />
vereinzelte Tumorzellen oder Narbengewebe<br />
vorhanden.<br />
Klinik und Differentialdiagnose<br />
Die ausgebrannten Karzinome des Hodens<br />
äussern sich durch ihre Metastasen. Deshalb<br />
gibt es k<strong>eine</strong> für den okkulten <strong>Hodentumor</strong><br />
typische Klinik, sondern diese ist von der Lokalisation<br />
der Metastasen abhängig. Falls ein<br />
retroperitonealer, lymphogen metastasierender<br />
Prozess nachweisbar ist, dessen Histologie<br />
«Keimzelltumor» lautet und beide Hoden bei<br />
der Palpation unauffällig sind, wird in erster<br />
Linie ein primär retroperitonealer Keimzelltumor<br />
vermutet. Ein derartiger Primärtumor<br />
darf aber nur dann angenommen werden,<br />
wenn ein primärer <strong>Hodentumor</strong> ausgeschlossen<br />
werden kann. In <strong>eine</strong>r Serie von 18 scheinbar<br />
primär retroperitonealen Keimzelltumoren<br />
musste der Autor nach <strong>eine</strong>r sorgfältigen Reevaluation<br />
7 Fälle ausschliessen [10]. In <strong>eine</strong>r<br />
anderen Serie von 25 scheinbar primär retroperitonealen<br />
Tumoren mussten 2 Fälle<br />
nachträglich ausgeschlossen werden, da sich<br />
autoptisch Hodennarben nachweisen liessen<br />
[11]. <strong>Der</strong> <strong>Hodentumor</strong> kann auch längere Zeit<br />
nach der Diagnose <strong>eine</strong>s «primär extragonadalen<br />
Keimzelltumors» in Erscheinung treten.<br />
Von 23 Patienten mit der Diagnose <strong>eine</strong>s<br />
«primär extragonadalen Keimzelltumors»<br />
wurde bei zwei Patienten 9 bzw. 30 Monate<br />
später doch ein <strong>Hodentumor</strong> entdeckt; in<br />
beiden Fällen waren die primär entdeckten<br />
Lymphknotenvergrösserungen retroperitoneal<br />
gelegen [12].<br />
In der oben beschriebenen, klinischen Situation<br />
<strong>eine</strong>s retroperitonealen, lymphogen metastasierenden<br />
Prozesses, welcher histologisch als<br />
«Keimzelltumor» identifiziert wird, und palpatorisch<br />
unauffälliger Hoden ist als nächster<br />
diagnostischer Schritt <strong>eine</strong> skrotale Sonographie<br />
zu empfehlen. Die Möglichkeiten der<br />
Sonographie bei der Entdeckung von nicht