1999-06 Der «ausgebrannte» Hodentumor: eine seltene ...
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Schweiz Med Wochenschr <strong>1999</strong>;129: Nr 6<br />
Kasuistik<br />
palpierbaren, testikulären Raumforderungen<br />
wurden in <strong>eine</strong>r 1992 erschienenen Arbeit diskutiert<br />
[13]. Innerhalb von 10 Jahren wurde<br />
bei 3019 Patienten aus mehreren Gründen ein<br />
skrotaler Ultraschall veranlasst. In 15 Fällen<br />
(0,5%) wurde <strong>eine</strong> nicht palpierbare Raumforderung<br />
des Hodens entdeckt. Bei allen diesen<br />
Patienten wurde <strong>eine</strong> Hodenfreilegung mit<br />
Schnellschnittuntersuchung durchgeführt; die<br />
Diagnosen waren Seminom (5), nichtseminomatöser<br />
Tumor (6), ausgebranntes Karzinom<br />
(2), Lipom (1) und Granulom (1),<br />
d.h. dass nicht palpierbare, intratestikuläre<br />
Raumforderungen häufig bösartiger Natur<br />
sind. Die Autoren empfehlen, bei der Abklärung<br />
jüngerer Männer mit retroperitonealen<br />
Raumforderungen routinemässig <strong>eine</strong>n<br />
skrotalen Ultraschall durchzuführen. In <strong>eine</strong>r<br />
1996 publizierten Serie von 6 Patienten mit der<br />
Anfangsdiagnose <strong>eine</strong>s primär retroperitonealen<br />
Keimzelltumors konnte in 5 Fällen sonographisch<br />
<strong>eine</strong> intratestikuläre Läsion nachgewiesen<br />
werden [14]. Bei palpatorisch unauffälligen<br />
Hoden und <strong>eine</strong>m nicht mit Sicherheit als<br />
normal zu interpretierenden sonograpischen<br />
Befund schlagen wir <strong>eine</strong> Hodenfreilegung mit<br />
Schnellschnittuntersuchung vor. Falls der Pathologe<br />
das Hodengewebe nicht als normal<br />
beurteilen kann, sollte <strong>eine</strong> Semikastration<br />
durchgeführt werden, unter der Annahme,<br />
dass es sich hier um <strong>eine</strong>n «burned-out»-Tumor<br />
des Hodens handelt. Eine 1986 publizierte<br />
Arbeit zeigte, dass okkulte <strong>Hodentumor</strong>en vor<br />
allem beim Verdacht auf <strong>eine</strong>n primär extragonadalen<br />
Keimzelltumor mit Lokalisation im<br />
Retroperitoneum gesucht werden sollen [15].<br />
Unter 16 Patienten mit primär extragonadaler<br />
Manifestation von Keimzelltumoren wurden<br />
bei 10 von 12 Patienten, die an retroperitonealen<br />
Tumoren erkrankt waren, nachträglichen<br />
Hodenveränderungen festgestellt, die auf<br />
<strong>eine</strong>n primären okkulten <strong>Hodentumor</strong> hinwiesen.<br />
Bei den 4 Patienten mit mediastinalen Tumorherden<br />
waren dagegen k<strong>eine</strong> entsprechenden<br />
Hodenveränderungen zu sehen. Bei primär<br />
extragonadalen Keimzelltumoren retroperitonealer<br />
Lokalisation schlagen einige Autoren<br />
routinemässig <strong>eine</strong> beidseitige Hodenbiopsie<br />
vor [16]. Bei <strong>eine</strong>m Kollektiv von ingesamt 48<br />
Patienten wurde ein Carcinoma in situ des Hodens<br />
bei k<strong>eine</strong>m der Patienten mit <strong>eine</strong>m mediastinal<br />
lokalisierten Primärtumor, dagegen<br />
bei 42% der Patienten mit retroperitonealen<br />
Tumoren gefunden. Eine <strong>seltene</strong> Erscheinungsform<br />
der «burned-out»-Tumoren ist anzutreffen,<br />
wenn die Neoplasie hormonproduzierend<br />
ist. Es wurde über Patienten berichtet, die<br />
anfänglich wegen Gynäkomastie abgeklärt<br />
[17, 18] und sogar mastektomiert wurden [19].<br />
Die Besonderheit okkulter <strong>Hodentumor</strong>en ist<br />
die schwierige Diagnosestellung gegenüber den<br />
primär retroperitonealen Keimzelltumoren.<br />
Diagnostischen Bemühungen liegen nicht rein<br />
akademische Interessen zugrunde, sondern sie<br />
haben wichtige therapeutische Konsequenzen.<br />
Therapie<br />
Es ist allgemein anerkannt, dass der Hoden ein<br />
«sanctuary site» bezüglich Chemotherapie sein<br />
kann, d.h., ein primärer Keimzelltumor im Hoden<br />
wird oft von <strong>eine</strong>r systemischen Chemotherapie<br />
nicht eradiziert [20]. Ein Keimzelltumor<br />
des Hodens kann in bis zu 50% der Fälle<br />
trotz systemischer Chemotherapie persistieren<br />
[15, 21]. Eine «Blut-Hoden-Schranke», analog<br />
der «Blut-Hirn-Schranke», wird von mehreren<br />
Autoren als die wahrscheinlichste Ursache für<br />
dieses Phänomen angegeben [21–24]. So wurden<br />
bei 20 Patienten primär ein retroperitonealer<br />
Keimzelltumor diagnostiziert und <strong>eine</strong><br />
Chemotherapie mit Cisplatin durchgeführt<br />
[25]. Erst später wurde der ausgebrannte <strong>Hodentumor</strong><br />
entdeckt und <strong>eine</strong> Semikastration<br />
durchgeführt: Bei 3 dieser Patienten fand man<br />
im Operationspräparat ein Embryonalzellkarzinom,<br />
bei anderen 6 Patienten ein Teratom.<br />
Patienten, bei welchen zunächst ein primär extragonadaler<br />
Keimzelltumor vermutet wird, in<br />
der Hodenbiopsie aber ein Carcinoma in situ<br />
festgestellt wird, sollten bei unilateralem Befall<br />
mit <strong>eine</strong>r Semikastration behandelt werden<br />
[16]. Bei <strong>eine</strong>m einzelnen Hoden oder bilateralem<br />
Befall ist <strong>eine</strong> Bestrahlung des Skrotums<br />
mit 16 Gray empfehlenswert [24]. Mit dieser<br />
Behandlung wird der Tumor zerstört, die<br />
Testosteronproduktion bleibt jedoch erhalten.<br />
Schlussfolgerung<br />
Bei <strong>eine</strong>m Patienten mit retroperitonealen, vergrösserten<br />
Lymphknoten, deren Histologie<br />
«Keimzelltumor» lautet, sollten die Hoden mit<br />
grösster Sorgfalt untersucht und <strong>eine</strong> skrotale<br />
Sonographie routinemässig durchgeführt werden.<br />
<strong>Der</strong> Ultraschall kann <strong>eine</strong> wertvolle Hilfe<br />
bei der Entdeckung von nicht palpierbaren,<br />
testikulären Raumforderungen sein. Die Diagnose<br />
«primär extragonadaler Keimzelltumor»<br />
sollte nur nach Ausschluss <strong>eine</strong>s okkulten<br />
<strong>Hodentumor</strong>s gestellt werden, besonders wenn<br />
die vergrösserten Lymphknoten sich retroperitoneal<br />
befinden. Aufgrund der 2 hier beschriebenen<br />
Fälle wird deutlich, wie schwierig die<br />
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