G. Lämmermann Die Konfirmation - ein familien- und ...
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folgenden sozusagen die Vaterschaftsklage führen. Wir machen also quasi <strong>ein</strong>e<br />
Genanalyse <strong>und</strong> fragen: Um welchen Kasus handelt es sich bei der <strong>Konfirmation</strong><br />
eigentlich? <strong>und</strong>: Wen oder was betreiben wir Jahr für Jahr - jenseits unserer<br />
persönlichen Motive <strong>und</strong> Interpretationen - denn eigentlich in den<br />
<strong>Konfirmation</strong>sgottesdiensten? Will man Anfangsverdacht, die <strong>Konfirmation</strong> sei <strong>ein</strong><br />
Kind der bürgerlichen Gesellschaft, überprüfen, so muß man zunächst ihren soziokulturellen<br />
Kontext in den Blick nehmen. Dabei möchte ich zeigen, daß die<br />
<strong>Konfirmation</strong> primär als <strong>ein</strong> biographisch indizierter Kasus anzusehen ist.<br />
1. Zum soziokulturellen Kontext der <strong>Konfirmation</strong><br />
a) Historisches<br />
<strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> ist <strong>und</strong> bleibt- so lautet die These - <strong>ein</strong> Kind ihrer Zeit. Erlauben Sie<br />
mir deshalb, mich der <strong>Konfirmation</strong> zunächst historisch anzunähern. Es ersch<strong>ein</strong>t mir<br />
dabei allerdings sinnvoll <strong>und</strong> notwendig, die enge kirchen- <strong>und</strong><br />
theologiegeschichtliche Perspektive durch <strong>ein</strong>e sozialgeschichtliche zu ergänzen. Dann<br />
aber ist die Herausbildung der <strong>Konfirmation</strong> auf dem sozialgeschichtlichen<br />
Hintergr<strong>und</strong> <strong>ein</strong>es gr<strong>und</strong>legenden<br />
gesellschaftlichen Wandels zu betrachten, dem Sie sich<br />
verdankt. Dabei sind zwei Phasen zu unterscheiden, nämlich<br />
<strong>ein</strong>mal der Übergang der ständischen Gesellschaft in die<br />
bürgerliche Gesellschaft als quasi der Geburtsst<strong>und</strong>e der<br />
<strong>Konfirmation</strong> <strong>und</strong> zum anderen ihr nachfolgend der Übergang<br />
der bürgerlichen in die kapitalistische Gesellschaft als<br />
der Zeit ihrer frühkindlichen <strong>und</strong> damit<br />
lebensentscheidenden Prägung. <strong>Die</strong>ser letztgenannte<br />
Übergang vollzog sich just zu jener Zeit, als auch die<br />
<strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong>e gängige Praxis wurde, also am Beginn des<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>erts. <strong>Die</strong>se zeitliche Konvergenz ersch<strong>ein</strong>t mir<br />
verdächtig.<br />
Als Indiz für den gr<strong>und</strong>legenden Wandel in dieser Zeit<br />
mögen folgende Hinweise dienen: Zwischen 1800 <strong>und</strong> 1850<br />
verdreifachte sich die industrielle Produktion <strong>und</strong><br />
verzehnfachte sich die Anzahl der in ihr beschäftigten<br />
Lohnarbeiter. Wirtschaftlich gesehen endete die Zeit der<br />
Manufakturen, <strong>und</strong> es begann die Epoche der großen Industrie,<br />
wobei Hamburg <strong>ein</strong>es der Zentren ist. Und es<br />
dürfte wohl k<strong>ein</strong> Zufall s<strong>ein</strong>, daß eben zu diesem Zeitpunkt<br />
dort auch die <strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong>geführt wurde. Zumindest<br />
dort ist die <strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong>gespannt in <strong>ein</strong> sich<br />
entwickelndes System der Sozialpädagogik <strong>und</strong><br />
Sozialprävention für bzw. auch gegen<br />
Proletarierjugendliche. Ich möchte Sie nur daran erinnere,<br />
daß 1833, also <strong>ein</strong> Jahr nach der <strong>Konfirmation</strong> das "Rauhe<br />
Haus" eröffnet wurde. <strong>Die</strong> staatlich gestützte Einführung der <strong>Konfirmation</strong>