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G. Lämmermann Die Konfirmation - ein familien- und ...

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G. <strong>Lämmermann</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> - <strong>ein</strong> <strong>familien</strong>- <strong>und</strong> psychodynamisches Ritual<br />

1<br />

<strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> gehört - wie nichts anderes - zum spezifisch protestantischen<br />

Selbstverständnis. Als Angebot der Volkskirche ist sie beliebter als Trauung <strong>und</strong> Taufe<br />

<strong>und</strong> wird nur noch von der Beerdigung, dem Sonderfall volkskirchlicher<br />

Überversorgung, übertroffen. Gleichwohl ist sie unter den protestantischen Riten<br />

sozusagen das Nesthäkchen. Bekanntlich wurde sie in <strong>ein</strong>igen Gegenden Deutschlands<br />

erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts - nach gescheiterten früheren Versuchen -<br />

endgültig <strong>ein</strong>geführt <strong>und</strong> fest ins kirchliche Leben verwurzelt. In Hamburg<br />

beispielsweise kann sie erst seit 1832 nachgewiesen werden. In Nürnberg wurde die<br />

erste <strong>Konfirmation</strong> erst im Jahre 1813 gefeiert, <strong>und</strong> die allererste <strong>Konfirmation</strong><br />

überhaupt in Bayern ist für 1734 belegt, sie fand in Altdorf bei Nürnberg statt, also<br />

<strong>ein</strong>e Verzögerung von 200 bis 300 Jahren gegenüber ihren verm<strong>ein</strong>tlichen Ursprüngen.<br />

Zwar verweisen ihre späteren Liebhaber immer wieder darauf, daß sie eigentlich das<br />

Erbgut der Reformation in sich trage, aber den Ansätzen aus der Reformationszeit,<br />

von denen wir heute morgen gehört haben, war _ soweit man heute weiß _ <strong>ein</strong> rasches<br />

Ende beschieden, oder sie blieben fiktiv. Zwar taten die evangelischen<br />

Kirchenordnungen der Folgezeit vieles, um die junge Leibesfrucht zu fördern, ohne<br />

daß sie allerdings wirklich zur Lebensreife wuchs <strong>und</strong> gedieh.<br />

Erst Pietismus <strong>und</strong> Erweckungsbewegung päppelten das kränkelnde Kind dann<br />

endgültig auf. Beide können deshalb sozusagen als die Stiefväter der <strong>Konfirmation</strong><br />

gelten. Denn die eigentliche Vaterschaftsfrage blieb <strong>und</strong> bleibt ungeklärt. Als sicher<br />

gilt nur, daß es sich - nach allgem<strong>ein</strong>er theologischer Überzeugung - bei der Mutter um<br />

die Taufe handelt, denn liturgiegeschichtlich ist die <strong>Konfirmation</strong> bekanntlich ja nichts<br />

anderes als die Verselbständigung <strong>ein</strong>es ursprünglich zur Taufe gehörenden Moments,<br />

nämlich der Salbung. Aus ihr entwickelte sich die Firmung als eigener Kasus <strong>und</strong><br />

eigenes Sakrament. <strong>Die</strong>ser gesicherte Erbgang blieb auch der <strong>Konfirmation</strong> zu eigen.<br />

Um die theologische Vaterschaft jedoch wurde <strong>und</strong> wird anhaltend gestritten <strong>und</strong> die<br />

<strong>Konfirmation</strong> zu <strong>ein</strong>er Not erklärt.<br />

Wie so oft bei sehr verspäteten Nachzüglern treten Zweifel an der Vaterschaft<br />

auf; man ist geneigt, zu mutmaßen, jemand Fremdes habe <strong>ein</strong>em <strong>ein</strong> Kuckucksei ins<br />

Nest gelegt. <strong>Die</strong>se Vermutung hat - wie wir wissen - zuletzt <strong>und</strong> besonders nachhaltig<br />

Karl Barth geäußert. Er sprach bekanntlich der <strong>Konfirmation</strong> jeden theologischen Sinn<br />

ab <strong>und</strong> behauptet, Sie sei die unliebsame Folge <strong>ein</strong>es unverzeihlichen Fehltritts,<br />

nämlich dem der “Kindertaufe”. Eine Theologie der <strong>Konfirmation</strong> wäre dann der<br />

untaugliche Versuch, in <strong>ein</strong>er Art rascher Nottrauung dem illegitimen Sprößling die<br />

Schande zu ersparen <strong>und</strong> ihm <strong>ein</strong>en halbwegs ehrenhaften Vater zu besorgen.<br />

Allerdings besteht der begründete Verdacht, daß der in der Diskussion immer wieder<br />

nur als Pate Angeführte in Wirklichkeit der eigentliche Vater sei. Der Anfangsverdacht<br />

fällt auf die bürgerliche Gesellschaft, die die protestantische Theologie zu diesem<br />

folgenschweren Seitensprung verführt habe. Und der Verdacht begründet sich darin,<br />

daß auch für die Zwillingsschwester der <strong>Konfirmation</strong>, der Volkskirche, <strong>ein</strong><br />

entsprechender Vaterschaftsnachweis geführt werden konnte. Ich möchte mit Ihnen im


2<br />

folgenden sozusagen die Vaterschaftsklage führen. Wir machen also quasi <strong>ein</strong>e<br />

Genanalyse <strong>und</strong> fragen: Um welchen Kasus handelt es sich bei der <strong>Konfirmation</strong><br />

eigentlich? <strong>und</strong>: Wen oder was betreiben wir Jahr für Jahr - jenseits unserer<br />

persönlichen Motive <strong>und</strong> Interpretationen - denn eigentlich in den<br />

<strong>Konfirmation</strong>sgottesdiensten? Will man Anfangsverdacht, die <strong>Konfirmation</strong> sei <strong>ein</strong><br />

Kind der bürgerlichen Gesellschaft, überprüfen, so muß man zunächst ihren soziokulturellen<br />

Kontext in den Blick nehmen. Dabei möchte ich zeigen, daß die<br />

<strong>Konfirmation</strong> primär als <strong>ein</strong> biographisch indizierter Kasus anzusehen ist.<br />

1. Zum soziokulturellen Kontext der <strong>Konfirmation</strong><br />

a) Historisches<br />

<strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> ist <strong>und</strong> bleibt- so lautet die These - <strong>ein</strong> Kind ihrer Zeit. Erlauben Sie<br />

mir deshalb, mich der <strong>Konfirmation</strong> zunächst historisch anzunähern. Es ersch<strong>ein</strong>t mir<br />

dabei allerdings sinnvoll <strong>und</strong> notwendig, die enge kirchen- <strong>und</strong><br />

theologiegeschichtliche Perspektive durch <strong>ein</strong>e sozialgeschichtliche zu ergänzen. Dann<br />

aber ist die Herausbildung der <strong>Konfirmation</strong> auf dem sozialgeschichtlichen<br />

Hintergr<strong>und</strong> <strong>ein</strong>es gr<strong>und</strong>legenden<br />

gesellschaftlichen Wandels zu betrachten, dem Sie sich<br />

verdankt. Dabei sind zwei Phasen zu unterscheiden, nämlich<br />

<strong>ein</strong>mal der Übergang der ständischen Gesellschaft in die<br />

bürgerliche Gesellschaft als quasi der Geburtsst<strong>und</strong>e der<br />

<strong>Konfirmation</strong> <strong>und</strong> zum anderen ihr nachfolgend der Übergang<br />

der bürgerlichen in die kapitalistische Gesellschaft als<br />

der Zeit ihrer frühkindlichen <strong>und</strong> damit<br />

lebensentscheidenden Prägung. <strong>Die</strong>ser letztgenannte<br />

Übergang vollzog sich just zu jener Zeit, als auch die<br />

<strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong>e gängige Praxis wurde, also am Beginn des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts. <strong>Die</strong>se zeitliche Konvergenz ersch<strong>ein</strong>t mir<br />

verdächtig.<br />

Als Indiz für den gr<strong>und</strong>legenden Wandel in dieser Zeit<br />

mögen folgende Hinweise dienen: Zwischen 1800 <strong>und</strong> 1850<br />

verdreifachte sich die industrielle Produktion <strong>und</strong><br />

verzehnfachte sich die Anzahl der in ihr beschäftigten<br />

Lohnarbeiter. Wirtschaftlich gesehen endete die Zeit der<br />

Manufakturen, <strong>und</strong> es begann die Epoche der großen Industrie,<br />

wobei Hamburg <strong>ein</strong>es der Zentren ist. Und es<br />

dürfte wohl k<strong>ein</strong> Zufall s<strong>ein</strong>, daß eben zu diesem Zeitpunkt<br />

dort auch die <strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong>geführt wurde. Zumindest<br />

dort ist die <strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong>gespannt in <strong>ein</strong> sich<br />

entwickelndes System der Sozialpädagogik <strong>und</strong><br />

Sozialprävention für bzw. auch gegen<br />

Proletarierjugendliche. Ich möchte Sie nur daran erinnere,<br />

daß 1833, also <strong>ein</strong> Jahr nach der <strong>Konfirmation</strong> das "Rauhe<br />

Haus" eröffnet wurde. <strong>Die</strong> staatlich gestützte Einführung der <strong>Konfirmation</strong>


3<br />

als Schulabschluß kann - <strong>und</strong> muß - in diesem sozialgeschichtlichen Zusammenhang<br />

auch als Mittel zur Durchsetzung der Schulpflicht - insbesondere bei den unteren<br />

Schichten - verstanden werden. Denn es ist mehr als bloßer historischer Zufall, daß der<br />

Pietismus in Koalition mit den protestantischen preußischen Herrscherhäusern beides<br />

wollten <strong>und</strong> beides langfristig durchsetzten, nämlich: Schulzwang <strong>und</strong> <strong>Konfirmation</strong>.<br />

Und ebenfalls k<strong>ein</strong> Zufall ist es, daß Aufklärungstheologie im Verb<strong>und</strong> mit dem<br />

aufgeklärten Absolutismus diese Entwicklung weiter förderte <strong>und</strong> so die <strong>Konfirmation</strong><br />

konsolidierte. Sicher griffen sie dabei auf die reformatorischen Einsichten <strong>und</strong> auf die<br />

Vorgaben aus den Kirchenordnungen seit der Reformation zurück. Aber auch für die<br />

<strong>Konfirmation</strong> gilt, was für die Schule in Deutschland generell gilt: beide wurden -<br />

ideengeschichtlich - in der Reformation angelegt; geboren wurden sie aber erst, als die<br />

entsprechenden gesellschaftlichen Bedingungen für Sie herangereift waren. Parallel<br />

zur Etablierung der <strong>Konfirmation</strong> entwickelte sich das Schulwesen, für das die<br />

<strong>Konfirmation</strong> eben ursprünglich den Abschluß bildete. Wenn also im Zusammenhang<br />

der <strong>Konfirmation</strong> von Unterricht die Rede war, dann handelte es sich dabei - im<br />

Gegensatz zu <strong>ein</strong>er landläufigen Fehl<strong>ein</strong>schätzung - noch nicht um <strong>ein</strong>en eigenen<br />

Konfirmandenunterricht, sondern um <strong>ein</strong>en allgem<strong>ein</strong>en Schulunterricht, der<br />

allerdings stärk religiös geprägt war.<br />

Schwerpunktmäßig fällt die Etablierung der <strong>Konfirmation</strong> also in die erste<br />

sozialgeschichtliche Umbruchsphase <strong>ein</strong>er Konstituierung <strong>und</strong> Konsolidierung der<br />

bürgerlichen Gesellschaft. Im 17. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>ert traten in<br />

den großen Städten neue bürgerliche Schichten auf, nämlich<br />

die Manufakturbesitzer, die kl<strong>ein</strong>en Kaufleute <strong>und</strong> die Beamten. Es sind dies eben jene<br />

Schichten, die auch zum Träger des kirchlichen Lebens wurden. Charakteristisch für<br />

die bürgerliche Gesellschaft ist, daß der soziale Status nicht länger durch Geburt <strong>und</strong><br />

Stand, sondern durch Bildung <strong>und</strong> wirtschaftliche Leistungen des Einzelnen<br />

konstituiert wird. Der <strong>ein</strong>zelne war nicht mehr als Moment des Ganzen festgelegt,<br />

sondern konnte sich selbst als <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>zelner im Gegenüber des Ganzen bestimmen. <strong>Die</strong><br />

bürgerliche Gesellschaft produzierte so <strong>ein</strong>e Individualisierung von Lebensläufen <strong>und</strong><br />

sozialen Schicksalen. In diesem Zusammenhang entwickelte sich <strong>ein</strong> System von<br />

sozialen Zugangsberechtigungen. Solche Zugangsberechtigungen gab es in der<br />

ständischen Gesellschaft kaum; sie charakterisieren in besonderer Weise die neue<br />

Gesellschaftsordnung. Zu ihrem Berechtigungssystem ist die <strong>Konfirmation</strong> zu zählen,<br />

nämlich als Zulassung zum Abendmahl. Damit wird zunächst der kirchenrechtliche<br />

Aspekt in den Vordergr<strong>und</strong> gerückt.<br />

Aber im Pietismus konnte dieses kirchenrechtliche Moment nur sek<strong>und</strong>är, nur<br />

“quasi” s<strong>ein</strong>, ging es ihm doch um <strong>ein</strong> ganz persönliches Christentum. Der Pietismus<br />

selbst muß ja als das religiöse Erbe des genannten Individualisierungsprozesses der<br />

bürgerlichen Gesellschaft angesehen werden, wollte er doch die Individualisierung des<br />

Glaubens. Daraus ergibt sich die Forderung nach individueller Verantwortung des<br />

Glaubens, <strong>und</strong> damit erhält die <strong>Konfirmation</strong> den Charakter <strong>ein</strong>es Bekenntnisakts mit<br />

nachfolgender Mündigkeitserklärung. Indem der Pietismus den Charakter der<br />

<strong>Konfirmation</strong> als subjektiven Bekenntnisakt unterstrich <strong>und</strong> sie damit "<strong>ein</strong>er<br />

individuell-privaten Sinngebung" unterwarf, subsumierte er den kirchenrechtlichen


4<br />

unter den biographischen Aspekt. <strong>Die</strong> Aufklärungszeit machte dann die <strong>Konfirmation</strong><br />

immer mehr zum Mündigkeitsritus. <strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> wurde so zu <strong>ein</strong>er öffentlichen<br />

Proklamation der Persönlichkeit von Bürgern. Schon damit, aber erst recht durch ihre<br />

Ankopplung an die Schulentlassung wurde die <strong>Konfirmation</strong> zur liturgischen<br />

Einweisung ins bürgerliche Leben. Damit kam ihr <strong>ein</strong>e über das Kirchliche<br />

hinausweisende öffentliche Funktion zu, die ihr nun endgültig den Stempel <strong>ein</strong>es gesellschaftlichen<br />

Passageritus aufdrückte.<br />

In der frühbürgerlichen Gesellschaft beschränkten sich<br />

Individualisierungszwänge <strong>und</strong> -prozesse zunächst auf die bürgerlichen Schichten.<br />

Durch die Industrialisierung - <strong>und</strong> insbesondere durch die Entwurzelung der armen<br />

Landbevölkerung <strong>und</strong> ihre Umsetzung in die Industriestädte wurden sie allgem<strong>ein</strong>.<br />

Damit wurde auch die Trennung von Arbeits- <strong>und</strong> Lebenswelt allgem<strong>ein</strong>. Aus diesem<br />

Strukturwandel ergab sich für alle Heranwachsenden <strong>ein</strong>e biographische<br />

Schwellensituation: individuell das Ende der Kindheit <strong>und</strong> sozial das Ende <strong>ein</strong>er<br />

Zugehörigkeit zur Herkunftsfamilie. <strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> wurde zum Abnabelungs- <strong>und</strong><br />

Familienfest. Zugleich erwuchs ihr die seelsorgerliche Aufgabe, diesen Übergang<br />

rituell abzufedern. Im Unterschied zu heute war dies <strong>ein</strong> radikaler Bruch in der<br />

Biographie von Jugendlichen; ging es doch ohne jede familiäre Rückbindung hinaus in<br />

die Welt - als Handwerksbursche oder als Lohnarbeiter. Zum Verlust der Kindheit<br />

kommt die innere <strong>und</strong> äußere Trennung von der Ursprungsfamilie; <strong>ein</strong>e Dramatik, die<br />

so heute nicht mehr gegeben ist. Übrigens möchte ich darauf hinweisen, daß - m.E. -<br />

die Einführung der <strong>Konfirmation</strong> auch <strong>ein</strong>en sozialpolitischen Nebeneffekt hatte. Mit<br />

der <strong>Konfirmation</strong> war das Ende der Kindheit <strong>und</strong> damit die Kindheit selbst als<br />

eigenständige Lebensphase in den Blick gerückt. <strong>Die</strong>ser geschärfte Blick führte bei<br />

verantwortungsvollen Politikern <strong>und</strong> Industriellen dazu, den herrschenden Skandal der<br />

Kinderarbeit zu erkennen <strong>und</strong> abzuschaffen. Zumindest gibt es zwischen der<br />

Einführung von Jugendschutzbestimmungen <strong>und</strong> der <strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong>en zeitlichen<br />

Konnex.<br />

Ich belasse es bei diesen kurzen Hinweisen. Ich m<strong>ein</strong>e, sie zeigen folgendes:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> erweist sich so in ihrer Genese als <strong>ein</strong>e Liturgie des öffentlichen <strong>und</strong><br />

privaten Lebens. Von dieser her ist dann die kirchliche Liturgie entworfen worden <strong>und</strong><br />

nicht - so behaupte ich - umgekehrt. Wie sieht dieser Zusammenhang nun heute aus?<br />

b) Kirchen- <strong>und</strong> religionssoziologischer Aspekt<br />

<strong>Die</strong> moderne Religionssoziologie geht in allen ihren unterschiedlichen Positionen<br />

gem<strong>ein</strong>sam von der Einsicht aus, daß die Kirchen <strong>ein</strong>e notwendige soziale Funktion<br />

haben. Durchgängig wird diese Funktion als Krisenbewältigung <strong>und</strong> als<br />

Integrationsleistung interpretiert - <strong>ein</strong>e Interpretation, auf die wir uns als Theologen<br />

<strong>ein</strong>lassen sollten <strong>und</strong> müssen. Denn sie macht uns auf darauf aufmerksam, was wir<br />

objektiv <strong>und</strong> faktisch tun, auch wenn unsere subjektive <strong>und</strong> theologische Interpretation<br />

<strong>ein</strong>e ganz andere ist. Religion <strong>und</strong> Kirche sind <strong>und</strong> bleiben - unabhängig davon, wie<br />

sie sich selbst verstehen wollen - Funktionen der Gesellschaft. <strong>Die</strong>se funktionale<br />

Betrachtung kann im Widerspruch zur substantiellen stehen: <strong>Die</strong> dialektischtheologische<br />

Programmatik von Ganz-anders-s<strong>ein</strong> des Glaubens <strong>und</strong> Gottes mag


5<br />

theologisch vielleicht legitim, weil substantiell richtig zu s<strong>ein</strong>; soziologisch gesehen ist<br />

sie <strong>ein</strong>e Selbsttäuschung. Jedenfalls nehmen wir mit der <strong>Konfirmation</strong> auch <strong>ein</strong>e<br />

Aufgabe wahr, die im Interesse der Gesellschaft liegt. Durch religiöse Riten <strong>und</strong> Kulte<br />

- sagen uns die Religionssoziologen - schützt sich <strong>ein</strong>e Gesellschaft davor, daß<br />

<strong>ein</strong>zelne Individuen bei Lebenskrisen ausbrechen <strong>und</strong> den Zusammenhalt des<br />

Gem<strong>ein</strong>wesens gefährden. <strong>Die</strong>s wäre - z.B. nach Malinowski <strong>und</strong> Durkheim - die <strong>ein</strong>e<br />

notwendige Funktion, nämlich die der Krisenbewältigung durch rituelle Begleitung.<br />

Darüber hinaus dient die Religion zweitens stets der Selbstdarstellung <strong>und</strong> Festigung<br />

der Gesellschaft; deshalb bildet diese eben jene Riten aus, die die Integration des<br />

<strong>ein</strong>zelnen in das Gem<strong>ein</strong>wesen symbolisch <strong>und</strong> öffentlich darstellen. In den sog.<br />

Primitivreligionen wäre das z.B. Aufnahmeriten, Mannbarkeitsriten u.ä., in der<br />

christlichen Religion sind es eben die Kasualien. Funktional gesehen bestehen<br />

zwischen diesen Riten bestenfalls graduelle Unterschiede.<br />

Religionsphänomenologisch <strong>und</strong> religionssoziologisch betrachtet wäre die<br />

<strong>Konfirmation</strong> dann also als <strong>ein</strong> Passageritus zu beschreiben, der die Übergangskrise<br />

<strong>ein</strong>es Menschen von der Kindheit kompensatorisch begleitet <strong>und</strong> den neuen Status<br />

feierlich proklamiert. Als solcher hat er sich - wie wir sahen - auch historisch ja in der<br />

Tat etabliert. Als Passageritus verstanden, hat die <strong>Konfirmation</strong> zwei Seiten ihrer<br />

Wirkung, nämlich <strong>ein</strong>e für das Individuum selbst <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e für die soziale Welt. <strong>Die</strong>se<br />

Doppelfunktion bleibt - nach dem religionssoziologischen “mean stream” - notwendig,<br />

auch wenn sie von den betroffenen Individuen selbst nicht mehr als notwendig erkannt<br />

werden <strong>und</strong> diese deshalb - wie Luhmann es formuliert - aus blinder Undankbarkeit<br />

aus der Kirche austreten. Aber fragen wir danach, was denn die Prostanten von der<br />

<strong>Konfirmation</strong> halten:


6<br />

Ich gehe zunächst von der neuesten Mitgliedschaftsstudie der EKD (1993) im<br />

wiederver<strong>ein</strong>igten Deutschland aus. Sie zeigt folgendes: <strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> gehört _<br />

wie die Taufe _ zu den konstitutiven Merkmalen evangelischer Kirchenmitgliedschaft:


7<br />

Auffällig dabei ist, daß in Westdeutschland die <strong>Konfirmation</strong> hinter der Taufe rangiert,<br />

während in Ostdeutschland das Konfirmierts<strong>ein</strong> zum wesentlichsten Merkmal<br />

protestantischer Identität gehört. <strong>Die</strong>sen Unterschied kann man nun nicht so<br />

interpretieren, daß durch die politische Situation in der DDR die <strong>Konfirmation</strong> stärker<br />

den Charakter <strong>ein</strong>er Entscheidung zum Glauben hatte <strong>und</strong> hat. Vielmehr sind sich<br />

West_ <strong>und</strong> Ostdeutsche darin <strong>ein</strong>ig, daß die <strong>Konfirmation</strong> primär lebensgeschichtlichfamiliär<br />

interpretiert wird _ <strong>und</strong> dies mit zunehmender Tendenz: “Nicht nur in der<br />

Erinnerung der Erwachsenen, sondern auch der Jugendlichen spielt 1992 der<br />

Familienaspekt <strong>ein</strong>e größere Rolle als noch 1982. <strong>Die</strong> Phase der Kindheit ist vorüber,<br />

der Beginn <strong>ein</strong>es neuen Lebensabschnittes soll festlich inszeniert werden. Als solche<br />

ist die <strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong>e gute alte Tradition, die man bewahrt wissen will.” (S. 18)<br />

Weder sakramentale noch kirchenrechtliche noch katechetische Aspekte haben für die<br />

Konfirmierten selbst Bedeutung. Im <strong>ein</strong>zelnen sehen die Ergebnisse laut EKD-Studie<br />

(1993) wie folgt aus (siehe Abbildung auf S. 8):<br />

<strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> ist also in der Perspektive der volkskirchlichen Mehrheit<br />

primär oder ausschließlich <strong>ein</strong> Familienfest, das für die Kontinuität <strong>und</strong> für die<br />

Selbstdarstellung dieser Familien <strong>ein</strong>e wesentliche, möglicherweise sogar konstitutive<br />

Bedeutung hat. Das zeigt auch <strong>ein</strong>e neuere Untersuchung zur Familienreligiosität, die<br />

U. Schwab vorgelegt hat <strong>und</strong> deren Material ich hinsichtlich der <strong>Konfirmation</strong><br />

sek<strong>und</strong>är ausgewertet habe. Über alle Generationen hinweg wird die <strong>Konfirmation</strong> zur<br />

Periodisierung der Familiengeschichte aber auch der eigenen Biographie benutzt. Das<br />

deutet auf die zentrale Stellung der <strong>Konfirmation</strong> für die Identitätspräsentation des<br />

<strong>ein</strong>zelnen wie s<strong>ein</strong>er Familie hin. In der Erinnerung wird die <strong>Konfirmation</strong> als <strong>ein</strong><br />

“schönes Fest” bezeichnet. <strong>Die</strong> 1907 geborene Großmutter <strong>ein</strong>er bäuerlichen Familie<br />

erzählt über ihre <strong>Konfirmation</strong> im Jahre 1921 z.B. folgendes: “Das war schön. Ach,<br />

war das <strong>ein</strong> schöner Tag, war das schön. Es ist <strong>ein</strong> recht <strong>ein</strong> schöner Gottesdienst<br />

gewesen, da haben wir Verwandte gehabt daheim, <strong>und</strong> nachmittags ist so <strong>ein</strong><br />

allgem<strong>ein</strong>er Spaziergang gemacht worden, na ja, <strong>und</strong> dann ist der Tag so rumgewesen,<br />

ja. Aber es war <strong>ein</strong> schöner Tag.”<br />

Ihre 1933 geborene Tochter erinnert sich besonders ausführlich an die<br />

<strong>Konfirmation</strong>: “Ja, das war sehr schön; (kurze Pause) das war auch schön, da hat man<br />

doch die Konfirmandenprüfung, ich weiß nicht, ob das heute auch noch so ist, die<br />

Prüfung, gell, <strong>und</strong> dann war die <strong>Konfirmation</strong> ... <strong>und</strong> da ist immer das Lied von den<br />

Knfirmanden gesungen worden: Von des Himmels Thron, gell, <strong>und</strong> ich habe so<br />

wahnsinnig gerne gesungen, gell, <strong>und</strong> wissen's ja, in der Schule, k<strong>ein</strong>er singt gerne,<br />

<strong>und</strong> wie's am Land war, am Land früher, wie soll ich denn das sagen, da war der<br />

Lehrer <strong>ein</strong> Heiligtum, <strong>und</strong> der Pfarrer <strong>ein</strong> Heiligtum <strong>und</strong> der Bürgermeister war <strong>ein</strong><br />

Heiligtum, <strong>und</strong> sonst hat's k<strong>ein</strong> Heiligtum gegeben; so war's eben am Land, gell? Also<br />

wir haben gesungen, ja, ja, <strong>und</strong> das war natürlich allerhand <strong>Konfirmation</strong> <strong>und</strong> wenn die<br />

Konfirmanden all<strong>ein</strong>e gesungen haben, also es war schon schön, sagen wir mal so,<br />

gell, das war <strong>ein</strong>fach <strong>ein</strong> wirklich schöner Tag, <strong>und</strong> genauso war's schon in m<strong>ein</strong>er<br />

Kindheit, da hat's nie <strong>ein</strong>en Ruhetag gegeben bei uns, <strong>und</strong> m<strong>ein</strong>e <strong>Konfirmation</strong> war der<br />

<strong>ein</strong>zige Tag, den ich überhaupt kenne, daß unsere Wirtschaft <strong>ein</strong>mal geschlossen war;<br />

drum war das dann doppelt schön, gell, so ist das ewig zugegangen.” Worüber diese


8<br />

Frau sich in ihrer Erinnerung besonders freute war, daß ihretwegen die Routine des<br />

Alltags der Familie durchbrochen wurde: <strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> als der <strong>ein</strong>zige freie Tag<br />

ihrer Jugend.


9<br />

Ähnliches finden wir bei <strong>ein</strong>er 1910 geborenen Bäuerin: “Wir waren bloß 15<br />

Mädchenkonfirmanden. Das war in der Zeit wie die, wo das Geld umgestellt worden<br />

ist, <strong>und</strong> da haben wir auch oft schon drüber geplaudert da. Das waren die ersten<br />

Schuhe, also die ersten Halbschuhe, wo ich gekriegt habe damals, haben 550 000 Mark<br />

gekostet.” <strong>Die</strong> Erinnerung an diese ersten <strong>und</strong> teuersten Schuhe zum Anlaß ihrer<br />

<strong>Konfirmation</strong> sind mehr als eben nur <strong>ein</strong> Paar viel zu teuere Schuhe, sie sind der Frau<br />

<strong>ein</strong> Symbol dafür geworden, der Familie etwas “wert” gewesen zu s<strong>ein</strong>. Ich denke:<br />

<strong>Die</strong>ses Motiv, das hinter der Kleiderfrage steckt, ist heute noch virulent. Und die<br />

Frage, wer denn das <strong>Konfirmation</strong>skleid zahlen darf, ist noch heute in nicht wenigen<br />

Familien <strong>ein</strong> Machtkampf (meist zwischen den Großeltern), weil hier besondere<br />

Zuwendung <strong>und</strong> Hochschätzung signalisiert werden soll. <strong>Die</strong>ses Motiv <strong>ein</strong>er<br />

erfahrenen Zuwendung findet sich auch bei <strong>ein</strong>em 1930 geborenen<br />

Landschaftsgärtner: “ ... <strong>und</strong> das wäre m<strong>ein</strong>e <strong>Konfirmation</strong>, die sehr <strong>ein</strong>fach <strong>und</strong><br />

dürftig war im Jahre 1944, wo kaum, wo nicht <strong>ein</strong>mal der Pate da war, weil es ihm zu<br />

beschwerlich war zu kommen, auf der anderen Seite ich mich an <strong>ein</strong>e Frau erinnere,<br />

die schon lange gestorben ist, die mir da <strong>ein</strong>en Kuchen <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e Torte geschenkt hat,<br />

etwas, was damals noch wenig der Fall war. Das wär's.”<br />

<strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> ist <strong>ein</strong> Zentralpunkt von Familienreligiosität. Das macht sich<br />

auch an zwei weiteren Ergebnissen dieser Untersuchung fest: Zum <strong>ein</strong>en wird immer<br />

wieder <strong>ein</strong>mal berichtet, daß die <strong>Konfirmation</strong> Anlaß zu innerfamiliären Gesprächen<br />

über den Gauben war. Zum anderen ist die <strong>Konfirmation</strong> der Kasus, über den der<br />

Pfarrer sozusagen in die jeweilige Familie aufgenommen wird. Das macht sich z.B. bei<br />

<strong>ein</strong>er Frau daran fest, daß sie von niemandem anderen getraut werden wollte. Und <strong>ein</strong>e<br />

heutige Großmutter freute sich noch immer darüber, daß der Pfarrer in ihrem<br />

Poesiealbum mit “d<strong>ein</strong> Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Konfirmator” unterschreiben hatte. Nebenbei<br />

gesagt bestätigt auch die Untersuchung zur Familienreligiosität die Zentralstellung der<br />

Person des Pfarrers für die Kirchengliedschaft: Wer s<strong>ein</strong>en Konfirmator als streng,<br />

unpersönlich oder moralisch-diffamierend erlebt hat, der ging unmittelbar nach s<strong>ein</strong>er<br />

<strong>Konfirmation</strong> auf Distanz zur Kirche. Positive Erfahrungen mit dem Konfirmator<br />

hingegen blieben als Motivationsressourcen lebenslang erhalten.<br />

Als <strong>ein</strong> “schönes Fest” verstanden, gilt die <strong>Konfirmation</strong> unter TheologInnen<br />

als unterbestimmt, nämlich als ihre Funktionalisierung für familiäre Zwecke. Und<br />

viele fühlen sich selbst funktionalisiert. Nimmt man aber ernst, daß es für die<br />

<strong>Konfirmation</strong> in ihrem Kern nicht zur Liturgie der Kirche, sondern zur Liturgie des<br />

Lebens gehört, dann schwinden diese Bedenken <strong>und</strong> machen den seelsorgerlichen<br />

Aspekt der Liturgie deutlich. Ich denke, wir können die <strong>Konfirmation</strong> als “Kasus<br />

Familienfeier” auch positiv würdigen. Daß die Familie in der Krise oder gar <strong>ein</strong><br />

Patient sei, ist <strong>ein</strong>e landläufige Rede. Auch die Untersuchung über Familienreligiosität<br />

zeigte den rapiden Struktur- <strong>und</strong> Funktionswandel der Familie. Äußerlich macht sich<br />

dies z.B. an der Anzahl der Kinder fest: während die Großelterngeneration noch mit<br />

mindestens drei Geschwister aufwuchs, hatte die Elterngeneration nur noch <strong>ein</strong> bis<br />

zwei Geschwister <strong>und</strong> die heutige Generation hat <strong>ein</strong> Kind oder gar k<strong>ein</strong>es. Oder:<br />

Während um 1960 noch 90% der 18_ bis 55jährigen verheiratet waren, erleben wir<br />

heute den Trend zur Ein-Erwachsenenfamilie; Familienforscher sprechen deshalb von


10<br />

den postfamilialen Familien. <strong>Die</strong>s gilt auch hinsichtlich der Beziehung zwischen den<br />

Generationen, die immer loser werden. Eine Einheit <strong>und</strong> Kontinuität familiärer Bande<br />

wird nur noch selten sichtbar, außer z.B. bei der <strong>Konfirmation</strong>.<br />

Feste <strong>und</strong> Feiern sind mehr als Lustbarkeiten. Sie transzendieren vielmehr den<br />

Alltag; sie relativieren ihn, indem sie ihn aus anderer Perspektive betrachten. So ist<br />

auch die <strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong> “Familienanlaß, der die Familie zum Nutzen der Familie<br />

transzendiert” (Nüchtern 27). Anders als bei vielen anderen geht die Familie “an <strong>ein</strong>en<br />

anderen Ort” - <strong>ein</strong>en Ort, wo die unmittelbaren Probleme <strong>und</strong> Konflikte für <strong>ein</strong>en<br />

Moment storniert ersch<strong>ein</strong>en. Und zur Zeit der <strong>Konfirmation</strong> potenzieren sich bekanntlich<br />

Familienkonflikte, weil die Familie sich im Prozeß ihrer Auflösung befindet<br />

- <strong>und</strong> zwar heute noch mehr als früher. Seit längerem wird deshalb die <strong>Konfirmation</strong> -<br />

vor allem aber der KU - als kirchliche Begleitung in der pubertären Ablösephase<br />

diskutiert. Damit nimmt man die besondere Familiendynamik in dieser Zeit <strong>und</strong> die<br />

damit verb<strong>und</strong>enen Belastungen der Familienmitglieder in den Blick <strong>und</strong> bestimmt<br />

von daher die Konfirmandenzeit - nicht aber die <strong>Konfirmation</strong> selbst. Wie schon im<br />

katechetischen Modell wird der Kasus sek<strong>und</strong>är. Im Zusammenhang der<br />

Familiendynamik <strong>und</strong> als eigenständiger Kasus betrachtet wird die <strong>Konfirmation</strong> zur<br />

Repräsentation der Ursprungsfamilie <strong>und</strong> der bleibenden Zugehörigkeit des<br />

Jugendlichen zu eben dieser Familie - <strong>und</strong> zwar gerade auch gegen den Augensch<strong>ein</strong><br />

<strong>und</strong> angesichts von Zerfallstendenzen.<br />

Im Kasus verbinden sich “Schmerz <strong>und</strong> Sehnsucht” (H. Luther); der Schmerz<br />

nämlich über den aktuell drohenden Verlust des Kindes <strong>und</strong> über das Ende der bisher<br />

konstituierenden Familiengeschichte. Und die Sehnsucht nach Kontinuität <strong>und</strong><br />

haltender Bindung. Familiar betrachtet ist der Kasus der <strong>Konfirmation</strong> zugleich auch<br />

<strong>ein</strong> Übergangsritus für die Eltern, die jetzt - in der Regel - ihren Status als Eltern<br />

verlieren <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e neue Paarbeziehung aufbauen müssen - <strong>ein</strong>e Krise, die die<br />

Psychologen mit dem Stichwort “empty-nest-Syndrom” belegt haben. Aber das ist -<br />

wie gesagt - nur <strong>ein</strong> Aspekt des Ritus, der soziale. Und dieser tritt schon deshalb in den<br />

Hintergr<strong>und</strong>, weil - im Unterschied zur Gründungsepoche der <strong>Konfirmation</strong> - die<br />

<strong>Konfirmation</strong> immer seltener den tatsächlichen Austritt aus der Ursprungsfamilie<br />

kennzeichnet. Aber sie vergegenwärtigt diesen als <strong>ein</strong>e konkrete Möglichkeit <strong>und</strong><br />

integriert diese als Option in die Familiengeschichte. Eine Option, die auch in der<br />

Gestaltung des Gottesdienstes zum Tragen kommen könnte. <strong>Die</strong> anhaltende <strong>und</strong><br />

aktuelle dramatische Besonderheit dieser Lebensphase “<strong>Konfirmation</strong>” liegt aber wohl<br />

eher auf dem individuellen Moment des Ritus. Ich möchte deshalb kurz dem<br />

entwicklungspsychologischen Aspekt nachgehen <strong>und</strong> fragen, welche Erklärungen sich<br />

für den Kasus <strong>Konfirmation</strong> daraus ergeben.<br />

c) entwicklungspsychologischer Aspekt<br />

<strong>Die</strong> klassische Psychoanalyse sah die besondere psychodynamische Problematik der<br />

Adoleszenz darin, daß durch <strong>ein</strong> Wiedererstarken von Es-Impulsen die in der Latenzperiode<br />

vollzogene Organisation des Ichs neu gestaltet werden muß. Damit leben alle<br />

bisherigen Konflikte <strong>und</strong> die damit zusammenhängenden Ängste wieder auf <strong>und</strong><br />

potenzieren sich durch ihre Gleichzeitigkeit. <strong>Die</strong>se Verstärkung von Ängsten <strong>und</strong>


11<br />

Konflikten bestimmt die pubertäre Dramatik. E. Erikson (Erikson 1977; Erikson 1988)<br />

rückte dann diese Phase ins Zentrum tiefenpsychologischer Erklärungen: die<br />

Adoleszenz wird zur entscheidenden Reifungskrise im gesamten Entwicklungsgang<br />

des Menschen erklärt. Hier wird etwas vollendet <strong>und</strong> zugleich etwas Neues begonnen<br />

<strong>und</strong> beides soll, ja muß in Einklang gebracht werden. <strong>Die</strong> adoleszente Krise ist deshalb<br />

von notwendigen Brüchen <strong>und</strong> bedrohter Kontinuität gekennzeichnet. In ihr geht es<br />

um zweierlei: Zum <strong>ein</strong>en muß die Zukunftsfrage nach der eigenen Ich-Identität <strong>und</strong><br />

nach dem eigenen Selbstkonzept jetzt geklärt werden: Der Jugendliche muß für sich<br />

<strong>ein</strong>en Entwurf, <strong>ein</strong>e Konzeption für das neue Leben als Erwachsener entwerfen. Zum<br />

anderen müssen dabei alle bisher gewonnenen Lösungen aus dieser neuen Identität<br />

heraus geklärt werden, weil dadurch spätere Krisenlösungen angebahnt werden. Wie<br />

wir uns in späteren Krisensituationen verhalten, hängt nicht nur von den dann<br />

gegebenen Konstellationen ab, sondern auch von den psychischen Bedingungen, die in<br />

der Identitätskrise der Pubertät gr<strong>und</strong>gelegt wurden. <strong>Die</strong> Jugendlichen werden zu<br />

Buchhaltern ihrer Biographie: Sie ziehen <strong>ein</strong>erseits erste Lebensbilanz, <strong>und</strong> sie<br />

nehmen zweitens den Kredit auf, von dem Sie in Zukunft leben wollen.<br />

<strong>Die</strong> Konzeptualisierung von Ich-Identität stellt den Jugendlichen vor die<br />

Aufgabe, die bisherige Selbstinterpretation über Identifikationen (vor allem mit den<br />

Eltern, insbesondere mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil) aufzugeben <strong>und</strong> sich<br />

aus den identifikatorischen Bindungen zu lösen (s.u.) <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e eigene Identität<br />

auszubilden. <strong>Die</strong> Identitätspsychologie weist uns nun aber auf die Ambivalenz dieser<br />

Identität hin: Sie ist geworden <strong>und</strong> ist zugleich auch immer im Werden. Identität<br />

existiert <strong>und</strong> ist zugleich immer von ihrem Scheitern bedroht. <strong>Die</strong>se Ambivalenz<br />

kennzeichnet E. Erikson als das Zugleich, als den spannungsvollen Ausgleich<br />

zwischen Identität <strong>und</strong> Identitätsdifusion.<br />

Wesentliches Kennzeichen für das Gelingen dieser frühadoleszenten<br />

Neuorientierung ist, daß diese Identitätssuche sich auf dem Weg von Negation<br />

vollzieht: <strong>Die</strong> Jugendlichen wissen nur, was nicht s<strong>ein</strong> soll, nicht aber was <strong>und</strong> wer sie<br />

s<strong>ein</strong> wollen. Das Ab- <strong>und</strong> Ausgrenzen vollzieht sich nicht nur gegenüber von<br />

Erwachsenen <strong>und</strong> Erwachsenenwerten, sondern auch von anderen Jugendlichen <strong>und</strong><br />

ihren Lebensstilen. Akzeptiert wird nur die gleichgesinnte <strong>und</strong> gleichgestimmte<br />

Clique. <strong>Die</strong>ses Abgrenzen ist <strong>ein</strong> entwicklungspsychologisch notwendiger Schritt, der<br />

sch<strong>ein</strong>bar Stärke demonstriert, in Wirklichkeit aber tiefgreifenden. <strong>Die</strong> innere<br />

Zentriertheit der Jugendlichen als Person, um die es in diesem Prozeß geht, ist eben<br />

noch nicht vorhanden, sondern bildet sich erst. In ihrer Suche nach dieser Zentriertheit<br />

experimentieren die Jugendlichen noch <strong>ein</strong>mal mit dem ganzen Repertoire möglicher<br />

Lebensentwürfe, Verhaltensweisen <strong>und</strong> Beziehungsmodellen. Das macht die<br />

sch<strong>ein</strong>bare Sprunghaftigkeit im Ersch<strong>ein</strong>ungsbild, in der Gefühlswelt <strong>und</strong> im Denken<br />

von Jugendlichen in dieser Phase aus: Heute so <strong>und</strong> morgen anders, heute Himmelhoch-jauchzend<br />

<strong>und</strong> morgen zu-Tode-betrübt.<br />

Zu den Verunsicherung der Konfirmandenzeit gehört auch der Zweifel am<br />

eigenen Selbstwert. Ein positives Selbstwertgefühl ist die Basis für <strong>ein</strong> positives,<br />

zukunftsträchtiges Selbstkonzept. Unter Selbstkonzept versteht man die Einstellungen<br />

<strong>ein</strong>es Menschen zu sich selbst, mithin s<strong>ein</strong> theoretisches Selbstbild. <strong>Die</strong>ses Selbstbild


12<br />

hat zwei Quellen: Es resultiert <strong>ein</strong>erseits aus <strong>ein</strong>er realistischen Selbst<strong>ein</strong>schätzung<br />

aufgr<strong>und</strong> von reflektierter Selbstbeobachtung <strong>und</strong> zum anderen resultiert es aus<br />

Phantasien über die noch nicht verwirklichten Möglichkeiten der eigenen Person. An<br />

der Schaltstelle zwischen Kindheit <strong>und</strong> Erwachsens<strong>ein</strong> blüht sozusagen <strong>ein</strong>e Hoffnung<br />

auf, die allerdings nicht mehr so wild ins Kraut schießt wie <strong>ein</strong>st die<br />

Omnipotenzvorstellungen der frühen Kindheit. Aber am Beginn der Adoleszenz<br />

vollzieht sich durchaus Vergleichbares. Hier dominiert wieder die Phantasie über die<br />

eigene, offen ersch<strong>ein</strong>ende Zukunft. Aber die parall <strong>ein</strong>setzende Lebensbilanz macht<br />

zunehmend den Kreditrahmen für das zukünftige Leben deutlich. Der/die Jugendliche<br />

bringt sich so zunehmend in die Lage, sagen zu können, wer er/sie wirklich ist <strong>und</strong> wer<br />

er/sie zukünftig s<strong>ein</strong> will.<br />

<strong>Die</strong> Basis dieser Entwicklung <strong>ein</strong>es Selbstkonzepts ist das Selbstwertgefühl.<br />

Das Selbstwertgefühl ist sozusagen der Ort der pubertären Lebensbilanz; es ist die<br />

Summe der im bisherigen Lebenslauf erfahrenen positiven <strong>und</strong> negativen<br />

Umweltreaktionen auf die eigene Person. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, daß das<br />

schulische <strong>und</strong> familiäre Klima in unserer Gesellschaft nicht förderlich für die<br />

Selbstachtung der Heranwachsenden <strong>und</strong> deshalb negativ für die Entwicklung <strong>ein</strong>es<br />

positiven Selbstkonzepts für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche ist. Sie zweifeln an ihrer<br />

Werthaftigkeit <strong>und</strong> am Gelingen ihrer Zukunft. Und deshalb brauchen Sie -<br />

psychodynamisch gesehen, verstärkende positive Erfahrungen; sie brauchen das<br />

Erlebnis unbedingter Akzeptanz; sie brauchen <strong>ein</strong> vorbehaltloses “Ja” zu ihrer Person<br />

in all ihrer Unsicherheit <strong>und</strong> Unvollkommenheit. Darin lag auch die symbolische<br />

Bedeutung der vorhin erwähnten überteuerten Schuhe, der geschlossenen elterlichen<br />

Gaststätte oder des überraschenden Kuchens als <strong>ein</strong> Opfer in dürftiger Hungerszeit.<br />

Und das - so m<strong>ein</strong>e ich - ist auch dasjenige Motiv, das die anhaltende Hochwertung<br />

der <strong>Konfirmation</strong> begründet. Sie ist für die Menschen eben mehr als <strong>ein</strong>e bloße,<br />

inhalts- <strong>und</strong> funktionslose Konvention.<br />

Ich habe bisher versucht, die Vaterschaft zu klären <strong>und</strong> diese dabei als <strong>ein</strong>e<br />

Liturgie des nicht-kirchlichen Lebens interpretiert - <strong>und</strong> zwar <strong>ein</strong>e der individuellen<br />

Lebensgeschichte wie auch <strong>ein</strong>e der sozialen Lebenswelt von Jugendlichen im<br />

Konfirmandenalter. Als solche wird sie von Eltern <strong>und</strong> KonfirmandInnen verstanden.<br />

Betrachtet man - wie geschehen - diese Liturgie genauer, so ist sie gekennzeichnet<br />

durch Ambivalenzen: der Ambivalenz von Schmerz <strong>und</strong> Sehnsucht, der von Angst <strong>und</strong><br />

Hoffnung, der von Identität <strong>und</strong> Diffusion, der von Trennung <strong>und</strong> Bindung. Das sind<br />

zunächst psychologische <strong>und</strong> soziologische Kategorien, die der <strong>Konfirmation</strong><br />

anhaltend anhaften. Ist sie also doch nur <strong>ein</strong> Kuckucksei im Nest der Kirche oder gibt<br />

es theologische Konvergenzpunkte <strong>und</strong> inhaltliche Bezüge zu dieser nichttheologischen<br />

Liturgie? Dazu abschließend - <strong>und</strong> schon außerhalb der Zeit - <strong>ein</strong>ige<br />

wenige Stichpunkte:<br />

2. Perspektiven <strong>ein</strong>er Theologie der <strong>Konfirmation</strong><br />

Auf den liturgiegeschichtlichen Zusammenhang von <strong>Konfirmation</strong> <strong>und</strong> Taufe habe ich<br />

bereits verwiesen. <strong>Die</strong>ser Zusammenhang besteht auch sachlich - <strong>und</strong> das ist ja auch<br />

der Gr<strong>und</strong> für alle Versuche, die <strong>Konfirmation</strong> theologisch zu exkommunizieren. Herr


13<br />

Neidhart hat darauf verwiesen. Wir können aber auch fragen, ob sich aus der Taufe die<br />

<strong>Konfirmation</strong> als <strong>ein</strong> sinnvoller Kasus ergibt, ohne daß damit die Taufe entleert <strong>und</strong><br />

die <strong>Konfirmation</strong> indirekt zur Wiedertaufe als liturgisch verfremdete Bekenntnistaufe<br />

wird. Betrachten wir also sozusagen das mütterliche Erbgut <strong>und</strong> fragen, was dieses<br />

Kind denn an theologischer Erbsubstanz mitbringt. Wenn man die Taufe als Symbol<br />

der zuvorkommenden Gnade Gottes interpretiert, rekurriert man damit auf ihre<br />

rechtfertigungstheologische Begründung. Nun haben vor allem E. Herms <strong>und</strong> W.<br />

Härle - neben anderen - darauf hingewiesen, daß die Rechtfertigungslehre -<br />

anthropologisch gesehen - als <strong>ein</strong>e theologische Konstitutionstheorie von Subjektivität<br />

zu interpretieren ist. <strong>Die</strong>se Auffassung teile ich. Wie ist nun aber von der<br />

Rechtfertigungslehre her das Verhältnis von Taufe <strong>und</strong> <strong>Konfirmation</strong> zu bestimmen -<br />

<strong>und</strong> zwar so, daß man erklären kann, weshalb letztere, die <strong>Konfirmation</strong>, notwendig<br />

sei, obwohl Sie substantiell zur ersteren, zur Taufe, nicht hinzufügen darf? Um dieses<br />

Problem <strong>ein</strong>er nichtsubstantiellen <strong>und</strong> auch nicht bloß akzidentiellen Komplimentarität<br />

zu klären, bedarf es der logischen Denkfigur, nämlich der Logik<br />

<strong>ein</strong>er Dialektik von "Voraussetzen" <strong>und</strong> "Setzen".<br />

Strukturell besagt diese Dialektik, daß etwas als<br />

“vorausgesetzt” gesetzt zu denken ist, was sich<br />

allererst als solches setzen <strong>und</strong> damit als zutreffende<br />

Voraussetzung bewahrheiten muß. Konkret heißt das: <strong>Die</strong><br />

Taufe muß als <strong>ein</strong>e Tat Gottes verstanden werden, in der<br />

der Mensch - begrifflich gesprochen - als etwas "vorausgesetzt",<br />

also konstituiert wird, das wirklich zu "setzen"<br />

d.h. zu realisieren ihm als Lebensweg <strong>und</strong> Lebensaufgabe im<br />

Akt der Taufe mitgegeben ist. In bekannter Kürze besagt<br />

die Rechtfertigungslehre bekanntlich, daß der Mensch vor<br />

jeder Eigenleistung von Gott gerechtfertigt ist. Damit<br />

konstituiert die vorbehaltlose Zuwendung <strong>und</strong> Gnade Gottes<br />

jeden <strong>ein</strong>zelnen Menschen als kompetentes, handlungsfähiges<br />

Subjekt mit <strong>ein</strong>em durch nichts aufhebbaren Eigenrecht.<br />

<strong>Die</strong>se konstitutive Vor-Gabe Gottes für das eigene Leben<br />

gilt es lebensgeschichtlich <strong>ein</strong>zulösen; der Mensch muß<br />

sich als das setzen, als was er von Gott vorausgesetzt<br />

ist, nämlich als werthafte, unverwechselbare<br />

Subjektivität. Und dieser Prozeß ist zum Zeitpunkt der <strong>Konfirmation</strong> zu <strong>ein</strong>em<br />

ersten Abschluß gekommen, denn der Jugendliche ringt hier - psychologisch gesehen -<br />

ja um s<strong>ein</strong>e Ich-Identität, die er als solche jetzt ausbildet.<br />

Wir sahen aber die dramatische Zuspitzung dieser Lebensaufgabe. Das<br />

Gelingen des Lebens, die Realisierung s<strong>ein</strong>er “Vor-Gabe” sch<strong>ein</strong>t erneut vom<br />

Scheitern bedroht. Das Subjekt, das sich als gelingend <strong>und</strong> scheiternd zugleich erfährt,<br />

bedarf der Vergewisserung. In der <strong>Konfirmation</strong> wird dieser Prozeß<br />

der Identitätssuche <strong>und</strong> -gewinnung zum <strong>ein</strong>en symbolisch<br />

dargestellt: aus der Potentialität, aus der<br />

vorausgesetzten Möglichkeit ist gestaltete <strong>und</strong> zu


14<br />

gestaltende Wirklichkeit geworden. Das kann man als Moment<br />

der konkreten Tauferinnerung verstehen. Nicht im Sinne<br />

<strong>ein</strong>es kognitiven Rückerinnerns - diese lehnte Neidhart zu<br />

Recht ab. Wohl aber im Sinne <strong>ein</strong>er selbstgewissen<br />

Neubesinnung an den Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> die Aufgabe, die durch die<br />

Taufe dem <strong>ein</strong>zelnen “vorausgesetzt” wurden. <strong>Die</strong><br />

<strong>Konfirmation</strong> ist so - als Akt der Jugendlichen - deren<br />

Identitätsversicherung <strong>und</strong> -repräsentation. Daraus<br />

folgert, daß die gottesdienstliche Liturgie dieses Moment<br />

der Selbstdarstellung ausreichend umfassen müßte.<br />

Konfirmanden zu Statisten oder Stichwortgebern zu<br />

degradieren, die Gottesdienste selbst aber auf die<br />

PfarrerInnen als LeiterInnen hin zu strukturieren, würde<br />

dieser Einsicht widersprechen. Wenn man so will kann man<br />

sagen: die KonfirmandInnen müßten stärker als üblich zu<br />

KonfirmantInnen werden können.<br />

Angesichts der Ambivalenzen, die den Prozeß des<br />

Subjekts<strong>ein</strong>s <strong>und</strong> Subjektwerdens bestimmen, ergibt sich<br />

<strong>ein</strong>e zweite Aufgabe des Konfirmandengottesdienstes. Das<br />

liturgische Wesen <strong>ein</strong>er biographisch verstandenen<br />

<strong>Konfirmation</strong> liegt m.E. im Segen: “Schutz <strong>und</strong> Schirm”.<br />

Das kann allerdings - falsch verstanden - auf den Irrweg<br />

<strong>ein</strong>er sakramentalen Mißdeutung führen. Richtig verstanden<br />

wäre es Unterstützung der Lebensaufgabe im Sinne <strong>ein</strong>er<br />

Segnung als fürbittendes Handeln. Beide Momente machen<br />

die <strong>Konfirmation</strong> zu <strong>ein</strong>er Einsegnung in konkrete<br />

Subjekthaftigkeit. Im Zentrum der <strong>Konfirmation</strong> stehen die<br />

KonfirmandInnen. <strong>Die</strong> Botschaft des Ritus ist der vorbehaltlose<br />

Respekt vor dem Jugendlichen als eigener<br />

Person. Darin sehe ich die Konvergenz zwischen der theologischen <strong>und</strong> der nichttheologischen<br />

Liturgie der <strong>Konfirmation</strong>. Weil Gottes Segen nun aber<br />

vorbehaltlos gilt, treten alle “objektiven” Ansprüche,<br />

wie Prüfung, Gelöbnis, Abendmahlszulassung usw. zurück. N.<br />

Luhmann hat die Kirchen davor gewarnt weiterzufahren, <strong>ein</strong>e<br />

Sondersemantik zu entwickeln <strong>und</strong> sich stärker an die<br />

gesellschaftlich vorgegebene Semantik zu halten. Deshalb<br />

würde ich abschließend behaupten: Entweder wird die <strong>Konfirmation</strong> als Liturgie des<br />

wirklichen Lebens verstanden <strong>und</strong> gefeiert oder sie wird <strong>ein</strong>e Liturgie ohne Leben<br />

werden.

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