8 Frau sich in ihrer Erinnerung besonders freute war, daß ihretwegen die Routine des Alltags der Familie durchbrochen wurde: <strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> als der <strong>ein</strong>zige freie Tag ihrer Jugend.
9 Ähnliches finden wir bei <strong>ein</strong>er 1910 geborenen Bäuerin: “Wir waren bloß 15 Mädchenkonfirmanden. Das war in der Zeit wie die, wo das Geld umgestellt worden ist, <strong>und</strong> da haben wir auch oft schon drüber geplaudert da. Das waren die ersten Schuhe, also die ersten Halbschuhe, wo ich gekriegt habe damals, haben 550 000 Mark gekostet.” <strong>Die</strong> Erinnerung an diese ersten <strong>und</strong> teuersten Schuhe zum Anlaß ihrer <strong>Konfirmation</strong> sind mehr als eben nur <strong>ein</strong> Paar viel zu teuere Schuhe, sie sind der Frau <strong>ein</strong> Symbol dafür geworden, der Familie etwas “wert” gewesen zu s<strong>ein</strong>. Ich denke: <strong>Die</strong>ses Motiv, das hinter der Kleiderfrage steckt, ist heute noch virulent. Und die Frage, wer denn das <strong>Konfirmation</strong>skleid zahlen darf, ist noch heute in nicht wenigen Familien <strong>ein</strong> Machtkampf (meist zwischen den Großeltern), weil hier besondere Zuwendung <strong>und</strong> Hochschätzung signalisiert werden soll. <strong>Die</strong>ses Motiv <strong>ein</strong>er erfahrenen Zuwendung findet sich auch bei <strong>ein</strong>em 1930 geborenen Landschaftsgärtner: “ ... <strong>und</strong> das wäre m<strong>ein</strong>e <strong>Konfirmation</strong>, die sehr <strong>ein</strong>fach <strong>und</strong> dürftig war im Jahre 1944, wo kaum, wo nicht <strong>ein</strong>mal der Pate da war, weil es ihm zu beschwerlich war zu kommen, auf der anderen Seite ich mich an <strong>ein</strong>e Frau erinnere, die schon lange gestorben ist, die mir da <strong>ein</strong>en Kuchen <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e Torte geschenkt hat, etwas, was damals noch wenig der Fall war. Das wär's.” <strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> ist <strong>ein</strong> Zentralpunkt von Familienreligiosität. Das macht sich auch an zwei weiteren Ergebnissen dieser Untersuchung fest: Zum <strong>ein</strong>en wird immer wieder <strong>ein</strong>mal berichtet, daß die <strong>Konfirmation</strong> Anlaß zu innerfamiliären Gesprächen über den Gauben war. Zum anderen ist die <strong>Konfirmation</strong> der Kasus, über den der Pfarrer sozusagen in die jeweilige Familie aufgenommen wird. Das macht sich z.B. bei <strong>ein</strong>er Frau daran fest, daß sie von niemandem anderen getraut werden wollte. Und <strong>ein</strong>e heutige Großmutter freute sich noch immer darüber, daß der Pfarrer in ihrem Poesiealbum mit “d<strong>ein</strong> Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Konfirmator” unterschreiben hatte. Nebenbei gesagt bestätigt auch die Untersuchung zur Familienreligiosität die Zentralstellung der Person des Pfarrers für die Kirchengliedschaft: Wer s<strong>ein</strong>en Konfirmator als streng, unpersönlich oder moralisch-diffamierend erlebt hat, der ging unmittelbar nach s<strong>ein</strong>er <strong>Konfirmation</strong> auf Distanz zur Kirche. Positive Erfahrungen mit dem Konfirmator hingegen blieben als Motivationsressourcen lebenslang erhalten. Als <strong>ein</strong> “schönes Fest” verstanden, gilt die <strong>Konfirmation</strong> unter TheologInnen als unterbestimmt, nämlich als ihre Funktionalisierung für familiäre Zwecke. Und viele fühlen sich selbst funktionalisiert. Nimmt man aber ernst, daß es für die <strong>Konfirmation</strong> in ihrem Kern nicht zur Liturgie der Kirche, sondern zur Liturgie des Lebens gehört, dann schwinden diese Bedenken <strong>und</strong> machen den seelsorgerlichen Aspekt der Liturgie deutlich. Ich denke, wir können die <strong>Konfirmation</strong> als “Kasus Familienfeier” auch positiv würdigen. Daß die Familie in der Krise oder gar <strong>ein</strong> Patient sei, ist <strong>ein</strong>e landläufige Rede. Auch die Untersuchung über Familienreligiosität zeigte den rapiden Struktur- <strong>und</strong> Funktionswandel der Familie. Äußerlich macht sich dies z.B. an der Anzahl der Kinder fest: während die Großelterngeneration noch mit mindestens drei Geschwister aufwuchs, hatte die Elterngeneration nur noch <strong>ein</strong> bis zwei Geschwister <strong>und</strong> die heutige Generation hat <strong>ein</strong> Kind oder gar k<strong>ein</strong>es. Oder: Während um 1960 noch 90% der 18_ bis 55jährigen verheiratet waren, erleben wir heute den Trend zur Ein-Erwachsenenfamilie; Familienforscher sprechen deshalb von