6 Ich gehe zunächst von der neuesten Mitgliedschaftsstudie der EKD (1993) im wiederver<strong>ein</strong>igten Deutschland aus. Sie zeigt folgendes: <strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> gehört _ wie die Taufe _ zu den konstitutiven Merkmalen evangelischer Kirchenmitgliedschaft:
7 Auffällig dabei ist, daß in Westdeutschland die <strong>Konfirmation</strong> hinter der Taufe rangiert, während in Ostdeutschland das Konfirmierts<strong>ein</strong> zum wesentlichsten Merkmal protestantischer Identität gehört. <strong>Die</strong>sen Unterschied kann man nun nicht so interpretieren, daß durch die politische Situation in der DDR die <strong>Konfirmation</strong> stärker den Charakter <strong>ein</strong>er Entscheidung zum Glauben hatte <strong>und</strong> hat. Vielmehr sind sich West_ <strong>und</strong> Ostdeutsche darin <strong>ein</strong>ig, daß die <strong>Konfirmation</strong> primär lebensgeschichtlichfamiliär interpretiert wird _ <strong>und</strong> dies mit zunehmender Tendenz: “Nicht nur in der Erinnerung der Erwachsenen, sondern auch der Jugendlichen spielt 1992 der Familienaspekt <strong>ein</strong>e größere Rolle als noch 1982. <strong>Die</strong> Phase der Kindheit ist vorüber, der Beginn <strong>ein</strong>es neuen Lebensabschnittes soll festlich inszeniert werden. Als solche ist die <strong>Konfirmation</strong> <strong>ein</strong>e gute alte Tradition, die man bewahrt wissen will.” (S. 18) Weder sakramentale noch kirchenrechtliche noch katechetische Aspekte haben für die Konfirmierten selbst Bedeutung. Im <strong>ein</strong>zelnen sehen die Ergebnisse laut EKD-Studie (1993) wie folgt aus (siehe Abbildung auf S. 8): <strong>Die</strong> <strong>Konfirmation</strong> ist also in der Perspektive der volkskirchlichen Mehrheit primär oder ausschließlich <strong>ein</strong> Familienfest, das für die Kontinuität <strong>und</strong> für die Selbstdarstellung dieser Familien <strong>ein</strong>e wesentliche, möglicherweise sogar konstitutive Bedeutung hat. Das zeigt auch <strong>ein</strong>e neuere Untersuchung zur Familienreligiosität, die U. Schwab vorgelegt hat <strong>und</strong> deren Material ich hinsichtlich der <strong>Konfirmation</strong> sek<strong>und</strong>är ausgewertet habe. Über alle Generationen hinweg wird die <strong>Konfirmation</strong> zur Periodisierung der Familiengeschichte aber auch der eigenen Biographie benutzt. Das deutet auf die zentrale Stellung der <strong>Konfirmation</strong> für die Identitätspräsentation des <strong>ein</strong>zelnen wie s<strong>ein</strong>er Familie hin. In der Erinnerung wird die <strong>Konfirmation</strong> als <strong>ein</strong> “schönes Fest” bezeichnet. <strong>Die</strong> 1907 geborene Großmutter <strong>ein</strong>er bäuerlichen Familie erzählt über ihre <strong>Konfirmation</strong> im Jahre 1921 z.B. folgendes: “Das war schön. Ach, war das <strong>ein</strong> schöner Tag, war das schön. Es ist <strong>ein</strong> recht <strong>ein</strong> schöner Gottesdienst gewesen, da haben wir Verwandte gehabt daheim, <strong>und</strong> nachmittags ist so <strong>ein</strong> allgem<strong>ein</strong>er Spaziergang gemacht worden, na ja, <strong>und</strong> dann ist der Tag so rumgewesen, ja. Aber es war <strong>ein</strong> schöner Tag.” Ihre 1933 geborene Tochter erinnert sich besonders ausführlich an die <strong>Konfirmation</strong>: “Ja, das war sehr schön; (kurze Pause) das war auch schön, da hat man doch die Konfirmandenprüfung, ich weiß nicht, ob das heute auch noch so ist, die Prüfung, gell, <strong>und</strong> dann war die <strong>Konfirmation</strong> ... <strong>und</strong> da ist immer das Lied von den Knfirmanden gesungen worden: Von des Himmels Thron, gell, <strong>und</strong> ich habe so wahnsinnig gerne gesungen, gell, <strong>und</strong> wissen's ja, in der Schule, k<strong>ein</strong>er singt gerne, <strong>und</strong> wie's am Land war, am Land früher, wie soll ich denn das sagen, da war der Lehrer <strong>ein</strong> Heiligtum, <strong>und</strong> der Pfarrer <strong>ein</strong> Heiligtum <strong>und</strong> der Bürgermeister war <strong>ein</strong> Heiligtum, <strong>und</strong> sonst hat's k<strong>ein</strong> Heiligtum gegeben; so war's eben am Land, gell? Also wir haben gesungen, ja, ja, <strong>und</strong> das war natürlich allerhand <strong>Konfirmation</strong> <strong>und</strong> wenn die Konfirmanden all<strong>ein</strong>e gesungen haben, also es war schon schön, sagen wir mal so, gell, das war <strong>ein</strong>fach <strong>ein</strong> wirklich schöner Tag, <strong>und</strong> genauso war's schon in m<strong>ein</strong>er Kindheit, da hat's nie <strong>ein</strong>en Ruhetag gegeben bei uns, <strong>und</strong> m<strong>ein</strong>e <strong>Konfirmation</strong> war der <strong>ein</strong>zige Tag, den ich überhaupt kenne, daß unsere Wirtschaft <strong>ein</strong>mal geschlossen war; drum war das dann doppelt schön, gell, so ist das ewig zugegangen.” Worüber diese