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„...und deshalb bist du ein Elch!“ - Stephan Pfluger

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Sent: Thursday, June 17, 2004 10:10 AM<br />

Lieber Arist,<br />

danke für den Brief.<br />

Ich denke auch, dass es außerordentlich wichtig ist, dass Systemiker dazu<br />

differenziert Position beziehen. Um so mehr als dass ich auch sehr oft erlebe, dass<br />

systemische Therapie mit Hellinger verwechselt wird. Das für mich wahrhaft<br />

Erschreckende daran ist aber, dass ich selbst <strong>du</strong>rchaus - nicht ambivalenzfrei, aber<br />

eben doch - zeitweise <strong>du</strong>rchaus fasziniert von Hellingers Arbeit war (insbesondere<br />

dann, als ich selbst <strong>ein</strong>e große persönliche Krise hatte) & dass ja auch aus D<strong>ein</strong>em<br />

Brief <strong>ein</strong>e solche Neigung spricht (das ist das Mutige an D<strong>ein</strong>em Brief, dass Du Dich<br />

öffentlich dazu bekennst!), obwohl ich bereits bei m<strong>ein</strong>er ersten <strong>und</strong> <strong>ein</strong>zigen<br />

Teilnahme an <strong>ein</strong>er s<strong>ein</strong>er Performances auch an Hitler & s<strong>ein</strong>e Gefolgschaft denken<br />

musste.<br />

Herzliche Grüße<br />

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Lieber Arist.<br />

, den 17.06.2004<br />

... hat mir D<strong>ein</strong>en offenen Brief an Bert Hellinger weitergeleitet, in dem Wissen, dass<br />

ich die Arbeit von Bert gut kenne <strong>und</strong> sehr schätze.<br />

Wenn ich Dich nicht von früher kennen würde, hätte ich auf D<strong>ein</strong>en Brief wohl nicht<br />

reagiert. D<strong>ein</strong> Brief hat mich berührt. In ihm ist m<strong>ein</strong>em Empfinden nach <strong>ein</strong>e Not<br />

erkennbar, <strong>und</strong> ich glaube diese Not zu kennen: Etwas, was Dir lieb <strong>und</strong> teuer war,<br />

könnte sich als fataler Irrtum, als etwas ganz Schreckliches herausgestellt haben. So<br />

werden <strong>ein</strong>ige unserer Vorfahren bei Kriegsende wohl gefühlt haben.<br />

Der Schock unserer Nation über die Greueltaten des Nazi-Regimes sitzt tief. So tief,<br />

dass es immer noch <strong>ein</strong> Tabu ist, an die Empfin<strong>du</strong>ngen, die Gedanken, Vermutungen<br />

<strong>und</strong> Erfahrungen aus dieser Zeit zu rühren. Bert rührt an unser deutsches Tabu, <strong>und</strong><br />

das ist schwer zu ertragen <strong>und</strong> wohl auch schwer <strong>ein</strong> zu ordnen. Was in den<br />

<strong>ein</strong>zelnen, persönlichen Aufstellungen inzwischen selbstverständlich geworden ist -<br />

das Aufzeigen <strong>und</strong> Auflösen systemischer Verstrickungen aller dem System<br />

zugehörigen Personen. - sch<strong>ein</strong>t für <strong>ein</strong>e nationale Verstrickung, <strong>ein</strong> nationales<br />

Verbrechen nicht möglich, ja nicht erlaubt zu s<strong>ein</strong>. Was in unserer christlichen<br />

Tradition normal, bekannt <strong>und</strong> - leider nicht immer - selbstverständlich s<strong>ein</strong> sollte, die<br />

F<strong>ein</strong>desliebe, wie im Matthäus-Evangelium in der Bergpredigt benannt, darf wohl nur<br />

auf die kl<strong>ein</strong>en, unliebsamen Personen im privaten Bereich angewandt werden, nicht<br />

auf die großen Täter.<br />

Wie aber kann dieses nationale Trauma anders geheilt werden als <strong>du</strong>rch Vergebung?<br />

Albrecht Mahr gibt <strong>ein</strong>en <strong>ein</strong>drücklichen Bericht über den Vergebungswunsch<br />

der vom Genozid betroffenen Menschen in Ruanda, <strong>und</strong> der in D<strong>ein</strong>em Brief zitierte<br />

Satz "(Das) jüdische Volk (findet) erst dann s<strong>ein</strong>en Frieden mit sich selbst, mit s<strong>ein</strong>en<br />

arabischen Nachbarn <strong>und</strong> mit der Welt, wenn auch der letzte Jude für Hitler das<br />

Totengebet gesprochen hat", hat <strong>ein</strong> Rabbiner gesagt in <strong>ein</strong>er Gruppe.<br />

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