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Das Bild des Anderen - Katholische Kirche (Schweiz)

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Die Sorge um den <strong>Anderen</strong>, d. h. die Weigerung, nur sich selbst zu betrachten,<br />

erscheint mehrfach in unserer Liturgie. Ich bete weder nur für mich selbst noch<br />

einzig für meine Gemeinschaft oder mein Volk, sondern für die ganze Welt. Die<br />

erste Benediktion <strong>des</strong> Morgengebetes („der dem Hahn die Einsicht gegeben hat ...“)<br />

ist die universalste, die man sich denken kann. Man könnte viele Beispiele anführen,<br />

wo das Gebet sich auf „alles Lebendige“, „jeden Mund“, „jede Not“ bezieht.<br />

Wenn ich das Dankesgebet nach der Mahlzeit rezitiere, vergesse ich den Hunger<br />

<strong>des</strong> <strong>Anderen</strong> nicht und bete darum, dass er gesättigt wird.<br />

Vielleicht sollten wir uns nach dem Platz <strong>des</strong> <strong>Anderen</strong> im Gebet und in der Unterweisung<br />

fragen?<br />

Die paradigmatische Gestalt unseres Vaters Abraham lehrt uns zuerst und vor<br />

allem die unbedingte Pflicht der vollen Gastfreundschaft gegenüber jedem, wer<br />

immer er auch ist. Der Anfang <strong>des</strong> Kapitels 18 der Genesis macht uns klar, dass<br />

Abraham durch den Empfang, den er vor seinem nach allen vier Himmelsrichtungen<br />

offenen Zelt den drei Wanderern aus der Wüste – sicherlich drei Beduinen! –<br />

bereitet, die Anwesenheit Gottes zum Ausdruck bringt. Als er in Beerscheva eine<br />

Tamariske pflanzt, fasst er die Erfordernisse der Gastfreundschaft zusammen: Die<br />

Gewährung von Essen, Trinken und Unterkunft, Sinnbild <strong>des</strong> Substantives Eschel<br />

(Gen 21,33).<br />

Unsere Beziehung zu Abraham schafft gewiss eine Verpflichtung für diejenigen,<br />

die sich auf den gemeinsamen Ahnherrn berufen. Sie dürfen nicht vergessen, dass<br />

der Adelstitel, den sie dadurch beanspruchen, nur durch die Verpflichtungen gerechtfertigt<br />

wird, die er verlangt, und durch die Art, wie man diese erfüllt.<br />

Der Andere kann nicht derjenige sein, den man abweist oder den man auszuschliessen<br />

versucht, sondern derjenige, den man aufzunehmen versteht.<br />

Um schliesslich meine Beziehung zum anderen noch besser zu erhellen, muss man<br />

wieder Hillel anhören: „Wenn ich nicht für mich bin, wer wird es tun? Und wenn<br />

ich nur an mich selber denke, was bin ich? Und wenn nicht jetzt, wann<br />

dann?“ (Babylonischer Talmud, Traktat Awoth 1,14). Es ist daher ein dringen<strong>des</strong><br />

Anliegen, den ebenso reichen wie mitreissenden Konzepten wie Schalom und (in<br />

der afrikanischen Welt südlich der Sahara) Ubuntu einen konkreten und operativen<br />

Sinn zu geben.<br />

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