Jugend im Nationalsozialismus. - Humboldt-gym.de

Jugend im Nationalsozialismus.
Eine familienbiografische und
regionalgeschichtliche Spurensuche
Beitrag der
Geschichtswerkstatt des Humboldt-Gymnasiums Vaterstetten
zum Geschichtswettbewerb 2006/2007
der Körber-Stiftung
„Jung und Alt in der Geschichte“

Mitglieder des Arbeitskreises:
- Henry Bliemel
- Philipp Gerlach
- Manuel Glatt
- Matthias Konrad
- Franziska Ramschütz
- Jon Schmidt
Betreuerin:
- StR Dr. Ulrike Stoll
Titelfoto:
von links Philipp Gerlach, Frau Dr. Stoll, Franziska Ramschütz, Henry Bliemel.
2

Inhaltsverzeichnis
ARBEITSBERICHT
A) Einleitung
B) Jugend im Nationalsozialismus
1. Schule im Dritten Reich
2. Jugendverbände
2.1 Hitler-Jugend
2.2 Bund Deutscher Mädel
2.3 Katholische Kirche
3. Einzelbeispiel: Pfarrer Schmid in Steinhöring
4. Jugendkultur
4.1 Sport + Spiel
4.2 Musik
4.3 Literatur
C) Schluss
D) Anhang
1. Literatur- und Quellennachweise
2. Interview-Notizen
3

Arbeitsbericht
Nachdem wir beschlossen hatten, dass wir an dem Wettbewerb der Körber-Stiftung
teilnehmen wollen, legten wir die wesentlichen Inhalte unserer Arbeit fest. Wir legten
fest, dass wir uns mit dem Leben und dem Alltag der Jugend beschäftigen würden. Die
Schüler suchten in den Ortsbibliotheken nach Sekundärliteratur und wurden fündig.
Einige Schüler begannen sich Wichtiges zu notieren, um ihren zugeteilten
Themenbereich damit zu bereichern.
Aber da wir uns näher an die
„Quellen des Ursprungs“ bringen
wollten, fuhren wir in das
Staatsarchiv München und suchten
dort nach interessanten Informationen
zu der NS-Zeit. Aber vorerst ließen
wir uns vom fachkundigen Personal
in die Arbeitsweise eines Archivs
einweisen, da einige von uns noch nie
ein solches besucht hatten. Nachdem wir mitunter auch auf äußerst unpassende, aber
dennoch interessante Themen wie die „Maßregelung der Rotzkrankheit“ stießen,
begannen wir langsam ernsthafter und zielstrebiger zu arbeiten, da wir den Abgabetermin
selbstverständlich einhalten wollten.
Die Schüler hatten viel Spaß beim „Aktenstöbern“, da diese Dokumente teils 6mal so alt
sind wie wir und auch Informationen enthalten, die man sich ergänzend notieren kann.
Beim dritten Besuch im Staatsarchiv München suchte jeder vorerst nach seinen vorher
behandelten Akten, um dann die endgültigen Markierungen für das Kopieren zu setzen.
Wir waren alle sehr erfreut, als wir hörten, dass uns die Akten kopiert werden und wir
nicht jedes Mal extra in die Stadt fahren müssten. Dann wurde von dem größeren Teil der
Gruppe über die Gliederung unser Akten gesprochen.
Philipp und ich hingegen behandelten noch einen besonders interessanten Fall, leider
unser einziges gezieltes Beispiel: Pfarrer Schmid aus Steinhöring. Wir entdeckten es
4

zufällig, beim durchstöbern der vorliegenden Akten und begannen zu lesen... Seite um
Seite suchten wir nach interessanten Informationen und tatsächlich – wir hatten ein
Beispiel gefunden, das viel farbiger ist als jegliche abstrakte Betrachtung.
Bei unterem Treffen in der Schule sprachen wir parallel zur Archivarbeit darüber, wie ein
sachgemäßes Zeitzeugengespräch zu führen ist, was uns dann bei den Gesprächen mit
Großeltern sowie Verwandten hilfreich war. Abschließend zu all unserer spannenden
Arbeit trafen wir einen Zeitzeugen namens Max Mannheimer, der auch Buchautor ist. Er
kam in die Bibliothek unseres Gymnasiums, um uns sein Leben im Nationalsozialismus
zu schildern. Als Jude aus dem Sudetenland und KZ-Überlebender von Auschwitz hatte
er über andere Themen zu berichten als über das Spezialthema, das wir uns herausgesucht
hatten, Jugend im Nationalsozialismus. Dennoch waren stets alle aufmerksam und
wissbegierig, denn es kann nicht schaden bei historischen Fragen auch
Hintergrundwissen zu erlangen. Außerdem ist Max Mannheimer ein sehr
beeindruckender Mann und es wurde klar, dass der Nationalsozialismus eine wahrhaft
mörderische Zeit war.
Alles in Allem, muss ich sagen, können wir mit unserer Arbeit zufrieden
sein, obwohl einige Kernfragen nicht beantwortet werden konnten!
__________
Jon Schmidt
5

A) Einleitung
Wir, das Wahlfach Geschichtswerkstatt des Humboldt-Gymnasiums Vaterstetten,
beschlossen im November des letzten Jahres, an dem Geschichtswettbewerb der Körber-
Stiftung teilzunehmen, nachdem wir den Film “Napola. Elite für den Führer” angeschaut
hatten. Eine Mitschülerin schlug dies vor und händigte der Lehrerin das Heft der Koerber
Stiftung “SPUREN SUCHEN” aus, das sie über das Internet bestellt hatte. Wir nahmen
uns vor, möglichst viel über die einzelnen Vorkommnisse in der NS-Zeit herauszufinden.
Uns interessierte, wie es wohl gewesen war, in der Zeit des Nationalsozialismus
Jugendlicher zu sein. Dazu suchten wir in der Schul- und Gemeindebibliothek nach
Literatur, wir recherchierten im Internet, wir befragten unsere Großeltern und wir fuhren
mehrmals ins Staatsarchiv München, in dem die Unterlagen des Landratsamts Ebersberg
aus der Zeit des Nationalsozialismus liegen. 1 Es dauerte zwar lange, bis wir im
Staatsarchiv München wichtige Informationen erlangten, aber als wir Kopien erhielten,
konnten wir unsere Ergebnisse aus all den unterschiedlichen Informationsquellen
schließlich aufschreiben!
B) Jugend im Nationalsozialismus
1. Schule im Dritten Reich
Schulen sind die Einrichtung, an denen Jugendliche neben dem Elternhaus am stärksten
geprägt werden. Die Nationalsozialisten hatten daher ein Interesse daran, die Schulen in
ihrem Sinne zu prägen.
Schultypen
Die absolute Eliteschulen waren die Napolas. Sie unterschieden sich von den Adolf-
Hitler-Schulen (AHS) vor allem darin, dass sie vom Erziehungsministerium betrieben
wurden, während die AHS von der NSDAP und der HJ geführt wurden. In den
Sonderschulen wurden die Schüler nach ihrer Aufnahmeprüfung politisch geschult, sie
mussten Mutproben und harten Drill über sich ergehen lassen, Sport war sehr wichtig,
1 Unser Dank gilt der freundlichen Unterstützung des Staatsarchivs München, insbesondere durch Herrn
Bierschneider, Herrn Dr. Grau und Herrn Dr. Braun.
6

aber der Abschluss war dem von normalen Schulen gleichwertig (vgl. Film „Napola-Elite
für den Führer“).
Später bekamen die Schüler nur noch für bestimmte HJ-Veranstaltungen schulfrei. Sie
hatten Pflichtunterricht bis 14 Uhr, hatten zwölf Tage im Jahr für Schulveranstaltungen
frei und durften keine außerschulischen Sammlungen etc. mehr machen. Im Krieg
wurden tausende von Schulen zerstört, zehntausende Lehrer wurden als Soldaten
eingesetzt und hunderttausende Schüler in Lagern gehalten. Schon 15-jährige mussten als
s.g. FLAK- (=Flugabwehrkraft)Helfer Gräben für die Soldaten schippen. Die strenge
nationalsozialistische Regierung hatte das Schulleben aller Beteiligten komplett
verändert.
Lehrpläne/ Unterrichtsstoff
Einige Dichter und Schriftsteller, wie z. B. Heinrich Heine, durften offiziell in den
Schulen gar nicht gelesen werden. Die Nazis taten sie als “undeutsch“ ab, da ihre
Ideologie nicht mit den Ideen dieser Leute übereinstimmte. Häufig wurden Aufsätze über
NS-Themen wie z.B. „Soldaten als ideales Mannesbild“ geschrieben. Im Fach
Rassenkunde wurden bei der Feststellung der „Rasse“ der Schüler oft jene beneidet, die
nach Ansicht der Lehrer „arisch“ waren, da die Nazis propagierten, solche Menschen
seien „zum Führen geboren“. Nur randweise wurden die Schüler direkt mit dem
Holocaust oder „Mein Kampf“ konfrontiert. In der Schule wurde man politisch getrimmt,
auch wenn das die Hauptaufgabe der HJ war. Häufig kamen auch Soldaten aus dem
Ersten Weltkrieg in die Klassen, um dort von ihren Kriegserlebnissen zu berichten.
Weltkriegsliteratur, in der Frontkameradschaft und Tod in Ehre für das Vaterland wichtig
war, wie z.B. „Sieben vor Verdun“, war Pflichtlektüre. Oft wurden heikle Aspekte zu
diesem Thema von den Lehrern einfach übergangen. Die Schüler wurden so geprägt, dass
sie zwar keine Nazis waren, aber williges „Kanonenfutter“, dass sie also von der Lehre
imponiert und bereit waren, für Deutschland zu sterben. HJ-Führer durften in der Schule
nicht ausgeschimpft werden, was zu Protesten der Lehrer führte. Diese wurden dann wie
üblich bestraft. In allen Fächern war die nationalsozialistische Lehre klar zu sehen, so
handelten z.B. neben den Aufsätzen auch Rechenaufgaben von den Nazis wichtigen
7

Themen, wie zum Beispiel der Zerstörungskraft von Bomben.
Äußerte sich ein jüdischer Schüler intelligent zu einem heiklen Thema, so wurde er nicht
beachtet. Aus einem der gelesenen Bücher habe ich jedoch erfahren, dass die
nationalsozialistischen Lehrer diese Einwände als schlau empfanden. Daher frage ich
mich, warum sie dann nationalsozialistischer Überzeugung waren. In den früheren Jahren
von Hitlers Regierungszeit wurden Juden zwar verachtet, aber geduldet. Sie durften
jedoch keine verantwortungsvollen Ämter übernehmen und sollten möglichst jüdische
Schulen besuchen.
2. Jugendverbände
2.1 Hitlerjugend
Die HJ wurde auf dem 2. Reichsparteitag der NSDAP vom 3./ 4. Juli 1926 als
nationalsozialistische Jugendbewegung gegründet. Nach der Machtübernahme 1933
wandelte sich die HJ zur Staatsjugend. Die freiwilligen Mitglieder wurden am 1.12.1936
durch das „Gesetz über die Hitlerjugend“ und am 25.3.1939 durch die Einführung der
„Jugenddienstpflicht“ zur Mitgliedschaft gezwungen. Die Zahl der Mitglieder stieg von
rund 100.000 im Jahr 1932 auf 8.700.000 im Jahr 1939. Es waren fast alle Jugendlichen
Mitglieder in der HJ. Die militärisch organisierte HJ wurde nach Alter und Geschlecht
aufgetrennt: 10-14jährige Jungen bildeten das deutsche Jungvolk. Die eigentliche HJ
erfasste die 14-18jährigen.
Die HJ war seit dem 1.5.1931 der Sturmabteilung unterstellt. Diese wurde aber im April
1932 verboten und so wurde die HJ der NSDAP angegliedert.
Feierlich Aufzüge, Propagandamärsche und Paraden, Fahrten, “Geländespiele“ und
Lagerleben machte die HJ für viele Jugendliche reizvoll. Für die Jugend wurden spezielle
Radiosendungen produziert, die sie sich in den Gruppen anhörten. Die HJ diente später
immer mehr dazu Soldaten zu rekrutieren.
2.2 Der Bund Deutscher Mädel
Der BDM wurde im Juni 1930 als Gliederung der HJ gegründet. Nach der
Machtübernahme der Nazis 1933 stieg die Zahl der Mitglieder konstant an. 1933 betrug
8

der Anteil der Mädchen in der HJ nur rund 25%, später- im Jahr 1939- waren dann schon
rund die Hälfte aller Mitglieder weiblich. Viele kamen wegen der attraktiven
Freizeitgestaltung zum BDM. Viele Beamte und Angestellte ließen auf Drängen des
Staates ihre Töchter zum BDM. Es wurde von vielen Jugendlichen auch als Chance
gesehen, dem Elternhaus zu entkommen.
Mit dem „Gesetz über die Hitlerjugend“ vom 1.12.1936 wurde die bis dahin freiwillige
Mitgliedschaft verpflichtend. Der BDM war untergliedert in den Jungmädelbund der 10-
13jährigen und den eigentlichen BDM der 14-17jährigen. 1938 wurde das Werk “Glaube
und Schönheit“ für die 17-21jährigen Frauen gegründet. Der BDM lief in etwa parallel
zur HJ und die Mädchen wurden nach der NS-Ideologie erzogen.
Zur wichtigen Ausbildung galt auch hier körperliche Ertüchtigung. In den verschiedenen
Leistungsabnahmen wurden auch BDM-Leistungsabzeichen vergeben.
Zu Beginn des 2.Weltkriegs änderten sich auch die Aufgaben der BDM. Sie sollten von
nun an „Kriegshelfer“ sein, also Briefe schreiben und Pakete für Soldaten packen.
2.3 Die katholische Kirche
1933 war die Einstellung der katholischen Kirche zum Nationalsozialismus nicht klar.
Aufgrund bischöflicher Äußerungen kann man aber sagen, dass die Kirche die Nazis eher
ablehnte. Mit der Machtübernahme Hitlers durch die NS-Bewegung und die Partei zum
staatstragenden Fundament konnte sich die Kirche nicht mehr gegen die Nazis
aussprechen, da nach dem Pauluswort im Römerbrief alle staatliche Gewalt von Gott
käme. Dennoch wollte die katholische Kirche nicht mit wehenden Fahnen in den Krieg
ziehen, aber sie empfand ihn doch als vaterländischen Krieg. Eines ist jedoch klar: An
vielen Orten wurde die Pfarrjugend zur Gegnerschaft der Hitler-Jugend und der Pfarrer
zum Gegner der religionskritischen nationalsozialistischen Partei.
3. Einzelbeispiel: Pfarrer Schmid in Steinhöring 2
Der Gemeindepfarrer Philipp Schmid in Steinhöring, einem kleinen Dorf im Landkreis
Ebersberg, zeigte großen Widerstand gegen das NS- Regime, das den Kirchen kritisch
9

gegenüberstand.
Er hielt in der Grundschule Religionsunterricht ab und war sehr am regelmäßigen
Kirchenbesuch seiner Schüler interessiert, was ihm große Probleme einbrachte. Denn als
er eines Tages fragte, wer denn in die Kirche gegangen sei, hoben sich keine Finger der
anwesenden Mädchen. Daraufhin erließ er als Strafe, dass diejenigen Mädchen und ein
Junge, die die Kirche nicht besucht hatten, nach dem Unterricht in der Schule bleiben
müssten, wobei er den Jungen erheblich früher gehen liess. Außerdem wurde er nach dem
Unterricht von einem Buben mit dem Hitlergruß gegrüßt und der Pfarrer schimpfte den
Knaben hierfür.
Hierauf hin wurde durch die NSDAP festgestellt, dass der Pfarrer zwischen den Mädchen
und den Buben unterschied, dass er den Hitlergruß unterbinden wollte und somit den
Nationalen Staat bekämpfe.
Die Folge hieraus war, dass Pfarrer Schmid von nun an von „oben“ kontrolliert und
überwacht wurde und die NSDAP offenbar darüber nachdachte ihn zu (v)ersetzen.
Viele Unterstellungen umgaben Pfarrer Schmid, wie die Akten zeigen. Man warf ihm
vor, politische Predigten zu halten 3 und Minderjährige zu zwingen in die Kirche zu gehen
und sie obendrein für Jugendkongregationen zu überreden.
Offensichtlich versuchte der Pfarrer auch demonstrativ, den NS-Jugendveranstaltungen
kirchliche Treffen entgegenzusetzen. Die Bevölkerung scheint dem allgemein nicht
abgeneigt gewesen zu sein, sondern war wohl eher auf der Seite des Pfarrers, denn in den
Akten des Landratsamtes Ebersberg heißt es:
„Als Pfarrer Schmid entgegen der bisherigen Übung eine Generalkommunion auf
Samstag (20. Oktober 1934) ansetzte und dadurch die Durchführung des
Staatsjugendtages unmöglich machte, wurde auf Veranlassung des Bürgermeisters dem
Rechnung getragen und alles getan um dem Pfarrer keinen Anlass zu geben, über die
Religionsfeindlichkeit des Nationalsozialismus zu klagen. Es ist also nicht so, das etwa
die Nationalisten von Steinhöring gegen die Religion eingestellt wären. Im Gegenteil, die
Bevölkerung ist tief religiös.“
Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass Pfarrer Schmid und die katholische Kirche
2 Die folgenden Ausführungen beruhen auf den Unterlagen im Staatsarchiv München, LRA 66438.
3 Staatsarchiv München , LRA 66438, Schreiben der Gendamerie-Station Steinhöring an das Bezirksamt
Ebersberg vom 27.12.1934.
10

auch im religiösen Steinhöring ihre Schwierigkeiten bekamen. So wurde ein Schaukasten
mit antichristlichen Artikeln vor der Kirche aufgehängt, der auch nach mehrmaligem
Antrag auf Abnahme durch den Pfarrer hängen blieb. Es wurden mehrere mysteriöse
Anschläge auf Pfarrer Schmids Pfarrei verübt, die möglicherweise von der NS ausgeführt
wurden. Beweise gab es hierfür allerdings nicht.
Es gab auch einen persönlichen Konflikt zwischen Pfarrer Schmid und dem Pfarrmesner
Otto Lodermeis, denn dessen Kinder hatten in der NSDAP führende Stellungen. 4 Selbst
dieser sehr spezifische, die Allgemeinheit nicht betreffender Fall wurde vom Bezirksamt
Ebersberg in Augenschein genommen. Das Bezirksamt stellte ganz klar dar, was „wahr
ist“: Der Pfarrer Schmidt habe eine feindselige Haltung gegenüber dem Pfarrmesner. Er
gehöre zu einer kleinen Minderheit, die nicht nationalsozialistisch sei. In einem
Schreiben ist außerdem zu finden, dass Pfarrer Schmid versuchte nicht nur der Partei,
sondern auch ihren Organisationen zu schaden. Denn der Pfarrer habe eine
Jugendkongregation gegründet, die den Bund Deutscher Mädchen (BDM) „zerschlagen“
solle. 5 Außerdem wird geäußert, dass Pfarrer Schmid der Staatsautorität durch seinen
nationalaufhetzenden Unterricht schade.
Was aus Pfarrer Schmid in Steinhöring wurde, wissen wir nicht. Die Unterlagen im
Staatsarchiv München gehen nur bis 1938. Nach der Auskunft eines Lokalhistorikers
wurde er allerdings etwa 1939 wegen seiner feindlichen Haltung gegenüber der örtlichen
NSDAP strafversetzt. 6 Sein Fall zeigt, wie die Kirche und die Hitler-Jugend bzw. der
Bund Deutscher Mädel miteinander um die Kinder stritten und diese in ihren Einfluss
bringen wollten. Die katholische Kirche hatte dabei aber die schwächere Position, Pfarrer
Schmid hatte zwar nicht viele offene, aber anscheindend zu viele geheime Feinde.
4. Jugendkultur
Von Anfang an interessierte uns, wie der Alltag der Jugendlichen im Nationalsozialismus
aussah. Was spielten sie? Welche Musik hörten sie? Was lasen sie? War das anders als
4 Staatsarchiv München , LRA 66438, Schreiben an das Bezirksamt Ebersberg vom 28.06.1935.
5 Staatsarchiv München , LRA 66438, Schreiben des Bezirksamts Ebersberg an das Präsidium der
Regierung von Oberbayern vom 22.10.1934.
6 Auskunft von Bernhard Schäfer am 15.2.2007.
11

ei ihren Eltern? Wir fanden nur zum Thema Sport etwas im Archiv, aber unsere
Großeltern konnten einiges erzählen. Auch im Internet fanden wir Informationen.
4.1 Sport und Spiel
Abbildung: www.dhm.de/lemo/objekte/pict/96001489/index.html
Schon von klein auf spielten Kinder mit nationalsozialistischen Spielzeugen. Z.B ist in
einem Spielzeugauto der Führer mit zum „deutschen Gruß“ erhobenem Arm zu sehen. 7
Oder das sogenannte „Braune Haus“, ein Spielzeughaus, so benannt nach dem Vorbild
der Münchner Zentrale der NSDAP. 8 Es gab auch ein Puppenhaus, in dem sich der Alltag
der Hitler-Jugend bzw. des Bundes Deutscher Mädel widerspiegelte. Dem Kind wurde
sozusagen die Ideologie der Nationalsozialisten schon beim Spielen „eingeimpft“.
Der Sport war in der NS-Zeit ebenfalls sehr wichtig. Die Jugendlichen wurden
damit für den Krieg aufgebaut. Im „Arbeitsplan für eine allseitige körperliche
Ertüchtigung der Schulentlassenen Jugend in den Vereinen“ wird das so beschrieben:
„Spiele, namentlich Mannschaftsspiele, erziehen zur Unterordnung und Entschlusskraft,
zum Gehorsam gegen die Gesetze. Sie lehren den Gegner achten und ritterlich zu
bekämpfen. Hier entsteht das Gefühl für die Verantwortung und für die Gemeinschaft,
deren Erfolg auf der Arbeit des Einzelnen beruht.“ 9
7 http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/alltagsleben/spielzeug/index.html.
8 Vgl. Abbildung
9 Staatsarchiv München, LRA 76557, Arbeitsplan für eine allseitige körperliche Ertüchtigung der
Schulentlassenen Jugend in den Vereinen, S. 5. Leider ist kein ganaues Erscheinungsjahr angegeben.
12

Das ist sehr zeittypisch, da in der NS-Zeit genau diese Elemente wichtig waren. Aber
dieser Text wurde vermutlich vor dem Krieg, also um 1930 geschrieben, weil im Krieg
bzw. kurz vor dem Krieg der einzelne unbedeutend war und hier gesagt wird, dass der
Erfolg auf der Arbeit des einzelnen beruhe. In der „Körperlichen Grundschule“ – eine Art
Lehrplan für den Sportunterricht an der Grundschule - wird folgendes gesagt, was auch
sehr zeittypisch ist:
„Alle Spieler sollen sich gleichmäßig am Spiel beteiligen. Träge und Bescheidene sind
aufzumuntern, Vordringliche auf das richtige Maß der Rücksicht zu verweisen.“ 10
In der NS-Zeit wurden viele Mannschaftsspiele, z.B. Fußball gespielt, um das Gefühl der
Gemeinschaft zu stärken. Im Sport wurde auch der Mut der Jungendlichen gefestigt und
besonders auf die Kraft der Jugend wurde geachtet. So hat man viel am Reck oder an
anderen Geräten trainiert. Schiessen war natürlich auch sehr wichtig, um die
Jugendlichen auf den Krieg vorzubereiten.
Im „Lehrplan der Lehrgänge für die Abt. Volksertüchtigung der B.G.F.L.“ kann man das
alles sehr gut sehen. 11 Es wird viel mit Medizinbällen gespielt, viel geschwommen und
Wanderungen gemacht, die zum besseren Kennenlernen der Heimat und zum
Zurechtfinden in der Natur dienen. Außerdem werden viele Vorträge zu den Themen
Wesen und Ziel der körperlichen Erziehung, Schiesslehre, Wesen und Bedeutung des
Wanderns, Grundlagen zur Muskellehre, Kartenlesen und sogar zum Führertum gehalten.
4.2 Musik
In der Zeit des NS-Regimes wurde allgemein Klassik
gehört, zum Beispiel Opern von Richard Wagner, die sich
großer Beliebtheit erfreuten, 12 aber auch Unterhaltungsmusik
und Tanzschlager erlebten ihren ersten großen
Aufschwung. 13 In den verschiedenen Musik- Rundfunkprogrammen
lief überwiegend diese Musikform.
R icha rd Wa g ner, wikipedia
10 Staatsarchiv München, LRA 76557, Körperliche Grundschule, S. 42.
11 Staatsarchiv München, LRA 76557, Lehrplan der Lehrgänge für die Abt. Volksertüchtigung der B.G.F.L.
12 Auskunft unserer Musiklehrerin Frau Lechner vom 15.11.2006
13

Zwar wurden Swing und Jazz von den Nazis als
„Niggermusik“ bezeichnet, doch das konnte die Jugendlichen der damaligen Zeit nicht
abhalten, sie trotzdem zu hören.
Da es dem NS-Regime nicht gelang den Musikgeschmack der breiten Masse zu
verändern, wurde die amerikanische Herkunft der Lieder einfach verleugnet und
stattdessen als deutsche „stark rhythmische“ Musik bezeichnet.
Doch nicht überall gab es damals Radio und somit Zugang zu dieser neuen Art von
Musik. Außerhalb der Städte in abgelegenen Dörfern wurde lediglich selber musiziert. 14
Dabei waren die Instrumente Zither und Geige sehr gängig. Wer sich ein Klavier leisten
konnte, musste schon etwas wohlhabender sein.
Innerhalb der HJ und dem Jungvolk wurde viel gesungen. 15 Es gab sogenannte HJ-
Liederbücher, die Gedichte, Sprechchöre und Lieder, zum Beispiel „Ewiges
Deutschland“, „Uns geht die Sonne nicht unter“ oder „Unsere Fahne flattert uns voran“
etc., enthielten.
4.3 Literatur
Abbildung: wikipedia, Bücherverbrennung 1933
Die Bücherverbrennung am 10.05.1933 war der Beginn der sogenannten „geistigen
13 Hier und im folgenden: www.dhm.de/lemo/html/nazi/kunst/musik/index.html vom 28.12.2006
14 Hier und im folgendem: Interview von Franziska Ramschütz mit dem Zeitzeugen Hermann Lautner am
22.01.2007
15 Hier und im folgendem: Dieter Galinski, Ulrich Herbert, Ulla Lachauer, “Nazis und Nachbarn”, Seite 63
14

Erneuerung“ der deutschen Literatur 16 . Von nun an ließ das NS-Regime nur noch Bücher
zu, die in ihr nationalsozialististisches Weltbild passten. Vor allem wurde Wert auf die
Volksgemeinschaft und das soldatische Heldentum gelegt.
Kinder und Jugendliche waren von dieser Einschränkung in sofern betroffen, dass sie
manche Jugend- oder Kinderbücher, wie von Erich Kästner oder Heinrich Heine, nicht
lesen durften, aber unpolitische Bücher, wie von Karl May oder Wilhelm Busch, waren
weiterhin erlaubt.
C) Schluss
Durch diesen Wettbewerb haben wir viel dazu gelernt. Neben den neuen Erkenntnissen
über das Leben der Jugendlichen zur Zeit des Nationalsozialismus erfuhren wir auch, wie
man im Archiv mit den alten Original-Dokumenten arbeitet. Wie unsere Lehrerin Frau
Dr. Stoll sagte, haben wir echte Detektivarbeit betrieben, so zum Beispiel im Fall des
Pfarrers Schmid, den wir untersucht haben. Leider war zu unserer speziellen Region,
dem Landkreis Ebersberg, nicht so viel zu finden, so dass wir mehr Allgemeines
schreiben mussten. Es hat uns jedoch sehr viel Spaß gemacht, die Vergangenheit zu
erforschen.
16 Hier und im folgenden: www.dhm.de/lemo/html/nazi/kunst/literatur/index.html
15

D) Anhang
1. Quellen- und Literaturverzeichnis:
1.1Verwendete Literatur:
- Broszat, Martin/ Fröhlich, Ecke/ Wiesemann, Falk, “Bayern in der NS-Zeit”, München
1977.
- Focke, Harald, “Alltag unterm Hakenkreuz - Wie die Nazis das Leben der Deutschen
veränderten”, Hamburg 1979.
- Galinski, Dieter, “Nazis und Nachbarn”, Hamburg 1982.
- Körner, Torsten, “Die Geschichte des Dritten Reiches”, Frankfurt a. M. 2000.
- Mannheimer, Max, „ Spätes Tagebuch“, Zürich 2000.
- von der Grün, Max, “Wie war das eigentlich?”, Darmstadt 1979.
1.2 Quellen
Staatsarchiv München, Bestand LRA [Akten des Landratsamtes Ebersberg]:
-LRA 66.439
-LRA 66.438
-LRA 76.557
-LRA 66.615
-LRA 66.482
-LRA 67.082
-LRA 66.483
1.3 Zeitzeugengespräche:
- Gespräch von Philipp Gerlach mit Dr. Hans Stephan Hebel am 26.12.2006
- Gespräch von Mathias Konrad mit Heribert Cramer am 13.01.2006
- Gespräch von Manuel Glanz mit Werner Glanz am 23.01.2006
- Gespräch der Geschichtswerkstatt mit dem KZ-Überlebenden Max Mannheimer am
22.2.2007
16

2. Notizen von den Zeitzeugengespräche:
1. Zeitzeugengespräch:
Name: Hermann Lautner
Jahrgang: 1936
Herkunftsort: Wölsauerhammer
Wie war die Einstellung zum Nationalzozialismus in eurer Familie?
Ich habe davon nicht viel mitbekommen. Erstens war ich damals noch ziemlich jung und
zweitens war unsere Gemeinde bis 1976 die flächenkleinste Bayerns, deshalb war unser
Dorf nicht wirklich interessant für das NS-Regime.
Auf was für eine Schule bist du gegangen?
Auf eine Volksschule, die eigentlich gar keine war, denn unser Ort hatte keine eigene
Schule und auch keine Kirche. Wir hatten in einer Fabrik Unterricht und die Schule
bestand aus nur zwei Klassen. Da wir so gut wie keine Schulutensilien hatten, haben wir
unter anderem die weißen Ränder von Zeitungen als Blätter für die Schule zum Schreiben
benutzt.
Hattet ihr ihr Rassenkunde oder so etwas ähnliches, als Unterrichtsfach?
Nein, überhaupt nichts dergleichen!
Habet der Nazionalzosialismus generell Einfluss auf den Schullalltag gehabt?
Nein, eigentlich gar nicht, aber sonntags haben die Älteren von uns Kindern, die in
der HJ waren, immer einen Aufmarsch gemacht und wir Jüngeren mussten in die
Kirche ins Nachbardorf und durften nicht zu schauen. Darüber haben wir uns jedes
Mal geärgert!
Was für Bücher habt ihr denn so gelesen?
Vor allem Wilhelm Busch, aber auch Karl May. Bei uns wurden die Bücher immer
innerhalb des Dorfes von Hand zu Hand weitergegeben und gelesen.
Was für Musik habt ihr gehört?
Wir haben gar keine Musik gehört. Wir haben selbst Musik gemacht. Die Älteren haben
es uns beigebracht. Beliebt waren Zitter und Geige. Wer Klavier spielte, musste schon
reicher sein.
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Was für prägende Ereignisse aus der Zeit fallen dir ein?
1.Im Frühjahr 1945 saßen wir am Wegesrand und haben stundenlang Flüchtlingszüge
vorbeilaufen gesehen.
2. Ein Fliegerangriff war in unsere Nähe. Es waren keine Männer anwesend, da die
sich irgendwo im Krieg befanden, deshalb haben die Großeltern und Mütter die
Führung übernommen und sind mit uns Kindern in den Wald geflohen. Leider sind
dann die Bomben nicht über dem Dorf abgeworfen worden, sondern über dem Wald,
indem wir uns versteckt hatten. Da haben wir richtig Glück gehabt, dass wir nicht
getroffen wurden.
3. Als die Alliierten dann einmarschiert sind, hat unser Dorf die weiße Fahne
rausgehängt, aber die wurde von deutschen Soldaten in der Nähe wieder
heruntergerissen. Das lustige war aber, dass als die Amerikaner mit ihren Panzern
an unserem Dorf vorbeizogen sind keiner Notiz von uns genommen hat. Erst am
dritten Tag sind dann mal ein paar Soldaten ins Dorf gekommen und haben es
„besetzt“.
War die nationalsozialistische Geschichte später ein „Tabu-Thema“ in euer Familie?
Naja, es wurde einfach nicht darüber geredet. Keiner hat danach gefaragt, aber es hat
auch keiner von sich aus darüber geredet.
Danke für dein Interview.
Gern Geschehen!
Anmerkungen: kursiv = der Interviewte
standart = der Interviewführer
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2. Zeitzeugengespräch
Thema: Schule
Die Lehrer arbeiten mit dem Rohrstock. Es herrscht sehr großer Gehorsam. In der Schule
gibt es Teils Kameraden, teils andere Lehrer, die die Lehrer und den Unterricht
überwachen.
Sonst keine näheren Erinnerungen.
Thema: Freizeit
Fast jeder ist in der HJ. Die Nazis versuchen den Jugendlichen viel Spaß zu bereiten, sie
aber dennoch mit Propaganda zu beeinflussen. Die Paraden und Veranstaltungen im
Allgemeinen werden oftmals so gelegt, dass sie sich mit denen der Kirche überschneiden
(vgl. Pfarrer Schmid). Es gibt viele Ausflüge in den Wald.Es werden zahlreiche Lieder
gelernt.
Thema: Kirche und HJ
Die Kirche ist gegen den Nationalsozialismus spricht dies aber nicht öffentlich aus oder
bäumt sich gegen die Nazis auf. Die Veranstaltungen der Kirche stehen ebenfalls unter
Bewachung der Nazis.
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3. Zeitzeugengespräch
Mit meinem Opa, Dr. Hanns-Stephan Hebel, führte ich dieses Zeitzeugengespräch am
26.12.2006. Dieser wurde 1926 im Allgäu als Sohn eines Straßenaufsehers und einer
Hausfrau geboren. Die Familienverhältnisse waren normal und die Familie stand dem
Nationalsozialismus negativ gegenüber. Er besuchte eine Oberschule im Allgäu.
.
Hinweis: Das Gespräch wurde nicht wortwörtlich, sondern sinngemäß wiedergegeben.
Frage: Was für Schultypen gab es damals?
Antwort: Nach der vierjährigen Grundschule folgte entweder die neunjährige
Volksschule oder die zwölfjährige Oberschule, wobei Jungen- und Mädchenschulen
getrennt waren. Für besonders sportliche oder den Vorstellungen der Nazis (blonde
Haare, blaue Augen, schlank, groß = “arische/nordische Rasse“ sowie Charakter- und
Willensstärke) entsprechende Jungen
sowie Söhne großer Nazis gab es noch Eliteschulen, wie z.B. Adolf-Hitler-Schulen oder
Nationalpolitische Erziehungsanstalten.
Wie lange dauerte ein Schultag?
Ein Schultag dauerte bis zum Mittag.
Wie groß waren die Klassen?
Circa 15 Schüler/-innen gehörten zu einer Klasse.
Gab es viele Hausaufgaben?
Da der Nachmittag mit HJ (=Hitlerjugend), Sport und Freizeit einigermaßen ausgefüllt
war, war es meist nicht sehr viel.
Inwiefern richtete sich die Schule nach der HJ?
Da die Schule unter der HJ stand, richtete sie sich total nach ihr. Wenn die Schule die
Vorgaben der HJ, wie z.B. ein zusätzlich zur HJ angemessenes Maß an Hausaufgaben,
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missachtete, wurde dies den Parteimitgliedern gemeldet, da die HJ eine Organisation der
NSDAP war. Der Schule drohten dann scharfe Sanktionen. Doch mit der
Terminfestlegung von häufig stattfindenden Zeltlagern o.Ä. richtete sich die HJ
wiederum nach den Schulterminen.
In welchen Fächern wurde die NS-Lehre verbreitet?
Dies war hauptsächlich in Biologie der Fall. Dort wurden häufig Messungen der
Körpermaße an Schülern vorgenommen, um ihre „Rasse“, die in der NS-Lehre sehr
wichtig war, festzustellen. Man merkte den Einfluss der HJ sehr stark, z.B. wurden viele
Vorträge zu Themen aus der Lehre der NSDAP gehalten.
Waren die Lehrer Nazis?
Sie wurden dazu gezwungen. Wenn sie sich antinationalsozialistisch äußerten, wurden sie
sofort entlassen. Die s.g. GAU-Leiter überwachten die Einhaltung der von den Nazis
aufgestellten Regeln und Gesetze in den Gemeinden, waren also eine Art rechte Hand des
Bürgermeisters und der Polizei. An unserer Schule gab es einen guten und beliebten
Rektor. Doch nachdem er einmal gesagt hatte: „Deutschland wird unter den Nazis
untergehen“, sah man ihn niemals wieder.
Wurden jüdische Mitschüler oder solche, die nicht in der HJ waren diskriminiert oder
geduldet?
Durch die HJ-Führer, die Leiter der Jugendgruppen, wurden sie häufig auf dem
Pausenhof diskriminiert, da das Prinzip „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“ galt. Die
Diskriminierung verstärkte sich im Laufe der Zeit noch.
Wie verhielten sie sich in der Schule?
Sie schlossen sich quasi selbst aus. Beispielsweise haben wir in der HJ einmal das Bauen
und Fliegen von kleinen Segelflugzeugen und das Boxen gelernt. Wer nicht in der HJ
war, konnte dann eben nicht segelfliegen und boxen und schloss sich damit selber aus der
großen Gemeinschaft der HJ-Mitglieder, zu denen auch ich gehörte, aus. Außerdem
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wurden von der HJ aus häufig Zeltlager veranstaltet, an denen die „Anderen“ natürlich
nicht teilnehmen konnten.
Gab es während des Krieges weniger Unterricht?
Nein.
Wie sah dieser dann aus?
Man wurde klar auf den Kampf vorbereitet. Das Soldatentum war damals ein und alles.
Jeder bewunderte die Soldaten und wollte so sein wie sie. Wir hatten damals Angst, der
Krieg könnte vorbei gehen und wir wären nicht dabei. Das ist heutzutage natürlich
unverständlich! Kurz vor dem Ende des Krieges wurden wir ältere Schüler dann fast ohne
jede Schulung (bis auf das, was wir in der HJ zum Umgang mit Waffen gelernt hatten)
und ohne Ernstfall-Erfahrung zur Flugabwehr eingezogen. Wir hatten keine Chance
gegen die starken und professionellen amerikanischen Kampfflugzeuge, auch da unsere
Anführer genau wie wir noch sehr unerfahren waren. Daher gab es viele Tote. Bei einem
Angriff konnte ich mich gerade noch durch einen Sprung in ein Rohr im Straßengraben
retten!
Vielen Dank für das interessante Gespräch mit dir!
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Meine Eindrücke vom Zeitzeugen Max Mannheimer
Manuel Glanz, Mittwoch den 07. Februar 2007
Als ich den Zeitzeugen Max Mannheimer das erste Mal sah, war ich wirklich sehr
erstaunt. Wie er sich die vielen Stufen bis in den vierten Stock unserer Schule hinauf
quälte, nur um Menschen aus den Generationen nach ihm zu erzählen, wie schrecklich es
damals im „Dritten Reich“ zuging. Immerhin ist er jetzt ja schon 87 Jahre alt. Auf mich
machte er trotz dem, was ihm zugestoßen war, einen sehr lebensfrohen Eindruck. Er
machte immer wieder Späße und beantwortete auch alle unsere Fragen. Ich glaube, es
machte auch ihm Spaß zu erzählen und so der Nachwelt ein wichtiges Ereignis in der
Geschichte Deutschlands zu erhalten. Es hat mich sehr beeindruckt und zudem tief
berührt als er uns erzählte, dass fünf seiner sieben Familienmitglieder in den “Kaminen”,
wie er die Gaskammern nannte, in wenigen Tagen getötet wurden und dass er trotzdem
immer noch lachen konnte. Wäre ich an seiner Stelle gewesen und hätte im fast noch
jugendlichen Alter von erst 23 Jahren bereits meine ganze Familie verloren, so wäre ich
vermutlich meines Lebens nicht mehr froh gewesen.
Durch seine Erfahrungen im „Dritten Reich“ schien mir Max Mannheimer bei weitem
“weiser” oder “allwissender”, als man es vielleicht von einem 87-jährigen erwartet hätte,
denn seine Ausstrahlung und seine beruhigende Wirkung machte seine Anwesenheit zu
etwas ganz besonderem - einem Erlebnis, das ich sicherlich zeitlebens nicht mehr
vergessen werde.
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