Nervenzelle und Tiefenpsychologie
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4. Übergang zur Psychologie<br />
4.1. Das Wiederholungsprinzip<br />
Jedenfalls haben wir einmal als eines der Gr<strong>und</strong>prinzipien des Nervensystems – <strong>und</strong><br />
da es sich hier um einen übertragbaren Begriff 8 handelt, auch der Psyche 9 - die<br />
Wiederholung:<br />
Reaktionen, denen irgendwelche ausreichenden Situationsveränderungen folgen,<br />
werden verstärkt, soferne die Situationsänderung innerhalb einer bestimmten<br />
Zeitspanne auftritt. Solche Reaktionen werden in Zukunft leichter auftreten. Diese<br />
Verstärkung ist unabhängig von der Art der Situationsänderung.<br />
Aus dieser Gesetzmäßigkeit heraus ergeben sich für eine bestimmte Reizsituation<br />
<strong>und</strong> die darauf folgende Reaktion folgende Möglichkeiten:<br />
auf die Reaktion folgt eine solche Situationsänderung, dass das Erregungsniveau<br />
ausreichend vermindert wird. Diese Reaktion wird verstärkt <strong>und</strong> wird in Zukunft<br />
leichter auftreten. Dies ist der Fall bei einfachen „sinnvollen“ Handlungen: Die<br />
Reaktion „Essen“ auf die Reizsituation „Hunger“ reduziert die Reizkonstellation<br />
„Hunger“ <strong>und</strong> wird dadurch verstärkt.<br />
auf die Reaktion folgt keine Situationsänderung oder nur eine so geringe, dass das<br />
Erregungsniveau weder wesentlich verringert wird, noch dass andere<br />
Reaktionsbahnen angesprochen werden. Diese Reaktion wird geschwächt <strong>und</strong> es<br />
wird eine andere Reaktion gesucht werden, für die dieselben Gesetze gelten. Wenn<br />
wir das Beispiel „Hunger“ ausbauen, könnte das etwa folgendermaßen aussehen: Ich<br />
habe Hunger, ich versuche daher, den Kühlschrank zu öffnen. Dieser ist zugesperrt.<br />
Es wird zuerst die Reaktion „Versuche den Kühlschrank zu öffnen“ verstärkt<br />
auftreten, aber nach einem Maximum wird diese Tendenz nachlassen <strong>und</strong> ich werde<br />
den „Versuch, den Kühlschrank zu öffnen“ aufgeben; die Reaktion ist teilweise<br />
gelöscht, eine andere wird auftreten: „Ich werde mir mein Essen woanders suchen“.<br />
auf die Reaktion folgt eine solche Situationsänderung dass zwar das<br />
Erregungsniveau nicht verringert wird, aber andere, zusätzliche Reize so stark<br />
werden, dass sie eine andere Reaktionsbahn ansprechen. Dadurch wird die erste<br />
Reaktionsbahn entlastet <strong>und</strong> die Reaktion wird verstärkt. hier wird die klassische<br />
Konditionierung (der bedingte Reflex) in Kraft treten 10 : Die Reaktion auf die neue<br />
Situation wird sich an die alte Situation bzw. an die erste Reaktion koppeln <strong>und</strong> nach<br />
8 Ein Begriff scheint übertragbar, wenn er eine solche Abstraktheit erlangt, dass die konkreten<br />
Elemente, die ein Beschreibungssystem von einem anderen unterscheiden, nicht mehr nötig sind, um<br />
ihn zu erklären. Er kann dann auf jedes System übertragen werden, das die Elemente, durch die er<br />
erklärt wird, mit dem System gemeinsam hat, in dem der Begriff gewonnen wurde.<br />
9 Damit vollziehen wir formal den Übergang von der Neurophysiologie zur Psychologie. Ich berufe<br />
mich auf mein Postulat 1 (Kap. 2.1): Alle psychischen Phänomene haben ein physiologisches Korrelat.<br />
Wenn ich dieses Postulat akzeptiere, so zeigt der hier vollzogene Übergang eine Möglichkeit, es zu<br />
verstehen. Unsere ganze Arbeit baut auf diese formalen Übergang auf, <strong>und</strong> damit auf der<br />
Naturwissenschaftlichen Definition der Psyche: Die „Psyche“ sei alles, was zwischen dem Eintreffen<br />
von physikalisch chemischen Reizen auf einen Organismus <strong>und</strong> physikalisch-chemischen Reaktionen<br />
des Organismus geschieht, eingeschlossen der Dinge, die innerhalb des Körpers quasi ohne<br />
Einwirkung von außen ablaufen; dies alles betrachtet mit dem Bezugspunkt Zentralnervensystem <strong>und</strong><br />
dessen Funktion im ganzen Bereich des Organismus.<br />
10 Der bedingte Reflex wird im Kap. 4.5. erklärt. Wir bitten um Entschuldigung für den Vorgriff.<br />
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