Nervenzelle und Tiefenpsychologie
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Frustration einer Reaktion: Eine Aktion, die durch Frustration schon in ihrer Intensität<br />
geschwächt ist, für die aber noch Erregung zur Verfügung steht, ist ebenfalls leicht zu<br />
unterbrechen.<br />
Intensives Auftreten neuer Reizstrukturen: bleibt die Reizstruktur einer Reaktion<br />
erhalten, so wird i.A. auch die Reaktion fortgesetzt, es sei denn, neue Reize sind so<br />
intensiv, dass ein von diesen angesprochener Reaktions“apparat“ allein durch<br />
spezifische Erregung so aktiviert wird, dass er auch die unspezifische Erregung<br />
durch Bahnung an sich zieht. Durch diesen Vorgang wird der ersten Reaktion die<br />
Energie entzogen, d.h. sie wird entlasten. 11<br />
Hohe Durchlässigkeit von Reaktionsapparaten: wenn während einer ablaufenden<br />
Reaktion ein anderer Reaktionsapparat angesprochen wird, der sehr gut<br />
eingeschliffen ist, so wird dieser leicht aktiviert <strong>und</strong> kann demnach ebenfalls die<br />
unspezifischen Erregungen an sich ziehen.<br />
Unser ganzer bisheriger Aufbau widerspricht in weiten Bereichen den Hypothesen<br />
der neueren Neuropsychologen (etwa BIRBAUMER 1973, EPSTEIN 1973) über<br />
Belohnungs- bzw. Bestrafungszentren oder Lust- <strong>und</strong> Unlustzentren im ZNS.<br />
Verschiedene Autoren (MARGULES & OLDS 1961, HOEBEL & TEITEL BAUM 1961;<br />
KOPA, SZABO & GRASTYAN 1961) bieten aber Ergebnisse, die das<br />
Missverständnis aufklären können: Alle Punkte des Hypothalamus, deren elektrische<br />
Reizung eine Verstärkung von Verhalten bewirkt (<strong>und</strong> häufig als Belohnungszentren<br />
betrachtet werden), lösen bei geeigneter Umgebung, d.h. bei geeigneten kognitivem<br />
Anteil der Reizstruktur, primäre Befriedigungshandlungen aus, wie etwa<br />
Fressverhalten, Trinkverhalten oder Paarungsaktivitäten, d.h. die Reizung dieser<br />
Punkte ist als Ablösung der bisherigen Reaktion durch eine andere, gut<br />
eingeschliffene, zu verstehen: als eine massive Ablenkung. Ähnlich sind die<br />
Bestrafungspunkte solche Punkte, an denen Flucht- bzw. Aggressionshandlungen<br />
ausgelöst werden können – je nach Umgebungsbedingungen. Es scheint also nicht<br />
sinnvoll, den Einfluss von „Belohnungssystemen“ oder „Bestrafungssystemen“ auf<br />
Reaktionsbahnen zu untersuchen. Ich verweise hier noch einmal auf die Theorie von<br />
GLICKMANN & SCHIFF (1971), die erklärt, „dass Verstärkung sich entwickelt als<br />
Mechanismus, um artspezifische Reaktionen auf entsprechende Stimuli abzusichern“<br />
(p. 81). Nach dieser Theorie ist jede Verstärkung identisch mit dem Auslösen einer<br />
neuen, primär artspezifischen Reaktion. Wir erweitern nun diese Vorstellung <strong>und</strong><br />
sagen, jede Auslösung neuen Verhaltens ist eine Verstärkung, <strong>und</strong> für die letzte<br />
Handlung (die nach GLICKMANN & SCHIFF ein artspezifisches Primärverhalten sein<br />
muss) gilt, dass sie ihre Verstärkung erhält durch die direkte Befriedigung des<br />
Organismus, d.h. durch Reduktion der Reizintensitäten (die Analogie zu<br />
GLICKMANN & SCHIFF ist offensichtlich).<br />
4.3. Autismus <strong>und</strong> Selbstdestruktion<br />
Das Prinzip der Wiederholung ist sicher nicht – bei weitem nicht! – ausreichend, um<br />
eine Psychologie zu f<strong>und</strong>ieren, allein es scheint Phänomene zu geben, in denen es<br />
sich so deutlich realisiert, <strong>und</strong> so ausschließlich wirksam ist, dass der Versuch, diese<br />
Phänomene anhand des Wiederholungsprinzips zu erklären, zu brauchbaren<br />
11 „Ich komme nun das letzte Mal, um dir zu helfen. Es gibt drei Arten der Verzauberung, den<br />
blendenden Glanz, das Wünschewecken auf dem Traummarkt, <strong>und</strong> das mit leeren Worten Angst<br />
machen.“ (SCHÄFER & CUZ 1968, p.22)<br />
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