Gesundheitszustand von wohnungslosen Menschen ... - neunerHAUS
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<strong>Gesundheitszustand</strong> <strong>von</strong> <strong>wohnungslosen</strong> <strong>Menschen</strong><br />
und deren Zugang(sbarrieren) zum Gesundheitssystem<br />
…durch Folgen<br />
unbehandelter<br />
Erkrankung und<br />
fehlende Pra¨vention<br />
bei Jugendlichen<br />
suizidbedingt<br />
gesellschaftliche Folgen:<br />
geringfu¨giges<br />
Infektionsrisiko, aber<br />
keine echte Bedrohung<br />
Antibiotikaresistenz<br />
volkswirtschaftliche<br />
Folgekosten<br />
Krankheit durch<br />
Wohnungslosigkeit oder<br />
Armut?<br />
fu¨r Wohnungslosenhilfe<br />
unrelevant, da<br />
Hilfebedarf gegeben<br />
unabha¨ngig <strong>von</strong><br />
Ursache<br />
Die genauen Ursachen-Wirkungszusammenhänge für die frühzeitige Sterblichkeit<br />
sind nicht im Detail erforscht, die Gründe sind aber in einer Kombination<br />
aus schwerwiegenden Folgen inadäquat behandelter physischer<br />
oder psychischer Erkrankungen (z.B. Folgen <strong>von</strong> Alkoholsucht), fehlendem<br />
Krankheitsbewusstsein und inadäquater Krankheitsprävention zu suchen.<br />
Dazu gehört etwa auch die mangelnde Berücksichtigung psychosoziale Risikofaktoren<br />
wie Missbrauchs- oder Gewalterfahrung bei der Ausgestaltung<br />
<strong>von</strong> Hilfsangeboten. Bei Jugendlichen ist die frühzeitige Mortalität primär<br />
suizid-bedingt.<br />
Manche der dargestellten Erkrankungen können neben individuellen Folgen<br />
auch unerwünschte gesundheitliche Auswirkungen auf gesamtgesellschaftlicher<br />
Ebene haben. Dazu gehören Infektionskrankheiten, die mit einem<br />
hohen Ansteckungsrisiko (z.B. Kontakt- oder Tröpfcheninfektion) verbunden<br />
sind. Allerdings kommen Infektionskrankheiten, die in diese Kategorie<br />
fallen, im Vergleich zu den sonstigen Erkrankungen, <strong>von</strong> denen wohnungslose<br />
Personen gehäuft betroffen sind, absolut betrachtet selten vor, sodass<br />
die gesundheitliche Gefährdung am ehesten andere wohnungslose<br />
<strong>Menschen</strong>, das Personal im Gesundheitswesen oder aus der Wohnungslosenhilfe<br />
betrifft, das mit den <strong>wohnungslosen</strong> <strong>Menschen</strong> direkt und häufig in<br />
Kontakt ist, und keineswegs bevölkerungsweite Epidemien zu befürchten<br />
sind. Hier ist angesichts der quantitativen Größendimension des Problems<br />
eher davor zu warnen, dass wohnungslose Personen zu unrecht als „gefährdend<br />
für die Volksgesundheit“ stigmatisiert werden und mit diesem Argument<br />
umstrittene Überwachungsverfahren legitimiert werden (z.B. verpflichtende<br />
Impfungen).<br />
Ein anderes Beispiel für gesellschaftliche Folgen ist die unsachgemäße Antibiotikatherapie,<br />
die zu Antibiotikaresistenzen führt (siehe 4.1). Jedoch gilt<br />
auch in diesem Fall, dass unsachgemäße Antibiotikabehandlung bei <strong>wohnungslosen</strong><br />
Personen allein wegen der geringen Zahl der Betroffenen sicher<br />
nicht die Hauptursache für epidemische Resistenzbildungen ist. Problematisch<br />
ist eine solche Antibiotikaresistenz bei <strong>wohnungslosen</strong> <strong>Menschen</strong> primär<br />
für die Betroffenen selbst, da Infektionskrankheiten dann noch schwerer<br />
behandelbar sind.<br />
Nicht zuletzt sind einige der dargestellten Folgen auch mit erheblichen Kosten<br />
(z.B. durch stationäre Aufenthalte bei Infektionskrankheiten, intensivmedizinische<br />
Versorgung <strong>von</strong> Frühgeburten, Behandlung der Diabetes-<br />
Spätfolgen) verbunden.<br />
Toro et al. [105] kritisieren zurecht, dass die dargestellten Krankheitsdimensionen<br />
nicht unbedingt dem Faktor „Wohnungslosigkeit“ per se geschuldet<br />
sein müssen, sondern schlichtweg mit Armut generell zu tun haben.<br />
Die Wahl der Vergleichsgruppen in den Studien beeinflusst die Unterschiede<br />
im <strong>Gesundheitszustand</strong> beträchtlich und eine Vergleichsgruppe aus<br />
der Allgemeinbevölkerung, die außer dem Alter keine soziodemographischen<br />
und sozio-ökonomischen Faktoren berücksichtigt, überschätzt<br />
jene krankmachenden Aspekte, die ausschließlich der Wohnungslosigkeit<br />
zuzuschreiben sind.<br />
Aus der Sicht der Wohnungslosenhilfe scheint dieses Problem aber sekundär,<br />
da allein das Wissen, dass wohnungslose <strong>Menschen</strong>, egal ob wegen<br />
gleichzeitiger Armut oder aufgrund <strong>von</strong> Wohnungslosigkeit per se einen<br />
deutlich schlechteren <strong>Gesundheitszustand</strong> haben, als Nicht-Wohnungslose,<br />
den Bedarf für ein spezifisches medizinisches Angebot für diese Gruppe<br />
aufzeigt. Außerdem haben einzelne Studien mit sozio-ökonomisch relevan-<br />
62 LBI-HTA | 2012