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WISSENSCHAFTLICHE NACHWUCHSFÖRDERUNG

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Masterlehrgang<br />

Internationale Genderforschung<br />

& Feministische Politik<br />

Rosa-Mayreder-College Wien<br />

Jänner 2007 – Dezember 2008<br />

<strong>WISSENSCHAFTLICHE</strong> <strong>NACHWUCHSFÖRDERUNG</strong><br />

STRUKTURVERÄNDERNDE POTENZIALE VON MENTORING AN DER UNIVERSITÄT<br />

Erstbegutachtung: Dr. in Claudia Neusüss<br />

Zweitbegutachtung: Dr. in Ursula Kubes-Hofmann<br />

Marietta Bauernberger


Ich widme diese Arbeit<br />

meiner Mutter, die mich zu diesem Studium ermutigt und unterstützt hat und selbst nur die Möglichkeit<br />

hatte, am Leben zu lernen<br />

meinem Vater, der die Worte verloren hat und trotzdem noch lächelt<br />

meinem Sohn, in der Hoffnung, dass er seinen zukünftigen Lebensmenschen ein gleichberechtigter<br />

Partner ist<br />

meinem Lebensgefährten, der mich genug provoziert<br />

meiner Chefin, Dr. Daniela Werndl, die mir Zeit gegeben hat<br />

2


Vorwort<br />

Als Akteurin der Gleichstellungsarbeit und Frauenförderung an der Universität wird<br />

man unweigerlich mit einem frustrierenden Tatbestand konfrontiert. Dem beinahe<br />

statischen, seit Jahrzehnten kaum veränderlichen Anteil an weiblichen<br />

Wissenschafterinnen in Führungspositionen in den oberen Hierarchieebenen der<br />

Universität.<br />

Da gibt es mittlerweile gesetzliche Maßnahmen und Mittel, immer wieder neue Ideen<br />

und Anreizsysteme zur Erhöhung des weiblichen wissenschaftlichen Anteils bzw. die<br />

Erhöhung der Leitungsfunktionen im Verwaltungsbereich, ein mission statement der<br />

Universität zur Gleichbehandlung und Geschlechtergerechtigkeit in der Satzung und<br />

doch wird man das Gefühl nicht los, als Akteurin dieser institutionalisierten<br />

Einrichtungen zur Gleichstellungsarbeit, auf der Stelle zu treten. Dabei ist die<br />

Entwicklung der Zahlen der weiblichen Studierenden und Absolventinnen mittlerweile<br />

durchaus erfreulich und auch auf der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnenebene<br />

findet ein Aufholprozess statt.<br />

Die auf den ersten Blick unsichtbaren Hürden sind dennoch vorhanden, ein zweiter<br />

Blick daher unbedingt notwendig. Befristete Verträge für die wissenschaftlichen<br />

MitarbeiterInnen, entziehen sie wieder der Universität und die gläserne Decke auf der<br />

oberen hierarchischen Ebene ist stabil wie eh und je. Zudem sind die Universitäten<br />

durch ihre Autonomie in eine neue Wettbewerbssituation getreten, die auch intern<br />

Wettbewerb, Konkurrenz und Verteilungskampf um finanzielle Mittel steigen lassen.<br />

Keine Voraussetzungen, die die Steigerung des weiblichen wissenschaftlichen<br />

Anteils bzw. Frauenförderung auf die Agenda der Universitätsleitung nach oben<br />

befördert. Trotzdem, es hilft nicht, den Status quo zu bedauern.<br />

Strukturveränderungen einhergehend mit einer notwendigen Kulturveränderung sind<br />

langfristige Ziele. Die Potenziale und Ansatzpunkte dafür zu finden, ein wichtiger<br />

Aspekt in der Gleichstellungs- und Frauenförderungsarbeit.<br />

Frauenförderungsmaßnahmen zur Erhöhung der Chancengleichheit sind notwendige<br />

Errungenschaften, die durch MultiplikatorInnen ihre Wirkung tun werden. Der<br />

Entwicklung effizienter Maßnahmen, die mit Unterstützung der Universitätsleitung<br />

langfristig konzipiert werden können, gilt es, das Hauptaugenmerk als AkteurIn der<br />

Gleichstellungsarbeit zu legen.<br />

3


Inhalt<br />

Vorwort 3<br />

Inhaltsverzeichnis 4<br />

Abstract 7<br />

1. Einleitung 8<br />

1.2 Thema und zentrale Fragestellungen 8<br />

1.3 Methodischer Hintergrund 11<br />

1.4 Aufbau der Arbeit 12<br />

2. Organisationen – Strukturen und Dynamiken 13<br />

2.1 Organisationskultur 14<br />

2.2 Organisation und Geschlecht 15<br />

2.3 Die Universität als besondere Organisation 19<br />

2.4 Die Universität als ExpertInnenorganisation 19<br />

2.5 Chancengleichheit als Querschnittsaufgabe einer Organisation 21<br />

3. Männlichkeit als System –<br />

Die Universität als hegemonial männliches System 24<br />

3.1 Wissenschaftskultur 30<br />

3.2 Wissenschaft als soziales Feld 32<br />

3.3 Die Vereinbarkeitsproblematik 37<br />

3.4 Die Öffnung der Universität für Frauen – ein Überblick 40<br />

3.4.1 Wichtige Reformschritte auf dem Weg zur Gleichbehandlung 42<br />

3.4.2 Das Prinzip Gender Mainstreaming 46<br />

3.4.3 Diversity – Das Prinzip der Vielfalt 48<br />

4. Gleichstellungsarbeit und Geschlechterverhältnis an der Universität 50<br />

4.1 Gesetzlichen Gleichstellung und reale Situation an der Universität 50<br />

4.2 Das Geschlechterverhältnis an der Universität Salzburg 54<br />

4.3 Die Entwicklung des Geschlechterverhältnisses an der Universität Salzburg 55<br />

4.1.1 Gleichstellungsarbeit, Frauenförderung und<br />

Geschlechtergerechtigkeit 63<br />

4


4.1.2 Gender Mainstreaming 64<br />

4.1.3 Frauenförderung 66<br />

5. Gleichstellungsarbeit – Gleichheit, Differenz, Dekonstruktion? 71<br />

5.1 Die Dilemmata in der Gleichstellungsarbeit 73<br />

5.1.1 Das Differenzdilemma 73<br />

5.1.2 Das Gleichheitsdilemma 74<br />

5.1.3 Das Dekonstruktionsdilemma 75<br />

5.1.4 Gleichheit oder Differenz? 76<br />

6. Wissenschaftliche Nachwuchsförderung durch Mentoring 80<br />

6.1 Mentoring – ein widersprüchliches Konzept 80<br />

6.1.1 Begrifflichkeit von Mentoring 80<br />

6.1.2 Formen von Mentoring 81<br />

6.2 Mentoring-Projekte –<br />

mu:v der Universität Wien<br />

Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung 90<br />

6.2.1 Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung –<br />

Mentoring an der Universität Salzburg 91<br />

6.2.2 Mentoring-Projekt mu:v der Universität Wien 94<br />

6.3 Struktur- und Kulturveränderung durch Mentoring an den Universitäten 96<br />

6.3.1 Mögliche Potenziale zur Strukturveränderung an den<br />

Universitäten 102<br />

6.3.1.1 Das Potenzial der Implementation 102<br />

6.3.1.2 Das Potenzial der Finanzierung 104<br />

6.3.1.3 Das Potenzial der Vernetzung 105<br />

6.3.1.4 Das Potenzial der MultiplikatorInnen 107<br />

6.3.1.5 Das Potenzial durch Integration abseits Frauenförderungsund<br />

Gleichstellungseinrichtungen 108<br />

6.3.1.6 Das Potenzial der AkteurInnen 108<br />

6.3.1.7 Das Potenzial der Reflexion 109<br />

6.3.1.8 Das Potenzial der Verantwortung 110<br />

6.3.1.9 Das Potenzial der Anerkennung 111<br />

6.3.1.10 Das Potenzial der Sensibilisierung 111<br />

5


7. Methodik 113<br />

7.1 Qualitative Forschung 113<br />

7.1.2 Qualitative Interviews 115<br />

7.1.3 Das narrative Interview 115<br />

7.1.4 Das Leitfaden-Interview 116<br />

7.1.5 Das Leitfaden-Interview mit narrativem Charakter 116<br />

7.1.6 Interpretation der Interviews 117<br />

8. Resümée 118<br />

9. Literaturverzeichnis 124<br />

Anhang 131<br />

Interviewleitfaden 132<br />

Interviews 134<br />

Abbildungsverzeichnis 151<br />

6


Abstract<br />

Die vorliegende Arbeit untersucht Veränderungspotenziale des Förderkonzeptes<br />

Mentoring in Hinblick auf strukturelle Veränderung der Organisation Universität.<br />

Diese ist trotz Gleichstellungsarbeit geprägt durch konstante<br />

Ausschlussmechanismen von weiblichen Wissenschafts- und Führungspersonal auf<br />

den oberen hierarchischen Ebenen.<br />

Mentoring ist ein Instrument der wissenschaftlichen Nachwuchs- und<br />

Frauenförderung, das in den letzten Jahren an den österreichischen Universitäten<br />

populär geworden ist.<br />

Geschlechtshierarchisch geprägte Strukturen müssen überwunden werden. Ebenso<br />

bedarf es aber auch der Änderung der geschlechtshierarchisch geprägten<br />

Organisationskultur, um langfristige Veränderungen in Richtung<br />

Geschlechtergerechtigkeit erreichen zu können.<br />

Die vorliegende Arbeit macht deutlich, dass Mentoring, um strukturell wirksam zu<br />

werden, immer nur ein Teil eines komplexen Förderkonzeptes sein kann. Generell<br />

müssen Förderkonzepte auf verschiedenen hierarchischen Ebenen als auch bei<br />

unterschiedlichen Zielgruppen ansetzen. Bei der Konzeption von<br />

Förderungsmaßnahmen sollte in Zukunft neben der Geschlechterperspektive auch<br />

die Vielfalt von sozialen, biographischen und kulturellen Hintergründen der möglichen<br />

Zielgruppen mitgedacht werden, um für Ausschlussmechanismen in ihrer Komplexität<br />

und Verschränkung sensibilisiert zu sein und Ansatzpunkte zu ihrer Überwindung zu<br />

finden.<br />

Um möglichst nachhaltige Effekte zu erzielen, ist es daher notwendig, dass<br />

Fördermaßnahmen in ein umfassendes Gesamtförderkonzept eingebettet werden<br />

und dieses Konzept nach Zielen und Zielgruppen „maßgeschneidert“ ist.<br />

Transparenz, Sensibilisierung und Sichtbarmachen der informellen Abläufe und<br />

Handlungsmuster im Zusammenspiel mit formellen strukturellen und rechtlichen<br />

Voraussetzungen ist Grundlage für die Entfaltung der Potenziale.<br />

Erst so werden die Veränderungspotenziale in Richtung geschlechtergerechte und<br />

sozial gerechte Universität adäquat aktiviert werden.<br />

7


1. Einleitung<br />

1.2. Thema und zentrale Fragestellungen<br />

Die österreichischen Universitäten befinden sich seit Entlassung in die Autonomie in<br />

einer Phase der Reform und Transformation, des Umbaus und der strukturellen<br />

Renovierung der Organisation.<br />

Auf dem Weg in die Selbstbestimmung gibt es zahlreiche Veränderungen und<br />

Neuheiten in Struktur und Organisation. Diese zu bewältigen ist für alle Beschäftigten<br />

der Universitäten eine ständige Herausforderung. Gleichzeitig muss die Universität<br />

nach außen hin konkurrenzfähig sein. Noch nie gab es so viele Angebote an<br />

Universitäten und Fachhochschulen.<br />

Selbstbestimmung und Selbstverantwortung mit Ziel der Wettbewerbsfähigkeit und<br />

des Bestehen Könnens, im Spannungsfeld der Bildung und Ausbildung und neuer<br />

Konkurrenz auf dem (Hochschul-)Markt muss erst gelernt und bewiesen werden.<br />

Eine Tatsache scheint sich allerdings nicht oder nur wenig zu verändern. Die Zahl<br />

weiblicher Wissenschafterinnen an den oberen Hierarchieebenen verändert sich<br />

kaum. Darüber können auch einzelne Spitzenleistungen von Forscherinnen nicht<br />

hinwegtäuschen. Und das, trotz der ständigen Präsenz von Begriffen wie<br />

Gleichstellung, Frauenförderung und Gender Mainstreaming als feste Bestandteile<br />

des Diskurses um die „neue“ Universität.<br />

Ist Universität als Organisation ein „männliches System“, dass sich ständig<br />

reproduziert?<br />

Können institutionalisierte Einrichtungen zur Gleichstellung und Frauenförderung an<br />

den Universitäten, Maßnahmen und Programme zur Erhöhung der<br />

Chancengleichheit zur Steigerung des weiblichen wissenschaftlichen Anteils<br />

beitragen? Wird der Umbau der österreichischen Universitätenlandschaft im Kontext<br />

einer europäischen Angleichung des Bildungssystems der letzten Jahre (bzw.<br />

Jahrzehnts), dieses Geschlechter(miss-)verhältnis zugunsten der Karriere von<br />

Nachwuchswissenschafterinnen verändern?<br />

8


Oder: Sind die Maßnahmen der Frauenförderungen und Diskussionen um<br />

Geschlechtergerechtigkeit an der Universität als reine „rhetorische Präsenz, faktische<br />

Marginalität“ zu bezeichnen, wie Angelika Wetterer 1 dies aufzeigt?<br />

In diesem Spannungsfeld befinden sich die Einrichtungen für die<br />

Gleichstellungsarbeit und Frauenförderung mit dem Ziel „sinnvolle“, nachhaltige,<br />

langzeitige Maßnahmen zu entwickeln, deren Erfolge verändernd auf die Hierarchie<br />

der Organisation wirken und an deren Ende eine (geschlechter-)gerechte Universität<br />

steht.<br />

Die Gefahr, Projekte und Programme zu initiieren, die als „Herzeigeprojekte“ mit<br />

einer gewissen Außenwirkung enden, besteht und liegt daher viel am Engagement<br />

und den Absichten der AkteurInnen, wie Initiativen zur Gleichstellungsarbeit wirken<br />

und wahrgenommen werden.<br />

Mentoringprojekte gibt es mittlerweile viele. Mentoring ist in den letzten Jahren<br />

„modern“ geworden. Klassische one-to-one Mentoringbeziehungen bergen auf<br />

persönlicher Ebene Chancen für die Unterstützung der Karriere. Aber: Was ändert<br />

sich für die Organisation?<br />

Hat Mentoring als Instrument der Frauenförderung das Potenzial und die<br />

Möglichkeiten organisational verändernd zu wirken im Sinn einer strukturellen<br />

Veränderung und wenn ja, welche nützlichen Rahmenbedingungen, Erfolgsfaktoren<br />

oder Hindernisse bedingen diese strukturellen Änderungen?<br />

Die Universität ist in ihren formellen und informellen Strukturen geprägt vom<br />

jahrhundertlangen Ausschluss von Frauen aus dem Wissenschaftssystem. Auch<br />

wenn die Zahlen der weiblichen Studierenden kontinuierlich ansteigen und<br />

mittlerweile an den österreichischen Universitäten mehr als die Hälfte ausmachen,<br />

sind auf den oberen hierarchischen Ebene Frauen dünn gesät. Die gläserne Decke<br />

ist in der Organisation Universität besonders beständig. Der in mehreren Phasen<br />

praktizierte Ausschluss von Frauen aus dem institutionalisierten<br />

Wissenschaftsbetrieb, prägt die Strukturen und codiert sie männlich, bildet eine<br />

1<br />

Wetterer, Angelika (2000): Noch einmal. Rhetorische Präsenz – faktische Marginalität. Die<br />

kontrafaktischen Wirkungen der bisherigen Frauenförderung im Hochschulbereich. In: Krais, Beate (Hg.):<br />

Wissenschaftskultur und Geschlechterordnung. Über die verborgenen Mechanismen männlicher Dominanz in der<br />

akademischen Welt. Frankfurt/M. – New York, 195-221.<br />

9


männerbündische Arbeitskultur 2 und bestimmt das Wissenschaftsfeld als<br />

androzentristische Enklave.<br />

1994 fragt sich Friederike Hassauer 3 ob sich etwas „geändert hat, in den wenigen<br />

Jahren, seit die Institution sich auf ihre (die Frau als Wissenschafterin, Anm. der<br />

Autorin) zwar singuläre, aber konstante Anwesenheit einrichtet?“ Sie gibt sich selbst<br />

ein eindeutiges Nein als Antwort und stellt fest: „Wissenschaft als Beruf ist<br />

Männerdomäne geblieben. Wissenschaft als Beruf stattet den homo academicus aus<br />

mit Habitus, mit Bildungskapital, mit universitärem Machtkapital, mit symbolischem<br />

Kapital – alles gebunden an die im Feld wirksame Eigenschaft, an das stärkste<br />

Machtpotential: männliches Geschlecht. Was hat sich geändert? Nur Besteckfragen.<br />

Konversationelle Usancen. Sprachregelungen“ (Hassauer 1994, 32).<br />

Noch 2002 schreibt Hassauer: „Sie (die Homo Academica, Anm. d. Verf.) ist noch<br />

immer „eine Absenz!“ Denn Weiblichkeit sei in der symbolischen Ordnung der<br />

Wissenschaft nicht symmetrisch zu Männlichkeit repräsentierbar; Autorität lasse sich<br />

nicht symmetrisch auf Weiblichkeit zuschieben“ (Hassauer 2002, 52).<br />

Das Spannungsfeld zwischen männlichen Strukturen und Kulturen auf formeller vor<br />

allem aber auf informeller Ebene im Wissenschaftsbetrieb einerseits und eine<br />

steigende Anzahl qualifizierter Frauen ist das Feld für Gleichbehandlung und<br />

Fördermaßnahmen, das es zu bearbeiten gilt.<br />

Das Instrument Mentoring gilt als traditionelles Frauenförderungsinstrument und<br />

stößt auf widersprüchliche Debatten und ambivalente Ansichten.<br />

Stabilisiert und reproduziert Mentoring als Maßnahme zur Frauenförderung das<br />

„männliche System“ oder wirkt es strukturverändernd?<br />

2<br />

Vgl. Kreisky, Eva (1994)<br />

3<br />

Friederike Hassauer, geb. 1951 in Würzburg, ist Essayistin und Universitätsprofessorin für Romanistik in<br />

Wien. Hassauer, Friederike (1994): Homo.Academica. Geschlechterkontrakte, Institution und die Verteilung des<br />

Wissens. Wien.<br />

10


1.3 Methodischer Hintergrund<br />

Mentoring geht ursprünglich auf eine klassische one-to-one-Förderbeziehung zurück<br />

und ist ein traditionelles Förderinstrument zur Einführung einer (ursprünglich<br />

männlichen) Person in die Gesellschaft. Ähnlich einer Vater-Sohn-Beziehung nimmt<br />

ein Mentor seinen Schützling unter seine Fittiche.<br />

Im englischsprachigen Raum ist Mentoring seit Jahrzehnten ein fixer Bestandteil<br />

eines Karriereverlaufes. In den letzten Jahren kommt auch im deutschsprachigen<br />

Raum das Förder-Konzept in den verschiedensten Formen und Bereichen zur<br />

Anwendung, ist ein „modernes“ Instrument der Nachwuchs- und Frauenförderung<br />

geworden.<br />

Die vorliegende Arbeit basiert auf Literaturrecherche zur aktuellen Literatur zum<br />

Thema Mentoring und damit verbundenen Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten,<br />

die zum Konzept Mentoring debattiert werden. Die Beschäftigung mit Organisationen,<br />

ihren Strukturen und Dynamiken und die Auseinandersetzung mit der „besonderen“<br />

Organisation Universität, der Wissenschaftskultur sowie ein Überblick über die<br />

Entwicklung der Gleichstellungsarbeit und Frauenförderung an der Universität folgen.<br />

Nach der theoretischen Auseinandersetzung stelle ich zwei aktuelle<br />

Mentoringprojekte vor. Das Mentoring-Programm m:uv der Universität Wien unter der<br />

Leitung des Referats für Frauenförderung und Gleichstellung, das mittlerweile den<br />

vierten Durchgang absolviert und das Mentoring-Programm Chancengleichheit in der<br />

Nachwuchsförderung, konzipiert im Rahmen des Kooperationsprojekt karriere_links<br />

des gendup-Zentrum für Gender Studies und Frauenförderung der Universität<br />

Salzburg und der Stabsabteilung für Gleichstellungspolitik der Johannes-Kepler-<br />

Universität Linz. Die beiden Programme sind von ihren Ansätzen her verschieden.<br />

Während das Wiener Programm mit Gruppenmentoring (peer-group-Ansatz) gute<br />

Erfahrung gemacht hat, geht das Salzburg-Linzer Projekt universitätsübergreifend<br />

vom klassischen one-to-one Mentoring, im Sinne einer Elitenförderung, aus. Mit den<br />

beiden Leiterinnen bzw. Projektkoordinatorinnen der Programme habe ich ein<br />

leitfadengestütztes Interview geführt, um aus ihren Absichten bei der Konzipierung<br />

der Programme sowie ihren Einschätzungen und Erfahrungen, Potenziale der<br />

Strukturveränderung fest zu machen und zur Illustration einzufügen.<br />

11


1.4. Aufbau der Arbeit<br />

Nach dem ersten Teil der Einleitung beschäftigt sich das zweite Kapitel meiner Arbeit<br />

mit Organisationen und deren Strukturen und Dynamiken. Organisationen<br />

funktionieren nicht nur nach sichtbaren ausgehandelten und vereinbarten<br />

Regelsystemen, sondern passiert ein Großteil von Handlungen auf den informellen<br />

Ebenen. Struktur und Kultur sind ein wesentlicher Bestandteil von Organisationen<br />

und ausschlaggebend für den jeweiligen Erfolg einer Organisation.<br />

Im dritten Kapitel beschäftige ich mich mit der Universität als „männliches System“<br />

mit der ihr eigenen Wissenschaftskultur basierend auf den jahrhundertlangen<br />

Ausschluss von Frauen aus der institutionellen Wissenschaft und den<br />

Nachwirkungen bis heute.<br />

Kapitel vier und fünf beschäftigen sich mit der Gleichstellungsarbeit der letzten<br />

Jahrzehnte an den Universitäten und veranschaulichen das Geschlechterverhältnis<br />

und seine Entwicklung an den Universitäten am Beispiel der Universität Salzburg.<br />

Die Beschäftigung mit Gleichstellungsarbeit beinhaltet auch immer wieder die<br />

Auseinandersetzung mit den verschiedenen Strömungen und Ansätzen um die<br />

Themen Gleichheit, Differenz und Dekonstruktion.<br />

Kapitel sechs beschäftigt sich schließlich mit dem Instrument Mentoring und seinen<br />

Potenzialen zur Nachwuchsförderung bzw. strukturellen und kulturellen<br />

Veränderungspotenzialen an den Universitäten. Um Potenziale festmachen bzw.<br />

erkennen zu können, habe ich zwei in der Programmatik unterschiedliche<br />

Mentoringprojekte vorgestellt und mit den beiden Projektleiterinnen bzw.<br />

-koordinatorinnen Interviews geführt.<br />

Abschließend versuche ich, die Fragestellungen mit den Ergebnissen der<br />

Recherchearbeiten und den Erfahrungen und Einstellungen der<br />

Interviewpartnerinnen zu verknüpfen und daraus mögliche Potenziale der<br />

Strukturveränderung erkennen bzw. entwickeln zu können.<br />

12


2. Organisationen – Strukturen und Dynamiken<br />

Michael Wolf (1994) definiert Organisation als „eine Ordnung von arbeitsteilig und<br />

zielgerichtet miteinander arbeitenden Personen und Gruppen“, die „alle Institutionen,<br />

Gruppen und sozialen Gebilde, die bewusst auf ein Ziel hinarbeiten, dabei geplant<br />

arbeitsteilig gegliedert sind und ihre Aktivität auf Dauer eingerichtet haben“, umfasst<br />

(Wolf 1994, 132).<br />

Die bei dieser Definition implizierte Rationalität des Handelns aller Beteiligten und die<br />

Konzentration auf ein gemeinsames höheres Ziel, werden in der Realität so nicht<br />

stattfinden. Vielmehr spiegelt sich in den Organisationen der Aushandlungsprozess<br />

der beteiligten AkteurInnen um unterschiedlich gelagerte Interessen wider. Klaus<br />

Türk (1993) bezeichnet daher Organisation auch als „historisch-gesellschaftlich<br />

spezifische Form von Herrschaft“ (Türk 1993, 223).<br />

Neuberger (1997) sieht in Organisationen stabilisierte und legitimierte Ordnungen,<br />

die als Einheiten symbolisiert und erlebt werden, durch sie bzw. in ihnen werden<br />

Ressourcen dauerhaft zusammengelegt und instrumentalisiert (vgl. Neuberger 1997,<br />

494).<br />

Nach Gebert und Rosenstiel (2005) werden Organisationen als „vielfach als ihrer<br />

Umwelt gegenüber offene Systeme definiert, die zeitlich überdauernd existieren,<br />

spezifische Ziele verfolgen u.a. aus Individuum bzw. Gruppen zusammengesetzt sind<br />

und eine bestimmte Struktur zur Koordination der einzelnen Tätigkeiten aufweisen,<br />

die in der Regel durch Arbeitsteilung und eine Hierarchie der Verantwortung<br />

gekennzeichnet sind“ (vgl. Rosenstiel 2005, 225).<br />

Um als stabile Systeme und Ordnungen in einer ebenso strukturierten Umwelt<br />

bestehen zu können, müssen sich Organisationen in Organisations-Struktur und<br />

Organisations-Kultur verfestigen. Strukturelle Veränderungsprozesse in einer<br />

Organisation ziehen m.E. einen zeitlich versetzten kulturellen Veränderungsprozess<br />

einer Organisation mit sich.<br />

Die Definitionen von Organisation sind geprägt durch eine gemeinsame<br />

Begrifflichkeit wie Einheitlichkeit, Stabilität, Ziele, legitimierte Ordnungen und<br />

Hierarchien. Andererseits finden in einer Organisation nicht nur Prozesse statt,<br />

deren Motive von Rationalität, Sachlogik, Effizienz und einem gemeinsamen Zweck<br />

13


geprägt sind, sondern treten auch unterschiedliche Ansprüche der verschiedenen<br />

AkteurInnen innerhalb einer Organisation gegeneinander an (vgl. Lehner 2002, 19).<br />

Das Handeln der beteiligten Menschen in Organisationen ist vielfältig.<br />

Neben „harten“ Elementen wie Struktur, Strategie, Steuerungs- und<br />

Kontrollmechanismen besitzt eine Organisation „weiche“ Elemente, die für den Erfolg<br />

eines Unternehmens wichtig sind. Zu diesen „weichen“ Zutaten zählen Faktoren wie<br />

soziale Qualifikationen, Vorgangsweise bei Stellenbesetzungen, Führungsstile,<br />

Betriebsklima. Diese weichen Zutaten sind der kulturellen und sozialen Ebene einer<br />

Organisation zuzuschreiben.<br />

2.1 Organisationskultur<br />

Schreyögg (1992) bezeichnet diese „weichen“ Ingredienzien als Organisationskultur<br />

und erklärt die Merkmale einer solchen mit:<br />

_Sie ist ein implizites Phänomen, das Selbstverständnis und Eigendefinition<br />

der Organisation prägt;<br />

_Sie ist „selbstverständlich“ und wird in der Regel nicht reflektiert;<br />

_Sie bezieht sich auf gemeinsame Orientierungen an Werten, macht<br />

organisatorisches Handeln einheitlich und kohärent;<br />

_Sie ist das Ergebnis eines Lernprozesses im Umgang mit Bedingungen, die<br />

innerhalb und außerhalb der Unternehmungen liegen;<br />

_Sie vermittelt Sinn und Orientierung in einer komplexen Welt und<br />

vereinheitlicht so deren Interpretation und enthält Handlungsprogramme;<br />

_Sie ergibt sich aus einem Sozialisationsprozess, der dazu führt, aus einer<br />

kulturellen Tradition heraus zu handeln, was bedeutet, dass sie nicht bewusst<br />

gelernt wird<br />

(vgl. Schreyögg, Georg 1992, zit. nach Rosenstiel 2005, 227).<br />

Die Handlungsabläufe in Organisationen finden auf drei Ebenen statt:<br />

Auf der strukturellen Ebene, der kulturellen Ebene und der sozialen Ebene.<br />

14


Die kulturelle und soziale Ebene wird dabei für den Erfolg einer Organisation oft<br />

unterschätzt. Informelle Abläufe, Rituale und Kommunikation sind diesen Ebenen<br />

zuzurechnen.<br />

Neben einer offiziellen Organisationskultur, wie dem Leitbild und dem mission<br />

statement einer Organisation, existiert eine inoffizielle Organisationskultur, die durch<br />

informelle Spielregeln und Sozialisationsprozesse die Arbeitsabläufe stark<br />

beeinflussen.<br />

Das Zusammenspiel von harten und weichen Elementen, die Dynamiken die dabei<br />

entstehen, ergeben m.E. eine Organisationskultur, die vor allem durch die<br />

handelnden Personen geprägt ist und formbar sein kann.<br />

Handlungsabläufe und Entscheidungsprozesse in Organisationen sind durch Regeln<br />

und Hierarchien geprägt, allerdings entsprechen die Mechanismen zur<br />

Entscheidungsfindung tatsächlich oft nicht den formal geregelten Abläufen. Neben<br />

der formellen Ebene wird hier eine informelle Ebene der Organisation unterschieden.<br />

Die informelle Ebene rückt die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der<br />

Organisation in den Blick.<br />

2.2 Organisation und Geschlecht<br />

Eine zentrale Ebene im Inneren der Organisation betrifft die Positionierung der<br />

Geschlechter, dem Verlauf der Geschlechterlinie innerhalb einer Organisation.<br />

Die Beschäftigung mit dem Aufbau von und Ablauf in Organisationen ist für die<br />

Frauenforschung erst seit den 1980er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein zu<br />

bearbeitendes Themenfeld geworden. Bis dahin werden Organisationen, vor allem<br />

staatliche Verwaltungen und Unternehmen von der Frauenbewegung als<br />

„Reproduzenten gesellschaftlicher Diskriminierung“ angesehen (vgl. Hark 2005, 20).<br />

Aus der Ablehnung entsteht nachfolgend ein etwas differenzierterer Zugang. Der<br />

innere Aufbau von Organisationen wird nicht mehr nur als Wiederholung<br />

gesellschaftlicher Diskriminierungen betrachtet, sondern darin ein Versuchsfeld<br />

gesehen, die Strukturen die eine (staatliche) Organisation zur Verfügung stellt, für<br />

eigene Interessen zu nutzen. Dabei sollen organisationale Strukturen nutzbar<br />

15


gemacht werden und durch Einschluss in und Einflussnahme auf eine Organisation<br />

Veränderungen von Innen bewirken. Der Blick sollte auf die<br />

Reproduktionsmechanismen geschlechtsspezifischen Diskriminierungen durch<br />

Organisationsstrukturen gerichtet und damit Änderungen in Struktur und Kultur<br />

ermöglicht werden.<br />

Die Einstellungen der Frauenbewegung zu organisationalen Strukturen sind nach wie<br />

vor ambivalent. Die kontroversen Diskussionen reichen von Benutzung der<br />

Strukturen und Instrumentalisierung für die eigenen Interessen bis zur totalen<br />

Ablehnung von vor allem staatlichen Strukturen und Organisationen, die als<br />

frauenfeindlich enttarnt werden.<br />

Die feministische Kritik richtet sich gegen eine „Absorbierung“ der Forderungen nach<br />

Chancengleichheit durch (staatliche) Institutionen und Organisationen. Die<br />

Integration der Forderungen nach (Chancen)Gleichheit würde wie Cornelia Klinger<br />

(1998) es formuliert, eine Strategie der „Immunisierung“ gegenüber feministischer<br />

Kritik nach sich ziehen: nämlich die Behauptung, alles, was feministische Kritik zu<br />

bieten hat, sei bereits längst akzeptiert und integriert worden, alle Forderungen seien<br />

erfüllt und alle Ziele erreicht. Die institutionelle Berücksichtigung feministischer<br />

Forderungen würde die „historischen Überholung“ derselben mit sich bringen (vgl.<br />

Hark 2005, 21).<br />

Dass diese Befürchtungen nicht unbegründet sind, lässt sich m.E. an einer gewissen<br />

„Ambivalenz der Gefühle“ gegenüber Maßnahmen der Frauenförderung und<br />

Chancengleichheit, die selbst IdeenentwicklerInnen und AkteurInnen derselben<br />

immer wieder formulieren, feststellen.<br />

Hark (2005) führt als Beispiel die „Verstaatlichung“ der Frauenpolitik in den 1980er<br />

Jahren an, deren Forderung nach Gleichstellung in einer Vielzahl von Gesetzen und<br />

Politiken des Gender Mainstreamings dazu geführt hat, dass die Gleichberechtigung<br />

zwischen den Geschlechtern als umgesetzt gilt. Hark erkennt dabei, dass<br />

geschlechtsbezogene Benachteiligungen in der Wahrnehmung junger Frauen und<br />

Männer kaum noch existieren, bzw. als Einzelfälle betrachtet werden. Außerdem sei<br />

es „vielfach nicht mehr zeitgemäß, Diskriminierungserfahrungen aufgrund weiblicher<br />

Geschlechtszugehörigkeit zu thematisieren“ (vgl. Kuhlmann 2002, 232).<br />

16


Diese Wahrnehmung führt Hark zu der Einschätzung, dass sich Gleichheit als Norm<br />

weltweit etabliert (vgl. Hark 2005, 22).<br />

Joan Acker (1991) entwickelt und begründet ihr Konzept der „gendered<br />

Organisationen“ und macht fünf organisationale Prozesse aus:<br />

1. Trennungen von Arbeitstätigkeiten, von erlaubtem Verhalten, Raum,<br />

Macht u.a. können auch in Organisationen entlang der<br />

Geschlechterlinie identifiziert werden.<br />

2. Organisationen sind Räume, in denen kulturelle Bilder der<br />

Geschlechter sowohl erfunden als auch reproduziert werden. Das<br />

Bild des Managers als tatkräftige Männlichkeit und auch das Bild des<br />

Arbeiters, der Männlichkeit mit Technik verbindet, sind solche<br />

Produkte.<br />

3. Interaktionen zwischen Frauen und Männern untereinander<br />

produzieren vergeschlechtlichte soziale Strukturen und<br />

vergeschlechtlichte Organisationen.<br />

4. Einige Aspekte individueller Geschlechtsidentität, z.B. die beinahe<br />

ausschließliche Berufsorientierung von Männern, sind Ergebnis<br />

organisationaler Prozesse und Zwänge.<br />

5. Geschlecht ist ein grundlegendes konstitutives Element nicht nur für<br />

Familie und Verwandtschaft, sondern auch für die Grundannahmen<br />

und Praktiken heutiger Arbeitsorganisationen. So zeigt sich<br />

beispielsweise, dass betriebliche Beurteilungsverfahren von<br />

MitarbeiterInnen sehr oft gängige Geschlechtsrollenstereotypen<br />

widerspiegeln (vgl. Acker, Joan 1991, 163, zit. nach Schreyögg 1998,<br />

32ff).<br />

In den Organisationen besteht eine „Hierarchisierung von Männerarbeit und<br />

Frauenarbeit“, die ihre Basis in der heterosexuellen Konstruktion von<br />

Arbeitsbeziehungen hat. Auf gesellschaftlicher Ebene hat dieses Phänomen der<br />

Hierarchisierung von Männer- und Frauenarbeit Angelika Wetterer beschrieben.<br />

Dabei ist zu beobachten, dass beim Eindringen von Frauen in männlich dominierte<br />

Branchen am Arbeitsmarkt, die gesamte Branche an Bedeutung verliert und<br />

marginalisiert wird, mit dem negativen Effekt geringerer Einkommens- und<br />

17


Karrieremöglichkeiten. Es zeigt sich, dass eine „Verweiblichung“ einer Branche einen<br />

Statusverlust zur Folge hat (vgl. Lehner 2002, 21).<br />

Geschlecht als Kategorie erweist sich auf allen Ebenen von Organisationen nach wie<br />

vor als relevanter Faktor und Lehner (2002) spricht in diesem Zusammenhang von<br />

der „(...) Berufstätigkeit und damit verbunden die Organisation von Arbeit als eines<br />

der wichtigsten Mittel zur Aufrechterhaltung männlicher Vorrangstellung (...)“<br />

(vgl. Lehner 2002, 22).<br />

Unter der Oberfläche funktionaler Organisationslogiken ist immer auch die<br />

Geschlechterordnung in Organisationen der modernen Gesellschaft eingelagert. Die<br />

Geschlechterordnung findet sich wieder in Aufbau und Struktur der Organisation, im<br />

hierarchischen Aufbau der Organisation, in der Karrierelaufbahn der Mitglieder der<br />

Organisation. Gesellschaftliche Einrichtungen, Institutionen, Organisationen sind<br />

gendered, „vergeschlechtlicht“ (vgl. Krais 2000, 49).<br />

18


2.3 Universitäten als besondere Organisationen<br />

Die Universität als wissensproduzierende Organisation wird als besondere<br />

Organisation bezeichnet. Diese besonderen Organisationen „bestehen von ihrer<br />

Struktur her aus nur locker miteinander verbundenen Einheiten unterschiedlicher<br />

Fachrichtungen, die sich mit ihren Partikularzielen und Partikularinteressen an der<br />

jeweiligen scientific community orientieren. Entscheidungsfindung soll unter den<br />

wissenschaftlich kommunizierenden Individuen im Konsens geschehen“ (vgl. Roloff<br />

1998, 25). Eine Universität ist demnach kein homogenes Gebilde und von einer<br />

Organisation „als Ganzes“ zu sprechen, ist für Neusel (1998) eher problematisch.<br />

Neusel spricht von einer Reihe von dezentralen Einheiten, deren fachspezifische<br />

Normen und Standards differieren (vgl. Neusel 1998, 70).<br />

Roloff (1998) sieht die Handlungsabläufe und Entscheidungsprozesse an der<br />

Hochschule durch Gesetze und Ordnungen geregelt, betont aber, dass das<br />

Zusammenwirken jedoch vielfach auf informeller Basis, durch Vorklärungsprozesse<br />

außerhalb und im Vorfeld der Gremien, geschieht (vgl. Roloff 1998, 25).<br />

Universitäten sind komplexe Organisationen kooperierender und auch<br />

konkurrierender AkteurInnen und Organisationseinheiten. Dazu kommt die<br />

Doppelstruktur von Verwaltung und Wissenschaft als prägendes Element der<br />

Universität als besondere Organisation. Dennoch trifft nach Scholz (1990) für diese<br />

besonderen Organisationen eine ausgeprägte Organisationskultur, die Sinn<br />

vermittelt, Motivationspotenziale schafft, Konsens stiftet und Orientierung gibt,<br />

Koordination vereinfacht, Identität begründet und Lernpotenziale eröffnet, zu (vgl.<br />

Scholz 1990, 15).<br />

2.4 Universitäten als ExpertInnenorganisationen<br />

In einer aktuellen Wirkungsanalyse frauenfördernder Maßnahmen des<br />

Bundesministeriums 4 wird in der organisationalen Einschätzung der Universität der<br />

Begriff der „ExpertInnenorganisation“ geprägt. Folgende Charakteristika<br />

kennzeichnen laut dieser Analyse die universitäre Organisation:<br />

4<br />

Materialen zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft. Wirkungsanalyse frauenfördernder<br />

Maßnahmen im bm:bwk 2007. Band 21. Wien.<br />

19


• Hoher Grad an Individualität und Autonomie der ExpertInnen<br />

Das Kapital der Universität liegt in der Leistungsfähigkeit einzelner ExpertInnen.<br />

Professionalität und Motivation der ExpertInnen müssen für den „Output“<br />

stimmen.<br />

• Dominanz des Faches<br />

ExpertInnenorganisationen verfügen über eine Struktur, in der Fach und<br />

Organisation einander überlagern. Die Organisation wird jedoch zumeist nur als<br />

der Rahmen gesehen, innerhalb der die professionelle Tätigkeit erfolgt.<br />

ExpertInnen definieren sich vorwiegend über ihr Fach und nicht über die<br />

Universität. Einer der Gründe dafür ist, dass wissenschaftliche Reputation an<br />

innovative Forschung im eigenen Feld 5 gekoppelt ist, Managementtätigkeiten<br />

werden eher gering honoriert.<br />

• Spezialisierung von Wissen und Fragmentierung<br />

Die Bildung neuer, spezialisierter Disziplinen ist ein wichtiger Mechanismus in der<br />

Produktion von Wissen und zur Sicherung der eigenen Position. Auf der Ebene<br />

der Organisation führt dies zu einer losen Kopplung kleiner Einheiten mit<br />

unterschiedlichen Kulturen und ohne gemeinsames „Gesamtprodukt“.<br />

• Professionelle Selbstkontrolle<br />

Die Kontrolle der eigenen Arbeiten erfolgt durch die ExpertInnen bzw. durch<br />

etablierte „Fach-Peers“. Die externe Beurteilung der wissenschaftlichen Leistung<br />

wird kritisch gesehen.<br />

Management, Administration und Leitung sind „ungeliebte“ Aufgaben.<br />

Administration hält eine ExpertInnenorganisationen zusammen. ExpertInnen<br />

verbinden diese aber zumeist mit Hindernissen und Störungen der<br />

wissenschaftlichen Tätigkeit. Sie wird als lästig gesehen. Dieses<br />

Spannungsverhältnis ist typisch für die Form der ExpertInnenorganisation:<br />

während ein Teil des Personals für Integration und Kohärenz zuständig ist,<br />

tendieren ExpertInnen in Richtung Spezialisierung und Fragmentierung.<br />

5<br />

vgl. Kapitel 3.2 Wissenschaft als soziales Feld.<br />

20


• Innovation erfolgt primär auf der Ebene der einzelnen Organisationseinheiten<br />

Innovative Leistungen sind für ExpertInnen die Basis für Karriere und Zugang zu<br />

Ressourcen. Auf Ebene der Gesamtorganisation ist Innovation aber insofern<br />

schwierig, da eine Organisation die kein gemeinsames „Gesamtprodukt“<br />

entwickelt, in ihrer Fragmentierung aber eher keine kollektiven Anstrengungen<br />

unternimmt (vgl. Wirkungsanalyse frauenfördernder Maßnahmen im bm:bwk<br />

2007, 44).<br />

Da Organisationsstrukturen niemals geschlechtsneutral sind, bedeutet das für die<br />

Expertinnenorganisation Universität, dass die beschriebenen Merkmale<br />

unterschiedlich auf die Arbeitsbedingungen von Männern und Frauen wirken.<br />

Deutlich beschreibt diesen Umstand Färber (2001):<br />

„Organisationsstrukturen wirken sich in einer geschlechterhierarchisch konstituierten<br />

Gesellschaft geschlechterdifferenzierend und damit selektiv aus“ (Färber 2001, 140).<br />

Hindernisse für Wissenschafterinnen liegen bei den oben charakterisierten Punkten<br />

vor allem in der Dominanz des Faches und der Professionellen Selbstkontrolle.<br />

2.5 Chancengleichheit als Querschnittsaufgabe von Organisationen<br />

Die Herstellung von Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit ist für eine<br />

Organisation eine notwendige Querschnittsaufgabe, die auf allen organisationalen<br />

Ebenen greift. Gender Mainstreaming und Frauenförderung sind die gängigsten<br />

Schlagworte die auf den Weg zu geschlechtergerechteren Strukturen in<br />

Organisationen benannt werden. Traditionelle Frauenförderung setzt überwiegend<br />

auf die individuelle Unterstützung von Frauen an, Gender Mainstreaming als topdown-Prinzip,<br />

nimmt alle AkteurInnen auf allen organisationalen Ebenen in die Pflicht<br />

und zielt auf die Veränderung der strukturellen Ebene in Richtung<br />

Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit ab.<br />

Ziel einer effizienten Frauenförderungspolitik ist aber nicht nur eine quantitative<br />

Erhöhung der Anzahl von Frauen auf der höheren Hierarchieebene, sondern eine<br />

grundsätzliche Enthierarchisierung und Umstrukturierung von Organisationskulturen.<br />

21


Frauenförderungspolitik ist die zur Verfügung Stellung von<br />

Durchsetzungsinstrumenten zur Herstellung von Bedingungen, die Frauen und<br />

Männern entsprechend ihren Qualifikationen die gleichen beruflichen Chancen bieten<br />

soll.<br />

Traditionelle Frauenförderung muss also ergänzt werden um Instrumente und<br />

Maßnahmen, die auf die strukturelle Ebene wirken. Neben dem nicht unumstrittenen<br />

Konzept von Gender Mainstreaming kann Mentoring ergänzend zur traditionellen<br />

Frauenförderung, zusätzlich zu Effekten auf der individuellen Ebene (Förder-<br />

Beziehung zwischen einzelnen Personen), die Organisationskultur,<br />

Handlungsweisen und tradierte Handlungsmuster herausfordern und in Frage<br />

stellen. Das Bekenntnis einer Organisation zur Chancengleichheit zeigt sich neben<br />

dem internen Handeln auch im Erscheinungsbild und Auftreten nach Außen bzw. in<br />

deren Leitbild.<br />

Die Reformprozesse in der Universitätenlandschaft in den letzten Jahren (Stichworte<br />

sind: UG 2002, Entstaatlichung, Entlassung in die Autonomie, Neoliberalisierung der<br />

Universitäten) bedeuten gravierende Veränderungen und Umstrukturierungen auf<br />

personeller, finanzieller und organisationaler Ebene. Betriebswirtschaftliche<br />

Kennziffern werden in diesen Umstrukturierungsprozessen prioritär. Leitbegriffe wie<br />

Effizienz, Effektivität, Qualitätssicherung, Evaluationen, etc. prägen den Prozess.<br />

Ziel- und Leistungsvereinbarungen und davon abhängige Budgetzuteilungen sind die<br />

Vorgaben und Herausforderungen an die AkteurInnen auf Verwaltungs- und<br />

Wissenschaftsebene. Diese Leitbegriffe verdeutlichen eine Paradigmenwechsel, der<br />

die traditionellen Paradigmen „Wissenschaft und Wahrheit“ bzw. „Wissenschaft und<br />

gesellschaftlicher Fortschritt“ ablöst und ein neues Paradigma „Wissenschaft und<br />

Markt“ installiert. Ziel ist nach Nöbauer/Genetti (2006) letztendlich eine<br />

Umstrukturierung der ehemaligen Massenuniversitäten mit freiem Hochschulzugang<br />

hin zu deregulierten Dienstleistungsunternehmen (vgl. Nöbauer/Genetti 2006, 70).<br />

Diese Reformprozesse erfordern von der Universität als besondere Organisation die<br />

Notwendigkeit lernende Organisation zu sein. Eine lernende Organisation umfasst<br />

alle Mitglieder auf allen Ebenen der Organisation. Veränderungsprozesse und<br />

Umstrukturierungen fordern von den Mitgliedern und AkteurInnen als ersten Schritt<br />

22


die Entwicklung von Veränderungsbereitschaft, da Umstrukturierungen gewohnte<br />

Hierarchien, Handlungsmuster und -abläufe in Frage stellen.<br />

Die Umstrukturierung der Universitäten bietet abseits der „Neoliberalisierung“ aber<br />

auch die Möglichkeit diesen Prozess zu nutzen, das Hochschulsystem<br />

geschlechterpolitisch zu reformieren. Möglichkeiten zur Intervention in bisher<br />

zementierte Organisationsstrukturen eröffnen sich durch Implementation 6<br />

gleichstellungspolitischer Maßnahmen und Programme.<br />

6<br />

Das Thema „Implementation“ wird im Kapitel 6.2.1.1 noch ausführlicher behandelt.<br />

23


3. Männlichkeit als System – Die Universität als hegemonial männliche<br />

Organisation<br />

Die Universität muss aufgrund ihrer Geschichte des Ausschlusses von Frauen bis ins<br />

Jahr 1897 und der daraufhin eher zögerlichen Integration von Frauen auf allen<br />

Hierarchieebenen und deren Auswirkung bis in die Gegenwart als eine<br />

männerbündische Institution betrachtet werden (vgl. Strasser 1998, 40/Kreisky 1994/<br />

Sombart 1996, 142).<br />

Der Begriff Männerbund, hat seinen Ursprung in Deutschland Anfang des 20.<br />

Jahrhunderts. Wie Sombart (1996) ausführt, wird zu der Zeit, als die Forderungen der<br />

ersten Frauenbewegungen nach Etablierung von Frauenrechten erstmals erfolgreich<br />

waren, mit der „wissenschaftlichen“ Fundierung der Männerbünde eine<br />

„Gegengewicht“ zur „Verweichlichung und Verweiblichung“ der Gesellschaft<br />

installiert. Die Männerbünde stellen für die Mitglieder eine Möglichkeit dar, ihre<br />

Freundschaften 7 auf eine höhere, wissenschaftlich legitimierte Ebene zu übertragen<br />

und individuelles Machtstreben als das gemeinsame Streben eines Kollektivs zu<br />

legitimieren (vgl. Strasser 1998, 40/Sombart 1996, 153).<br />

Der Begriff der Seilschaften wurde in Zusammenhang mit Männerbünden und<br />

geschlossenen Netzwerken von Emrich (1996) aus dem Alpinismus übernommen. Er<br />

untersuchte mit einer Forschergruppe zahlreiche Organisationen aus Wirtschaft,<br />

Politik, Sport, Kirche und Wissenschaft. Entsprechend einer Seilschaft ist die<br />

gegenseitige Sicherung verschiedener Personen während eines Aufstiegs zum<br />

Gipfel gewährleistet. Der erste Mann des Aufstiegs, der „Obermann“ geht beim<br />

Erklimmen unbekannter Höhen ein Risiko ein, das von der nachfolgenden<br />

Mannschaft Dankbarkeit, Loyalität und Vertrauen verlangt (vgl. Strasser 1998, 41).<br />

„Seilschaften sind Systeme sozialer Transaktionen, in denen Ressourcen<br />

getauscht, Informationen übertragen, Einfluss und Autorität ausgeübt,<br />

Unterstützung mobilisiert und durch Gemeinsamkeiten emotionale und<br />

affektuale Bindungen zum Zweck des sozialen Aufstiegs erzeugt werden“<br />

(Emrich, 1996, zit. nach Strasser 1998, 41).<br />

Die von Emrich in seinen Untersuchungen von Organisationen dabei vernachlässigte<br />

Bedeutung des Geschlechts zeigen Birgit Buchinger und Erika Pircher (1994) in ihrer<br />

7<br />

In diesen Freundschaftsbeziehungen und Männern kann bereits ein Mentoringansatz durch gegenseitige<br />

Unterstützung gesehen werden.<br />

24


Studie über versteckte Diskriminierungen auf und ergänzen das Bild einer<br />

funktionierenden Männerkultur:<br />

„Männer können sich bei ihrem Weg hinauf der Fußstapfen bedienen, die<br />

ihresgleichen vor ihnen ausgetreten haben. Die nach wie vor existierenden<br />

Seilschaften sind ihnen dabei behilflich. Und wenn sie dort anlangen, wo sie<br />

hinwollen, werden sie nicht die ersten Männer sein. D.h., sie können sich -<br />

abgesichert durch ihre Vorgänger – identitätskonform „hinaufhanteln“<br />

(Buchinger/Pircher 1994, 157).<br />

Nach Öffnung der Universitäten für Frauen 8 , der Bildungsoffensive der letzten<br />

Jahrzehnte, den Bemühungen um Gleichstellung und Chancengleichheit der<br />

Geschlechter, ist die österreichische Universitätenlandschaft auf den höheren<br />

hierarchischen Ebenen nach wie vor von einer ausgeprägten<br />

geschlechtsspezifischen Segregation geprägt.<br />

In den veröffentlichten Zahlen von 2006 gleicht die Verteilung von Männer und<br />

Frauen einer weit geöffneten Schere.<br />

Bei der Anzahl der StudienanfängerInnen und der AbsolventInnen stellen Frauen in<br />

Österreich längst die Mehrheit. Doch je höher es in der Hierarchie nach oben geht,<br />

desto weiter geht die Gender-Schere zugunsten der Männer auf: Mit knapp 15<br />

Prozent bei den ProfessorInnen und fünf Prozent bei den RektorInnen gehört<br />

Österreich zu den europäischen Schlusslichtern beim universitären Frauenanteil:<br />

8<br />

Vgl. Kapitel 3.4<br />

25


Abb 1: Gender-Schere, Zahlen 2006<br />

Quelle: heureka, Wisseschaftsmagazin im Falter 9<br />

Grafik: Hackl, APA; rot = weiblicher Anteil, blau = männlicher Anteil<br />

Bemerkenswert dabei ist, dass der Anteil der Studienanfängerinnen die Zahl der<br />

männlichen Studierenden bereits um 14 Prozent übersteigt.<br />

Gängige Erklärungsmuster für das Phänomen des „akademische Frauensterbens“<br />

werden wie Beate Krais (2005) anführt, von der deutschsprachigen wie auch<br />

internationalen Forschungsliteratur in der Situation der Frauen an sich gesehen, in<br />

ihren Sozialisationsprozessen, biographischen Verläufen, spezifisch weiblichen<br />

Prozessen der Identitätsentwicklung und der Konfliktbewältigung, oder auch im<br />

besonderen Umgang von Frauen mit Problemen der Vereinbarkeit von Familie und<br />

Beruf (vgl. Krais 2005, 30).<br />

Dies scheint zunächst durchaus plausibel, gibt es doch keine formalen Barrieren oder<br />

Zugangsbeschränkungen mehr, die Frauen im Einschlagen einer wissenschaftlichen<br />

Karriere behindern würden.<br />

Die auf formeller Ebene gesetzlich verankerten Maßnahmen zur Frauenförderung<br />

und Gleichbehandlung an den Universitäten sollten ein Übriges tun und eventuelle<br />

Geschlechter diskriminierende Hindernisse aus dem Weg räumen.<br />

9<br />

http://www.falter.at/web/heureka/blog/?p=119, abgerufen am 15.08.2008<br />

26


Nach den Erkenntnissen aus einer Untersuchung 10 von Höyng/Puchert/Raschke<br />

(2004) sind Gründe für die Ausgrenzung von Frauen vor allem im informellen Bereich<br />

einer Organisation zu suchen. Es sind nicht offene frauenfeindliche Aktionen, die den<br />

Fortbestand der Hierarchie gewährleisten, sondern die Geschlechterhierarchie wird<br />

als eine kulturelle Hegemonie des männlichen Geschlechts verstanden. Diese<br />

männliche Hegemonie wird im Arbeitsprozess von Männern, aber auch von Frauen<br />

reproduziert und sichert somit die Vorherrschaft der Männer. Höyng spricht von den<br />

Männern als Hauptgewinner dieser Kultur, dessen Preis die Frauen bezahlen mit der<br />

Einschränkung, dass auch Männer in unterschiedlichem Maß bezahlen. Höyng sieht<br />

hier nicht alle Männer als Gewinner und gibt es ebenso männliche „Verlierer“ dieses<br />

Hegemoniestrebens.<br />

Hyöng prägt in diesem Zusammenhang auch den Begriff einer interessensgeleiteten<br />

Nichtwahrnehmung von Geschlechterdifferenzen bei Männern.<br />

Es zeigt sich aus seinen Untersuchungen, dass Männer bei einer allgemeinen<br />

Bewertung der Frage der Gleichstellung von Frauen und Männern eine generelle<br />

Aufgeschlossenheit zeigen. Gleiche Chancen und Rechte für Männer und Frauen<br />

werden bejaht, die Notwendigkeit von Gleichstellungsmaßnahmen erkannt. Der<br />

relativ offenen Einstellung steht aber häufig ein Verharren in Untätigkeit gegenüber.<br />

Hyöng sieht in diesem Zusammenhang, dass Erfahrungen mit Gleichheit und/oder<br />

Differenz und daraus resultierende Diskriminierungen, von den meisten Menschen<br />

kaum in Abstraktion von der eigenen Situation wahrgenommen werden. Seiner<br />

Meinung nach liegt es nahe, dass die eigene Situation und die eigenen Interessen<br />

als allgemein wahrgenommen werden.<br />

Diese Form der Wahrnehmung führt dazu, dass Männer geschlechtsspezifische<br />

Diskriminierungen nur selektiv wahrnehmen und diese Diskriminierung<br />

gesamtgesellschaftlich anerkennen. Im eigenen Arbeitsumfeld überschätzen sie den<br />

bereits erreichten Stand der Gleichbehandlung meist erheblich und sehen Defizite<br />

eher in anderen Organisationen (vgl. Höyng/Lange 2004, 104).<br />

„Interessensgeleitete Nichtwahrnehmung, Gleichheitspostulat und die<br />

wiederkehrenden Argumentationsmuster erklären vor allem das gute<br />

Gewissen vieler Männer, das Selbstverständnis als „Gerechter“. Für sie<br />

existiert keine Notwendigkeit, für ihre egalitäre Haltung einzutreten und zu<br />

handeln, sie können untätig bleiben angesichts von Diskriminierung. So wirken<br />

10<br />

Basis ist eine Untersuchung von Höyng, Puchert und Raschke 1992/93 an 40 Männern in der Berliner<br />

Senatsverwaltungen zu Gleichstellung, Arbeitskultur und zur Vereinbarung von Beruf und Privatleben.<br />

27


die meisten Männer an der Verhinderung der beruflichen Gleichstellung mit,<br />

allerdings in den meisten Fällen weder strategisch noch bewusst. Doch allein<br />

diese Wahrnehmungsmuster erklären immer noch nicht die Männerdominanz<br />

im Beruf“ (Höyng 2004, 105).<br />

Die Wahrnehmung der eigenen Situation als „allgemein“, das fehlende Geschlechter-<br />

Bewusstsein, resultiert aus der Voraussetzung des männlichen Geschlechts als<br />

„absolut“.<br />

Aus dieser „Absolutheit“ leitet sich eine Machtstellung ab, die das eigene Geschlecht<br />

(männlich) als Norm betrachtet und das andere Geschlecht (weiblich) dazu immer in<br />

Bezug setzt.<br />

Der Mann ist sich dieser dominanten Stellung nicht extra bewusst. Sie ist für ihn<br />

selbstverständlich und bildet die Norm. Die Frau ist sich aufgrund ihrer<br />

„Andersartigkeit“ ihres Geschlechts stets bewusst und muss dieses in jeder Situation<br />

mitdenken. Maßstab dieses Anders-Sein ist immer der Mann (vgl. Simmel 1983, 53).<br />

Simmel verglich bereits 1923 das Geschlechterverhältnis mit dem Verhältnis<br />

zwischen Herrn und Sklaven. Während der Herr seine Privilegien als<br />

selbstverständlich sieht, denkt der Sklave seine Position immer mit.<br />

Simmel geht weiter, indem ein fehlendes Geschlechterbewusstsein im<br />

Geschlechterverhältnis, die als selbstverständlich angenommene Überlegenheit des<br />

Mannes ihm die Macht gibt, sich als das „allgemein Menschliche“ zu definieren:<br />

„Daß das männliche Geschlecht nicht einfach dem weiblichen relativ<br />

überlegen ist, sondern zum Allgemein-Menschlichen wird, das die<br />

Erscheinungen des einzelnen Männlichen und des einzelnen Weiblichen<br />

gleichmäßig normiert(…).“ 11<br />

Die Philosophin und Schriftstellerin Simone de Beauvoir begründet 1949 in ihrem<br />

Werk Le Deuxieme Sex (übersetzt: „Das andere Geschlecht“) die Ungleichheit der<br />

Geschlechter ähnlich wie Simmel. Die Frau wird fortwährend auf ihre Andersartigkeit<br />

festgelegt und somit ihre Unfreiheit produziert. Ihr Satz: „Man kommt nicht als Frau<br />

zur Welt, man wird es“ wendet sich gegen jede biologische Begründung des „Anders-<br />

Sein“ (vgl. de Beauvoir, Simone 2000).<br />

11<br />

Simmel, Georg (1911): Das Relative und Absolute im Geschlechterverhältnis. In: Doyé, Sabine/Heinz,<br />

Marion/Kuster, Friederile (Hg.): Philosophische Geschlechtertheorien. Ausgewählte Texte von der Antike bis zur<br />

Gegenwart, Stuttgart 2002, 324-348, zit. nach den privaten Vorlesungungsunterlagen von Prof. Gesine Spieß für<br />

das Modul „Lebens- und Arbeitskontexte im sozialen Wandel“, 28.03-01.04.2007, Masterlehrgang RMC Wien.<br />

28


Dieses fehlende Geschlechterbewusstsein bezeichnen die Soziologen Michael<br />

Meuser und Rüdiger Lautmann (1998) auch als „Geschlechterblindheit“ und stellen in<br />

einer von ihnen durchgeführten empirischen Studie fest:<br />

„Die Geschlechterblindheit macht den Mann einerseits zum Menschen,<br />

andererseits zum Individuum. Damit ist er nur noch in einem übergeordnetem,<br />

allgemeinen Sinne Gattungswesen: als Mensch“ (Meuser/Lautmann 1998,<br />

257).<br />

Die formale Einführung einer Vielzahl von Förder-Maßnahmen in Organisationen mit<br />

dem Ziel der Chancengleichheit und Geschlechtergleichstellung führt, wie oben<br />

bereits erwähnt, zu der Einschätzung bzw. subjektiven Wahrnehmung, dass die<br />

Männlichkeit als Norm von der Gleichheit als Norm abgelöst wird und sich<br />

hierarchisch aufgebaute Geschlechterverhältnisse in Organisationen zunehmend von<br />

innen her auflösen (vgl. Hark 2005, 22).<br />

Die Organisationskultur und die darin enthaltene Arbeitskultur der Mitglieder dieser<br />

Organisation ist ein Abbild der gesamtgesellschaftlichen Kultur. Ist diese männlich<br />

dominiert, wird die Organisation eine männerbündische Arbeitskultur reproduzieren<br />

bzw. widerspiegeln.<br />

Hyöng/Lange (2004) unterscheiden verschiedene Typen von Arbeitskulturen:<br />

eine traditionell patriarchale, eine lebensvolle und eine männerbündische<br />

Arbeitskultur.<br />

Eva Kreisky (1994) bezeichnet die gegenwärtige dominante Kultur als<br />

männerbündische Arbeitskultur, in Betrachtung der hierarchischen Struktur der<br />

Universität.<br />

Die statische geschlechtsspezifische Segregation im Wissenschaftsbereich und in<br />

den Führungsetagen der Administration der Universitäten spricht dazu eine deutliche<br />

Sprache.<br />

Wesentliche Merkmale einer männerbündischen Arbeitskultur fassen Hyöng/Lange<br />

(2004) zusammen:<br />

29


• Unausgesprochene Spielregeln<br />

Diese finden sich in den meisten Führungsetagen von Unternehmen. Sie<br />

bestimmen das angemessene Verhalten in bestimmten Situationen. Nur<br />

diejenigen, die die Spielregeln kennen werden akzeptiert.<br />

• Prüfungen und stufenweise Einweihung<br />

Durch immer wieder aufs Neue bewiesenen Loyalität und Hingabe kann man<br />

Schritt für Schritt in dieses informelle Informationssystem einbezogen werden.<br />

• Zugehörigkeit und Ausgrenzung<br />

Beweisen, dass man in den “inneren Kreis“ durch Anpassung und Loyalität<br />

passt.<br />

• Beruf als Lebenstraum<br />

Der Beruf wird zum Mittelpunkt des Lebens. Berufliche Netzwerke sind auch<br />

persönlicher Halt. Personen, die ihre Zeit nicht unbegrenzt zur Verfügung<br />

stellen, werden ausgegrenzt.<br />

• Geschlossenheit, Erfolg und glänzende Darstellung<br />

Ein starker Zusammenhalt folgt durch diese informellen Mechanismen. Diese<br />

„Freundschaften“ werden durch Rituale erhalten. Funktionierende<br />

männerbündische Gruppen geben nach außen ein geschlossenes Bild ab und<br />

prägen die Inhalte nach innen. Sie prägen die Arbeitskultur (vgl. Höyng/Lang<br />

2005, 107).<br />

3.1 Wissenschaftskultur<br />

Wissenschaft ist nach Jürgen Mittelstraß (1997) nicht nur eine Form der<br />

Wissensbildung, sondern auch eine gesellschaftliche Veranstaltung (Mittelstrass,<br />

1997).<br />

Der Wissenschaftsbereich, die Wissenschaftskultur ist ein Abbild der<br />

gesamtgesellschaftlichen Kultur und reproduziert die gleichen Verhaltensweisen.<br />

30


Die Betrachtung der Wissenschaft als gesellschaftliche Veranstaltung skizziert einen<br />

Wandel in der Betrachtung der Wissenschaft auf sich selbst, eine neue<br />

Wissenschaftsforschung, die davon ausgeht, dass wissenschaftliche Erkenntnis nicht<br />

mehr nur aus der Untersuchung eines Gegenstand gewonnen werden kann, sondern<br />

wissenschaftliche Erkenntnis vielmehr ein sozialer Prozess ist, in dem nicht nur<br />

theoretische Vorannahmen, sondern auch der jeweilige soziale Kontext der scientific<br />

community mit einzubeziehen ist (vgl. Krais 2000, 32).<br />

Wissenschaft besteht also aus einer epistemischen Sphäre der Erkenntnis,<br />

Denkmuster, Problemlösungsstrategien, Methodik u.a.m. und einer sozialen Sphäre,<br />

in der Menschen arbeitsteilig Wissen produzieren. Die in die soziale Sphäre<br />

eingebettete Hierarchie, Sitten und Gebräuche, Ideologien und Denkmuster, in der<br />

diese Wissensproduktion stattfindet, prägen die jeweilige scientific community.<br />

Die Strukturen der alltäglichen wissenschaftlichen Praxis im universitären<br />

Wissenschaftsbetrieb werden in hohem Maß als geschlechterblind bezeichnet. Eine<br />

Vielzahl von Begriffen, u.a. „akademisches Frauensterben“, die „leaky pipeline“, die<br />

„gläserne Decke“ der „Glasdeckenindex“, bezeichnen alle dasselbe Phänomen: die<br />

Geschlechtersegregation in der Wissensproduktion, ist in den Strukturen fest<br />

verankert, dennoch unsichtbar bzw. schwer festzumachen.<br />

Krais (2000) erscheint die Art wie Wissenschaft gemacht wird, der soziale Kontext in<br />

der die Wissensproduktion passiert, den AkteurInnen in hohem Maß als<br />

selbstverständlich und als müsse Wissenschaft auf diese Art und Weise<br />

funktionieren, wie sie eben funktioniert. Organisationsform, Hierarchie,<br />

Interaktionsmuster und Zeitstrukturen erscheinen als natürlich und gegeben und in<br />

der Sache der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnis, begründet (vgl. Krais 2000,<br />

34). Unter der Oberfläche ist die Geschlechterordnung in der sozialen Sphäre<br />

eingelagert und schwieriger zu erkennen, in die Strukturen der epistemischen<br />

Sphäre.<br />

31


3.2 Wissenschaft als soziales Feld<br />

Bei der Untersuchung der sozialen Sphäre der Wissenschaft ist es hilfreich, auf das<br />

von Pierre Bourdieu entwickelte soziale Konstrukt des sozialen Feldes als<br />

„Erkenntniswerkzeug“ zurückzugreifen. Der Wissenschaftsbereich wird dabei als<br />

sozialer Kosmos mit eigenen Funktionslogiken betrachtet.<br />

Die Herangehensweise von Pierre Bourdieu erfolgt über die Untersuchung der<br />

sozialen Praxis von AkteurInnen. Die AkteurInnen konstruieren ihre Realitäten in<br />

unterschiedlichen sozialen Feldern und sind in ihrem jeweiligen Gefüge kreativ und<br />

erfinderisch. Dieser Kreativität ist mit klassischen Untersuchungs- und<br />

Klassifikationsrastern nicht beizukommen und bricht Bourdieu mit der klassischen<br />

klassifikatorischen dualistischen Denkweise. Er entwickelt Erkenntnis- und<br />

Denkwerkzeuge wie das Habitus-Konzept, die Theorie der sozialen Felder sowie die<br />

Konstruktion des sozialen Raumes.<br />

In der deutschsprachigen Frauen- und Geschlechterforschung wird immer wieder auf<br />

die Konzepte von Bourdieu zurückgegriffen, um sie zur Analyse von Dominanz- und<br />

Herrschaftsverhältnissen zu nutzen. Auch wird ihm als Forscher grundsätzlich keine<br />

Geschlechterblindheit vorgeworfen (vgl. Engler 2003, 233).<br />

Das Konzept des sozialen Feldes nimmt dabei nicht nur den eigenen Arbeits- oder<br />

Wirkungsbereich in einer Organisation (z.B. Universität) in den Blick, sondern dehnt<br />

die Analyse auf die im Fall der Wissenschaft als sozialem Feld, auf die gesamte<br />

scientifc community aus. Das soziale Feld Wissenschaft ist demnach ein sehr<br />

differenziertes Feld, differenziert nach Fächern, die jeweils nach ihren eigenen<br />

inneren Logiken und Methoden funktionieren.<br />

Ausgangspunkt des Konzeptes vom sozialen Feld ist, dass die Entwicklung von<br />

Produkten bzw. Objekten, im Fall der Wissenschaft als sozialem Feld<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse, einerseits einer eigenen inneren Logik folgen,<br />

andererseits an soziale Strukturen angebunden sind. In seinem Konzept geht es<br />

Bourdieu um das Zusammenwirken von Subjekt und Organisation. Keine<br />

Organisation, kein Zusammenschluss wirkt allein auf der Grundlage der inneren<br />

Logik, sondern um wirksam zu sein, wird sie in ihren Subjekten über den Habitus<br />

verkörpert (vgl. Krais 2000, 36).<br />

32


Über den Habitus schreibt Bourdieu (1980) in seinem Sens pratique, er ist es, der es<br />

erlaubt, „die Institutionen zu bewohnen, sie sich praktisch anzueignen, und sie<br />

dadurch in Aktion, am Leben, bei Kräften zu erhalten, sie beständig dem Zustand<br />

toter Buchstaben, toter Sprache zu entreißen, den in ihnen abgelegten Sinn wieder<br />

mit Leben zu erfüllen, aber nur, indem er ihnen Veränderungen und Umwandlungen<br />

aufzwingt, die das Gegenstück und die Bedingung ihrer Reaktivierung sind“<br />

(vgl. Krais 2000 nach Bourdieu 1980, 96; Übersetzung Krais).<br />

Zur Erklärung seines Konzeptes bedient sich Bourdieu der Metapher eines „Spiels“.<br />

Ein soziales Feld ist demnach ein „Spielfeld“, eine Arena in der die SpielerInnen und<br />

AkteurInnen um ihre Vorrangstellung kämpfen. Es geht immer um Macht und<br />

Einfluss. Jede/r Akteur/in im Spiel muss den Glauben an das Feld haben, die „illusio“,<br />

als Vorbedingung für das Mitspiel (vgl. Krais 2000, 39 nach Bourdieu, 1980). Die<br />

AkteurInnen müssen sich für das Spiel qualifizieren und mit dem Spiel identifizieren<br />

und sich einen Habitus aneignen, der das „Mitspielen“ erlaubt, die Regeln bestimmen<br />

zunächst die etablierten SpielerInnen.<br />

Dabei hängt die Entwicklung des Habitus von den Investitionen ab, die im Spiel<br />

getätigt werden. Im Fall der Wissenschaft als „Spielfeld“ wären die Investitionen in<br />

Form von Zeit, Energie, Arbeit usw. zu tätigen. Das Spiel erfordert vollen Einsatz, der<br />

Einsatz ist die soziale Existenz der Individuen.<br />

Das soziale Feld wird geprägt oder verändert durch ihre AkteurInnen und deren<br />

Relationen untereinander. Bei Veränderung des „Spielerstandes“ verändern sich<br />

auch die Positionen der AkteurInnen.<br />

Die Anerkennung wissenschaftlicher Leistung ist verknüpft mit der Anerkennung der<br />

Person, die durch ihre Verhaltensweisen, dem Habitus, geprägt wird und der in die<br />

Beurteilung und Bewertung von den erbrachten Leistungen herangezogen wird (vgl.<br />

Krais 2000, 41).<br />

Der Habitus ist Ausdruck einer in den Körper eingeschriebenen Geschichte und<br />

Ursache für die daraus entstehenden Praktiken.<br />

Für die notwendigen Investitionen zur Entwicklung des Habitus für das Bestehen und<br />

Anerkennen im sozialen Feld der Wissenschaft, sehen Krais und Beaufays (2005) in<br />

ihrer Analyse über die verborgenen Mechanismen der Macht, in Anlehnung an<br />

Bourdieu, vier Aspekte, die nach ihren empirischen Untersuchungen von Bedeutung<br />

sind:<br />

33


• Wissenschaft als Lebensform<br />

Angehende WissenschafterInnen müssen einen Habitus entwickeln, der glaubhaft<br />

vermittelt, dass ihnen Wissenschaft der wichtigste Lebensinhalt ist und zum<br />

Lebensmittelpunkt wird. Die Vermittlung passiert in erster Linie durch die<br />

Investition Zeit. Krais und Beaufays beschreiben die Schilderungen ihrer<br />

InterviewpartnerInnen so:<br />

„Sich am Wochenende oder bis zehn Uhr abends im Labor zu zeigen, sich am<br />

Freitagnachmittag oder –abend zu Meetings zu verabreden und nach dem<br />

Meeting noch Geselligkeit mit anderen WissenschaftlerInnen und damit<br />

wichtige Netzwerke in der Kneipe zu pflegen, dies alles sind in erster Linie<br />

symbolische Praktiken, denen sich zu unterwerfen hat, wer dazugehören<br />

möchte. […]<br />

Diese von den Interviewpartnerinnen geschilderten ,symbolischen Praktiken<br />

lassen erkennen, dass nicht allein die Bearbeitung eines Problems, sondern<br />

vor allem die damit einhergehende – durchaus auch körperliche –<br />

Unterwerfung unter den Rhythmus der Forschung erst den Wissenschaftler<br />

ausmacht.[…] Die „Auserwählten“, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit<br />

wissenschaftlichen Ambitionen, zeichnen sich durch ihre Bereitschaft aus, ihr<br />

Leben in den „Dienst der Sache“ zu stellen“ (vgl. Krais/Beaufays 2003, 36).<br />

Das Konzept der wissenschaftlichen Leistung<br />

Durch erfolgreiche wissenschaftliche Leistung wird man zum/zur Wissenschafter/in.<br />

Sie gilt als Eintrittskarte in die scientific community. Erst die Anerkennung durch die<br />

KollegInnen bringt den Erfolg. Ganz oben angelangt, müssen für diese Leistungen,<br />

ein hohes Frustrationspotenzial, Ausdauer Belastbarkeit, Leistungs- und<br />

Einsatzwilligkeit an Investitionen erbracht werden.<br />

Anerkennung und Missachtung in der unmittelbaren Interaktion<br />

Interaktionen spielen sich nicht nur zwischen den unmittelbaren Beteiligten ab. Sie<br />

vermitteln ein Bild an Dritte, Zuschauer, Beobachter, dem Umfeld, das erkennen<br />

kann, welche Regeln in diesem Interaktionsfeld herrschen, wie der hierarchische<br />

Ablauf ist, wer Regeln setzen, wer sie verletzen kann. Auf dieser Interaktionsebene<br />

kommen verborgene Mechanismen, symbolische Akte der Anerkennung und Gewalt,<br />

zum Einsatz.<br />

34


Die Rolle der wissenschaftlichen MentorInnen<br />

Eine wissenschaftliche Karriere, der Weg zu einer anerkannten Position ist lang und<br />

erfordert die Unterstützung eines Mentors 12 . Die Formen dieser Beziehungen sind<br />

unterschiedlich, als Basis wird zwischen Förderer und Geförderten eine gewisse<br />

Gleichgestimmtheit, eine gemeinsame Wellenlänge, im Selbstverständnis als<br />

Wissenschafter angenommen.<br />

Diese kaum in Frage gestellten Strukturen und Mechanismen im sozialen Feld der<br />

Wissenschaft sind in hohem Maß vergeschlechtlicht. Wie in jeder Organisation liegt<br />

dem Wissenschaftsbetrieb eine Geschlechterordnung zugrunde.<br />

Die Kernfrage beschäftigt sich mit den vergeschlechtlichten Mechanismen im<br />

wissenschaftlichen Feld, wie die Anerkennung von Leistung konstruiert wird, dass es<br />

nach wie vor möglich ist, Frauen den Zugang zu diesem Feld zu erschweren.<br />

Wissenschaft als Lebensform und Lebensmittelpunkt ist demnach wenig vereinbar<br />

mit einem „weiblichen Lebensmuster“. Auch wenn es kein explizites Modell einer<br />

weiblichen Normalbiographie gibt, wird doch immer wieder unterstellt, dass weibliche<br />

Lebensmuster mit den Verhältnissen im Wissenschaftsbetrieb nicht kompatibel sind.<br />

Hagemann-White/Schultz fassen diese Unterschiede wie folgt zusammen:<br />

„Der Werdegang des männlichen Hochschullehrers kann als berufliche<br />

Sozialisation bestimmt und als Fortsetzung der typisch männlichen<br />

Sozialisation in der Kindheit und Jugend gesehen werden: der Werdegang der<br />

Frau an der Hochschule wird hingegen als ein Prozess der Akkulturation zu<br />

bestimmen sein und steht vielfach im Widerspruch zu der<br />

geschlechtstypischen Sozialisation in Kindheit und Jugend“<br />

(Hagemann-White/Schultz 1986, 101).<br />

Die „Schuld“ an der statischen Situation von Unterrepräsentation der Frauen in der<br />

Wissenschaft wird vor allem bei den Frauen selbst gesucht. Erklärungen für dieses<br />

„Unvermögen“ sind in ihren Sozialisationsprozessen, biographischen Verläufen, ihrer<br />

Identitätsentwicklung und Konfliktbewältigung und als eine Hauptursache, der<br />

Umgang mit der Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zu finden. Die<br />

12<br />

Die männliche Form ist hier beabsichtigt.<br />

35


Gründe für die Unterrepräsentanz, die Ausschlussmechanismen werden vor allem<br />

außerhalb der Universitäten vermutet und gesucht.<br />

Die Organisations- inklusive Zeitstrukturen im sozialen Feld der Wissenschaft werden<br />

dabei selten in Frage gestellt.<br />

Ein dominantes Leistungsmerkmal für die Aufnahme in die scientific community und<br />

wissenschaftliche Reputation zu erlangen, ist die Anzahl der Publikationen. Etablierte<br />

WissenschafterInnen (Fach-Peers) entscheiden über die Qualität des Outputs und<br />

entscheiden über die weitere Förderung und Unterstützung der zukünftigen<br />

wissenschaftlichen Karriere.<br />

Krais (2001) bezeichnet die wissenschaftliche Produktivität gemessen an der Zahl<br />

der Veröffentlichungen und an der Häufigkeit des Zitiert Werdens, als den „zentralen<br />

Aspekt der Universalisierung männlicher Lebensmuster“. Dass Frauen im<br />

Durchschnitt seltener als Männer der Gruppe der Wissenschafter mit<br />

überdurchschnittlicher Publikationstätigkeit angehören, ist schon relativ früh in<br />

amerikanischen Untersuchungen gezeigt worden 13 . Woran dies liegt, ist nach wie vor<br />

strittig (vgl. Krais 2001, 20).<br />

Die „besondere Hingabe“ der Person, die die wissenschaftliche Forschung verlangt,<br />

ist für Frauen mit familiären Verpflichtungen weniger möglich als für Männer, lautet<br />

der Grundtenor der von Wissenschaftern und Wissenschafterinnen gleichermaßen<br />

vertreten wird (vgl. Krais 2001, 21).<br />

Aus den Untersuchungen von Krais/Beaufays (2003) zu ihrem Konzept der<br />

wissenschaftlichen Leistung geht hervor, dass ein wesentliches Misstrauen<br />

gegenüber Frauen besteht, der Herausforderung einer wissenschaftlichen Karriere<br />

überhaupt gewachsen zu sein. Durchhaltevermögen wird mit männlicher Potenz<br />

gleichgesetzt, Frauen mit Kindern ist es aufgrund des Zeitmangels kaum mehr<br />

möglich Wissenschaft zu leisten (vgl. Krais/Beaufays 2003, 38).<br />

Diese Einschätzung wird höchst kontrovers diskutiert und gehört sicher zu den<br />

zentralen Aspekten der Diskussion um die hartnäckige Unterrepräsentanz der<br />

Frauen in der oberen „Liga“ der Wissenschaft.<br />

Bei den „Fach-Peers“, welche die Qualität der Forschung beurteilen, dominieren<br />

männliche Experten, die auf ihre Netzwerke und Seilschaften zurückgreifen können,<br />

13<br />

Krais führt aus der amerikanischen Debatte eine Untersuchung J.R. Cole/ St. Cole, 1973 an, in der eine<br />

geringere Produktivität der Frauen festgestellt wurde. Bochow/Joas haben dies 1987 für den akademischen<br />

Mittelbau in der BRD bestätigt.<br />

36


welche durch Insiderwissen, informelle Regeln und Kommunikationsstrukturen<br />

entsprechend verankert sind.<br />

Dazu kommt, dass Frauen laut Neusel 1998/Buchinger 2002/Pellert 2002 oft in<br />

Forschungsbereichen arbeiten, die abseits vom Mainstream liegen (z.B. Frauen- und<br />

Geschlechterforschung) und ein größeres Engagement in den Bereichen Lehre und<br />

Administration zeigen, die aber zur Reputation wenig beitragen (vgl.<br />

Wirkungsanalyse frauenfördernder Maßnahmen im bm:bwk 2007, 48).<br />

Das erwähnte „größere Engagement“ in der Administration liegt m.E. ebenfalls in<br />

einem historisch männlich geprägten Grundverständnis von Arbeitsteilung, der<br />

Zuständigkeit von Frauen und höheren Erwartungen an die Frauen bei<br />

administrativen Tätigkeiten.<br />

3.3 Die Vereinbarkeitsproblematik<br />

Eine Untersuchung von Lydia Buchholz (2004) durchgeführt 2002/2003 unter<br />

ProfessorInnen an Österreichs Universitäten im Rahmen des EU-Projektes<br />

„Research and Training Network (RTN) Women in European Universities“ zeigt<br />

insbesondere Differenzen bei der Verteilung der Reproduktionsaufgaben sowie in der<br />

Analyse der Stellung von Frauen in Wissenschaft und Gesellschaft.<br />

Die Ergebnisse haben die vielfachen geschlechtsspezifischen Unterschiede<br />

innerhalb dieser Berufsgruppe bestätigt. So sind fast alle männlichen befragten<br />

Professoren verheiratet, während die Professorinnen wesentlich häufiger<br />

Trennungen hinter sich haben. Von den männlichen Befragten haben mehr als drei<br />

Viertel Kinder, während nur ca. die Hälfte der Professorinnen Kinder haben.<br />

Zur Frage der Vereinbarkeitsthematik lässt sich zusammenfassen, dass die<br />

Professorinnen zu einem größeren Teil für die Reproduktionsaufgaben zuständig<br />

sind. Auffallend dabei ist, dass ledige Frauen und Frauen ohne Kinder es eher für<br />

problematisch halten, Arbeit und Familie zu vereinbaren, während Professorinnen mit<br />

Kindern und/oder Partner eher eine Vereinbarkeit sehen. Da die Realität aber ein<br />

anderes Bild zeigt, vermutet die Autorin, dass es durchaus möglich ist, dass die<br />

Akademikerinnen sich bewusst gegen eine Partnerschaft und eigene Kinder<br />

entscheiden, da sie eine zu große Belastung für die eigene akademische Karriere<br />

sehen.<br />

37


Für Professoren ist die Situation eine andere. Sie verspüren weniger Konflikte als<br />

ihre Kolleginnen und sind nicht mit mehr Problemen konfrontiert, die aus<br />

Lebensgemeinschaft und Kinder entstehen können.<br />

Die Annahme, dass die Vereinbarkeitsproblematik für Wissenschafterinnen<br />

bedeutender ist als für Wissenschafter hat sich bestätigt. Sie bleibt somit ein<br />

entscheidender Aspekt in der Erklärung der Persistenz der Unterrepräsentation der<br />

Frauen.<br />

Interessant ist, dass Professoren die Situation von Frauen in der Wissenschaft<br />

weniger dramatisch einschätzen, als ihre Kolleginnen. Obwohl die Professoren die<br />

Schwierigkeiten der Kolleginnen durchaus erkennen, schätzen sie diese positiver ein.<br />

Bewerkenswert ist auch, dass die männlichen Kollegen in der Untersuchung die<br />

Schwierigkeiten nicht in den Frauen selbst oder ihrer Sozialisation (siehe oben)<br />

sehen, sondern diese durchaus in den strukturellen und informellen Bedingungen<br />

des Wissenschaftsbetriebes begründet sehen. Trotz dieses Erkennens treten sie<br />

allerdings zum Großteil nicht für die Veränderung des Systems ein. Generell<br />

vertreten die Professoren eine progressive Haltung und befürworten die<br />

Erwerbstätigkeit von Frauen und auch den Einsatz von Gleichstellungsmaßnahmen.<br />

Wenn es aber um Fragen geht, die Veränderungen des Familienlebens und der<br />

Rollenverteilung betreffen, reagieren sie mit ablehnender Haltung.<br />

Hier spielen deutlich die Befürchtungen hinein, durch Erwerbstätigkeit der<br />

Partnerinnen in der eigenen beruflichen Verwirklichung eingeschränkt zu werden.<br />

Die Diskrepanz zwischen Befürwortung der Erwerbsfähigkeit der Frauen und<br />

geringer Beteiligung an Haus- und Erziehungsarbeit (damit verbunden auch kaum<br />

Unterbrechungen der Karriere durch Kindererziehungszeiten) bewirkt, dass<br />

Professoren auch weiterhin nicht von der Vereinbarkeitsproblematik betroffen sind,<br />

während Professorinnen und alle erwerbstätigen Frauen mit Mehrfachbelastungen<br />

umgehen müssen (vgl. Buchholz 2004, 88).<br />

Der Widerspruch zwischen Einstellung und Aussagen und dem Verhalten von<br />

Wissenschaftern kann als Indiz für subtile Barrieren und verborgende Mechanismen<br />

der männlichen Dominanz in der Wissenschaft und im Wissenschaftsbetrieb gewertet<br />

werden.<br />

38


Bei der Frage nach Barrieren im sozialen Feld der Wissenschaft, in der scientific<br />

community, beschreibt Krais (2001) das interessante Phänomen des<br />

„Diskriminierungs-Paradox“. Demnach werden Barrieren, Diskriminierungen und<br />

mangelnde Förderung im Wissenschaftsbetrieb subjektiv nicht als Diskriminierung<br />

empfunden. Übereinstimmend wird in Untersuchungen, die sich mit<br />

Diskriminierungserfahrungen von Frauen beschäftigen, berichtet, dass<br />

Wissenschafterinnen, auf die Frage nach Diskriminierungserfahrungen aufgrund<br />

ihres Geschlechts, angeben, davon nicht betroffen zu sein. Die gleichen Frauen<br />

berichten aber von einer großen Anzahl von Blockierungen, mehr oder weniger<br />

subtilen Behinderungen und Ausschlüssen in ihrer Laufbahn. Wesentlich ist auch die<br />

Erfahrung der Frauen, wonach sie von ihren Betreuern (Doktorväter, Vorgesetzte)<br />

weniger gefördert und unterstützt werden als Männer (vgl. Krais 2001, 22).<br />

Wie oben schon erwähnt, werden Diskriminierungserfahrungen der betroffenen<br />

Frauen nicht als strukturell, sondern oftmals in der eigenen Person begründet,<br />

gesehen. Oder – wie die Untersuchung von Buchholz unter den befragten<br />

Professoren zeigt – sehr wohl ungerechte strukturelle und informellen Bedingungen<br />

erkannt werden, aber keine Notwendigkeiten gesehen werden, diese zu verändern.<br />

Die Befürchtung, dass Veränderungen der strukturellen Bedingungen in Richtung<br />

geschlechtergerechte Bedingungen auf Kosten der männlichen Wissenschafter<br />

gehen, schlägt dabei immer wieder durch.<br />

39


3.4 Die Öffnung der Universität für Frauen – ein kurzer Rückblick<br />

„Völlige Gleichberechtigung der Geschlechter auf dem Gebiet der Wissenschaft.<br />

Nicht mehr kann ich fordern, mich mit weniger nicht begnügen.“<br />

Hedwig Dohm, Die wissenschaftliche Emancipation der Frau, 1874<br />

Im Jahr 1897 durfte erstmals eine Frau als Studentin die Universität Wien betreten.<br />

1907 wurden Frauen als Assistentinnen zugelassen und 1956 gab es in Wien die<br />

erste weibliche Berufung. Die Geschichte der Universität (Wien wurde im Jahr 1365<br />

gegründet) und der Wissenschaft ist geprägt vom Ausschluss der Frauen.<br />

Bemerkenswert für die Entwicklungsgeschichte der Universität und der Wissenschaft<br />

ist, dass der Grundstein als Männerbund bereits im Mittelalter gelegt wurde und<br />

Wissenschaft und Hochschullehre eine rein männliches Berufsprivileg war. Marianne<br />

Friese (2003) sieht den Ausschluss des weiblichen Geschlechts im „philosophischtheologischen<br />

Frauenbild der zeitgenössischen Scholastik und der zeitlich vom<br />

Beginn des Humanismus bis zur Aufklärung reichenden Debatte um die Stellung der<br />

Frau“, begründet (Friese 2003, 10).<br />

Die im 19. Jahrhundert wieder aufgeflammte Debatte um die Teilhabe von Frauen an<br />

wissenschaftlicher Theorie und Praxis wird im Kontext der Entstehung der Ersten<br />

Frauenbewegung gesehen. Die Forderung der Ersten Frauenbewegung nach<br />

Bildungsmöglichkeiten für Frauen führt letztendlich zu einer späten Zulassung der<br />

Frauen zum akademischen Studium um die Jahrhundertwende.<br />

Die weitere Entwicklung der Wissenschaftsgeschichte der Frau ist trotz<br />

zahlenmäßiger Aufholjagd geprägt von Beschränkungen und begrenzten<br />

Möglichkeiten, bis zu offenem Widerstand gegen ihre wissenschaftliche<br />

Qualifizierung.<br />

Eine erwähnenswerte Ausnahme nach Öffnung der Universitäten für Frauen ist die<br />

institutionelle Verankerung des „Vereins für Sozialpolitik“. Der Verein gegründet<br />

1906 von Alfred und Max Weber, ermöglicht Wissenschafterinnen eigene<br />

Forschungen durchzuführen. Es entsteht eine Fülle von Studien von<br />

Wissenschafterinnen zur Lage von Arbeiterinnen, Hausfrauen, Dienstboten,<br />

Heimarbeiterinnen und Prostituierten. In der Regel erhalten Akademikerinnen aber<br />

kaum Chancen zur Profilierung und Etablierung im wissenschaftlichen Bereich (vgl.<br />

Friese 2003, 10).<br />

40


Wissenschaftliche Mentoren waren für Frauen, die ein Studium ergreifen wollten,<br />

unabdingbar. Ohne Unterstützung und Empfehlung wären Frauen nicht zum Studium<br />

zugelassen worden, noch hätten sie nach Abschluss des Studiums Möglichkeiten für<br />

eigene Forschungstätigkeiten gehabt. Sie führten das Etikett einer „Ausnahmefrau“ 14 .<br />

„Berühmte Wissenschafterinnen, die zu den Pionierinnen und<br />

Ausnahmefrauen ihrer Zeit gehörten, waren auf Gedeih und Verderb auf das<br />

Wohlwollen und die Unterstützung von Mentoren angewiesen“<br />

(Brandner 2005, 20).<br />

Der Frauenanteil der Studierenden nimmt ab dem 20. Jahrhundert kontinuierlich zu.<br />

Verstärkte Restriktionen gegen weibliche Studierende gibt es wiederum während des<br />

Ständestaates, der eine Debatte um eine 10prozentige Beschränkung des<br />

Frauenanteils unter den Studierenden führt.<br />

Das Dritte Reich fügt durch seine Vertreibungs- und Ermordungspolitik von jüdischen<br />

und politisch nicht opportunen Intellektuellen der Universität immensen Schaden zu,<br />

in Wien werden 54% der Professoren vertrieben.<br />

Die Vertreibung von jüdischen Akademikerinnen und dem weitgehenden Ausschluss<br />

von Frauen aus der Wissenschaft hinterlässt einen tiefen Riss in der Geschichte der<br />

Universität und Wissenschaft. Die emigrierten Frauen kehren nach Kriegsende nicht<br />

mehr an die österreichischen Universitäten zurück.<br />

Die gesellschaftliche Stellung der Universität ist nach dem Krieg eine marginale. Nur<br />

wenige Universitätsangestellte sind politisch unbelastet. Die Nachkriegszeit ist weiter<br />

geprägt vom Ausschluss der Frauen in der Wissenschaft. Bis zur Bildungsoffensive<br />

in den 1970er Jahren werden nur wenige Wissenschafterinnen an den Universitäten<br />

zugelassen.<br />

Im Jahr 1955 markiert eine Gesetzesnovelle, die eine einheitliche Verwaltung aller<br />

Universitäten ermöglicht, den Beginn einer Reihe gesetzlicher Änderungen, die das<br />

Hochschul-Organisationsgesetz betreffen. Die Studierendenzahlen steigen in den<br />

1950er und 1960er Jahren kontinuierlich an, personelle und materielle Ressourcen<br />

sind aber völlig unzureichend. Die 1960er und 1970er Jahre sind die „goldenen“<br />

14<br />

Berühmtes Beispiel in der ersten Hälfte des 20. Jhdts ist die Atomphysikerin Lise Meitner und ihr Mentor<br />

Max Planck. Für Max Planck war Lise Meitner „die Ausnahmefrau“, da er grundsätzlich gegen Frauen in der<br />

Wissenschaft war. Von ihm stammt auch der Satz „Amazonen sind auch auf geistigem Gebiet naturwidrig“ (vgl.<br />

Brandner 2005, 20).<br />

41


Jahre der Bildungsoffensive der Politik, mit dem Ziel, den Bildungsstand der<br />

Bevölkerung anzuheben. Die Reorganisation der Universität folgt im UOG 1975.<br />

Diese Reform beinhaltet Maßnahmen zur Einbeziehung der UniversitätslehrerInnen,<br />

Studierenden und des Verwaltungspersonals in Entscheidungen der Kollegialorgane.<br />

Jahrelange Forderungen der StudentInnenbewegung nach Reformen,<br />

Mitbestimmung und besseren Arbeitsbedingungen wird hier Rechnung getragen. Die<br />

Vergrößerung der Kollegialorgane die dadurch notwendig wird, führt aber auch zu<br />

heftiger Kritik an der Effizienz der Universitäten.<br />

3.4.1 Wichtige Reformschritte auf dem Weg Gleichbehandlung<br />

1975 im Internationalen Jahr der Frau gibt es erste Initiativen zur Verbesserung der<br />

rechtlichen Situation in Richtung Gleichbehandlung von Mann und Frau. Folge davon<br />

ist 1979 das erste Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft, das vor allem<br />

auf die massive Lohnungleichbehandlung bei der Festsetzung der Gehälter abzielt.<br />

Der Bildungsbereich, der im öffentlichen Dienst angesiedelt ist, besitzt weiterhin kein<br />

Gleichbehandlungsgesetz mit der Begründung, Ungleichbehandlung in der<br />

Lohngestaltung sei im öffentlichen Dienst von vornherein ausgeschlossen. Allerdings<br />

ist damals der Umstand nicht wegzuleugnen, dass Frauen im öffentlichen Dienst<br />

niedrig qualifiziertere Arbeiten erledigen, die eine geringere Entlohnung mit sich<br />

bringen.<br />

An den Universitäten bilden sich in den 1980er Jahren vielfältige Initiativen von<br />

Seiten der StudentInnen aber auch von Gruppen weiblicher Universitätsangehöriger<br />

im Kontext der Frauenbewegung, die gegen den vorherrschenden male bias in den<br />

Arbeitssituationen und Studieninhalten auftreten. Hintergrund ist der stetig steigende<br />

Anteil weiblicher Studentinnen und Absolventinnen, bei gleichzeitiger Stagnierung<br />

des weiblichen wissenschaftlichen Anteils des Universitätspersonals. Das Argument<br />

eines historisch bedingt und zeitlich begrenzten Qualitätsrückstandes der Frauen,<br />

aufgrund der Tradition des Ausschlusses von der Universität, ist immer schwieriger<br />

zu halten. Folge dieser Zeit in den 1980er und 1990er Jahren ist die Schaffung der<br />

Grundlagen für Frauenforschung und Frauenförderung (vgl. Seiser 2003, 20).<br />

42


Die Verrechtlichung der Gleichbehandlung und Frauenförderung umfasst mittlerweile<br />

einen Zeitraum von beinahe 20 Jahren. Im Jahr 1990 im Zuge einer Novelle des<br />

Universitäts-Organisations-Gesetzes 1975 (UOG 75) wird eine Bestimmung zur<br />

Einrichtung der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen eingefügt, dessen<br />

Aufgaben im Entgegenwirken von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts durch<br />

Kollegialorgane der Universität, ist. Als rechtliches Mittel steht dem Arbeitskreis die<br />

Aufsichtsbeschwerde an das Ministerium, allerdings ohne aufschiebende Wirkung,<br />

zur Verfügung. Im Universitäts-Organisations-Gesetz 1993 (UOG 93) werden die<br />

Kontrollrechte der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen verbessert und<br />

ausgeweitet. Kernstück wird ein zweistufiges Verfahren von Einspruch und<br />

Aufsichtsbeschwerde gegen mögliche diskriminierende Beschlüsse.<br />

Ein Bündel an Normen und Regelwerken zur Gleichbehandlung und<br />

Frauenförderung an den Universitäten werden bis zum Universitäts-Gesetz 2002 (UG<br />

02) institutionalisiert. Mit dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen<br />

Dienst, das 1993 (14 Jahre nach Einrichtung des Bundes-<br />

Gleichbehandlungsgesetzes für die Privatwirtschaft) installiert wird, wird die Basis für<br />

den ersten Frauenförderungsplan im Wissenschaftsressort im Jahr 1995 geschaffen.<br />

Die Vorschreibung einer qualifikationsabhängigen Frauenquote von 40%<br />

Frauenanteil und Vorrangregeln für Frauen, die Einsetzung von<br />

Gleichbehandlungsorganen sind die zentralen Bestimmungen, die in die<br />

Frauenförderpläne der Universitäten Eingang finden. Dabei ist vor allem die damalige<br />

neue Quotenregelung ein Meilenstein: zum ersten Mal können Frauen bei<br />

Einstellungen und Beförderungen bevorzugt werden.<br />

Die Quotenregelung ist von Anfang an bis heute eine umstrittene Regelung. Dabei<br />

wird gerne vergessen, was die Intention einer leistungsabhängigen Quotenregelung<br />

ist: eine Gleich- oder Besserqualifikation als der bestgeeignetste Mitbewerber. Das<br />

Argument, nur aufgrund des weiblichen Geschlechts vorrangig behandelt zu werden<br />

und Männer bei Personalentscheidungen bewusst zu diskriminieren, wird auch 15<br />

Jahre nach Einführung der Regelung immer wieder strapaziert und bewusst<br />

eingesetzt.<br />

Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Form von Frauenförderungsplänen für die<br />

österreichischen Universitäten treten erstmals 1995 seitens des zuständigen<br />

43


Ministeriums in Kraft. Darüber hinaus können sich die Universitäten eigene<br />

Frauenförderungsbestimmungen geben. Verpflichtend ist die Festlegung auf<br />

Richtlinien für universitätseigene Frauenförderungspläne, die seit dem UOG 1993 ein<br />

Bestandteil der Satzung sind. Vorschläge für die Richtlinien und die darauf<br />

aufbauenden Frauenförderungspläne werden vom Arbeitskreis für<br />

Gleichbehandlungsfragen gemacht. Eine entscheidende Kompetenzerweiterung<br />

passierte unter dem UOG 1993 für den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen:<br />

der Aufgabenbereich wurde auf die gesamten Personalaufnahmeverfahren<br />

ausgedehnt (vgl. Holzleithner 2002, 191ff).<br />

Der Wirkungsbereich der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen umfasst vor<br />

allem Personalentscheidungen. Durch Einspruch und Beschwerde kann der<br />

Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen bei Verdacht einer Diskriminierung<br />

aufgrund des Geschlechts mit aufschiebender Wirkung in ein Personalverfahren<br />

eingreifen. Beschreitet der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen den Weg von<br />

Einspruch und Beschwerde, wird das Verfahren bis zur Entscheidung im Ministerium<br />

ruhend gestellt (vgl. Seiser 2003 17ff, Holzleithner, Benke 2003, 191ff, Holzleithner<br />

2002, 191).<br />

Die im UOG 1993 vorbereiteten Umstrukturierungen finden im Universitäts-Gesetz<br />

2002 (UG 02) ihren Abschluss und leiten einen Paradigmenwechsel in der<br />

Universitätslandschaft ein. Das grundlegende Anliegen des UG 02 liegt in der<br />

gesetzlichen Deregulierung. Das Ziel der dem Gesetz vorangehenden<br />

Reformdebatten liegt in der Kürzung des Umfangs des Universitätsrechts und in der<br />

Privatautonomie im Personalbereich (vgl. Holzleithner 2004, 27).<br />

Durch das UG 02 erhalten die Universitäten ihre Vollrechtsfähigkeit und Autonomie,<br />

ebenso Zielvorgaben und Globalbudgets. Die HochschullehrerInnen werden zu<br />

Angestellten der Universität. Das Management ist dreigliedrig: Universitätsrat<br />

(dessen Mitglieder vom Ministerium und der Universität für einen Zeitraum von 3<br />

Jahren berufen werden), Senat und Rektorat (zuständig für die operative<br />

Geschäftsführung).<br />

Die Reform spiegelt deutlich den Rückzug des Staates aus dem Universitätsbereich<br />

durch Deregulierung und Dezentralisierung wider.<br />

44


Die Universitätsreformen der 1970er Jahre dienen der Öffnung und Demokratisierung<br />

der Universitäten und entstehen u.a. aus einer Vielzahl von StudentInneninitiativen<br />

und Zusammenschlüssen der Frauenbewegungen und –initiativen, die gegen eine<br />

„verstaubte“ Universität auftreten.<br />

Auf die nachfolgende Reform, verrechtlicht im UOG 1993, trifft das Schlagwort<br />

„Managementisierung“ der Universitäten zu. Das UOG 1993 wird in drei Phasen und<br />

stufenweise bis 1999 an den Universitäten implementiert. Die Managementisierung<br />

steht ursächlich mit der Entwicklung der Universität durch Öffnung und<br />

Demokratisierung zur „Massenuniversität und mit der zunehmenden an die Grenzen<br />

stoßenden Finanzierung“ der Universitäten in Zusammenhang. Das UOG 93 wird als<br />

Kompromiss zwischen „Mitbestimmung“ und „Managementisierung“ gehandelt und<br />

leitet die Dezentralisierung (Verlagerung wesentlicher Entscheidungen auf<br />

universitäre Ebene) ein (vgl. Pellert/Welan 1995).<br />

Mit dem UG 02 erfahren die Universitäten, wie bereits vorhin erwähnt, nun einen<br />

grundlegenden Wandel.<br />

Neben dem Erhalt der vollen Rechtsfähigkeit durch institutionelle Autonomie von der<br />

staatlichen Verwaltung haben sich auch die inneruniversitären<br />

Entscheidungsstrukturen grundlegend geändert. Die Universität wird Arbeitgeberin<br />

und erhält ein Globalbudget.<br />

Ada Pellert (2003) beschreibt die neue organisationale Struktur so:<br />

„Es wird ein neues Steuerungsmodell eingeführt, das aus einem relativ<br />

starkem Rektorat, einem neu eingeführten Universitätsrat und aus Ziel- und<br />

Leistungsvereinbarungen zwischen Staat und Universität besteht“ (Pellert<br />

2003, 28).<br />

Die neuen Steuerinstrumente, die das UG 02 mit sich bringt, sind neben<br />

Leistungsvereinbarungen auch regelmäßige Evaluierungen und<br />

Qualitätsmanagement.<br />

Durch den Paradigmenwechsel ist auch die Gleichstellungspolitik der Universitäten<br />

betroffen. Die Gleichstellungspolitik und –instrumentarien, die ihre Verrechtlichung im<br />

UOG 93 finden und in die bestehende Universitätsstruktur eingewoben sind, liegen<br />

nun ebenfalls in der Verantwortung der autonomen Universitäten. Da die steuernde<br />

45


Funktion des Ministeriums zum Teil wegfällt, fällt den Universitäten in vielen<br />

Bereichen und Politiken eine aktive, gestaltende und neu auszufüllende Rolle zu.<br />

3.4.2 Das Prinzip Gender Mainstreaming 15<br />

Die Universitätsreform wird unter den Vorgaben des Prinzips des Gender<br />

Mainstreamings gestaltet, sogar zu einem Pilotprojekt in Sachen Gender<br />

Mainstreaming ausgerufen. Gender Mainstreaming ist, wie Elisabeth Holzleithner<br />

(2004) ausführt,<br />

„die neue Methode der Genderpolitik, die vor allem im Rahmen der<br />

Europäischen Union ein hohes Ausmaß an Prominenz, rechtlicher<br />

Verankerung (EG-Vertrag Art. 2 und 3) und rhetorische Wirkungsmacht erlangt<br />

hat“ (Holzleithner 2004, 28).<br />

Das Prinzip Gender Mainstreaming bedeutet, dass auf allen Entscheidungsebenen<br />

die Geschlechterfrage gestellt wird. Entscheidungsträger sind angehalten<br />

„geschlechtsspezifische Belange in die Konzeption aller Politiken und<br />

Programme einzubeziehen, so dass vor dem Fällen von Entscheidungen die<br />

Folgen für Männer und Frauen analysiert werden“ (Europäische Kommission<br />

Leitfaden 2, zit. nach Holzleithner 2004, 28).<br />

Neben der Implementierung von Gender Mainstreaming ist die zweite Strategie in<br />

Maßnahmen zur Frauenförderung begründet. Die Bestimmungen zu Gleichstellung<br />

und Frauenförderung sind enthalten als Grundsatz der Universitäten (§2 Z 9, § 3 Z 9<br />

UG 02) und ist im § 41 UG 02 ein allgemeines Frauenförderungsgebot normiert.<br />

Silvia Ulrich (2004) beschreibt drei genderspezifische Reformoptionen, die im UG 02<br />

verwirklicht sind:<br />

1. Implementierung eines effektiven genderspezifischen Rechtsschutzsystems<br />

Dieses besteht aus dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen mit der<br />

Aufgabe, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts 16 entgegenzuwirken<br />

15<br />

Gender Mainstreaming wird in Kapitel 4.1.2. genauer behandelt.<br />

46


sowie die Universitätsangehörigen in Fragen der Gleichstellung und<br />

Frauenförderung zu beraten und zu unterstützen (§42 UG 02).<br />

2. Sicherstellung von Frauenförderungsinstrumenten zur Verwirklichung<br />

struktureller Gleichstellungseffekte<br />

Darunter fällt die Verpflichtung, in der Satzung einen Frauenförderungsplan zu<br />

erlassen (319 Abs. 2 Z6 UG 02). Der ministerielle Frauenförderplan fällt weg<br />

und damit auch die gesetzlichen Vorgaben.<br />

3. Schaffung organisationsrechtlicher Rahmenbedingungen<br />

Die Universitäten sind verpflichtet zu der Einrichtung einer<br />

Organisationseinheit zur Koordination der Aufgaben der Gleichstellung, der<br />

Frauenförderung sowie der Geschlechterforschung (§ 19 Abs. 2 Z 7 UG 02)<br />

(vgl. Ulrich 2004, 346).<br />

Die Ausgliederung der österreichischen Universitäten, deren Grundstein mit dem<br />

UOG 93 bereits gelegt wird, von Jessica Bösch (2004) auch als neoliberaler Umbau<br />

des Hochschulsystems bezeichnet (Bösch 2004, 12), die zunehmend kaum mehr<br />

überblickbare Zahl von Fachhochschulen und Privatuniversitäten, die dadurch<br />

entstehende neue Wettbewerbssituation am Bildungsmarkt – diese Faktoren stellen<br />

die „klassische Universität“ vor eine Situation die in den letzen Jahren auch für alle<br />

Universitätsangehörige eine große Herausforderung ist. Das Universitätspersonal<br />

wird konfrontiert mit veränderten Organigrammen und Anstellungsverhältnissen, die<br />

Studierenden mit neuen Curricula und dem Umbau des Studien-Systems auf das<br />

europaweite Bologna-System (Bachelor-Master-Studium) und nicht zuletzt mit der<br />

Einführung von Studiengebühren, welche den Paradigmenwechsel augenscheinlich<br />

macht.<br />

Die Europäisierung der Ausbildungsstandards und Studienbedingungen sowie die<br />

Qualitätssicherung von Lehre und Forschung werden und sind neben der<br />

Wettbewerbsfähigkeit am zunehmend segregierten Bildungsmarkt, die wichtigsten<br />

Herausforderungen und Zielvorgaben, die die „klassische“ Universität zu bewältigen<br />

hat.<br />

16<br />

Mit der Novelle des B-GlBG 2004 wurden die Zuständigkeiten des AKG auf die<br />

Diskriminierungstatbestände ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder<br />

der sexuellen Orientierung ausgeweitet.<br />

47


Der grobe Überblick, der bei weitem nicht vollständig ist 17 , soll veranschaulichen,<br />

dass eine Vielzahl von Regelungen zur Gleichbehandlung und Frauenförderung in<br />

den Universitäten entwickelt wurde. Es mangelt den Universitäten nicht an formellen<br />

gesetzlichen Regelungen, sondern muss das bestehende geschlechtspezifische<br />

Ungleichgewicht in den oberen wissenschaftlichen Hierarchien, auf der informellen<br />

Ebene der Symbole und eingeschriebenen Geschlechter-Ordnungen, im Verhalten<br />

der täglichen Arbeits-Praxis, in den sozialen Beziehungen inklusive Netzwerken und<br />

Abhängigkeitsverhältnissen zu suchen sein.<br />

3.4.3 Diversity – Das Prinzip der Vielfalt<br />

Neben dem Prinzip Gender Mainstreaming ist aktuell auch der Begriff Diversity bzw.<br />

Gender und Diversity in der Gleichstellungsarbeit an den Universitäten präsent.<br />

Diversity beschreibt das Prinzip der Vielfalt und der Andersheit und umfasst neben<br />

der Geschlechterdifferenz andere Differenzierungsmuster, wie Hautfarbe, ethnische<br />

Herkunft, Weltanschauung, Religion, sexuelle Orientierung, Alter, Behinderung, etc.<br />

Die Strategie Diversity Management geht dabei von der Anerkennung und Nutzung<br />

dieser vielfältigen Dimensionen als Entwicklungspotenzial für eine Organisation aus.<br />

Die unterschiedlichen sozialen, kulturellen und biographischen Hintergründe können<br />

wie die Geschlechterdifferenz, Projektionsflächen für Diskriminierungen sein.<br />

Durch die Novelle zum Bundes-Gleichbehandlungsgesetz von 2004 sind etwa die<br />

Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen an den österreichischen Universitäten<br />

nicht mehr nur für den Diskriminierungstatbestand aufgrund des Geschlechts<br />

zuständig, sondern auch bei Ungleichbehandlung aufgrund ethnischer Herkunft,<br />

Weltanschauung, Religion, sexuelle Orientierung und Alter.<br />

Die soziale Herkunft der Studierenden ist ein Thema, dass durch die OECD Studie<br />

„Bildung auf einem Blick 2008“ 18 – und aufgrund der bevorstehenden<br />

17<br />

Einen umfassenden chronologischen Überblick über die Entstehung der Verrechtlichung der<br />

Gleichbehandlung und Frauenförderung sowie einen Überblick über die Universitätsreformen bieten u.a.<br />

Elisabeth Holzleithner (2002) (2004), Elisabeth Holzleithner/ Nikolaus Benke (2003), Gertraud Seiser (2003),<br />

Silvia Ulrich (2004).<br />

18<br />

Aus Der Standard :OECD Studie: Aufteilung in Hauptschule und Gymnasium zu früh. Defizite am Anfang<br />

und am Ende des Bildungsspektrums zeigt eine neue OECD-Studie: Österreich hat zu wenig Kinder im<br />

Kindergarten und zuwenig Akademiker. Printausgabe 10. September 2008.<br />

48


Nationalratswahlen in Österreich und der für die Parteien zentrale Frage<br />

Studiengebühren ja oder nein – in den öffentlichen Debatten präsent ist. Dabei ist<br />

auffällig, dass eine soziale Selektion nach wie vor wirksam ist. Der Anteil der<br />

AkademikerInnenkinder an den Universitäten ist zweieinhalb Mal höher, als es ihrem<br />

Bevölkerungsanteil entspricht. Der sozioökonomische Status der Eltern ist für die<br />

Entscheidung eines Studiums ein wichtiger Aspekt. Neben der Entscheidung über<br />

ein Studium spielt der sozioökonomische Hintergrund aber auch bei der Wahl des<br />

Studiums eine Rolle.<br />

Ein weiterer wichtiger Untersuchungsgegenstand und Ansatz für Förderprogramme<br />

im Sinne von Diversity sind StudentInnen mit Migrationshintergrund und ihre<br />

Studienwahl.<br />

Für diese Themenkomplexe gibt es zumindest an der Universität Salzburg keine<br />

Zahlen und werden diese Aspekte bei der Konzeption von Förderprogrammen noch<br />

vernachlässigt.<br />

Zur Erhöhung der Chancengleichheit beim Zugang zu den Bildungsressourcen<br />

wären diese Themenfelder für die Universitäten noch zu untersuchen und<br />

Grundlagenarbeit notwendig.<br />

49


4. Gleichstellungsarbeit und Geschlechterverhältnis an den Universitäten<br />

4.1. Gesetzliche Gleichstellung und die reale Situation an der Universität<br />

„Das Universitätsgesetz 2002 beinhaltet ein Rechtsschutzinstrumentarium<br />

(Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen, Schiedskommission) und<br />

Frauenförderungsinstrumente zum Abbau strukturell bedingter Ungleichheiten sowie<br />

organisationsrechtliche Rahmenbedingungen für die Weiterführung bewährter<br />

Einrichtungen, wie etwa die Koordinationsstellen für Frauen- und<br />

Geschlechterforschung oder die Kinderbüros. Ein wichtiges<br />

Frauenförderungsinstrument ist die Verpflichtung der autonomen Universität, einen<br />

Frauenförderungsplan zu erlassen.<br />

Die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen zur Gleichbehandlung und<br />

Frauenförderung ist Aufgabe der Universität“. 19<br />

Trotz einer Vielzahl von Gleichstellungsinstrumentarien und gesetzlichen<br />

Regelungen ist es eine Tatsache, dass Österreich im Ländervergleich in Sachen<br />

Gleichstellung der Geschlechter im Wissenschaftsbereich am unteren Ende rangiert<br />

(vgl. Appelt 2004, 1).<br />

Vereinzelt brechen konservierte und einzementierte Handlungsweisen - wie zuletzt<br />

2007 die Berufung der ersten Rektorin an der Universität für Bodenkultur Wien zeigt -<br />

auf. Bei Betrachtung der folgenden Grafik wird der mittlerweile leichte Überhang von<br />

weiblichen Absolventinnen an den gesamtösterreichischen Universitäten in den<br />

letzten Jahren deutlich. Dies steht im krassen Gegensatz zu dem weiblichen Anteil<br />

an Führungspositionen auf den oberen Hierarchieebenen. Die Diskrepanz ist wie in<br />

der Abbildung zu sehen, mehr als deutlich:<br />

19<br />

Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung auf ihrer Homepage zu Frauenförderung und<br />

Gleichbehandlung an den Universitäten<br />

http://www.bmwf.gv.at/submenue/wissenschaft/gender/fauenfoerdan_universitaeten/ abgerufen am 14.08.2008<br />

50


Abb 2: Studienabschlüsse Universitäten nach Studienjahr / Universitäten gesamt<br />

Studienjahr<br />

Studienjahr 2000/01<br />

(endgültig)<br />

Studienjahr 2001/02<br />

(endgültig)<br />

Studienjahr 2002/03<br />

(endgültig)<br />

Studienjahr 2003/04<br />

(endgültig)<br />

Studienjahr 2004/05<br />

(endgültig)<br />

Studienjahr 2005/06<br />

(endgültig)<br />

Studienjahr 2006/07<br />

(endgültig)<br />

Studienabschlüsse<br />

Geschlecht Frauen Männer Gesamt<br />

8.636 8.519<br />

8.580 8.283<br />

9.836 9.029<br />

10.588 9.841<br />

11.456 9.522<br />

11.828 10.102<br />

12.221 9.900<br />

17.155<br />

16.863<br />

18.865<br />

20.429<br />

20.978<br />

21.930<br />

22.121<br />

Quelle: bmwf, Datenmeldungen der Universitäten auf Basis UniStEV zum jeweiligen Stichtag Datenprüfung und -aufbereitung:<br />

bmwf, Abt. I/9<br />

Der Umstand, dass die hartnäckige Unterrepräsentanz von Frauen in den oberen<br />

Hierarchieebenen des Wissenschaftsbetriebes – trotz mittlerweile höherer<br />

Absolventinnenzahlen an den Universitäten und einer Vielzahl von<br />

gleichstellungspolitischen Instrumentarien, Institutionalisierungen von<br />

Gleichbehandlungs- und Frauenförderungseinrichtungen, Etablierung der Frauenund<br />

Geschlechterforschung in der Lehre – nach wie vor besteht, dieser gender bias<br />

nicht überwunden werden kann, rückt neben den Strukturen auch die<br />

Instrumentarien und Maßnahmen zur Gleichstellungsarbeit und deren Wirkung in den<br />

Blickpunkt.<br />

Seit mehr als 10 Jahren beginnen mehr Frauen ein Universitätsstudium als Männer.<br />

Mittlerweile liegt der Anteil der Studentinnen im gesamten Hochschulbereich bei 57<br />

Prozent. Seit Beginn der 1970er Jahre hat sich der Frauenanteil damit verdoppelt.<br />

Das relativ ausgewogene Geschlechterverhältnis unter den Studierenden kann über<br />

eine zähe und anhaltende Unterrepräsentanz von Frauen beim wissenschaftlichen<br />

Personal und hier vor allem bei den akademischen Führungspositionen nicht<br />

hinwegtäuschen.<br />

51


Die Verteilung der Geschlechter unterscheidet sich entlang unterschiedlicher Linien<br />

(vgl. Ulmi/Maurer 2003, 17) durch:<br />

Vertikale Segregation<br />

Je höher die Hierarchiestufe, desto seltener sind Frauen zu finden.<br />

Horizontale Segregation<br />

Frauen und Männer verteilen sich nach Fächern unterschiedlich.<br />

Erhebliche Geschlechterdifferenzen gibt es bei den Erstabschlüssen in<br />

naturwissenschaftlichen und technischen Fächern. Besonders stark<br />

unterrepräsentiert sind Frauen in Fächern wie Maschinenbau, Elektrotechnik oder<br />

Informatik, in denen ihr Anteil weiterhin weniger als 15 Prozent beträgt. In der<br />

Pharmazie, aber auch in der Biologie sind sie mittlerweile deutlich in der Mehrheit.<br />

Abb. 3: Gender Schere – horizontale Segregation<br />

Quelle: heureka, Wisseschaftsmagazin im Falter 20 , Grafik: Hackl, APA;<br />

rot = weiblicher Anteil, blau = männlicher Anteil<br />

20<br />

http://www.falter.at/web/heureka/blog/?p=119, abgerufen am 14.08.2008<br />

52


In ihrer Studie Geschlechterdifferenz und Nachwuchsförderung in der Wissenschaft<br />

stellen Ulmi und Maurer (2005) für die Schweizer Hochschulen noch weitere<br />

Bruchlinien fest:<br />

Vertragliche Segregation<br />

Auf allen Stufen der Qualifizierung sind Frauen weniger häufig an<br />

Hochschulen angestellt und im Durchschnitt auch statustiefer.<br />

Soziale Segregation<br />

Männer mit erfolgreicher akademischer Karriere kommen überdurchschnittlich<br />

häufig aus einem Elternhaus mit einem akademisch gebildeten Vater.<br />

Erfolgreiche Akademikerinnen haben auffällig häufig auch eine akademisch<br />

gebildete Mutter.<br />

53


4.2 Das Geschlechterverhältnis an der Universität Salzburg<br />

Mit knapp 14.000 Studierenden, 1.382 Mitglieder des wissenschaftlichen Personals<br />

und 131 ProfessorInnen, reiht sich die Universität Salzburg größenmäßig ins<br />

Mittelfeld der österreichischen Universitäten ein. 21 Die Hälfte der Studierenden ist auf<br />

der Juridischen Fakultät vertreten (Recht, Wirtschaft, Sozialwissenschaften), je ca.<br />

2000 Studierende sind auf Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und<br />

Naturwissenschaften verteilt. Die Sportwissenschaften haben ca. 500 Studierende.<br />

Der Frauenanteil beim hauptberuflich wissenschaftlichen Personal liegt bei<br />

insgesamt 33,3 %, bei ProfessorInnen 15,3%. Auch hier zeigt sich deutlich das<br />

„akademische Frauensterben“ wie in der folgenden Abbildung verdeutlicht:<br />

Abb 4: „leaky pipeline“ an der Universität Salzburg –<br />

Frauen und Männer in unterschiedlichen Qualifikationsstufen in Prozent<br />

Die „ Schere“ ähnelt deutlich jener aus der Abbildung 1, die die Verteilung an den<br />

gesamtösterreichischen Universitäten darstellt, wobei doch auffällt, dass der<br />

weibliche Anteil der Studierenden und Studierende mit Erstabschluss deutlich höher<br />

ist, als im gesamtösterreichische Durchschnitt.<br />

Wie die leaky pipeline deutlich zeigt, sind Frauen bei den UniverstitätsassistentInnen<br />

unterdurchschnittlich vertreten. Bei der Anzahl der Habilitationen 2006 weisen sie<br />

21<br />

Die Zahlen sind dem 1. Zwischenbericht zur Evaluierung von excellentia 2007 des IHS unter der<br />

Autorenschaft von Angela Wroblewsiki und Andrea Leitner entnommen.<br />

54


nur mehr einen Anteil von 13% auf. Die erste Professorin wurde 1967 an die<br />

Universität Salzburg berufen. Von einer sichtbaren Erhöhung des Frauenanteils,<br />

kann man aber erst Ende der 1990er Jahre sprechen. Mit dem 15,3 % Anteil<br />

weiblicher Professorinnen, reiht sich die Universität Salzburg an die Universitäten mit<br />

dem höchsten weiblichen ProfessorInnenanteil (vgl. Wroblewski/Leitner 2007, 26). 22<br />

4.3 Die Entwicklung des Geschlechterverhältnisses an der Universität<br />

Salzburg<br />

Die Zahlenverhältnisse bei Studierenden und AbsolventInnen der Universität<br />

Salzburg sprechen eine deutliche Sprache. Betrachtet man die Entwicklung der<br />

Zahlen der AbsolventInnen seit dem Studienjahr 2000/01 so kann festgestellt<br />

werden, dass im Studienjahr 2000/01 bei den Studienabschlüssen gesamt, die<br />

Anzahl der weiblichen Absolventinnen deutlich höher ist und sich dieser Überhang an<br />

weiblichen Studierenden bis ins Studienjahr 2006/2007 kaum verändert.<br />

Abb 5: Gender Monitoring Ordentliche Studierende WS 2007 / Universität Salzburg<br />

WS 2007<br />

(Stichtag:<br />

28.02.08)<br />

Universitäten<br />

der<br />

Wissenschaften<br />

Universität<br />

Salzburg<br />

Staatsangehörigkeit:<br />

Alle<br />

Ordentliche<br />

Studierende<br />

Frauen-<br />

Männeranteile in %<br />

Geschlecht Frauen Männer Gesamt Frauen Männer<br />

Universität Staatengruppe<br />

(Ö, andere)<br />

Universität<br />

7.488 4.299 11.787 63,5% 36,5%<br />

Salzburg<br />

Inländer/innen 5.905 3.388 9.293 63,5% 36,5%<br />

Ausländer/inne<br />

n<br />

1.583 911 2.494 63,5% 36,5%<br />

Quelle: Datenmeldung der Universität auf Basis BidokVUni, Datenprüfung und –aufbereitung: bmwf, Abt.I/4 & I/9<br />

22 Die Berufungen von Frauen in den letzten Jahren sind auf die Geistes- und Sozialwissenschaften begrenzt. Bei<br />

den letzten 8 Berufungen an den Naturwissenschaften wurde keine einzige Frau bestellt. Siehe auch:<br />

Leitner/Wroblewiski (2008): Begleitende Evaluierung von excellentia, 2. Zwischenbericht 2008. IHS, Wien.<br />

55


Abb 6: Gender Monitoring Studienabschlüsse gesamt / Universität Salzburg<br />

Universität Salzburg<br />

Studienart:<br />

alle<br />

Studienabschlüsse Frauen-/Männeranteile<br />

in %<br />

Studienjahr<br />

Geschlecht<br />

Studienjahr 2005/06 1.487 100,0%<br />

Frauen 972 65,4%<br />

Männer 515 34,6%<br />

Studienjahr 2004/05 1.376 100,0%<br />

Frauen 923 67,1%<br />

Männer 453 32,9%<br />

Studienjahr 2003/04 1.384 100,0%<br />

Frauen 916 66,2%<br />

Männer 468 33,8%<br />

Studienjahr 2002/03 1.250 100,0%<br />

Frauen 783 62,6%<br />

Männer 467 37,4%<br />

Studienjahr 2001/02 1.096 100,0%<br />

Frauen 652 59,5%<br />

Männer 444 40,5%<br />

Studienjahr 2000/01 994 100,0%<br />

Frauen 606 61,0%<br />

Männer 388 39,0%<br />

Quelle: Datenmeldung der Universität auf Basis BidokVUni, Datenprüfung und –aufbereitung: bm.wf, Abt.I/4 & I/9<br />

Abb 7: Studienabschlüsse nach Studienart / Universität Salzburg<br />

Studienjahr<br />

2006/07<br />

Universität<br />

Salzburg<br />

Abschlussart<br />

Staatsangehörigkeit<br />

Staatengruppe<br />

(Ö, andere)<br />

Studienabschlüsse<br />

Geschlecht Frauen Männer Gesamt<br />

Studienart<br />

Bachelorstudium 476 185 661<br />

Diplomstudium 404 189 593<br />

Masterstudium 161 71 232<br />

Doktoratsstudium 63 62 125<br />

Insgesamt 1.104 507 1.611<br />

Quelle: Datenmeldung der Universität auf Basis BidokVUni, Datenprüfung und –aufbereitung: bmwf, Abt.I/4 & I/9<br />

Eine Erklärung für diesen Überhang an weiblichen Studierenden ist sicher im<br />

Studienangebot der Universität Salzburg zu finden. So verfügt die Universität<br />

Salzburg über ein großes Angebot an geisteswissenschaftlichen Studien, die<br />

historisch und traditionell einen hohen Anteil an Studentinnen aufweisen. Eine<br />

weitere Erklärung kann im Fehlen einer medizinischen Universität 23 liegen, die<br />

traditionellerweise mehr männliche Studierende ausbildet.<br />

23<br />

Die neu eingerichtete Paracelsus Medizinische Privat Universität PMU ist hier nicht berücksichtigt.<br />

56


Betrachtet man die Studienabschlüsse der einzelnen Fakultäten, ergibt sich daraus<br />

ein durchaus interessantes und ungewöhnliches Bild:<br />

Abb 8: Gender Monitoring Studienabschlüsse Geisteswissenschaft und Künste / Universität<br />

Salzburg<br />

Studienart: Geisteswissenschaften<br />

Universität Salzburg<br />

und Künste<br />

Frauen-<br />

Studienabschlüsse /Männeranteile in<br />

%<br />

Studienjahr<br />

Geschlecht<br />

Studienjahr 2005/06 205 100,0%<br />

Frauen 121 59,0%<br />

Männer 84 41,0%<br />

Studienjahr 2004/05 177 100,0%<br />

Frauen 125 70,6%<br />

Männer 52 29,4%<br />

Studienjahr 2003/04 191 100,0%<br />

Frauen 126 66,0%<br />

Männer 65 34,0%<br />

Studienjahr 2002/03 154 100,0%<br />

Frauen 97 63,0%<br />

Männer 57 37,0%<br />

Studienjahr 2001/02 156 100,0%<br />

Frauen 91 58,3%<br />

Männer 65 41,7%<br />

Studienjahr 2000/01 151 100,0%<br />

Frauen 94 62,3%<br />

Männer 57 37,7%<br />

Quelle: Datenmeldung der Universität auf Basis BidokVUni, Datenprüfung und –aufbereitung: bmwf, Abt.I/4 & I/9<br />

Bei den geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Fächern ergibt sich ein<br />

erwartetes Bild. Hier ist der Anteil der weiblichen Studienabsolventinnen in allen<br />

angeführten Studienjahren dominierend.<br />

57


Abb 9: Gender Monitoring Studienabschlüsse Sozialwissenschaften Wirtschaft und Recht /<br />

Universität Salzburg<br />

Universität Salzburg<br />

Studienart: Sozialwissenschaften,<br />

Wirtschaft und Recht<br />

Studienfamilie: Alle<br />

Studienabschlüsse<br />

Frauen-/Männeranteile<br />

in %<br />

Studienjahr<br />

Geschlecht<br />

Studienjahr 2005/06 668 100,0%<br />

Frauen 482 72,2%<br />

Männer 186 27,8%<br />

Studienjahr 2004/05 613 100,0%<br />

Frauen 441 71,9%<br />

Männer 172 28,1%<br />

Studienjahr 2003/04 653 100,0%<br />

Frauen 475 72,7%<br />

Männer 178 27,3%<br />

Studienjahr 2002/03 662 100,0%<br />

Frauen 426 64,4%<br />

Männer 236 35,6%<br />

Studienjahr 2001/02 578 100,0%<br />

Frauen 352 60,9%<br />

Männer 226 39,1%<br />

Studienjahr 2000/01 486 100,0%<br />

Frauen 277 57,0%<br />

Männer 209 43,0%<br />

Quelle: Datenmeldung der Universität auf Basis BidokVUni, Datenprüfung und –aufbereitung: bmwf, Abt.I/4 & I/9<br />

Ein unerwartetes Bild ergibt sich bei Betrachtung der Studienabschlüsse in den<br />

sozialwissenschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Fächern. Während im<br />

Studienjahr 2000/01 der weibliche Anteil bereits um 14% höher ist, öffnet sich die<br />

Geschlechter-Schere bis ins Studienjahr 2005/2006 zugunsten des weiblichen<br />

Anteils noch weiter. Das Verhältnis 72,2% weibliche Studienabschlüsse zu 27,8%<br />

männlicher Studienabschlüsse im Studienjahr 2005/2006 ist in Fächern die<br />

traditionell männlich dominiert erscheinen, unerwartet.<br />

58


Abb 10: Gender Monitoring Studienabschlüsse in Naturwissenschaften und Technik<br />

(Naturwissenschaften & Ingenieurwesen) Universität Salzburg<br />

Universität Salzburg<br />

Studien- Frauen-Männeranteile in %<br />

abschlüsse<br />

Studienjahr Geschlecht<br />

Studienjahr 2005/06 350 100,0%<br />

Frauen 178 50,9%<br />

Männer 172 49,1%<br />

Studienjahr 2004/05 351 100,0%<br />

Frauen 180 51,3%<br />

Männer 171 48,7%<br />

Studienjahr 2003/04 292 100,0%<br />

Frauen 148 50,7%<br />

Männer 144 49,3%<br />

Studienjahr 2002/03 211 100,0%<br />

Frauen 106 50,2%<br />

Männer 105 49,8%<br />

Studienjahr 2001/02 163 100,0%<br />

Frauen 82 50,3%<br />

Männer 81 49,7%<br />

Studienjahr 2000/01 122 100,0%<br />

Frauen 56 45,9%<br />

Männer 66 54,1%<br />

Quelle: Datenmeldung der Universität auf Basis BidokVUni, Datenprüfung und –aufbereitung: bmwf, Abt.I/4 & I/9<br />

Die traditionell männlich dominierten naturwissenschaftlichen und technischen<br />

Fächer ergeben bei Betrachtung der Abbildung Studienabschlüsse in<br />

Naturwissenschaft und Technik, ein völlig unerwartetes Bild. Dominieren im<br />

Studienjahr 2000/01 die Abschlüsse von Männern noch, dreht sich das Verhältnis in<br />

den nachfolgenden Studienjahren um.<br />

Bei Vergleich der Zahlen der Abschlüsse von Doktoratsstudien in der nachfolgenden<br />

Abbildung in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern nähern sich die<br />

Zahlen wieder an, bzw. zeigt sich wieder eine leichte Männerdominanz. Allerdings<br />

verändert sich die Situation wieder im Studienjahr 2005/06. Bei Betrachtung der<br />

Gesamtsituation kann man von einer Ausgewogenheit in den<br />

naturwissenschaftlichen und technischen Studienabschlüssen sprechen.<br />

59


Abb 11: Gender Monitoring Studienabschlüsse von Doktoratsstudien in Naturwissenschaften und<br />

Technik (Naturwissenschaften & Ingenieurwesen) / Universität Salzburg<br />

Universität:Universität Salzburg<br />

Dissertation<br />

Studienabschlüsse<br />

Frauen-<br />

/Männeranteile in<br />

%<br />

Studienjahr<br />

Geschlecht<br />

Studienjahr 2005/06 24 100,0%<br />

Frauen 13 54,2%<br />

Männer 11 45,8%<br />

Studienjahr 2004/05 46 100,0%<br />

Frauen 19 41,3%<br />

Männer 27 58,7%<br />

Studienjahr 2003/04 24 100,0%<br />

Frauen 12 50,0%<br />

Männer 12 50,0%<br />

Studienjahr 2002/03 34 100,0%<br />

Frauen 16 47,1%<br />

Männer 18 52,9%<br />

Studienjahr 2001/02 47 100,0%<br />

Frauen 18 38,3%<br />

Männer 29 61,7%<br />

Studienjahr 2000/01 28 100,0%<br />

Frauen 12 42,9%<br />

Männer 16 57,1%<br />

Quelle: Datenmeldung der Universität auf Basis BidokVUni, Datenprüfung und –aufbereitung: bmwf, Abt.I/4 & I/9<br />

Diese Interpretation verwirrt, besteht doch bei den naturwissenschaftlichen und<br />

technischen Fächern ein traditioneller male bias. Bei genauer Betrachtung der<br />

Geschlechterverteilung relativiert sich das Bild. Einerseits fehlen an der<br />

naturwissenschaftlichen Universität Salzburg die Studienfächer Physik und Chemie,<br />

andererseits wird das Fach der Psychologie den Naturwissenschaften zugerechnet.<br />

Die Fächer Psychologie sowie Biologie (Zellbiologie, Organismische Biologie und<br />

Molekulare Biologie), zählen zu den so genannten „weichen“ Naturwissenschaften,<br />

und erklären diese den erheblichen Frauenüberhang unter den Studierenden und<br />

AbsolventInnen, während die Fächer Mathematik (hier gibt es bis dato keine einzige<br />

Dissertantin), Materialwissenschaften sowie die neu eingerichteten<br />

Ingenieurswissenschaften eine deutliche Unterrepräsentanz weiblicher Studierender<br />

und Absolventinnen, aufweisen.<br />

Bei Untersuchung der einzelnen naturwissenschaftlichen Studienrichtungen bestätigt<br />

sich das Bestehen einer vertikalen Segregation.<br />

60


Interessant im Vergleich dazu, ist das Geschlechterverhältnis des Wissenschaftlichen<br />

Personals im Vergleich zum Allgemeinen Personal 2005/2006 an der Universität<br />

Salzburg:<br />

Abb 12: Wissenschaftliches Personal, Allgemeines Personal WS 2005, WS 2006 / Universität<br />

Salzburg<br />

Universität<br />

Salzburg<br />

bereinigte bereinigte<br />

Kopfzahlen Kopfzahlen<br />

Geschlecht Frauen Männer Gesamt<br />

Semester<br />

Wintersemester<br />

2006 (Stichtag:<br />

31.12.06) - -<br />

Wissenschaftliches und<br />

künstlerisches Personal<br />

219 422 641<br />

gesamt<br />

Professor/inn/en 21 108 129<br />

Assistent/inn/en und<br />

sonstiges<br />

wissenschaftliches und<br />

198 314 512<br />

künstlerisches Personal<br />

Dozent/inn/en 31 121 152<br />

Allgemeines Personal<br />

gesamt<br />

449 279 728<br />

Insgesamt 659 671 1.330<br />

Wintersemester<br />

2005 (Stichtag:<br />

15.10.05) - -<br />

Wissenschaftliches und<br />

künstlerisches Personal<br />

212 428 640<br />

gesamt<br />

Professor/inn/en 20 110 130<br />

Assistent/inn/en und<br />

sonstiges<br />

wissenschaftliches und<br />

192 318 510<br />

künstlerisches Personal<br />

Dozent/inn/en 31 120 151<br />

Allgemeines Personal<br />

gesamt<br />

365 219 584<br />

Insgesamt 576 641 1.217<br />

Quelle: Datenmeldung der Universität auf Basis BidokVUni, Datenprüfung und –aufbereitung: bmwf, Abt.I/4 & I/9<br />

Eine deutliche horizontale Segregation beim Wissenschaftlichen Personal besteht<br />

bereits auf der Ebene der AssistentInnen, eklatant wird es auf der Ebene der<br />

ProfessorInnen.<br />

Im Vergleich dazu ist auf der Ebene des Allgemeinen Universitätspersonals ein<br />

deutlich höherer Frauenanteil festzumachen.<br />

61


Untersucht man die Zahlen der Geschlechterverteilung des Allgemeinen Personals<br />

genauer, so kann man auch hier eine deutliche Geschlechtersegregation nach<br />

Hierarchieebene festmachen:<br />

Abb 13: Allgemeines Universitätspersonal / Universität Salzburg 2006<br />

Universitätsmanagement<br />

WS 06<br />

gesamt<br />

Quelle: Datenmeldung der Universität auf Basis BidokVUni, Datenprüfung und –aufbereitung: bmwf, Abt.I/4 & I/9<br />

WS 05<br />

gesamt<br />

Frauen Männer<br />

Frauen Männer<br />

Vollzeitäquivalente 7,0 16,9 23,9 0,5 3,2 3,7<br />

Frauen-/Männeranteile in % 29,2% 70,8% 13,5% 86,5%<br />

bereinigte Kopfzahlen 14 40 54 1 7 8<br />

Verwaltung - - - -<br />

Vollzeitäquivalente 304,8 181,8 486,5 277,4 171,2 448,6<br />

Frauen-/Männeranteile in % 62,6% 37,4% 61,8% 38,2%<br />

bereinigte Kopfzahlen 424 214 638 354 188 542<br />

Wartung und<br />

Betrieb - - - -<br />

Vollzeitäquivalente 8,0 25,0 33,0 8,5 24,0 32,5<br />

Frauen-/Männeranteile in % 24,2% 75,8% 26,2% 73,8%<br />

bereinigte Kopfzahlen 11 25 36 10 24 34<br />

Auf der oberen Hierarchieebene des Universitätsmanagements ist der Männeranteil<br />

deutlich höher als der Frauenanteil, die Verwaltungsebene zeigt einen weitaus<br />

höheren Frauenanteil, hier spiegelt sich der traditionell hohe Anteil an<br />

Verwaltungsassistentinnen wider, während Wartung und Betrieb (Hausdienst) einen<br />

deutlichen und nicht überraschenden Männerüberhang zeigt.<br />

62


4.1.1 Gleichstellungsarbeit, Frauenförderung und Geschlechtergerechtigkeit<br />

„Wie jede andere, die von hier aus spricht, bin ich Überlebende des<br />

akademischen Frauensterbens. Überlebende jener Segregationsregeln und<br />

Selektionsraster, die zuverlässig ihre Rekruten heranziehen und die ebenso<br />

zuverlässig die abweichende Population dezimieren – noch in den Fächern mit<br />

Frauenanteilen von 80 und 90%. Erfolgreich dezimieren die Mentalitäten,<br />

Riten und Praktiken der universitären Professionalisierung die Population mit<br />

abweichender Geschlechtsidentität, abweichende Biographiemuster,<br />

abweichende Vereinbarkeit von Privatbereich und Karriere, abweichende<br />

Zeitökonomie, abweichender Habitus, abweichendem symbolischen Kapital.“ 24<br />

(Hassauer 1994, 35)<br />

Gleichstellungsarbeit - der Einsatz für Chancengleichheit und Frauenförderung an<br />

der Universität - ist nur möglich, wenn die Geschlechterdifferenz mitbetrachtet und<br />

mitgedacht wird, um ungleiche Ausgangssituationen von Frau und Männern<br />

auszugleichen.<br />

Es geht darum, für Frauen und Männer soziale Ausgangsbedingungen und<br />

Strukturen zu schaffen, die gleiche Chancen und Wahlmöglichkeiten für beide<br />

Geschlechter anbieten. Dabei geht es nicht um Gleichmacherei, sondern müssen die<br />

bestehenden Differenzen mitgedacht werden, um nachhaltig zu fördern mit dem Ziel<br />

geschlechtergerechte, eigentlich menschengerechte (Roloff 2002, 19) Strukturen zu<br />

schaffen.<br />

Dabei sind diese bestehenden Differenzen in der Ungleichheit begründet, die u.a.<br />

durch Jahrhunderte lange Diskriminierung der Frauen im Erwerbsleben durch eine<br />

männerbündisch dominierte Arbeitskultur sowie dominierende Herrschafts- und<br />

Machtgefüge entstanden sind.<br />

Gleichstellung der Geschlechter, Frauenförderung und Geschlechterdemokratie sind<br />

Vorhaben, die der Verrechtlichung bedürfen, wie Holzleithner (2004) anführt.<br />

Demgegenüber hat die Universitätsreform 2002 den Anspruch eines<br />

Deregulierungsprojekts. Ein offensichtliches Spannungsfeld, denn ohne rechtliche<br />

24<br />

Hassauer, Friederike (1994), zit. nach. Nöbauer/Zuckerhut (2002)<br />

63


Handhabe gegen Diskriminierung, sind Gleichstellungsbekenntnisse reine<br />

Lippenbekenntnisse und meist folgenlos.<br />

Die in den verschiedenen Universitätsrefomen erkämpften und institutionalisierten<br />

gleichstellungspolitischen und frauenfördernden Normen, werden durch die<br />

Einführung des Prinzips Gender-Mainstreaming im Rahmen der Vorgaben der<br />

Europäischen Union unterstützt und die Universitätsreform, wie erwähnt, als Gender-<br />

Mainstreaming-Projekt ausgerufen (vgl. Holzleithner 2004, 28).<br />

4.1.2 Gender Mainstreaming<br />

Der inzwischen schon etwas „abgenutzte“ und inflationär verwendete Begriff Gender<br />

Mainstreaming bezeichnet ein relativ umstrittenes Konzept. Als Zauberformel auf den<br />

Weg zur Gleichstellung findet es als Vorgabe der Europäischen Union Eingang in<br />

alle Politiken und bedeutet, dass „die Genderfrage auf jeder Ebene von allen<br />

politischen Akteurinnen und Akteuren zu berücksichtigen ist. Sie darf nicht in den<br />

Sektor einer spezifischen Frauenpolitik abgeschoben werden.“ (Holzleithner 2004,<br />

28).<br />

Gender Mainstreaming ist kein neues Werkzeug oder Instrument der<br />

Gleichstellungspolitik, sondern soll als Strategie die Geschlechterfrage als<br />

Querschnittsmaterie in die vorhandenen Strukturen auf allen Ebenen einer<br />

Organisation verorten. Ein gewünschter wenn auch m.E. unrealistischer Effekt dieser<br />

Strategieimplementierung ist es, der „Nischenpolitik“ der Frauenförderung zu<br />

entkommen. Tatsache ist, dass es meist am persönlichen Engagement der vor allem<br />

weiblichen AkteurInnen liegt, deren Aktivitäten von vorneherein in der Frauen- und<br />

Gleichstellungsarbeit liegen, wie dieses Prinzip in einer Organisation umgesetzt wird.<br />

Die feministische Kritik sieht hier die Gefahr einer Implementierung des Ansatzes in<br />

die vorhandenen Macht- und Führungsstrukturen, ohne bewusste Herrschafts- und<br />

Systemkritik, die für Struktur- und Kulturveränderung in Organisationen jedoch<br />

immanent ist.<br />

Im Unterschied dazu, sehen BefürworterInnen des Konzeptes Gender Mainstreaming<br />

durch konsequente Anwendung und Implementation des Prinzips in eine<br />

64


Organisation durchaus eine Möglichkeit der strukturellen Veränderung. Da nicht nur<br />

Lebensentwürfe von Frauen, sondern auch die Lebensentwürfe von Männern und<br />

deren Auswirkungen auf die Organisation in den Blickpunkt gerückt werden, können<br />

diese für die Entwicklung von Gleichstellungsmaßnahmen mit herangezogen werden<br />

und zu nachhaltigen Änderungen in Struktur und Kultur führen. So gewinnt auch der<br />

ganze Bereich der Genderdidaktik bei der Ausbildung von Lehrpersonal immer mehr<br />

an Bedeutung.<br />

Ohne genauer auf die Kritiken von Gender Mainstreaming eingehen zu wollen, kann<br />

festgestellt werden, dass der Begriff zwar mittlerweile geläufig ist, aber doch wenig<br />

Greifbares damit verbunden wird. Wichtig ist es - und das ist auch eine der<br />

Hauptkritiken -, dass es nicht bei der Darstellung der Geschlechterverhältnissen<br />

durch regelmäßige Evaluierungen und Veröffentlichungen von Geschlechter-<br />

Statistiken bleibt, sondern diese Ergebnisse in konkrete Maßnahmen einfließen. Hier<br />

ist die Führungsebene einer Organisation gefordert, das Top-down-Prinzip Gender<br />

Mainstreaming ernst zu nehmen. Die Realität von Organisationen zeigt, dass die<br />

Umsetzung des Prinzips Gender Mainstreaming weniger als Führungsaufgabe,<br />

sondern als Aufgabe der Gleichbehandlungsbeauftragten oder -institutionen und<br />

somit wieder am einzelnen Engagement der (meist weiblichen) AkteurInnen liegt.<br />

Dies verhält sich auch an der Universität Salzburg nicht anders. Im § 7 (1)<br />

Frauenförderungsplan heißt es zu Gender Mainstreaming:<br />

„Zur konsequenten Umsetzung des Grundsatzes Gender Mainstreaming greift<br />

die Universität Salzburg auf das vorhandene einschlägige Fachwissen im<br />

AKG, im Interdisziplinären Expertinnen- und Expertenrat (IER) sowie im<br />

gendup (Organisationseinheit zur Koordinierung der Aufgaben der<br />

Gleichstellung, der Frauenförderung sowie der Geschlechterforschung) zurück<br />

und bindet diese aktiv ein.“ 25<br />

Das heißt im Klartext, dass es am Engagement und der Durchsetzungskraft der o.a.<br />

Einrichtungen und der handelnden Personen liegt, inwieweit Maßnahmen zur<br />

Gleichstellung ergriffen und Ressourcen bereitgestellt werden, und nicht zuletzt am<br />

„good will“ des Rektorats, welches Ausmaß die Ressourcen für die<br />

Gleichstellungsarbeit betragen und welchen Stellenwert der Gleichstellungsarbeit an<br />

der Universität zugestanden wird.<br />

25<br />

Frauenförderungsplan der Universität Salzburg, veröffentlicht im MBl. vom 13. März 2007, IV. Teil der<br />

Satzung der Universität Salzburg<br />

65


Das Prinzip Gender Mainstreaming ersetzt wie schon erwähnt, die traditionelle<br />

Frauenförderungsarbeit nicht, sondern liefert m.E. bestenfalls Grundlagen und<br />

Ansatzpunkte für effiziente Frauenförderung.<br />

4.1.3 Frauenförderung<br />

In den letzten Jahrzehnten hat in der universitären Frauenförderung ein<br />

Paradigmenwechsel stattgefunden. Bis zur Entlassung der Universitäten in die<br />

Autonomie wird die Frauenförderung von der staatlichen Seite her betrieben. Auf<br />

Basis der Bundesgleichbehandlungsgesetze werden Normen und Regeln<br />

(Frauenförderungspläne seitens des Ministeriums) erstellt, nun müssen die<br />

Universitäten ihre Rolle in der Frauenförderung zum Großteil selbst bestimmen. Eine<br />

große Veränderung ist dadurch vollzogen worden: wie Frauenförderung und<br />

Gleichstellungspolitik an den Universitäten gestaltet wird, steht und fällt zum Großteil<br />

mit den handelnden (Führungs)-Personen.<br />

Auf einen vorhergegangenen Paradigmenwechsel mit der Institutionalisierung der<br />

Frauenförderung und Gleichbehandlungsarbeit an den Universitäten wurde bereits<br />

hingewiesen. Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen,<br />

Gleichbehandlungsbeauftragte, Koordinationsstellen für Geschlechterforschung und<br />

Frauenförderung werden etabliert bzw. in ihren Rechten gestärkt.<br />

Die Ziele der Frauenförderung sind vor und nach der Universitätsreform dieselben:<br />

den Frauenanteil in allen Funktionsgruppen auf 40 Prozent zu erhöhen. Wobei diese<br />

Quote auf den höheren wissenschaftlichen Ebenen dramatisch unterschritten ist,<br />

trotz Frauenförderungsarbeit der letzten Jahrzehnte an den Universitäten.<br />

Wie Buchinger/Gödl/Gschwandtner (2002) in einer Studie über „Universitäre<br />

Berufsverläufe und Karrieremuster in Österreich“ festhalten, ist trotz der Normen und<br />

Regelwerke der letzten Jahrzehnte ein nur zögerlicher Anstieg der Frauenquoten<br />

festzustellen, konnte trotz „spür- und sichtbarer Erfolge frauenpolitischer Aktivitäten,<br />

die hierarchische Strukturdominanz von Männern nicht wirklich gebrochen werden“<br />

(Buchinger/Gödl/Gschwandtner 2002, 12).<br />

66


Die Autorinnen stellen aber ein gewisses Veränderungspotenzial durch legislative<br />

Maßnahmen der AkteurInnen (Gleichbehandlungsbeauftragte, Arbeitskreise für<br />

Gleichbehandlungsfragen) in Aussicht: dass diese gesetzlichen Maßnahmen das<br />

Potenzial haben, dem „Vorherrschaftsanspruch“ von Männern eine ganz wesentliche<br />

legitimierende Eigenschaft zu nehmen: jene der „Normalität“<br />

(Buchinger/Gödl/Gschwandtner 2002, 12).<br />

Ein zunehmendes Legitimationsbedürfnis des Geschlechterbonus für Männer könnte<br />

die Überwindung desselben, zumindest in dem Bereich des Denkbaren und<br />

Möglichen rücken (vgl. Buchinger/Gödl/Gschwandtner 2002, 12).<br />

Die Effizienz frauenfördernder Maßnahmen wird aufgrund des statischen Zustandes<br />

der Geschlechterverhältnisse auf den oberen hierarchischen Ebenen naturgemäß in<br />

Frage gestellt und führt dieser Zustand Angelika Wetterer (1998) zur Vermutung,<br />

dass die Situation der faktischen Marginalität von Frauen in der oberen<br />

Hochschulhierarchie auch ohne die gesamte Frauenförderungsdebatte nicht anders<br />

wäre. Sie kritisiert, dass durch Frauenförderung die relevante Frage nach den<br />

Ursachen der marginalen Rolle von Frauen in den oberen Rängen der<br />

Hochschulhierarchie, vernebelt wird und aus dem Blickfeld gerät (vgl. Wetterer 1998,<br />

19).<br />

Sie kritisiert dabei massiv, dass Frauenförderung die „gängigen Vorannahmen über<br />

die Frauen“ sowie „tradierte geschlechtsspezifische Zuschreibungsmuster“, welche<br />

die „Ursachen der Misere auf Seiten der Frauen sieht“, nicht in Frage stellt.<br />

Wetterer unterstellt der Frauenförderung weiter, dass sie die Strukturen und<br />

männlichen Mechanismen der Organisationskultur Hochschule nicht ins Blickfeld<br />

rückt und somit keine nachhaltige Veränderung initiieren kann. Sie geht soweit,<br />

Frauenförderung nicht nur als weitgehend wirkungslos zu bezeichnen, sondern stellt<br />

diese gar als kontraproduktiv und wenig hilfreich zur Erlangung des eigentlichen<br />

Zieles der Gleichstellung dar (vgl. Wetterer 1998, 19).<br />

Wetterer 26 teilt nach ihren langjährigen Forschungen und Beobachtungen der<br />

Frauenförderung an den deutschen Hochschulen institutionalisierte<br />

Frauenförderungsmaßnahmen in vier Gruppen ein:<br />

26<br />

Der Beitrag „Noch einmal: Rhetorische Präsenz – faktische Marginalität. Die kontrafaktorischen<br />

Wirkungen der bisherigen Frauenförderung im Hochschulbereich“ von Angelika Wetterer ist in mehreren Büchern<br />

erschienen u.a. in Krais, Beate 2000 und Plöger, Lydia/Riegraf, Beate (Hg.) 1998.<br />

67


• Frauenförderung durch Appelle<br />

Hierzu zählen Appelle und Absichtserklärungen, die Frauen bei Vergabe von<br />

Stipendien, Fördergeldern oder bei Stellenausschreibungen dezidiert ansprechen.<br />

Am Beispiel der Universität Salzburg schreibt die Koordinationsstelle für Frauen- und<br />

Geschlechterforschung (gendup - Zentrum für Gender Studies und Frauenförderung),<br />

gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen jährlich<br />

Dissertationsstipendien, Mobilitäts- und Publikationsförderungen sowie<br />

Diplomarbeitspreise für Naturwissenschafterinnen, ausschließlich für Frauen, aus.<br />

Stellenausschreibungen erhalten den Zusatz:<br />

„Die Paris Lodron-Universität Salzburg strebt eine Erhöhung des Frauenanteils<br />

beim wissenschaftlichen und beim allgemeinen Universitätspersonal<br />

insbesondere in Leitungsfunktionen an und fordert daher qualifizierte Frauen<br />

ausdrücklich zur Bewerbung auf. Bei gleicher Qualifikation werden Frauen<br />

vorrangig aufgenommen.“<br />

Wetterer bezeichnet Frauenförderung durch Appelle eine Demonstration des guten<br />

Willens der Universitäten, in der die Annahmen leise mitschwingen, dass einfach<br />

zuwenig „richtige“ Frauen vorhanden sind und sie nährt vor allem die Befürchtung,<br />

dass es Frauen mittlerweile im Wissenschaftsbetrieb leichter als Männer hätten, da<br />

ihnen aufgrund ihres „Frau-Seins“ automatisch Vorteile zuteil würden.<br />

Dies dient einerseits nicht, wie Wetterer schlussfolgert, einer Verbesserung der<br />

Umgangsformen zwischen den Geschlechtern, sondern impliziert andererseits<br />

zusätzlich eine Abwertung der Qualifikation von Frauen, die eine Stelle haben, da<br />

sie diese hauptsächlich aufgrund ihres förderungswürdigen Geschlechtes bekommen<br />

haben.<br />

• Frauenförderung durch Nachteilsausgleich und Vereinbarkeitsprogramme<br />

Dazu zählen Frauenförderungsmaßnahmen, die einer besseren Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie dienen und den Nachteil ausgleichen sollen, die Frauen aufgrund<br />

ihrer Zuständigkeit für den Bereich der privaten Reproduktionsarbeit in Kauf nehmen<br />

müssen. Dazu gehört z.B. die Verlängerung von Fristen, damit den Frauen kein<br />

Nachteil erwächst, wenn sie aufgrund von Erziehungszeiten für ihre Karriere länger<br />

brauchen. Diese Art von Frauenförderung ist wie Wetterer schreibt, besonders<br />

paradox: sie schreibt die tradierte Zuschreibung der Zuständigkeit der Frauen für<br />

68


Erziehungsarbeit fest, lässt Männer außen vor und sie impliziert, dass<br />

Wissenschafterinnen ohne Kinder auch keine Probleme vorzuweisen haben.<br />

Karrierehindernisse von Frauen werden in den sozialen Bereich verschoben und<br />

liegen so außerhalb des wissenschaftlichen Systems. Durch Festschreibung der<br />

Realität wird es keine strukturellen Änderungen geben.<br />

• Frauenförderung durch Sonderprogramme<br />

Diese sind ähnlich wie die vorgenannten Vereinbarkeitsprogramme auf eine<br />

definierte Zielgruppe zugeschnitten oder als Qualifizierungsoffensive zeitlich<br />

begrenzte Angebote, meist auch finanziell schlecht ausgestattet. Wetterer kritisiert<br />

den Defizitansatz, dass Qualifizierungsoffensiven immer noch die Einstellung<br />

transportieren, dass Frauen Qualifikationsoffensiven notwendig haben und der<br />

Mangel an höheren Positionen im Hochschulbereich aus der niedrigeren<br />

Qualifikation der Frauen resultieren. Diese hartnäckigen Vorurteile führen sich selbst<br />

ad absurdum, bedenkt man den seit Jahren wachsenden weiblichen Überhang im<br />

höheren Bildungssegment. Der Blick auf die Ursachen der hierarchischen Struktur im<br />

oberen wissenschaftlichen Bereich wird auf einen Qualifizierungsbedarf der Frauen<br />

gerichtet.<br />

• Frauenförderung durch qualifikationsabhängige Quoten<br />

Unter den Frauenförderungsmaßnahmen ist die „Quotenregelung“ wohl die<br />

umstrittenste als auch die effizienteste Fördermaßnahme. Umstritten, da der Begriff<br />

„Quotenfrau“ fälschlicherweise, aber auch bewusst verwendet wird das Programm<br />

„Frau allein sein genügt“ zu verbreiten und nicht selten auch von den<br />

Wissenschafterinnen selbst abgelehnt wird. Effizient, da die Quotenregelung nicht<br />

wie die vorgenannten Frauenförderungsprogramme auf eine weitere, zusätzliche<br />

Qualifizierung ausgerichtet ist, sondern auf konkrete Posten und Positionen für<br />

Frauen greift. Entsprechend groß ist der Widerstand gegen diese Form der<br />

Frauenförderung.<br />

Niemand will gerne „Quotenfrau“ sein. Dabei ist eine gleiche oder höhere<br />

Qualifikation Grundvoraussetzung. Diese Grundvoraussetzung wird nicht gesehen<br />

bzw. manipuliert oder missinterpretiert. Eine Frau kann nur vorgezogen werden,<br />

wenn sie mindestens gleich gut qualifiziert ist und trotzdem, es bleibt der schale<br />

Nachgeschmack von Protektion. Selbst Wissenschafterinnen, die es durch die<br />

69


Quotenregelung auf die Berufungslisten schaffen und letztendlich berufen werden,<br />

lehnen diese Form der Frauenförderung oftmals ab.<br />

Wetterer (1998) spricht von einem Missverständnis dem die traditionelle<br />

Frauenförderung unterliegt, dass der Schlüssel für Posten und Position im<br />

Wissenschaftsbetrieb in der Qualifikation läge. Sie kritisiert die Frauenförderung die<br />

sich darin erschöpft, Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen anzubieten, erstens, da<br />

dies ein Bild suggeriert, Frauen hätten Weiterqualifikation nötig bzw. nötiger als<br />

Männer und zweitens, ist es zwar richtig, dass Frauen ohne Qualifikationsnachweise<br />

nichts werden können, aber den Umkehrschluss, wonach Frauen, wenn sie<br />

Qualifikationen besitzen und weiter erwerben, geradezu automatisch in Besitz eines<br />

adäquaten Postens kommen, bezeichnet Wetterer – wie ein Blick in die Geschichte<br />

und die Statistik zeigt – bestenfalls als Kurzschluss. Sie kritisiert weiter, dass diese<br />

„Kurzschlüsse“ von den für die Frauenförderung verantwortlichen Personen immer<br />

wieder neu belebt, statt abgebaut werden. Dies vor allem durch die ersten drei der<br />

von Wetterer klassifizierten oben genannten Frauenförderungsmaßnahmen. Sie<br />

spricht die kontraproduktiven Folgen dieser Maßnahmen aus: festgeschriebene<br />

Qualifikationsstandards und ihre Funktion als Ausschlusskriterien samt Reproduktion<br />

sozialer Ungleichheit, ohne dabei als kontraproduktiv erkennbar zu sein.<br />

Dabei nimmt Wetterer die Quotenregelung von dieser Kritik aus. Die eingespielten<br />

Mechanismen werden durch eine veränderte Distribution von Posten und Positionen<br />

gestört und die Reproduktion geschlechtshierarchischer Verteilungssymmetrien<br />

ernsthaft in Frage gestellt. Dementsprechend groß ist auch der Widerstand gegen<br />

diese Frauenförderungsmaßnahme im Vergleich zu den anderen. Wie Wetterer<br />

formuliert, „sind hier die Befürchtungen weit schlimmer als das Wohlwollen milde,<br />

sind hier die Abwehrstrategien handfest und teilweise von kaum noch vornehmer<br />

Subtilität“ (vgl. Wetterer 1998, 30 ff).<br />

70


4. Gleichstellungsarbeit – Gleichheit, Differenz, Dekonstruktion?<br />

In Anlehnung an Gudrun-Axeli Knapp (2001) müssen für die praktische<br />

Gleichstellungsarbeit, aus feministischer Perspektive, verschiedene Ansätze und<br />

Leitlinien mitbedacht werden. In der Praxis gilt es, immer wieder eine Balance<br />

zwischen Forderungen nach Gleichbehandlung und Forderung nach<br />

Berücksichtigung der differenten Ausgangslagen der Geschlechter, zu finden.<br />

Gleichstellungsarbeit ist immer eine Gratwanderung, ein Balanceakt und wie Lorber<br />

(1999) schreibt, sie muss beschwören, was sie eigentlich überwinden will: die<br />

Bedeutsamkeit der Kategorie Geschlecht (vgl. Lorber, 1999).<br />

Im Rahmen einer Studie zur Geschlechterdifferenz und Nachwuchsförderung in der<br />

Wissenschaft von Marianne Ulmi und Elisabeth Maurer 2005 27 , beschreiben die<br />

beiden Autorinnen die Notwendigkeit einer mehrdimensionalen, von verschiedenen<br />

immer wieder reflektierten Leitlinien ausgehenden Gleichstellungsarbeit und finden<br />

ergänzend zu den oben von Angelika Wetterer (1998) geprägten Gruppen der<br />

Frauenförderung verschiedene Ansätze der Gleichstellungsarbeit, die allerdings<br />

jeweils in sich wieder Gefahren der Missinterpretation und des Missverstehens<br />

bergen:<br />

1. Frauenförderungsprogramme zur Laufbahnunterstützung, dazu zählen z.B.<br />

Mentoring, Rhetorik- und Durchsetzungsprogramme. Diese bergen aber die<br />

Gefahr der Vorstellung, Frauen seien gegenüber Männern defizitär und<br />

bedürfen zusätzlicher Unterstützung.<br />

2. Informell vermittelte karriererelevante Informationen müssen öffentlich<br />

zugänglich werden und über Informationsplattformen und Beratungsangebote<br />

von Gleichstellungsstellen erfahrbar sein. Die Gefahr liegt dabei darin, dass<br />

die Gründe der Chancenungleichheit zwischen Frauen und Männer nicht<br />

thematisiert werden und die Ursachen der Ungleichheit aus dem Blickfeld<br />

verloren gehen.<br />

3. Die Einforderung von gesellschaftlichen und institutionellen<br />

Rahmenbedingungen, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für<br />

Frauen und Männer gleichermaßen ermöglichen. Einerseits durch mehr<br />

Betreuungsangebote, anderseits aber auch durch Entlastung der<br />

wissenschaftlichen Laufbahn von Höchstbeanspruchungen, um ein soziales<br />

27<br />

Ulmi, Marianne/Maurer, Elisabeth: Geschlechterdifferenz und Nachwuchsförderung in der Wissenschaft.<br />

Studie 3 ihm Rahmen des SOWI-Disslabors 2005. UniFrauenstelle Universität Zürich.<br />

71


Leben neben einer wissenschaftlichen Laufbahn zu ermöglichen. Der<br />

einseitige Blick auf Frauen und Vereinbarkeitsmodelle für Frauen muss<br />

ausgeweitet und die Männer in diese Modelle miteinbezogen werden. Dieser<br />

einseitige Blick auf Frauen, sobald es um das Thema Karriere und Kinder<br />

geht, die einseitig gesetzten Maßnahmen tragen letztlich nur zu einer weiteren<br />

Segregierung der Arbeitsteilung und Einzementierung der<br />

geschlechterungleichen gesellschaftlichen Strukturen bei.<br />

4. Einen weiteren Zugang, und m.E. der Entscheidende, finden die Autorinnen in<br />

sozialpsychologischen Aspekten der Geschlechterdifferenz: Gleichstellung<br />

muss auch gedanklich vollzogen werden und ungleiche Ausgangslagen von<br />

Frauen und Männer, Geschlechterstereotypen, unterschiedlichen<br />

Sozialisationen, Rollenverständnissen und Wahrnehmungen und deren<br />

Bewusstwerdung dienen als Grundvoraussetzung für Veränderungen. Die<br />

immer wiederkehrenden Diskurse einer biologisch determinierten<br />

Zweigeschlechtlichkeit mit daraus resultierender naturhafter<br />

Aufgabenverteilung muss ebenso mitberücksichtigt werden.<br />

5. Da das Unverhältnis von Männern und Frauen auf höherer Hierarchieebene<br />

im Wissenschaftsbereich mittlerweile nicht mehr als Folge mangelnder<br />

Intellektualität oder Minderbegabung von Frauen bezeichnet werden kann<br />

bzw. mit dem langen Ausschluss aus der Institution Universität begründet<br />

werden kann, rückt die Wissenschaft als sozialer Raum, ihre besonderen<br />

formellen und informellen Strukturen, Ein- und Ausschlusskriterien, welche<br />

Frauen mit formaler Chancengleichheit auf der höheren Hierarchieebene<br />

praktisch ausschließen, ins Blickfeld (vgl. Ulmi/Maurer 2005, 8ff).<br />

72


5.1 Die Dilemmata in der Gleichstellungsarbeit<br />

„Gleichstellung von Ungleichen ist nur mit Einsicht in die ungleichen Bedingungen<br />

möglich“<br />

(Ulmi/Maurer 2005, 9).<br />

5.1.1 Das Differenzdilemma<br />

Genau dieses ins Blickfeld rücken von Ungleichheiten birgt die Gefahr des<br />

Differenzdilemmas 28 :<br />

Wird die Differenz in den Mittelpunkt der Gleichstellungsarbeit gerückt, besteht die<br />

Gefahr, dass geschlechtsspezifische Zuschreibungen festgeschrieben und<br />

Stereotypenvorstellungen nicht aufgeweicht werden können. Wetterer (2002)<br />

beschreibt, selbst wenn „das Weibliche“ gegenüber „dem Männlichen“ (vgl. Wetterer<br />

2002, 142) durch Gleichstellungsarbeit aufgewertet und nicht als defizitär verstanden<br />

wird, kann das Dilemma nicht gelöst werden. Es macht Geschlechtszugehörigkeit zu<br />

einem sozial hoch bedeutsamen Tatbestand und ist Differenz deshalb gerade nicht<br />

geeignet, diese Grundvoraussetzung geschlechtshierarchischer Strukturen zu<br />

erschüttern (vgl. Wetterer 2003, 18).<br />

In der politisch-pragmatischen Gleichstellungsarbeit bezieht sich Differenz auf die<br />

strukturelle Ebene. Differenz bedeutet dabei nicht unterschiedliche Fähigkeiten der<br />

Geschlechter, sondern zielt auf eine gesellschaftlich verankerte und strukturell<br />

festgelegte Ungleichheit der Geschlechter ab. Wetterer (2003) beschreibt das<br />

Abzielen der Differenz auf das Geschlechterverhältnis „als sozialen<br />

Strukturzusammenhang, der die Lebenssituation von Frauen und Männern nach wie<br />

vor präformiert und sie überhaupt erst zu Verschiedenen und zu Ungleichen macht.<br />

Diese Ungleichheit produzierenden Strukturen gilt es zu verändern, statt deren<br />

Effekte zum Ausgangspunkt politischen Handelns zu machen und sie erneut<br />

festzuschreiben.“ (vgl. Wetterer 2003, 18).<br />

28<br />

Das „Dilemma der Differenz“ wurde erstmals von der amerikanischen Juristin Martha Minow 1990 so<br />

benannt: „Die Differenzen von subordinierten Gruppen zu ignorieren, führt zur problematischen Politik falscher<br />

Neutralität – sich aber ganz auf den Aspekt der Differenz zu konzentrieren, kann die Verstärkung des Stigmas der<br />

Abweichung erzeugen“. Minow, Martha, Adjudicating Differences: Conflicts Among Feminist Lawyers. In: Hirsch,<br />

Marianne/Fox Keller, Evelyn (Hg.): Conflicts in Feminismus, New York 1990, 149-163. Zit. nach Knapp, Gudrun-<br />

Axeli (1992): Macht und Geschlecht. Neuere Entwicklungen in der feministischen Macht- und<br />

Herrschaftsdiskussion, Freiburg<br />

73


Differenz, die mit den unterschiedlichen Fähigkeiten der Geschlechter begründet<br />

wird, bezeichnet Wetterer (2003) als Vereigenschaftung der Differenz: Unterschiede<br />

werden nicht auf soziale Strukturzusammenhänge zurückgeführt, die diese Differenz<br />

entstehen lassen, sondern als Verschiedenheit die in den Frauen und Männern<br />

selbst begründet ist, gesehen. Wetterer führt als Beispiele dieser Vereigenschaftung<br />

der Differenz den „weiblichen Führungsstil, „weibliches Arbeitsvermögen“, „weibliche<br />

Moral“ an, die der Dekonstruktion bedürfen (vgl. Wetterer 2003, 19). Die Differenz,<br />

mit dem „Wesen“ der Frau zu begründen, ist wiederum Basis für auf gesellschaftlich<br />

verankerte und strukturell festgelegte Ungleichheit der Geschlechter.<br />

Der Differenzansatz muss sich somit auch mit dem Vorwurf des „Essentialismus“, der<br />

eigenen Wesenhaftigkeit der Frau, beschäftigen, d.h. überlieferte Klischees und<br />

Geschlechterstereotype sowie polarisierte Positionen von Weiblichkeit und<br />

Männlichkeit festzuschreiben, anstatt diese aufzulösen. (vgl. Klinger 2003, 16).<br />

5.1.2 Das Gleichheitsdilemma<br />

Gleichstellungsarbeit birgt die Gefahr einer unbewussten Weiterführung von<br />

ungleichen Voraussetzungen. Das Gleichheitskonzept geht grundsätzlich davon aus,<br />

dass Frauen und Männer gleiche Fähigkeiten und Potenziale haben. Die Gründe für<br />

eine unterschiedliche und ungleiche Entwicklung der Fähigkeiten bei gleicher<br />

Ausgangslage müssen in den gesellschaftlichen Bedingungen liegen. Die<br />

Problematik in der bestehenden Ungleichheit ist, dass diese Ungleichheit nicht als<br />

Problem der Gesellschaft erkannt wird und konsequenterweise zu Änderungen der<br />

gesellschaftlichen Bedingungen führt, sondern die Gründe für die Ungleichheit den<br />

Benachteiligten selbst zugeschrieben wird. Ungleichheit ist demnach ein Problem der<br />

Frauen selbst.<br />

Wetterer (2003) hält in ihrer Beschreibung des Gleichheitsdilemmas fest, dass die<br />

Gleichbehandlung von Ungleichem Ungleichheit nicht abbaut, sondern diese sogar<br />

verstärkt (vgl. Wetterer 2003, 17). Die ungleichen Strukturen und Voraussetzungen,<br />

die dem asymmetrischen Geschlechterverhältnis zugrunde liegen, bleiben im<br />

Verborgenen und werden nicht in Frage gestellt und als gegeben hingenommen.<br />

Das Postulat der Gleichheit zwischen den Geschlechtern birgt als Strategie aber<br />

auch die Gefahr der einseitigen Angleichung weiblicher Lebensweisen an männliche<br />

74


Strukturen in sich, während die weiblichen Existenzweisen übersehen oder als<br />

minder bewertet werden 29 (vgl. Klinger 2003, 16).<br />

Die Annahme einer grundsätzlichen Gleichheit aller Frauen innerhalb der Kategorie<br />

Geschlecht, aufgrund gleicher Lebens- und Erfahrungswelten, die Annahme einer<br />

selbstverständlichen Solidarität zwischen Frauen aufgrund gleicher Leidens- und<br />

Unterdrückungserfahrungen („global sisterhood“) ist ebenso unrealistisch wie auch<br />

die Annahme des Weiblichen als „essentialistisch“ (Betonung des unterschiedlichen<br />

Wesens im Vergleich zum Männlichen). Bei dieser Annahme bleiben die Differenzen<br />

zwischen den Frauen in Hinblick auf ihre unterschiedlichen gesellschaftlichen und<br />

kulturellen Positionierungen unberücksichtigt (vgl. Klinger 2003, 16).<br />

In der politisch-pragmatischen Formulierung der Gleichstellungsarbeit bezieht sich<br />

Gleichheit auf die rechtliche Ebene. Dies setzt eine gesetzliche Regelung zur<br />

Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei gleichzeitigem<br />

unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungsverbots aufgrund des Geschlechts<br />

voraus.<br />

5.1.3 Das Dekonstruktionsdilemma<br />

Der dekonstruktivistische Ansatz stellt die binäre Zweigeschlechtlichkeit radikal in<br />

Frage. Verallgemeinernde Aussagen über das Verhalten der Geschlechter wie auch<br />

Lösungsansätze sind demnach nicht möglich. Konfliktpotentiale und Problemlagen<br />

im Verhältnis der Geschlechter können nach diesem Ansatz gar nicht aufgezeigt<br />

werden, da diese dichotome Kategorisierung nicht möglich ist. Für die<br />

Gleichstellungsarbeit gibt es aus dekonstruktivistischer Perspektive kaum<br />

Ansatzpunkte.<br />

Die Position des Dekonstruktivismus ist der Gegenpol zu Positionen der Differenz.<br />

Geschlecht als Kategorie – als binäres Oppositionspaar, als auch Frau als Kategorie<br />

wird grundsätzlich in Frage gestellt. Das Denken in Kategorien muss, so Judith<br />

29<br />

Ein gutes Beispiel liefert m.E. das Verhalten der neuen spanischen Verteidigungsministerin Carmé<br />

Chacon der Regierung Zapatero, die hochschwanger in ein Krisengebiet fährt um zu beweisen, dass sie<br />

dieselben Leistungen wie ein männlicher Verteidigungsminister erbringen kann und Kritik abzuwehren, die<br />

Schwangerschaft würde sie an der Ausübung ihres Amtes behindern.<br />

75


Butler, dekonstruiert werden. Nach Judith Butler 30 gibt es keine exklusive<br />

Zweigeschlechtlichkeit, sondern viele Identitäten. Die Konstrukte „männlich“ und<br />

„weiblich“ sind soziale Konstrukte und müssen dekonstruiert werden. Diese<br />

geschlechtlichen Identitäten sind nach Butler soziokulturelle Inszenierungen, die<br />

unter Druck der Gesellschaft übernommen werden. Für Butler ist das Denken in<br />

Klassifikationen ein Ausdruck von Herrschaft. Sie plädiert gegen eine kritiklose<br />

Annahme des Denkens in Dualismen der Geschlechtsidentitäts-Kategorien und<br />

kritisiert auch die Positionen jenes Differenzdenkens, das vom spezifisch Weiblichen,<br />

von „den Frauen“ als einheitliche Kategorie ausgeht.<br />

Dekonstruktion beschreibt Wetterer (2003) in diesem Zusammenhang für die<br />

politische und pragmatische Gleichstellungsarbeit als Korrektiv und kritisches<br />

Potenzial, um das Deutungsmuster „männlich – weiblich“ immer wieder in Frage zu<br />

stellen und der Kritik zu stellen.<br />

5.1.4 Gleichheit oder Differenz?<br />

„Gibt es eine Gemeinsamkeit unter den „Frauen“ die ihrer Unterwerfung vorangehen,<br />

oder verdankt sich das Band zwischen den „Frauen“ einzig und allein ihrer<br />

Unterdrückung? […] Gibt es ein Gebiet des spezifisch Weiblichen, das sowohl vom<br />

Männlichen als solchen unterschieden ist als auch in seiner Differenz durch eine<br />

unmarkierte und damit hypothetische Universalität der Kategorie „Frau(en)“<br />

erkennbar ist?“ 31<br />

(Judith Butler, 1991)<br />

In der feministischen Debatte hat die Frage Gleichheit oder Differenz eine lange<br />

Tradition. Zwischen Ende der 1960er Jahre und Mitte der 1980er Jahre liegt der<br />

Focus der Debatte um Gleichheit oder Differenz zwischen den Geschlechtern. Dabei<br />

wird von Gleichheit oder Differenz von einem binären, aber diametral entgegen<br />

gesetzten oppositionellen Paar ausgegangen. Es handelt sich wie Klinger (2003)<br />

anführt, um verschiedene Ansätze und Versuche, dasselbe Problem, nämlich die<br />

Tatsache gesellschaftlicher Ungerechtigkeit, der ungleichen Distribution von<br />

30<br />

31<br />

Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main. 1991<br />

Butler, Judith. Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt am Main 1991, 19.<br />

76


Rechten, Gütern, Chancen und Anerkennung, zu lösen. Dabei weisen die<br />

konkurrierenden Ansätze nach Klinger gravierende Mängel auf, da sie auf<br />

unterschiedliche Weise nicht ausreichen, Lösungsmöglichkeiten für die anstehenden<br />

Probleme anzubieten (vgl. Klinger 2003, 16).<br />

Ab den 1980er Jahre vollzieht sich ein Wandel und werden in der feministischen<br />

Diskussion Differenzen oder Gleichheit zwischen den Frauen in den Blickpunkt<br />

gerückt.<br />

Der thematische Wandel resultiert wie Klinger (2003) anführt aus der Einsicht, dass<br />

die Gesellschaft trotz Fortschritte und formaler Rechtsgleichheit der Geschlechter<br />

seit dem frühen 20. Jahrhundert, von einer geschlechtergerechten Gesellschaft weit<br />

entfernt ist. Dem Versuch des Ausgleichs der Benachteiligten durch Angleichung an<br />

die Privilegierten (Männer), folgte aus differenzfeministischer Sicht die Verfolgung<br />

desselben Ziels auf anderem Weg. Die Konzentration auf die Unterprivilegierten<br />

(Frauen), und die Aufwertung derselben durch ins Zentrum rücken von deren<br />

Eigenwert, Eigengewicht, ihrer Geschichte und Vorbilder.<br />

Klinger (2003) kritisiert die Tatsache, dass der thematische Übergang der Debatte<br />

von der Gleichheit oder Differenz der Geschlechter zur Gleichheit oder Differenz<br />

unter Frauen zwar legitim und richtig sei, die erste Phase der Debatte aber<br />

aufgegeben wurde, bevor sie beantwortet wurde. Es ist anzunehmen, dass dies als<br />

Resultat der Enttäuschung über die trägen Auswirkungen der Gleichheitsdiskussion<br />

geschehen ist. Sie bezeichnet dies als „eine schwere Hypothek für die Gegenwart<br />

und Zukunft“ (vgl. Klinger 2003, 15).<br />

Die Debatte um Gleichheit der Frauen im Sinne einer Verbundenheit untereinander,<br />

aufgrund gleicher Lebens- und Leidenserfahrungen, die sozialromantische Annahme<br />

einer „Schwesternschaft“ erweist sich als unrealistisch und defizitär, da die sozialen<br />

und kulturellen Stellungen der Frauen, somit die Differenzen unter den Frauen<br />

unberücksichtigt blieben.<br />

Die Debatte um Differenzen zwischen den Frauen wird schließlich ausgedehnt auf<br />

Differenzen in Hinblick auf soziale Stellung, ethnische Herkunft, kulturelle<br />

Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Alter, Religion und Weltanschauung. Dies führt<br />

schließlich zu der nach wie vor aktuellen Debatte um die gesamtgesellschaftlichen<br />

77


Ungleichheit(en) und Herrschaftsverhältnisse entlang der Kategorien race, class und<br />

gender.<br />

Schließlich impliziert die Frage nach Gleichheit oder Differenz zwischen den<br />

Geschlechtern bzw. unter den Frauen immer auch die Frage nach dem Wesen und<br />

Identität der Subjekte. Vor allem der Differenzansatz verstärkt die Tendenz<br />

Identitätsfragen zu stellen und natur- bzw. kulturbedingte Erkenntnisse zu gewinnen.<br />

Die Frage des „typisch Weiblichen bzw. Männlichen“, die Annahmen über spezifische<br />

weibliche und männliche Kulturen verändern aber auch wie Klinger (2003) anführt,<br />

die Herangehensweisen der Politik von der Interessens- zur Identitätspolitik. Sie<br />

argumentiert, dass herkömmliche politische Prozesse das Aushandeln und<br />

Durchsetzen von Interessen zum Ziel haben. Vorrangig geht es um gerechte<br />

Teilhabe und Zugang zu materiellen und immateriellen Ressourcen. Die Gesellschaft<br />

ist etwas Allgemeines und Ganzes, zu der Individuen und Gruppen Zugang und auf<br />

gerechte Weise teilhaben wollen. Einer Politik der Identität geht es um<br />

Andersartigkeit und Annerkennung von Eigenarten von Gruppen oder Individuen. Im<br />

Mittelpunkt steht die Wahrung und Entfaltung von (kulturell erworbenen oder<br />

angeborenen) Eigenarten, das Recht auf Differenz (vgl. Klinger 2003, 15 ff).<br />

„Einfach gesagt: zielt Gleichheit auf Allgemeinheit, so legt Differenz die<br />

Betonung auf Besonderheit und Besonderung“ (vgl. Klinger 2003, 16).<br />

Beide Ansätze, wenn auch als oppositionell aufgefasst, versuchen letztendlich das<br />

gleiche Problem der gesellschaftlichen Ungerechtigkeit, der ungerechten Verteilung<br />

der Zugänge zu Rechten, Gütern und Chancen, zu lösen. Allerdings weisen die<br />

Positionen gravierende Mängel auf:<br />

_Der Gleichheitsansatz zwischen den Geschlechtern muss sich immer wieder<br />

mit dem Vorwurf der Angleichung der Frau an das Wesen und die Welt des<br />

Mannes, auseinandersetzen. Eine Vernachlässigung der weiblichen<br />

Existenzweise ist die Folge.<br />

_Der Differenzansatz rückt die weibliche Existenzweise in den Mittelpunkt und<br />

muss sich wiederum dem Vorwurf des Essentialismus aussetzen, d.h. Sein<br />

78


und Wesen von Frauen und Männern werden durch tradierte Zuschreibungen<br />

und Stereotypen festgeschrieben, statt aufgelöst.<br />

_Der Gleichheitsansatz zwischen den Frauen durch die Annahme einer<br />

Schwesternschaft durch gleiche Lebenssituationen, ist ebenso essentialistisch<br />

wie unrealistisch und lässt gesellschaftliche und kulturelle Positionen außer<br />

Acht.<br />

_Der Ansatz der Differenzen zwischen Frauen unter Einbeziehung ihrer<br />

gesellschaftlichen und kulturellen Situation wird schließlich soweit geführt,<br />

dass am Ende nicht mehr erkennbar ist, worin überhaupt noch<br />

Gemeinsamkeiten in der Benachteiligung von Frauen bestehen (vgl. Klinger<br />

2003, 16).<br />

Klinger sieht zusammenfassend eine Pattstellung zwischen Gleichheits- und<br />

Differenzansatz, wobei jeder Ansatz auf die Unzulänglichkeiten des anderen<br />

verweist. Sie sieht die Unlösbarkeit im falschen Ansatz der Frage nach Wesen und<br />

Identität der Geschlechter. „Versucht man den Pol der Gleichheit zu fixieren,<br />

bekommt man es sofort mit Differenzen zu tun; will man diese jedoch festlegen, lösen<br />

sie sich im Nu wieder auf“ (vgl. Klinger 2003, 17).<br />

Für die konkrete und praktische Gleichstellungsarbeit gilt es nach Wetterer (2001),<br />

die Dilemmatas und unterschiedlichen Ansätze in all ihren Widersprüchlichkeiten<br />

mitzudenken und zu verknüpfen. Sie bilden ein gegenseitiges Korrektiv und sind die<br />

Voraussetzung für eine erfolgreiche Gleichstellungsarbeit und dem theoretischen<br />

Diskurs. (vgl. Knapp/Wetterer 2001, 142).<br />

79


6. Wissenschaftliche Nachwuchsförderung durch Mentoring<br />

„Aus Gleichstellungsperspektive ist die Frage der Nachwuchsrekrutierung elementar:<br />

Damit genügend Frauen auf den oberen Hierarchiestufen ankommen, müssen sie als<br />

Nachwuchskräfte gefördert werden – das gilt für Positionen innerhalb wie außerhalb<br />

der Wissenschaft. Angesichts der Tatsache, dass die Bedingungen für den<br />

wissenschaftlichen Nachwuchs in vielen Fächern überhaupt prekär sind, kann die<br />

Erhöhung der Chancengleichheit nur im Zusammenspiel mit einer Verbesserung der<br />

Nachwuchsstrukturen überhaupt gelingen“ 32<br />

Ulmi/Maurer 2005<br />

6.1 Mentoring – ein widersprüchliches Konzept<br />

Auf der Suche nach zielführenden Strategien und Maßnahmen zur Erhöhung des<br />

weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses an den Universitäten, vor allem in<br />

Bereichen mit hoher vertikaler und horizontaler Segregation, erlebt in den letzten<br />

Jahren das Förder-Konzept Mentoring im Rahmen der Frauenförderung und<br />

Gleichstellungsarbeit einen Aufschwung.<br />

Mangelnde Integration basierend auf einer Chancenungleichheit im<br />

Wissenschaftssystem und das Sichtbar machen inneruniversitärer<br />

Ausschlussfaktoren sind Ausgangspunkt jeder Konzeption.<br />

6.1.1 Begrifflichkeit von Mentoring<br />

Die Bezeichnung Mentoring umfasst grundsätzlich eine Vielzahl von Förderpraktiken<br />

in den Sparten Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, im öffentlichen Dienst oder Non-<br />

Profit-Bereichen. Die Vielfalt zeigt sich in den Formen, Inhalten und Zielen der<br />

Mentoring-Konzepte. So kann, nach Nöbauer (2004), Mentoring u.a. ein Instrument<br />

der Personalentwicklung, zur Elitebildung in Politik und Wissenschaft, zum Abbau<br />

geschlechtsspezifischer Hemmschwellen bei der Berufswahl von Mädchen, zur<br />

32<br />

Ulmi, Marianne/Maurer, Elisabeth (2005): Geschlechterdifferenz und Nachwuchsförderung in der<br />

Wissenschaft. Studie 3 ihm Rahmen des SOWI-Disslabors. UniFrauenstelle Universität Zürich, 14.<br />

80


Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt oder als Instrument zur<br />

Frauenförderung und Gleichstellung der Geschlechter, sein.<br />

Eine einheitliche Definition des Begriffes Mentoring ist aufgrund der vielen<br />

verschieden Ansätze und Zugänge zu Konzepten von Mentoring in unterschiedlichen<br />

Disziplinen und Anwendungsgebieten, unterlegt durch unterschiedliche ideologische<br />

Annäherungen, schwer möglich.<br />

6.1.2 Formen von Mentoring<br />

Die ursprüngliche Form von Mentoring-Konzepten ist die klassische one-to-one<br />

Förderbeziehung. Historisch betrachtet ist das Vorbild dabei eine Vater-Sohn-<br />

Beziehung.<br />

Mittlerweile gibt es viele Formen von Mentoring, u.a. Einzelmentoring,<br />

Gruppenmentoring (peer-group), Cross-Mentoring, Same-gender-Mentoring, Crossgender-Mentoring,<br />

auf Dauer angelegte Programme oder einzelne Projekte in<br />

Organisationen, den Kern von Mentoring-Beziehung bildet allerdings immer die<br />

persönliche Beziehung zwischen einem/r (meist älteren) Förderer/in und einem<br />

Schützling.<br />

Unterschieden wird auch zwischen informellen und formellen Formen von Mentoring.<br />

Informelles Mentoring geschieht dann, wenn eine Person durch eine andere Person<br />

gefördert wird, ohne sich dessen bewusst zu sein. Aber auch der oder die Mentor/in<br />

muss sich darüber nicht im Klaren sein, dass er oder sie als Mentor/in agiert. Diese<br />

informelle Form von Mentoring wird häufig als Nachwuchsförderung unter Männern<br />

praktiziert (vgl. Meyerhofer 2005, 116). Anzunehmen ist, dass dabei<br />

zwischenmenschliche Faktoren, wie gegenseitige Sympathien eine (Haupt-)Rolle<br />

spielen. Teresa Schweiger 33 spricht das auch im Interview an, in dem sie betont,<br />

dass männliche Führungskräfte sich bei Personal oder Nachfolge oft unbewusst nach<br />

Personen, die ihnen am ähnlichsten sind, sogenannte Mini-me´s bzw. Kronprinzen,<br />

umsehen.<br />

33<br />

Vgl. Interview im Anhang<br />

81


Die formelle Form von Mentoring basiert auf der Vermittlung einer Mentoring-<br />

Förderbeziehung im Rahmen eines Mentoring-Programms.<br />

MentorInnen sind in einem bestimmten Berufsfeld erfahrene und auch erfolgreiche<br />

Personen, die andere Personen (Mentées) – meist jüngere und unerfahrene – in<br />

ihrer beruflichen Karriere unterstützen und fördern. Die Beziehung ist eine<br />

individuelle Förderbeziehung zwischen Personen mit ungleichem Status (vgl.<br />

Nöbauer 2004, 110).<br />

„Mentoring ist aus der historischen Tradition heraus als eigentlicher<br />

Initiationsprozess zu verstehen, in dem ein junger Mann von einem älteren<br />

Mann auf der Suche nach seiner Identität begleitet und in die Spielregeln der<br />

Gesellschaft eingeführt wird. Der Schützling wird am Schluss dieser<br />

Beziehung zu einem Gleichen unter Gleichen, zu einem erwachsenen Mann,<br />

der in die Autonomie entlassen und als potenzieller Konkurrenz anerkannt<br />

wird, unter der Voraussetzung, dass er das Spiel gelernt und dessen Regeln<br />

übernommen hat“ (vgl. Brandner 2005, 18).<br />

In diesem Sinn ist traditionelles Mentoring kein Instrument mit<br />

gesellschaftsverändernden Auswirkungen, sondern bilden traditionelle Mentoring-<br />

Beziehungen Geschlechterordnungen, soziale Hierarchien, Macht- und<br />

Abhängigkeitsverhältnisse ab, in denen (männliche) Elitebildung produziert und<br />

reproduziert werden. In der Literatur wird auf diese Ambivalenzen und<br />

Schwierigkeiten vom Durchbrechen bestehender Machverhältnisse bzw.<br />

Reproduzieren von Machtverhältnissen mittels Mentoring immer wieder hingewiesen<br />

(vgl. Brandner 2005, 17ff; Schliesselberger/Strasser 2000, 13). Ebenso steht die<br />

Frage des Einschlusses (oder Einführung) in oder Ausschluss von bestehenden<br />

Systemen oder Netzwerken mittels Mentoring Konzepten immer wieder zur Debatte.<br />

Der Name Mentoring geht ursprünglich auf die mythologische Figur des Mentors,<br />

einem Freund des Odysseus, zurück. Während der langjährigen Abwesenheiten von<br />

Odysseus, kümmert sich Mentor um dessen Sohn, Telemachos. Er ist Vorbild und<br />

Lehrer, Berater und Vaterfigur und verantwortlich für die persönliche und politische<br />

Entwicklung seines Schützlings. Er ist dabei emotionale und intellektuelle Leitfigur<br />

82


und vermittelt durch seine Erfahrungen die richtigen gesellschaftlichen<br />

Verhaltensweisen.<br />

Der Name Mentor wurde somit zum Begriff für Vorbild und Erzieher, für eine<br />

erfahrene, erfolgreiche Person, die eine andere, meist jüngere und unerfahrene<br />

Person unter seine Fittiche nimmt.<br />

Hinter der mythologischen Figur des Mentors in Odysseus Homer, steht die Göttin<br />

Pallas Athene, die in männlicher Gestalt die Rolle des Mentors übernommen hat.<br />

(vgl. Strasser/Schliesselberger 2002, 215; Strasser/Schliesselberger 1998, 16).<br />

Diese Grundidee des Vorbild und Erziehers wurde aus der griechischen Mythologie<br />

auf Konzepte der Neuzeit übertragen.<br />

In den USA ist das Konzept Mentoring im Bereich Wirtschaft und Berufsleben seit<br />

den 1970er Jahren ein Instrument der Personalentwicklung und fixer Bestandteil<br />

eines Karriereverlaufes. „Everyone Who Makes It Has a Mentor” betont die Harvard<br />

Business Review 1979 34 die Notwendigkeit von Mentoring. Eine Vielzahl von<br />

theoretischen Abhandlungen und Studien, die den Zusammenhang zwischen<br />

Mentoring und Karriereverlauf erfolgreicher Männer zum Inhalt hatten, wurden<br />

veröffentlicht. 35<br />

Erstmals tritt auch die Rolle des Geschlechts in den Vordergrund und die Bedeutung<br />

von Same-Gender- und Cross-Gender-Mentoring und seine Wichtigkeit für die<br />

berufliche Karriere von Frauen untersucht.<br />

Formelles Mentoring gilt im englischsprachigen Raum als wichtige Maßnahme zur<br />

Nachwuchs- und Laufbahnförderung. Von einer expliziten Förderkultur zeigen auch<br />

die amerikanischen Universitäten mit eigens zur Nachwuchsunterstützung<br />

eingerichteten Institutionen (Career Centers). Credit Points für ProfessorInnen, die<br />

Nachwuchsförderung betreiben, sind im Gegensatz zum deutschsprachigen<br />

Hochschulsystem durchaus üblich.<br />

Trotz dieser ersten Hochphase wurde Mentoring durchaus nicht nur als<br />

funktionierend und gültig gesehen. Ein Zusammenhang zwischen Mentoring und<br />

daraus resultierenden wirtschaftlichen Erfolg (Einkommen, Zufriedenheit, Aufstieg)<br />

34<br />

35<br />

Zitiert nach Schliesselberger/Strasser 1998, 17.<br />

U.a. D.J. Levinson (1978) Studie zur zentralen Bedeutung von Mentoren für „große Männer“ anhand von<br />

40 Männerkarrieren. The seasons of a man´s life 1979.<br />

83


wurde als hypothetisch angenommen und vorausgesetzt, eine erfolgreiche<br />

Evaluation konnte allerdings in Untersuchungen 36 nicht festgestellt werden.<br />

Ein weiterer Problembereich umfasst die Frage des Einschlusses und Ausschlusses<br />

durch Förderbeziehungen bzw. zeigt dessen Ambivalenzen. Je nachdem wie<br />

Mentoring-Konzepte interpretiert oder benützt werden, können benachteiligte<br />

Gruppen gefördert und in ein organisationales System integriert werden, als auch<br />

gezielt Elitenbildung betrieben werden. Förderbeziehungen können sowohl<br />

Einschluss als auch Ausschluss produzieren.<br />

Im englischsprachigen Raum ist Mentoring seit den 1970er Jahren trotz dieser<br />

Ambivalenzen und Unsicherheiten auch im Bereich Wissenschaft und Karriereverlauf<br />

ein zentrales Fördermodell.<br />

In der Hochphase von Mentoring in den 1980er Jahren ist Mentoring essentiell für<br />

den wissenschaftlichen Erfolg und dem universitären Aufstieg und wird ein ideales<br />

Bild der Förderbeziehung gezeichnet. Die Aufgabe der MentorInnen ist es, die<br />

Schützlinge anzuleiten, einzuführen, zu beraten, zu instruieren, die wissenschaftliche<br />

und die persönliche Entwicklung zu fördern (vgl. Strasser 1998, 20).<br />

Die Auseinandersetzung um die Bedeutung der Kategorie Geschlecht, Debatten um<br />

Differenzen zwischen Frauen und zwischen den Geschlechtern, die soziale und<br />

ethnische Herkunft in wissenschaftlichen Förderbeziehungen, wird nach und nach in<br />

die Diskussion miteinbezogen.<br />

Anfang der 1990er Jahre rückte Mentoring als Modell auch für ethnische Gruppen<br />

oder Angehörigen von Minderheiten zur Erhöhung der Chancengleichheit ins<br />

thematische Blickfeld.<br />

Der Versuch, Mentoring als Mittel der Veränderung von bestehenden<br />

Benachteiligungen und Differenzen zu nutzen, bewirkt auch eine Distanzierung vom<br />

Erfolg versprechenden Konzept und zeigte die Widersprüchlichkeiten des Konzeptes<br />

auf.<br />

36<br />

Speitzer (1981) zeigt dies in ihrem Essay „Role Models, Mentors, and Sponsors“ auf und verlangt nach<br />

Definitionen für die unterschiedlichen Begriffe und Konzepte als Voraussetzung für die Untersuchung von<br />

Zusammenhängen zwischen Förderbeziehung und beruflichen bzw. wirtschaftlichen Erfolg (Speitzer 1981, zit.<br />

nach Schliesselberger/Strasser 1998, 18).<br />

84


Mentoring im universitären Feld kann, nach Strasser (1998), grundsätzlich<br />

verschiedene Ebenen der universitären Laufbahn (Studium, Dissertation- und<br />

Habilitationsphase, Einstieg und Aufstieg in der wissenschaftlichen Laufbahn) als<br />

auch unterschiedliche Ebenen innerhalb der Organisationsstruktur (Verwaltung,<br />

Forschung, Lehre) umfassen. Auch existieren verschiedene<br />

Beziehungskonstellationen im universitären Feld: gleich- und höherrangige<br />

KollegInnen, ReferentInnen und AbteilungsleiterInnen von Organisationseinheiten<br />

oder Fachbereichen, u.ä.<br />

Eine einheitliche Definition ist auch bei Beschränkung auf das universitäre Feld nicht<br />

möglich. Zugänge und Intentionen zu den Konzepten sind zu unterschiedlich und<br />

bleiben „Verwirrungen anlässlich der vielen Definitionen,<br />

Instrumentalisierungsmöglichkeiten und synonym verwendeten Begriffen nicht aus“<br />

(vgl. Strasser 1998, 20).<br />

Für die AkteurInnen der Gleichstellungs- und Frauenförderungspolitik an den<br />

Universitäten ist die Erhöhung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses auf<br />

höheren hierarchischen Ebenen elementar. Um die gläserne Decke im sozialen Feld<br />

Wissenschaft zu durchbrechen werden Strategien und Maßnahmen gesucht, um<br />

Chancengleichheit zu fördern. Zwei Ansatzpunkte für die Gleichstellungsarbeit sind<br />

dabei zu bedenken: Erstens spezifische Frauenförderungsprogramme zur<br />

Unterstützung der Nachwuchswissenschafterinnen mit den Vor- und Nachteilen bzw.<br />

Ambivalenzen, auf die zuvor hingewiesen wurde und zweitens Änderung bzw.<br />

Verbesserung von strukturellen Rahmenbedingungen, welche gleichberechtigte<br />

Voraussetzungen für die Karriere in der Wissenschaft schaffen.<br />

Neben monetären Frauenförderungsprogrammen in Form von<br />

Weiterbildungsmaßnahmen (Stipendien, finanzielle Anreizsysteme, u.ä.), ist in den<br />

letzten Jahren ein regelrechter Boom an Förderungsmaßnahmen in Form von<br />

Mentoring-Programmen an den deutschsprachigen Universitäten und Hochschulen<br />

zu beobachten.<br />

Aufgebaut sind diese Aktivitäten auf der Einführung von Gender Mainstreaming in<br />

die gesetzlichen Grundlagen sowie die Implementation von Frauenförderungsplänen<br />

an den Universitäten als weitere Chance, die Geschlechterperspektive auf alle<br />

Ebenen der organisationalen Strukturen und des Handelns einzubringen.<br />

85


Die Bedeutung von MentorInnen zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft,<br />

verschiedene Mentoringmodelle und deren Auswirkungen auf die Produktivität von<br />

WissenschafterInnen, konkrete Auswirkungen auf Karrierechancen von Frauen, aber<br />

auch Abhängigkeiten Ausbeutung und Isolation durch Mentoring werden verstärkt<br />

diskutiert.<br />

Mentoring-Programme für Wissenschafterinnen fallen unter traditionelle<br />

Frauenförderungsinstrumente, auf deren kontraproduktive Wirkungen bereits<br />

hingewiesen wurde. Die steigende Anzahl von Mentoring-Projekten in den letzten<br />

Jahren an den Universitäten im deutschsprachigen Raum, ist auffallend. Aber nicht<br />

nur im tertiären Bildungssektor, sondern auch in Wirtschaftsunternehmen,<br />

Institutionen des öffentlichen Bereichs und nicht zuletzt in die Politik haben<br />

Mentoring-Projekte Eingang gefunden, wird Mentoring als individuelles<br />

Förderinstrument eingesetzt.<br />

Bei der Konzipierung dieser Programme müssen die Rahmenbedingungen, d.h.<br />

immer auch Organisationsstruktur und -kultur mitreflektiert werden. Im Bereich der<br />

Universität heißt dies, die europaweiten Umstrukturierungen, Angleichungen der<br />

Systeme und Reformen im Hochschulbereich, den Drang und die Notwendigkeit zur<br />

„Marktfähigkeit“ der Universitäten und deren Auswirkungen auf die Bemühungen um<br />

„echte“ Gleichstellung in einer komplexen Organisation, bei gleichzeitiger<br />

Verrechtlichung von Gleichstellung und Gleichstellungsmaßnahmen ebenso kritisch<br />

mit zu reflektieren, wie auch die informellen Spielregeln und Beziehungsebenen der<br />

Organisationskultur.<br />

In ihrem Aufsatz über die Problematik von Mentor-Protegé-Beziehungen und ihre<br />

universitäre Sozialisation sieht Agnes Dietzen (1990) eher Nachteiliges für<br />

Wissenschafterinnen bei Eingehen solcher Bindungen. Sie bezeichnet die Universität<br />

für Frauen grundsätzlich als einen „sperrigen“ Ausbildungsort und ein<br />

„problematisches“ Arbeitsmilieu. In Spitzenposition blieben Frauen zahlenmäßig<br />

„kontinuierliche Seltenheiten“. Ihrer Meinung nach liegen die Schwierigkeiten in<br />

„diffusen Abhängigkeitsverhältnissen“, welche im Grunde auf verlängerte Mentor-<br />

Protégé-Bindungen (Professor-Assistenten/Mitarbeiter, Doktorvater/Doktoranden-<br />

Beziehungen) zurückzuführen sind.<br />

86


Sie zeigt in ihrer Analyse von Mentor-Protégé-Bindungen in der Wissenschaft die<br />

bisherige Wichtigkeit der Mentorenschaft für die akademische Sozialisation der<br />

Wissenschafterinnen und Pionierinnen. Fehlende Protegierung ist einer der<br />

Hauptgründe, warum Frauen hartnäckig unterrepräsentiert bleiben. Gleichzeitig stellt<br />

sie dabei die Ambivalenz dieser Beziehungen dar und spricht von einer<br />

„Ghettoisierung“ erfolgreicher Wissenschafterinnen bei Bindung an männliche<br />

Mentoren. Ihrer Meinung nach existieren zu wenig gleichgeschlechtliche Alternativen,<br />

Frauen als „Doktormütter“. Die Beziehungsmodelle folgen dem Muster der<br />

traditionellen Geschlechtersozialisation und haben sich paternalistische Strukturen<br />

bis heute erhalten, wie auch der gängige Begriff „Doktorvater“ impliziert. Die<br />

Beziehung und Verhältnisse zwischen Mentor und seinem weiblichen Protégé sind<br />

Dietzens Meinung nach, schwer fassbar und durch extrafunktionale Faktoren und<br />

Ambivalenzen bestimmt (vgl. Dietzen 1990, 21).<br />

Letztendlich ist die Aufnahme und Bewährung im sozialen, informellen Feld der<br />

Wissenschaft von persönlichen Verhältnissen abhängig. Die Fähigkeiten sich im<br />

wissenschaftlichen Milieu zu bewegen, Kontakte zu knüpfen, Veröffentlichungs- und<br />

Publikationsangebote, Empfehlungen 37 zu erhalten sind auf die Wohlgesonntheit<br />

eines Unterstützers angewiesen.<br />

In diesem Feld der informellen und diffusen Abhängigkeiten lokalisiert Bourdieu in<br />

den Lehrer-Schüler-Beziehungen den Kern einer dauerhaften akademischen Macht.<br />

Für den Mentor besteht die Möglichkeit, Schüler an sich zu binden,<br />

Erwartungshaltungen für die Karriere zu wecken und „Hörigkeit zu produzieren“,<br />

welche den Mentor „erhöht“ und den eigenen Einflussbereich ausweitet. Für<br />

Bourdieu gehen diese individuellen Beziehungen aber weiter, sie setzen einen<br />

„Einverständnisglauben“ der Institution voraus. Nachwuchskräfte werden auf den<br />

stillschweigenden institutionellen Konsens eingeschworen (vgl. Dietzen 1990, 19).<br />

Diese von Abhängigkeiten geprägten Sozialisationsbeziehungen im<br />

wissenschaftlichen Feld nützen einer informellen Struktur, welche sich immer wieder<br />

selbst reproduziert.<br />

37<br />

Pierre Bourdieu 1988 bezeichnet diese Fähigkeiten in „Homo Academicus“ als „soziales Kapital“ von<br />

Wissenschaftern.<br />

87


Von diesem Standpunkt aus, liegt der Auftrag von Mentoring eher im System<br />

erhaltenden und System reproduzierenden Verhalten, ein Instrument mit wenig<br />

Veränderungspotential, das Abhängigkeitsverhältnisse produziert und reproduziert.<br />

In ihrer Studie „In den Fußstapfen der Pallas Athene“ 38 haben sich Schliesselberger<br />

und Strasser 1998 mit den Möglichkeiten und Grenzen von Mentoring im<br />

universitären Feld beschäftigt. Mögliche Grenzen bzw. Hemmnisse des<br />

Förderinstrumentes Mentoring sehen sie in der Beziehung zwischen den<br />

MentorInnen und Mentées, in einer unterschiedlichen sozialen und ethnischen<br />

Herkunft, unterschiedlicher sexueller Orientierungen und nicht zuletzt auch innerhalb<br />

bzw. zwischen den Geschlechtern.<br />

Neben Mentoring als Instrument zur Einführung in bestehende gesellschaftliche<br />

Verhältnisse, dessen Erfolg auch maßgeblich davon abhängig ist, ob die „Chemie“<br />

des Mentoring-Paares stimmt, kommt Ende der 1990er Jahre, wie bereits erwähnt,<br />

ein weiterer Aspekt in die Debatte um Mentoring hinzu. Neben der Einführung und<br />

Unterstützung benachteiligter und unterrepräsentierter Gruppen in bestehende<br />

Systeme, werden die Ungleichheit produzierenden Systeme selbst, Teil der Debatte.<br />

Mentoring soll somit jetzt auch dafür genutzt werden, strukturelle Ungleichheiten in<br />

einem System sichtbar zu machen, zu benennen und so für Veränderungen zu<br />

sorgen.<br />

So beschäftigen sich Genetti/Nöbauer/Schlögl (2005) mit Mentoring für<br />

Wissenschafterinnen im Spannungsfeld der universitären Kultur- und<br />

Strukturveränderung und sehen „gleichstellungspolitische Maßnahmen wie Mentoring<br />

(…) nicht nur als eine Maßnahme zum Ausgleich von Nachteilen für<br />

Wissenschafterinnen (…), sondern auch als Strategie zur Struktur- und<br />

Kulturveränderung der Universitäten im Gesamten.“ (vgl. Genetti/Nöbauer/Schlögl<br />

2005, 14).<br />

Für die Autorinnen ist es unerlässlich, dass Mentoring-Programme in ihrer<br />

Konzeption immer auch die (geschlechts-)hierarchische Organisationsstruktur der<br />

Universität mit einzubeziehen und stellen sie sich weiter die Frage, ob Mentoring als<br />

38<br />

Vgl. Schliesselberger, Eva/Strasser, Sabine (1998): In den Fußstapfen der Pallas Athene. Möglichkeiten<br />

und Grenzen des Mentoring von unterrepräsentierten Gruppen im universitären Feld. Materialen zur Förderung<br />

von Frauen in der Wissenschaft. Band 7. Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr. Wien.<br />

88


Förderinstrument einen Beitrag zur Strukturveränderung der Universitäten in<br />

Richtung Geschlechtergerechtigkeit überhaupt leisten kann (vgl.<br />

Genetti/Nöbauer/Schlögl 2005, 15).<br />

89


6.2 Mentoringprojekte -<br />

m:uv an der Universität Wien<br />

Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung Universität Salzburg<br />

Aktuell laufen an österreichischen Universitäten Mentoring-Projekte bzw. werden<br />

Programme konzipiert und initiiert. Die Zugänge und Ansätze sind dabei je nach<br />

Universität und Fachausrichtung unterschiedlich.<br />

Ich habe zwei Projekte mit unterschiedlicher Ausrichtung genauer untersucht und die<br />

beiden Projektleiterinnen dazu interviewt.<br />

Während das Wiener Programm m:uv vom Ansatz des Gruppenmentoring (peergroup)<br />

ausgeht, bereits dem vierten Durchgang plant und mittlerweile relativ etabliert<br />

ist, ist das Salzburger Programm in Kooperation mit der Universität Linz, als<br />

klassisches one-to-one Mentoring-Programm konzipiert und aktuell gerade in der<br />

Bewerbungs- und Matchingphase.<br />

Das Wiener Programm m:uv greift mittlerweile auf die positiven Erfahrungen von drei<br />

abgeschlossenen und evaluierten Durchgängen zurück, das Salzburger Programm<br />

läuft zum ersten Mal und ist in der Bewerbungs- bzw. Matchingphase, mit Beginn im<br />

Herbst 2008. Beschränkt auf zwei MentorInnen und zwei Mentées pro teilnehmende<br />

Universität, setzt es auf eine gezielte Förderung in den traditionell für<br />

Nachwuchswissenschafterinnen schwierigem Terrain naturwissenschaftlichtechnischer<br />

Fächer.<br />

Die Idee des überuniversitären Kooperationsprogramms mit der Johannes-Kepler-<br />

Universität Linz, entstand aus der Notwendigkeit, geeignete Personen in diesen<br />

Fächern auf MentorInnenseite ebenso wie auf Seiten der Mentées, zu finden.<br />

Ebenso neu an dieser Konzeption ist das gezielte Herantreten an geeignete<br />

MentorInnen nach Auswahl der Mentées. Damit soll ein möglichst großer Profit für<br />

beide Seiten garantiert sein. Gleich ist beiden Programmen, dass sie als Cross-<br />

Gender-Programme konzipiert sind, aus dem profanen Grund der größeren<br />

Auswahlmöglichkeiten unter geeigneten Personen vor allem auf Seiten der<br />

MentorInnen, basierend aber auch auf den bisherigen Erfahrungen der Mentoring-<br />

Programme.<br />

90


6.2.1 Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung –<br />

Mentoring an der Universität Salzburg<br />

Das gendup – Zentrum für Gender Studies und Frauenförderung an der Universität<br />

Salzburg bietet seit 2003 gemeinsam mit der Stabsabteilung für Gleichstellungsarbeit<br />

an der Universität Linz ein Kooperationsprojekt zur wissenschaftlichen<br />

Nachwuchsförderung unter dem Titel karriere_links an.<br />

Entstanden ist die Idee eines gemeinsames Nachwuchsförderungsprogramm durch<br />

dasselbe Ziel der Stärkung der Geschlechterdemokratie an den Universitäten Linz<br />

und Salzburg sowie der Förderung der Karrierechancen für Wissenschafterinnen.<br />

Ausschlaggebend dabei ist die Erkenntnis, dass sich Gleichstellungspolitik nicht in<br />

frauenbezogener Förderung erschöpfen darf, sondern als Strukturpolitik die gesamte<br />

Organisationsentwicklung erfassen muss. Das Programm ist ein mehrschichtiges<br />

Nachwuchsförderungs- und Karriereplanungskonzept, das die Erhöhung des<br />

Frauenanteils in höheren wissenschaftlichen Positionen zum Ziel hat.<br />

Um Frauen bei der durchgängigen Wissenschaftskarriere zu unterstützen setzt das<br />

Konzept auf mehreren Ebenen an:<br />

Auf der Ebene der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen in Ausbildung,<br />

Vertragsassistentinnen, Wissenschafterinnen in Ausbildung, Mitarbeiterinnen von<br />

Forschungsprojekten und Lektorinnen setzt das Konzept durch Unterstützung und<br />

Begleitung in der Dissertationsphase und Laufbahnplanung an.<br />

Auf der postdoc-Ebene liegt das Hauptaugenmerk auf der Unterstützung während<br />

der Habilitationsphase.<br />

Das Kooperationsprojekt karriere_links wird nun durch eine weitere Ebene der<br />

Förderung ergänzt: durch ein Mentoring-Programm für naturwissenschaftliche und<br />

technische Nachwuchswissenschafterinnen auf dem Weg zur Professorin bzw. in<br />

eine Leitungsfunktion.<br />

Der Absolventinnenanteil an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität<br />

Salzburg ist, wie im Kapitel 4.2 erwähnt, in den Fächern Mathematik, Chemie,<br />

Materialwissenschaften, Computerwissenschaften und Ingenieurswissenschaften<br />

sehr gering im Gegensatz zu den ebenfalls an der naturwissenschaftlichen Fakultät<br />

angesiedelten Fächern Biologie, Geographie und Psychologie. In diesen Fächern<br />

91


esteht bereits der Großteil aus Absolventinnen. So gibt es z.B. in den<br />

Materialwissenschaften nur eine weibliche post-doc-Wissenschafterin, in Mathematik<br />

nur eine Habilitierte.<br />

Da inneruniversitär ein Mangel an weiblichen Führungspersönlichkeiten in diesen<br />

Fächern herrscht, ist das Mentoring-Projekt zur Synergiebildung zwischen den<br />

beiden Universitäten Salzburg und Linz angelegt.<br />

Die Konzeption des Programms sieht Vorteile im überuniversitären Austausch durch<br />

Einblicke in andere Forschungsprojekte, Zugang zu neuen Netzwerken und einen<br />

bereitwilligen Austausch von vorhandenem Wissen.<br />

Das Projekt richtet sich an Frauen, die sich für eine wissenschaftliche Karriere<br />

entschieden haben, mit dem Ziel, diese in einer Führungsposition ausüben zu<br />

können.<br />

Das Projekt startet im Oktober 2008 für eine Dauer von zwei Jahren. Die Auswahl<br />

der Mentées erfolgt über Bewerbungen, nach Auswahl der Mentées werden die<br />

MentorInnen gezielt ausgesucht und unter Einbeziehung von bereits vorhandenen<br />

MentorInnenwünsche der Mentées, persönlich angesprochen.<br />

Die Anforderungen an die Mentées bestehen aus einem ernsthaften Anstreben einer<br />

Karriere in der Wissenschaft, einer Entwicklung realistischer Karriereschritte sowie<br />

Eigeninitiative und Eigenverantwortung. Die Vorteile für die Mentées sind die<br />

bewusste Entwicklung von Karrierestrategien, Nutzung von überuniversitären<br />

Netzwerken und das Kennen lernen anderer Fachkulturen.<br />

Die Anforderungen an die MentorInnen bestehen in der Bereitschaft Wissen<br />

weiterzugeben, in ihrer Beratungskompetenz, im Öffnen von Netzwerken für den<br />

wissenschaftlichen Nachwuchs und dem Interesse an anderen Forschungskulturen.<br />

Die Vorteile dieses Projektes für die MentorInnen sind die Knüpfung neuer,<br />

überuniversitären Kontakte in der scientific community, die Vertiefung ihrer<br />

Beratungskompetenz, Erweiterung der eigenen Netzwerke sowie die Reflexion der<br />

eigenen Forschungstätigkeit. Die MentorInnen haben die Möglichkeit begleitende<br />

individuelle Coachinggespräche zur Selbstreflexion in Anspruch zu nehmen.<br />

Pro Universität wird es zwei MentorInnen und zwei Mentées geben. Die Paare<br />

werden gemischtuniversitär „gematcht“. Geplant sind zwei strukturierte<br />

92


Gesprächstermine pro Semester. Die Mentées werden während der Laufzeit drei<br />

Themenworkshops absolvieren, die MentorInnen werden vier bis sechs<br />

Coachingtermine absolvieren können. Diese Begleitung soll dazu dienen,<br />

uniübergreifend ein möglichst professionelles Verhältnis der MentorIn-Mentée<br />

Beziehung zu ermöglichen.<br />

Im Unterschied zur Same-Gender-Mentoring Beziehung ist dieses Projekt als Cross-<br />

Gender-Mentoring-Projekt konzipiert. Die Konzipierung als Cross-Gender-Projekt<br />

erfolgt aus den bekannten Gründen des Mangels an weiblichen Wissenschafterinnen<br />

in diesen spezifischen Fächern. Durch den Cross-Gender-Ansatz kann der Pool der<br />

in Frage kommenden WissenschafterInnen vergrößert werden. Ein weiterer Grund ist<br />

das Zeitproblem der wenigen weiblichen Wissenschafterinnen in diesen<br />

Studienrichtungen und den zusätzlichen Belastungen, den sie durch<br />

Mentorinnenschaft ausgesetzt wären. Zusätzlich soll, wie Teresa Schweiger 39 im<br />

Gespräch betont, nicht der Eindruck verstärkt werden, es handle sich um ein Projekt<br />

von „Outsiderin“ zu „Outsiderin“. Auch wenn den Mentorinnen aufgrund ihres<br />

Geschlechts die wichtige Funktion eines role models zukommt, lernen männliche<br />

Mentoren – ist Schweiger überzeugt – durch den Prozess ihre eigene Rolle als<br />

Vorbild zu überdenken und als Multiplikatoren für zukünftige geschlechtergerechtere<br />

Strukturen einzutreten.<br />

Der Name des Projektes Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung ist nach<br />

Schweiger bewusst so gewählt, um die Bezeichnung Frauenförderung zu vermeiden<br />

und keine „Abschreckung“ zu produzieren.<br />

Nach einem Jahr Laufzeit wird mit einer öffentlich zugänglichen<br />

Informationsveranstaltung für alle Beteiligten eine Zwischenbilanz gezogen.<br />

Zum Abschluss des Projekts wird es eine Broschüre mit den Evaluationsergebnissen<br />

über das Kooperationsprojekt Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung geben.<br />

Teresa Schweiger betont im Gespräch die Exklusivität des Projektes im<br />

universitätsübergreifenden Konzept. Durch das Programm kann für die Mentées ein<br />

Zugang in andere Forschungskulturen geschaffen werden und Netzwerke geöffnet<br />

werden, die gerade in den spezifischen naturwissenschaftlichen und technischen<br />

Forschungsgebieten durch ihre Spezifikationen schwer zugänglich sind. Schweiger<br />

39<br />

Leiterin des gendup-Zentrum für Gender Studies und Frauenförderung, Universität Salzburg. Theresa<br />

Schweiger ist Mitinitiatorin des Mentoringprojektes.<br />

93


etont, dass die Mentoring-Beziehungen so angelegt sind, dass sie weniger<br />

Austausch über persönliche Schwierigkeiten und Probleme während der<br />

Karriereplanung, mit dementsprechenden Karrieretipps von MentorInnenseite, sein<br />

sollen – hier unterscheidet sich das Projekt in der Konzeption von m:uv – , sondern<br />

liegt der Focus auf den inhaltlichen, forschungsrelevanten Austausch von Wissen<br />

und der bereitwilligen Weitergabe dieses Wissens. Sie führt aus, dass vor allem in<br />

den spezifischen Forschungen der Naturwissenschaften und Technik ein Einblick in<br />

die Forschungsgebiete anderer Universitäten neue Kooperationsmöglichkeiten und<br />

Netzwerkerweiterungen für alle Beteiligten ermöglicht wird.<br />

6.2.2 Mentoring-Projekt mu:v der Universität Wien<br />

Das Mentoring-Programm mu:v (mentoring university vienna) des Referats für<br />

Frauenförderung und Gleichstellung der Universität Wien ist eine mittlerweile<br />

etablierte Maßnahme zur Förderung der wissenschaftlichen Karriere von Frauen.<br />

Nachwuchswissenschafterinnen erhalten die Möglichkeit durch Mentoring<br />

Beziehungen zu ProfessorInnen aufzubauen und diese für die eigene Karriere zu<br />

nutzen.<br />

Die Konzeption des Programmes beinhaltet neben fächerübergreifendes Gruppen-<br />

Mentoring (peer-group-mentoring), zusätzliche Seminare und begleitende<br />

Informationsveranstaltungen zur Ausbildung von Schlüsselqualifikationen im<br />

wissenschaftlichen Feld. Der Wissensaustausch passiert dabei nicht nur von<br />

MentorIn zu Mentée, sondern auch durch die Mentées untereinander in ihrer<br />

jeweiligen peer-group. Neben den besseren Vernetzungsmöglichkeiten für Mentées<br />

in peer-groups ist ein weiterer struktureller Vorteil dieses Ansatzes bei Mangel an<br />

MentorInnen in bestimmten Fachbereichen, diesen durch die fächerübergreifenden<br />

Kleingruppen auszugleichen.<br />

40 Mentees und 10 MentorInnen nehmen an einem Durchgang teil und arbeiten für<br />

einen Zeitraum von drei Semestern in Kleingruppen (4 Mentees pro MentorIn)<br />

zusammen. Für die gemeinsamen Treffen ist ein zeitlicher Rahmen von 10 Stunden<br />

pro Semester veranschlagt. Zwei Stunden Gruppensupervision pro Semester sollen<br />

pro Gruppe in Anspruch genommen werden und für die Mentées gibt es zusätzlich<br />

das Angebot von Coachingmodulen zu verschiedenen Themen (Karriereplanung,<br />

94


Konfliktmanagement im wissenschaftlichen Feld, Zeitmanagement,<br />

Präsentationstechniken, etc.).<br />

Im Herbst 2009 startet bereits der 4. Durchgang dieses Mentoring-Programms.<br />

Entstanden ist das Programm aus einem Pilotprojekt 2001, das auf Initiative der<br />

damaligen Koordinationsstelle für Frauen- und Geschlechterforschung ins Leben<br />

gerufen wurde. Bis zur dritten Periode wurde ein Teil des Programms<br />

drittmittelfinanziert, mittlerweile wird es zur Gänze von der Universität Wien finanziert.<br />

Ein wesentlicher Bestandteil des Programms ist eine begleitende, prozessorientierte<br />

Evaluation.<br />

Übergeordnete Zielsetzung der Projektleiterinnen von mu:v ist es,<br />

• Zugänge zu informellen und formellen Netzwerken und wichtige Kontakte im<br />

Wissenschaftsbetrieb zu ermöglichen, und diese transparent zu gestalten;<br />

• Mentées in der Erreichung der beruflichen Ziele zu unterstützen;<br />

• Berufszugang zum Wissenschaftsbetrieb und Stärkung der Position;<br />

• Transparenz über herrschende Beförderungsmechanismen und<br />

Aufstiegsmechanismen herzustellen und dadurch zu verändern.<br />

Weitere konkrete Teilziele werden nach Feststehen der jeweiligen Gruppe und<br />

Abklären individuellen Wünsche und Ziele formuliert.<br />

Wichtig beim Einstieg in das Gruppenmentoring ist es eine jeweilige realistische<br />

Bestandsaufnahme der Ausgangssituation der Mentées vorzunehmen und daraus<br />

realistische Ziele pro Gruppe zu formulieren und diese je nach Entwicklung immer<br />

wieder anzupassen.<br />

Die Heterogenität der Gruppe ist nach den bisherigen Erfahrungen der Leiterinnen<br />

durch die sozialen Prozesse, die darin stattfinden, mehrheitlich positiv zu bewerten.<br />

95


6.3 Struktur- und Kulturveränderung durch Mentoring an den Universitäten<br />

Nöbauer/Genetti (2006) bezeichnen mit der strukturellen und kulturellen Änderung an<br />

den Universitäten einen emanzipatorischen oder gleichstellungspolitischen Wandel<br />

der „sozialen, rechtlichen, politischen und symbolischen Ordnungen einschließlich<br />

der damit verbundenen sozialen Praktiken im universitären Alltag, die die<br />

Geschlechterhierarchie der universitären Organisation und deren<br />

Herrschaftsansprüche prägen, legitimieren und reproduzieren“ (vgl. Nöbauer/Genetti<br />

2006, 69).<br />

Die Dominanz der Männlichkeitsform, die in diese Ordnungen und Praktiken<br />

eingeschrieben ist, gilt es zu verändern, und zwar nicht nur auf der strukturellen<br />

Ebene der Organisation, sondern – dies ist sicher der schwierigere Teil – auch in den<br />

Handlungs- und Denkweisen der Mitglieder der universitären Organisation, der<br />

kulturellen Ebene.<br />

Die hegemoniale Männlichkeit ist nach Conell (2000) „jene Konfiguration<br />

geschlechtsbezogener Praxis, welche die momentan akzeptierte Antwort auf das<br />

Legitimationsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer<br />

sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet“ (vgl. Conell 2000, 98). Diese<br />

hegemoniale Männlichkeit zeichnet sich durch einen erfolgreich erhobenen Anspruch<br />

auf Autorität aus, der sich durchsetzt und sich aus der Männlichkeit ableitet, ohne in<br />

Frage gestellt zu werden.<br />

Effektive Gleichstellungsmaßnahmen können daher nicht mit einer zahlenmäßigen<br />

Erhöhung des Frauenanteils in der Wissenschaft enden, sondern müssen nach<br />

Nöbauer/Genetti (2006) immer auch Wissenschafts- und Institutionenkritik mit<br />

einschließen und die Reproduktion der systemerhaltenden Strukturen in Frage zu<br />

stellen.<br />

Ein Strukturwandel von einer androzentristisch geprägten Organisationsstruktur und<br />

Organisationskultur zur geschlechtergerechten Organisationsstruktur und -kultur an<br />

den Universitäten ist schließlich das Ziel der Frauenförderungs- und<br />

Gleichstellungspolitik, dazu braucht es aber mehr als das Engagement der<br />

AkteurInnen.<br />

96


Astrid Franzke (2003), die sich in Deutschland mit Mentoring an den Hochschulen<br />

beschäftigt, zeigt auf, dass individuelle Fördermaßnahmen und die Ergebnisse<br />

daraus, nicht automatisch strukturelle Wirkungen haben. So wirkt die Steigerung der<br />

Anzahl der Frauen in Hochschulen zwar gegen deren Minderheitenstatus, diese<br />

quantitative Zunahme führt aber nicht automatisch zu geschlechtergerechteren<br />

Strukturen. Dazu sind nach Franzke komplexe Veränderungsprozesse auf allen<br />

Strukturebenen notwendig. Sie sieht es als Pflicht von Mentoring-Programmen und –<br />

konzepten dafür zu sorgen, dass subtile, schwer fassbare Karrierehindernisse für<br />

Frauen sowie die symbolische Macht, die mit dem Androzentrismus der<br />

akademischen Lebens- und Berufsverläufe verbunden ist, sichtbar zu machen, um<br />

dieser gezielt entgegenwirken zu können.<br />

Diese Strukturen, die Franzke als „Set von Regeln und Ressourcen“ definiert,<br />

existieren in Organisationen als gesetzliche Rahmenbedingungen als auch als<br />

ungeschriebene Regeln, die notwendig sind und erfolgreiches Handeln<br />

mitbestimmen. Wesentlich für das Weiterkommen in einer Organisation ist es, diese<br />

Spielregeln zu kennen.<br />

Für die Entwicklung von Mentoring-Programmen gilt es, diese formellen und<br />

informellen Anforderungen mitzudenken, sie zu analysieren und auf ihre<br />

Geschlechtergerechtigkeit hin zu prüfen. Geschlechter diskriminierende Strukturen<br />

und Normen müssen aufgezeigt und somit sichtbar gemacht werden (vgl. Franzke<br />

2003, 95).<br />

Alle Autorinnen sind sich darin einig, dass nur die Sichtbarmachung (vor allem<br />

informeller) Geschlechter diskriminierender Regeln, die Voraussetzung und<br />

Ansatzpunkte für strukturelle Veränderungsmöglichkeiten ist.<br />

Ähnliche Einschätzungen zu den Auswirkungen von Mentoringprojekten teilen die<br />

Autorinnen 40 trotz teilweiser unterschiedlicher Hochschulsysteme und<br />

Universitätskulturen. Individuelle Fördereffekte wie eine „beschleunigte“<br />

Wissensvermittlung – eine exklusive Übergabe informeller Informationen von<br />

Berufserfahrenen an jüngere und beruflich weniger Erfahrene – über Regeln und den<br />

Habitus der scientific community, werden durch eine Kombination von Mentoring-<br />

Beziehung, Netzwerkbildung und Zusatzangeboten erreicht. Aus der Sicht der<br />

40<br />

U.a. Franzke, Astrid 2003, Schliesselberger/Strasser 1998, Genetti/Nöbauer/Schlögl 2005<br />

97


Autorinnen Genetti/Nöbauer/Schlögl 2005, eines der wichtigsten Momente von<br />

Mentoringmaßnahmen (vgl. Genetti/Nöbauer/Schlögl 2005, 24).<br />

Positive individuelle Fördereffekte im Rahmen von Mentoring-Programmen sind<br />

unbestritten der Abbau von Karrierehemmnissen, neue Vernetzungsmöglichkeiten<br />

und die Beschleunigung der wissenschaftlichen Laufbahn durch Vermittlung von<br />

informellem Wissen.<br />

Allerdings stoßen diese Fördereffekte an ihre natürlichen Grenzen, wenn danach die<br />

verfügbaren Stellen fehlen oder die „Beschäftigungsattraktivität“ an den Universitäten<br />

nachlässt. Hier lässt sich ein Schnittpunkt von der individuellen Ebene und der<br />

strukturellen Ebene ausmachen.<br />

Individuelle Fördereffekte ziehen keine strukturellen Änderungen mit sich. Eine<br />

zahlenmäßige höhere Repräsentanz von Frauen in den Universitäten führt, wie<br />

schon erwähnt, nicht automatisch zu geschlechtergerechteren Strukturen.<br />

Mentoringkonzepte müssen daher neben einer Betrachtung der individuellen<br />

Beziehung zwischen den Beteiligten, immer auch das hierarchisch strukturierte<br />

Umfeld und seine sozialen (formellen und informellen) Beziehungen in den Blick<br />

nehmen. Eine Auseinandersetzung in und mit diesem Feld und eine Sichtbar<br />

Machung Geschlechter diskriminierender Strukturen und Normen, können<br />

Änderungen initiieren bzw. vermindern die Gefahr, Geschlechterhierarchien zu<br />

reproduzieren und müssen daher bei der Konzeption von Mentoring-Programmen<br />

mitgedacht werden.<br />

Auf individueller Ebene können die positiven Effekte von Mentoring-Programmen im<br />

Wissenschaftsbereich als Maßnahmen zur Karriereentwicklung und Beschleunigung<br />

durch Zugang zu Netzwerken und Unterstützung, zusammengefasst werden.<br />

Weiteren individuellen Nutzen sieht Katrin Hansen (2006) in der psycho-sozialen<br />

Funktion von Mentoring durch emotionale Unterstützung und Rückhalt in schwierigen<br />

Situationen sowie das Angebot eines Rollenmodells für bewährte Handlungsnormen<br />

und die Übernahme von Normen.<br />

Allerdings hängt das Ausmaß des individuellen Nutzens stark von der<br />

gesellschaftlichen Position des Mentors/der Mentorin ab.<br />

Hansen sieht daher den Erfolg von Mentoring-Programmen im<br />

geschlechterhierarchisch geprägten deutschsprachigen Raum für Männer deutlich<br />

98


ausgeprägter und sieht auch in Cross-Gender-Mentoring-Projekten keinen Ausgleich<br />

dieses Defizits. Vielmehr wird der gender bias einer Benachteiligung auch hier<br />

sichtbar. Wissenschafterinnen sind ihrer Meinung nach immer noch stark auf<br />

männliche Netzwerke und männliche Mentoren angewiesen und sieht sie die Gefahr<br />

einer Anpassung an männlich geprägte Vorstellungen bei Einstieg in die<br />

vorhandenen Seilschaften. Sie sieht die Lösung des Dilemmas im Aufbau mehrerer<br />

zeitlich aneinander gereihten Mentoring-Beziehungen, Mentoring-Netzwerken, mit<br />

verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten (vgl. Hansen 2006, 33).<br />

Nach den Erfahrungen mit den eigenen Mentoring-Programmen sieht Waltraud<br />

Schlögl, m:uv, die Renommiertheit und gesellschaftliche Majorität von MentorInnen<br />

etwas differenzierter und sieht einen wichtigen Punkt in der Generationsfrage bei den<br />

Förderbeziehungen. Sie betont zwar, dass unabhängig vom Geschlecht bekannte<br />

und renommierte Wissenschafterinnen nach ihren Erfahrungen überhäuft werden mit<br />

Mentoringwünschen, sieht aber den Erfolg für eine Förderbeziehung bei einer<br />

kontinuierlich linearen nach oben führenden Wissenschaftsbiographie und<br />

Karriereentwicklung weniger:<br />

„Wir haben überhaupt die Erfahrung gemacht, dass was die Zufriedenheit der<br />

Mentées und auch was den Output betrifft, dass es da nicht so sehr darauf<br />

ankommt, ob der Mentor oder die Mentorin ganz toll renommiert und<br />

international bekannt ist, sondern dass es vielmehr auch auf die Biographien<br />

der MentorInnen ankommt. Also sprich, wenn jemand aus seiner eigenen<br />

Biographie heraus die jetzigen Anforderungen an WissenschafterInnen gut<br />

kennt und am eigenen Leib erlebt hat, dass er/sie nicht eine komplett lineare<br />

und ungefährdete Karriere hat, dann verstehen die viel besser wie es den<br />

Mentées geht und sie können natürlich auch mehr aus ihrer eigenen<br />

Erfahrung weitergeben in dieser Hinsicht. Ich will da jetzt nicht über<br />

Generationen sprechen, aber es deckt sich manchmal bis zu einem gewissen<br />

Grad, dass MentorInnen aus einer jüngeren Generation oder<br />

Erfahrungsgeneration, mehr geben können und mehr Substanz dann da ist für<br />

diese Mentoringbeziehungen, als bei denen die eine tolle lineare Karriere<br />

hingelegt haben und eigentlich aus ihrer eigenen Erfahrung nicht wissen um<br />

was es geht derzeit. Und das ist wirklich sehr unabhängig vom Geschlecht.<br />

Aber natürlich gibt’s schon geschlechtsspezifische Aspekte, sicherlich in dem<br />

sich Frauen manchmal mehr gefährdet fühlen in ihrer eigenen Karriere und<br />

daher auch nicht diese Leichtigkeit und Lockerheit haben, einfach zu geben<br />

und diese Haltung einfach einzunehmen (…).“ 41<br />

41<br />

Im Gespräch mit Mag. a Waltraud Schlögl, Projektleiterin von m:uv Universität Wien, vgl. Interview im<br />

Anhang.<br />

99


Welche Ansatzpunkte bzw. Strategien können mit Hilfe des gleichstellungspolitischen<br />

und frauenfördernden Instrumentariums Mentoring entwickelt werden, um eine<br />

Struktur- und Kulturveränderung der nach wie vor hierarchischen Strukturen der<br />

Universitäten in Richtung Geschlechtergerechtigkeit herbeizuführen?<br />

Abseits der individuellen Karriereförderung sieht Franzke (2003) Ansatzpunkte für<br />

mögliche strukturelle Veränderungspotentiale von Mentoring durch:<br />

• Offenlegung von Geschlechter diskriminierenden Strukturen und Normen<br />

(Identifizierung von Karrierehemmnissen) sowie Wahrnehmungsschärfung und<br />

Sensibilisierung für Benachteiligungen. Wie oben schon erwähnt, birgt das<br />

Sichtbarmachen dieser Strukturen bereits Veränderungspotenzial.<br />

• MultiplikatorInnen.<br />

• Das Kennen von informellen und formellen „Spielregeln“ und Netzwerken der<br />

Organisation ist Vorraussetzung, um agieren zu können.<br />

• Netze erweitern bzw. eigene Netzwerke bilden, um die Reproduktion von<br />

Hierarchien und traditionelle Abhängigkeiten zu überwinden.<br />

• Aufbau von Frauen-Datenbanken (Gutachterinnen, Habilitandinnen,<br />

Expertinnen).<br />

• Implementierung von Mentoring als organisationale Querschnittsaufgabe (als<br />

Aufgabenerweiterung für ProfessorInnen, Personalentwicklung,..) und<br />

Übernahme von Mentoring als strukturierte Personalentwicklungsstrategie<br />

(Herauslösen aus der „Frauenecke“).<br />

• „Atmosphärische“ Veränderung an den Universitäten durch Sensibilisierung<br />

der Entscheidungsebene und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit (vgl.<br />

Franzke 2003, 96).<br />

Unbestritten ist, die Notwendigkeit einer Einbettung von Mentoring-Programmen in<br />

ein breiteres Nachwuchs-Förderprogramm sowie die Implementierung desselben in<br />

das bestehende Regelsystem, zur Veränderung dieser Strukturen von „innen“ heraus<br />

und Herausbildung einer neuen Organisations-Kultur.<br />

Die Attraktivität von Mentoring-Programmen für Frauen in der Wissenschaft liegt<br />

nach Brandner (2005) in den individuell-konkreten Auswirkungen dieser Maßnahmen<br />

und die Ansiedelung auf der persönlich emotionalen Ebene (vgl. Brandner 2005, 26).<br />

100


Dies zeigt wieder deutlich die Widersprüchlichkeiten und Gratwanderungen dieser<br />

Konzepte auf. Individuelle, praktische und zeitlich begrenzte Karriereförderung bietet<br />

m.E. wenig Ansatzpunkte für einen tief greifenden Struktur- und Kulturwandel im<br />

universitären System.<br />

101


6.3.1 Mögliche Potenziale für eine Strukturveränderung durch Mentoring<br />

6.3.1.1 Das Potenzial der Implementierung<br />

Der Begriff „Implementierung“ wird dann verwendet, wenn es um die Einführung<br />

neuer Maßnahmen, Instrumente, Programme, Strategien etc. in bestehende<br />

Strukturen einer Organisation geht. Häufig begleiten das Wort „Implementierungen“<br />

auch Auslegungen wie „Durchführung“, „Umsetzung“ oder „Nachhaltigkeit“.<br />

Mit der Einführung von Maßnahmen oder Projekten in eine „Dauereinrichtung“ sind<br />

Eingriffe in das bestehende organisationale System und deren Handlungsabläufe<br />

notwendig. Dabei werden Veränderungsprozesse in Gang gesetzt, die bestehende<br />

Rollenzuweisungen und Handlungsmuster und die strukturellen<br />

Rahmenbedingungen in Frage stellen.<br />

„Implementierungen“ an der Universität betrachten Nöbauer/Genetti (2006) als einen<br />

„komplexen und lang währenden, bei weitem nicht immer kontinuierlich ablaufenden<br />

Prozess, der von vielfältigen Top-down- und Bottom-up-Schritten auf<br />

hochschulpolitischer, organisationsrechtlicher und konzeptueller Ebene geprägt ist“<br />

(vgl. Nöbauer/Genetti 2006, 68).<br />

Die Implementierung von Mentoring-Programmen in die bestehenden universitären<br />

Regel-Strukturen ist eine mögliche Interventionsmöglichkeit und birgt ein mögliches<br />

Veränderungspotenzial auf struktureller Ebene.<br />

Die Implementierung von Fördermaßnahmen (der Frauen- und<br />

Gleichstellungsförderung, aber auch z.B. der Personalentwicklung) bieten<br />

Zugangsmöglichkeiten zu Strukturen, die „die Leistungsfähigkeit der Organisation<br />

als Ganzes oder bestimmter Bereiche erhalten und verbessern.<br />

Implementierungsprozesse gelten dann als nützlich, wenn sie zur Stabilisierung und<br />

Entwicklung der Organisation beitragen“. (vgl. Franzke 2006, 53).<br />

Ziel des Mentoring-Projektes an der Universität Salzburg ist jedenfalls, nach einer<br />

erfolgreichen Evaluation, seine dauerhafte Verankerung in der Universität und wie<br />

Teresa Schweiger, Projektleiterin von Chancengleichheit in der<br />

102


Nachwuchsförderung, im Interview anführt, ist bereits eine „kleine“ Implementierung<br />

gelungen:<br />

„ Wir haben so eine halbe Implementierung jetzt, dadurch dass wir es schon<br />

an eine bestehende Struktur (im Rahmen von karriere_links, Anm. d. Verf.)<br />

angehängt haben, ich glaube das war relativ geschickt, wenn man nicht ganz<br />

frei schwebend agiert. Das ist auf jeden Fall eine Anbindung, die einer<br />

Implementierung gleich kommt. Eine Implementierung ist auf jeden Fall<br />

erstrebenswert, weil sonst wird es wieder unter irgendeinem Projekt „sowieso“<br />

abgehandelt wird, das ist dann auch das Prestige nach außen. Wenn man<br />

schon Frauenförderungsprogramme hat an Universitäten, dann ist es meiner<br />

Meinung nach schon empfehlenswert, an die anzudocken, damit das ein<br />

Bündel wird“.<br />

Waltraud Schlögl, Projektleiterin des m:uv, betont, dass das m:uv Projekt bereits die<br />

4. Periode durchläuft, und somit weitgehend implementiert und auch anerkannt ist.<br />

Sie berichtet allerdings, dass es anfänglich durchaus Schwierigkeiten bei der<br />

Akzeptanz des Projektes gab:<br />

„ (…)Auf struktureller Ebene gesprochen, was nach wie vor ein bisschen ein<br />

Problem ist – das aber zunehmend weniger wird, bis hin sich auflöst – ist das<br />

sich offenbar in manchen Fachbereichen, die Teilnahme am Mentoring<br />

Programm, seitens der Mentées, zum Beispiel nicht offen gelegt wurde, weil<br />

sie gefürchtet haben, dass sie sich damit irgendwie negativ zu markieren, weil<br />

eben das ganze Umfeld eine negative Haltung hat gegenüber<br />

Frauenfördermaßnahmen oder gegenüber diesem vermeintlichen<br />

Defizitansatz, dass man als Frau eine verstärkte Förderung braucht Gerade in<br />

den Fachbereichen, wo diese Haltung sehr stark vertreten ist, hat dies<br />

natürlich wiederum Auswirkungen auf die Mentées, dass sie sich eher quasi<br />

nicht ertappen lassen wollen. Das war beim ersten Programm noch wesentlich<br />

stärker, mittlerweile habe ich eher das Gefühl, dass sich das zunehmend<br />

auflöst, einfach auch deswegen, weil das Programm mittlerweile eine gute<br />

Reputation hat und einen hohen Bekanntheitsgrad und es da offensichtlich<br />

doch eine strukturelle Dynamik gegeben hat in der Hinsicht (…)“<br />

Sie schränkt ein, dass die momentane kontinuierliche Finanzierung immer auch stark<br />

von der jeweiligen Universitätsleitung abhängt, und eine Prognose für eine zukünftige<br />

dauerhafte Implementierung eher gewagt wäre.<br />

Die erfolgreiche Durchführung von Mentoring-Projekten stärkt einerseits die<br />

Einrichtungen an für Frauen- und Gleichstellungsarbeit an den Universitäten und<br />

fördert auch deren Etablierung, wichtig wäre es m.E. aber auch, diese Projekte in<br />

den alltäglichen Regelbetrieb der Universität zu implementieren, möglicher Weg wäre<br />

auch in Zusammenarbeit mit der Personalentwicklung, um die Programme aus der<br />

„Ecke“ der Frauen- und Gleichstellungsarbeit herauszulösen und schneller<br />

103


Anerkennung und Selbstverständlichkeit zu erreichen und das „Mitschwingen“ eines<br />

Defizitansatzes zu vermeiden.<br />

Da Implementierungsprozesse nach Franzke (2006) zur Stabilisierung von<br />

Organisationen beitragen, müssen weitere Maßnahmen in Richtung<br />

Geschlechtergerechtigkeit gesetzt bzw. schon vorhanden sein, um nicht<br />

androzentristische Strukturen zu stabilisieren.<br />

6.3.1.2 Das Potenzial der Finanzierung<br />

Die Frage der Finanzierung ist bei jeder neuen Projektinitiative eine Entscheidende.<br />

Die Quelle und der Umfang des Budgets zeigt, welche Wichtigkeit das Projekt für die<br />

Universität einnimmt. Mentoring-Projekte werden auf Universitätsebene meist mit<br />

Drittmittel kofinanziert. Wie das Wiener Mentoring-Projekt m:uv zeigt, können<br />

erfolgreiche Projekte von der Organisation in den Regelbetrieb übernommen werden.<br />

Das bedeutet auch, die Universität hat das Potenzial dieses Projekts erkannt und<br />

verspricht sich davon einen Nutzen.<br />

Dies ist ein wichtiges Signal mit Außenwirkung, um mit der Bereitstellung von Mitteln<br />

den Stellenwert der Nachwuchsförderung zu zeigen. Für InitiatorInnen ist es nicht<br />

unerheblich, die Unterstützung ihres Projekts durch den Rückhalt im eigenen Umfeld<br />

gesichert zu wissen.<br />

Teresa Schweiger betont noch einen weiteren Aspekt:<br />

„Man muss für die MentorInnen ein Anreizsystem entwickeln. Das sind ja<br />

WunschmentorInnen, erfolgreiche WissenschafterInnen, die ja auch sehr viel<br />

zu tun haben, in sehr viele Gremien drin sind und Positionen innehaben.<br />

Denen muss man einen Anreiz geben, damit sie bei so einem Programm auch<br />

mitmachen. Und es ist auch in der österreichischen Tradition Mentoring noch<br />

nicht so bekannt, das merke ich auch immer wieder, das ProfessorInnen, die<br />

aus Deutschland kommen, dem auch offener gegenüberstehen. Daher ist<br />

auch das Geld sehr wichtig, weil man auch interessante Personen einladen<br />

möchte, muss, soll und kann zu Auftaktveranstaltungen einladen und das<br />

Ganze professionell umsetzen kann, weil es ja auch Arbeitskraft braucht“.<br />

Auch Waltraud Schlögl betont die Wichtigkeit zeitlicher und finanzieller Unterstützung<br />

der MentorInnen als Anreiz und führt an:<br />

„(...)dass alle MentorInnen für den Zeitraum der Tätigkeit im Programm eine<br />

Kompensation für ihren Zeitaufwand erhalten, und zwar in Form einer<br />

zusätzlichen Tutorin für den Programmablauf. Dieser Aspekt ist in doppelter<br />

104


Weise wichtig, einerseits, weil er genau beim größten aller potenziellen<br />

MentorInnen ansetzt, nämlich beim Zeitproblem, und ihnen andererseits zeigt,<br />

dass der Universität diese Tätigkeit wichtig ist und sie auch bereit ist, dafür zu<br />

zahlen“.<br />

Eine regelmäßige gesicherte Finanzierung von Fördermaßnahmen ist jedenfalls eine<br />

notwendige und nützliche Rahmenbedingung für strukturelle Veränderungen.<br />

6.3.1.3 Das Potenzial der Vernetzung<br />

Mentoring-Programme bieten die Möglichkeit Erfahrungen in Zusammenhang mit<br />

Karrieremöglichkeiten im Wissenschaftssystem einzubringen und sich darüber<br />

auszutauschen. Wissensaustausch und Wissenstransfer ist ein entscheidender<br />

Anreiz.<br />

Ein wesentlicher positiver Effekt von Mentoring-Programmen ist die Vernetzung der<br />

TeilnehmerInnen, sowohl auf Seiten der MentorInnen, als auch bei den Mentées.<br />

Schlögl betont im Gespräch, dass die peer-group Methode des m:uv Programms,<br />

sich dazu sehr bewährt hat:<br />

„Von Anfang an sehr positiv angekommen ist dieses Gruppensetting, das wird<br />

einhellig gewünscht und begrüßt und bringt auch diesen gewünschten Effekt,<br />

dass nicht nur diese one-to-one Beziehung da ist, sondern dass einfach ein<br />

größeres Netzwerk entsteht und mit diesem peer-Netzwerk 42 auch sehr viel<br />

Dynamik reinkommt, dass sich dadurch oft gleichwertige oder wichtigere<br />

Fördereffekte ergeben, als durch die Beziehung zu einer Mentorin oder einem<br />

Mentor, also das ist einmal ein ganz wichtiger Punkt“.<br />

Im Mentoring-Projekt der Universität Salzburg sieht Schweiger, die<br />

zwischenuniversitäre Vernetzung als großes Potenzial zur Synergiebildung durch<br />

Zugänge in neue Netzwerke:<br />

„Da inneruniversitär ein Mangel an weiblichen Führungspersönlichkeiten in<br />

diesen Fächern herrscht, ist das Mentoring-Projekt zur Synergiebildung<br />

zwischen den beiden Universitäten Salzburg und Linz angelegt.<br />

Die Vorteile werden gesehen im überuniversitären Austausch, Einblicke in<br />

andere Forschungsprojekte, Zugang zu neuen Netzwerken und einen<br />

bereitwilligen Austausch von vorhandenem Wissen. Durch das Programm<br />

42<br />

Aus einer Peer-group des aktuellen Durchgangs ist nachfolgende Publikation entstanden. Dies zeigt im<br />

besten Fall den positiven Aspekt den Netzwerk, Teamarbeit und Synergiebildung durch Mentoring leisten kann:<br />

Nikola Langreiter, Elisabeth Timm, Michaela Haibl, Klara Löffler, Susanne Blumesberger (Hg.): Wissen und<br />

Geschlecht. Beiträge der 11. Arbeitstagung der Kommission für Frauen- und Geschlechterforschung der<br />

Deutschen Gesellschaft für Volkskunde; Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Ethnologie der<br />

Universität Wien, Bd. 31, Wien 2008.<br />

105


kann für die Mentées ein Zugang in andere Forschungskulturen geschaffen<br />

werden und Netzwerke geöffnet werden, die gerade in den spezifischen<br />

naturwissenschaftlichen und technischen Forschungsgebieten durch ihre<br />

Spezifikationen schwer zugänglich sind“.<br />

Der Vorteil von Netzwerken besteht darin, dass diese auch nach Ablauf des<br />

Programms bestehen bleiben. Durch den regelmäßigen Austausch können<br />

strukturelle Barrieren und Karrierehemmnisse sichtbar und besprochen werden. Dies<br />

könnte ein Schritt in Richtung Abbau vorhandener Hemmnisse sein.<br />

Der seit Jahren über nationale Grenzen hinaus praktizierte Austausch von<br />

Mentoringprogrammen und -erfahrungen an Universitäten, hat mittlerweile zu einem<br />

europäischen Austausch-Netzwerk geführt. Im Rahmen des EU-Projekts „eument-net<br />

– European Network of Mentoring Programmes for Women Scientist“ werden in<br />

diesem Netzwerk Strategien zur Förderung von weiblichen Wissenschafterinnen und<br />

Forscherinnen entwickelt 43 .<br />

43<br />

Eument-net ist ein EU-Projekt im Rahmen des FP6 finanziert. Daraus entstanden ist eine Publikation:<br />

Nöbauer, Herta; Genetti, Evi, 2008: Establishing Mentoring in Europe. Strategies for the promotion of women<br />

academics and researchers. A guideline manual edited by eument-net. University Fribourg.<br />

106


6.3.1.4 Das Potenzial der MultiplikatorInnen<br />

Den TeilnehmerInnen an Mentoring-Programmen eröffnen sich nicht nur Zugänge zu<br />

neuen Netzwerken und dadurch die Möglichkeit eines Wissenstransfers und<br />

Wissensaustausches, sie fungieren ihrerseits bei positiven Erfahrung mit einem<br />

Mentoring-Programm als MultiplikatorInnen, die die Idee dieser Maßnahme<br />

weitertragen und gängig machen.<br />

Im Gespräch mit Theresa Schweiger betont sie dabei die<br />

„große Chance, die auch darin besteht, dass Frauen, die ein Mentoring-<br />

Programm erfolgreich durchlaufen haben, sich auch selbst als Mentorinnen<br />

zur Verfügung stellen und durch Vorbildwirkung und Rolle als<br />

Multiplikatorinnen ein Schneeballeffekt entsteht, der die Anzahl der weiblichen<br />

Wissenschafterinnen in Leitungsfunktionen steigen lässt. Ob allerdings die<br />

quantitative Erhöhung weiblicher Leitungsfunktionen strukturelle Änderungen<br />

mit sich bringt, bleibt umstritten und wird sich weisen“.<br />

Eine qualitative Erhöhung der Anzahl weiblicher Wissenschafterinnen ist meiner<br />

Einschätzung nach aber eine solide Ausgangsbasis, um Wissenschafterinnen auch<br />

auf höheren Ebenen „gewöhnlich“ zu machen und eine gewisse „Normalität“<br />

herzustellen. Ein höherer Anteil an weiblichen role models bietet breite<br />

Identifikationsmöglichkeiten für weibliche Studierende.<br />

6.3.1.5 Das Potenzial durch Integration abseits Frauenförderungs- und<br />

Gleichstellungseinrichtungen<br />

Die Konzeption von Angeboten und Maßnahmen der Frauenförderung und<br />

Gleichstellungsarbeit haben mittlerweile auch in die Angebotsentwicklung der<br />

Personalentwicklung Eingang gefunden. Das Beispiel der Personalentwicklung an<br />

der Universität Salzburg zeigt, dass die Mentoring-Idee ein wirksames Instrument für<br />

die Neugestaltung und Unterstützung neuer Lehrformen und Lehrinhalte sein kann.<br />

Lehrkräfte an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät haben die Möglichkeit Angebote<br />

der Personalentwicklung in Anspruch zu nehmen, zur Unterstützung und Reflexion<br />

der eigenen Lehrtätigkeit und Lehrform. Diese Programme bieten den (Nachwuchs-)<br />

Lehrkräften die Möglichkeit ihre Inhalte und Stile kritisch zu überdenken und durch<br />

Unterstützung von Außen weiterzuentwickeln. Dieses Angebot birgt durchaus das<br />

Potenzial, jahrzehntelang festgefahrene Muster und Strukturen im Bereich Lehrform<br />

107


und Lehrinhalt aufzubrechen. Ein Ausdehnen des Programms auf alle Fakultäten<br />

wäre wünschenswert. Eine weitere Möglichkeit wäre die Vermittlung von Mentoring-<br />

Programmen im Rahmen der neu entstehenden Career-Center der Universitäten, wo<br />

die Informationen und Ressourcen gebündelt werden und das Wissen um die<br />

Bedürfnisse der verschieden Fachrichtungen vorhanden ist.<br />

Ein möglichst breiter und komplexer und von allen Organisationseinheiten getragener<br />

und unterstützter Förderansatz, macht Förderung „salonfähig“. Die Unterstellung<br />

eines Defizits kann so ausgeklammert werden.<br />

6.3.1.6 Das Potenzial der AkteurInnen<br />

Einen zentralen Stellenwert bei der Konzeption und Durchführung von Mentoring-<br />

Programmen nehmen die handelnden Personen ein.<br />

Unterschiedliche Institutionen, spezifische Wissenszugänge, Einstellungen und<br />

Positionierungen der AkteurInnen im universitären Feld, sind ausschlaggebend für<br />

den Ablauf von Mentoring-Programmen, wie auch anderen Maßnahmen der<br />

Frauenförderung- und Gleichstellungsarbeit, als der Personalentwicklung.<br />

Die Zielsetzungen der AkteurInnen ebenso wie der institutionelle Kontext der<br />

Programme spielen eine entscheidende Rolle und können zwischen<br />

„Herzeigeprojekt“ und Programmen mit nachhaltigen Auswirkungen auf struktureller<br />

und kultureller Ebene liegen (vgl. Nöbauer/Genetti 2006, 68).<br />

Entscheidend ist immer auch die Einstellung und Intention und natürlich vor allem die<br />

finanzielle Unterstützung der Universitätsleitung für derartige Maßnahmen. Das<br />

Angewiesensein der meisten derzeitigen Programme auf deren „good will“ in<br />

materieller als auch immaterieller Hinsicht steht nachhaltigen<br />

Veränderungspotenzialen entgegen.<br />

Es ist daher auch erheblich, wie die informelle Ebene der sozialen Beziehungen der<br />

Universität und ihrer Leitung auf der einen Seite, zu den verantwortlichen<br />

AkteurInnen und EntwicklerInnen von Förderprogrammen ist bzw. zu den<br />

AkteurInnen der Gleichstellungsarbeit ist.<br />

108


Ein gutes „Standing“ der verantwortlichen AkteurInnen innerhalb der Organisationen<br />

gehört auf jeden Fall zu den nützlichen Rahmenbedingungen struktureller<br />

Veränderungen.<br />

6.3.1.7 Das Potenzial der Reflexion<br />

Mentoring-Programme bieten den MentorInnen die Gelegenheit Ihre eigene Praxis in<br />

der Lehre und im Umgang mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs zu reflektieren.<br />

Für die Mentées besteht eine Möglichkeit ihre Karrierewünsche und Möglichkeiten zu<br />

reflektieren und gegebenenfalls anzupassen. Das gemeinsame Besprechen kann<br />

aber auch die aktuellen wissenschaftlichen Strukturen für Laufbahnen und<br />

Karrieremöglichkeiten zur Sprache bringen und führt zu einer Reflexion über deren<br />

Grenzen und Schwächen.<br />

Im Kooperationsprogramm Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung der<br />

Universität Salzburg und Linz liegt ein wesentlicher Focus darauf, den MentorInnen<br />

eine Vertiefung ihrer Beratungskompetenz, Erweiterung der eigenen Netzwerke<br />

sowie die Reflexion der eigenen Forschungstätigkeit, anzubieten. Die MentorInnen<br />

haben auch die Möglichkeit begleitende individuelle Coachinggespräche zur<br />

Selbstreflexion in Anspruch zu nehmen.<br />

Schliesselberger und Strasser (1998) sehen Mentoring in diesem Zusammenhang im<br />

Idealfall auch als politisierte Praxis. Nicht nur die Reflexion der individuellen<br />

Handlungsweisen soll durch Mentoring angeregt werden, sondern auch eine<br />

Reflexion der universitären Organisationskultur. Sie bezeichnen den begleitenden<br />

Umstand als eine „Reflexion der Machtverhältnisse, der Differenzen und<br />

Differenzierungen parallel mit einer Veränderung der Diskursformen, Lehrinhalte und<br />

–stile sowie der Spielregeln“ (vgl. Schliesselberger/Strasser 1998, 314).<br />

Eine Reflexion der Machtverhältnisse und Einbeziehung herrschender Strukturen<br />

einer Organisation ist für die Konzipierung von Fördermaßnahmen notwendig und<br />

Voraussetzung für organisationale Veränderungen.<br />

109


6.3.1.8 Das Potenzial der Verantwortung<br />

Mentoring-Programme haben den Effekt, dass sie sich mit den Laufbahnen und<br />

Karrieren der teilnehmenden Personen auseinandersetzen und Probleme dabei<br />

aufzeigen. Strukturelle Probleme die dabei auch öffentlich gemacht und debattiert<br />

werden, führen zu einem Diskurs, der die unmittelbar verantwortlichen Einheiten in<br />

die Pflicht nimmt, sich mit diesen Problemlagen auseinander zu setzen und darauf zu<br />

reagieren.<br />

Das Aufzeigen von strukturellen Missständen in den Laufbahnen des<br />

wissenschaftlichen Nachwuchses im Rahmen von Mentoring-Programmen, fordert<br />

hier auch die Verantwortung und das Handeln der Universität bzw. der<br />

verantwortlichen Universitätsleitung ein, sich Karrierehemmnissen auf struktureller<br />

Ebene zu stellen.<br />

Eine Einbindung in Förderkonzepte sowie eine unbedingte Rückendeckung der<br />

Organisationsleitung auf finanzieller, als auch auf ideeller Ebene sind daher nützliche<br />

Voraussetzungen für organisationale Veränderungen.<br />

110


6.3.1.9 Das Potenzial der Anerkennung<br />

Wie Waltraud Schlögl im Gespräch anmerkt, hat es nach der mehrfachen<br />

Durchführung des Mentoring-Programms m:uv eine Änderung der Einstellung<br />

gegenüber an Mentoring-Programmen Beteiligten gegeben:<br />

„Ein wichtiger Aspekt der Strukturveränderung ist, dass wir hier an der Uni<br />

Wien erreicht haben, dass alle MentorInnen für den Zeitraum der Tätigkeit im<br />

Programm eine Kompensation für ihren Zeitaufwand erhalten, und zwar in<br />

Form einer zusätzlichen Tutorin für den Programmablauf. Dieser Aspekt ist in<br />

doppelter Weise wichtig, einerseits, weil er genau beim größten aller<br />

potenziellen Probleme bei MentorInnen ansetzt, nämlich beim Zeitproblem,<br />

und ihnen andererseits zeigt, dass der Universität diese Tätigkeit wichtig ist<br />

und sie auch bereit ist, dafür zu zahlen“.<br />

Die Teilnahme an Mentoring-Projekten kann auf Seiten der Mentées ebenso wie auf<br />

Seiten der MentorInnen als Zusatzqualifikation auf fachlicher wie auf sozialer Ebene<br />

bewertet werden. Die Darlegung persönlicher und beruflicher Ziele, das Ansprechen<br />

von konkreten Schwierigkeiten und der Umgang mit den gebotenen realistischen<br />

Unterstützungsmöglichkeiten, setzt m.E. auch eine gewisse soziale Kompetenz<br />

beider Seiten voraus.<br />

Erfolgreich durchgeführte und anerkannte Mentoring-Programme führen auch die<br />

InitiatorInnen und KonzeptionistInnen dieser Programme – diese sind meist ident mit<br />

den AkteurInnen der Gleichstellungsarbeit – ein Stück aus der Invisibilisierung ihrer<br />

Tätigkeiten zu einer Struktur und Kultur der Anerkennung ihrer Arbeit und ihres<br />

persönlichen Empowerments im Rahmen der Organisation Universität.<br />

6.3.1.10 Das Potenzial der Sensibilisierung<br />

Grundlage aller positiven Effekte von Frauenförderungs- und<br />

Gleichstellungsmaßnahmen und deren Akzeptanz, ist eine gewisse Sensibilisierung<br />

gegenüber Geschlechter diskriminierenden Strukturen. Die Transparenz über<br />

Vorgänge der herrschenden Beförderungs- und Aufstiegsmechanismen,<br />

Mechanismen, die die Karriereentwicklung behindern, das Sichtbarmachen<br />

weiblicher Kompetenzen, bergen strukturelles Veränderungspotenzial. Das Erkennen<br />

wie Abläufe funktionieren auf formeller wie auch informeller Ebene kann diese<br />

111


Abläufe in Frage stellen und andere Ansätze aufzeigen. MentorInnen können durch<br />

eigene Erfahrungen diese Transparenz auch herstellen. Teresa Schweiger spricht<br />

den MentorInnen eine entscheidende Rolle zu:<br />

„ Auf jeden Fall glaube ich, fast noch wichtiger als der Prozess für die Mentées<br />

ist der Prozess den die MentorInnen durchlaufen. Das ist unsere Erfahrung.<br />

Dadurch wird das Bewusstsein geschaffen, dass Ungleichheiten zwischen den<br />

Geschlechtern herrschen, das ist einfach so, die werden auch nicht unbedingt<br />

aus Böswilligkeit bewusst herbeigeführt, sondern das sind Mechanismen, das<br />

weiß man ja auch aus der Psychologie, der „Mini-Me“, man will halt auch einen<br />

haben, der einem ein bisschen ähnlich ist, ich glaube das ist jetzt ganz wichtig<br />

auf der Ebene von Personen, die jetzt in Führungspositionen sind, dass sie<br />

einen Bewusstseinsprozess durchlaufen und sehen, es gibt Frauen die das<br />

können, man muss da wirklich auch auf dieser Stufe anfangen“.<br />

Transparenz, Sensibilisierung und Sichtbarmachen der informellen Abläufe und<br />

Handlungsmuster im Zusammenspiel mit formellen strukturellen und rechtlichen<br />

Voraussetzungen ist die Grundlage für die Entfaltung der Potenziale zur<br />

Veränderung und Neuordnung.<br />

112


7. Methodik<br />

„Qualitative Forschung hat den Anspruch, Lebenswelten „von innen heraus“ aus der<br />

Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben. Damit will sie zu einem besseren<br />

Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und<br />

Strukturmerkmale aufmerksam machen.“<br />

(Flick/Kardoff/Steinke 2005, 14)<br />

7.1 Qualitative Forschung<br />

Nach Flick/Kardorff/Steinke 2005 lassen sich die auf „Qualitative Forschung“<br />

zusammengefassten Ansätze auf verschiedene Grundannahmen zusammenfassen:<br />

• Soziale Wirklichkeit als gemeinsame Herstellung und Zuschreibung von<br />

Bedeutungen. Soziale Wirklichkeiten erscheinen als Ergebnisse beständig<br />

ablaufender Konstruktionsprozesse. Für die Methodologie ergibt sich daraus<br />

ein erster Ansatzpunkt die Konzentration auf Formen und Inhalte dieser<br />

alltäglichen Herstellungsprozesse über die Rekonstruktion der subjektiveren<br />

Sichtweisen und Deutungsmuster der sozialen Akteure.<br />

• Prozesscharakter und Reflexivität sozialer Wirklichkeit. Für die Methodologie<br />

ist dabei der zweite Ansatzpunkt die Analyse von Kommunikations- und<br />

Interaktionssequenzen mit Hilfe von Beobachtungsverfahren (Beobachten im<br />

Feld) und anschließender Textanalysen.<br />

• „Objektive“ Lebensbedingungen werden durch subjektive Bedeutungen für die<br />

Lebenswelt relevant. Indikatoren wie Einkommen, Bildung, Beruf, Alter,<br />

Wohnsituation usw. bestimmen die unterschiedlichen Lebenslagen der<br />

Menschen. Die Bedeutung dieser Indikatoren und deren Interpretation<br />

entstehen in einer ganzheitlichen Betrachtung der Lebensumstände.<br />

Methodologisch führt dies zum Ansatzpunkt der hermeneutischen<br />

Interpretation.<br />

• Der kommunikative Charakter sozialer Wirklichkeit lässt die Rekonstruktion<br />

von Konstruktionen sozialer Wirklichkeit zum Ansatzpunkt der Forschung<br />

werden.<br />

Hintergrundannahmen unterschiedlicher qualitativer Forschungsansätze sind,<br />

dass Realität interaktiv hergestellt und subjektiv bedeutsam und dass sie über<br />

113


kollektive und individuelle Interpretationsleistungen vermittelt und<br />

handlungswirksam wird. Der Kommunikation kommt in der qualitativen<br />

Forschung eine herausragende Rolle zu. Für die Methodologie bedeutet dies,<br />

dass die Strategien der Datenerhebung selbst einen kommunikativen,<br />

dialogischen Charakter aufweisen.<br />

Bei qualitativer Forschung wird die „Subjektivität“ der Forschenden, die Lebenswelt,<br />

miteinbezogen. Die Reflexion der Subjektivität der Forschenden wird sogar als<br />

notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Forschungsprozess verstanden.<br />

Hier liegt auch ein wesentlicher Unterschied zu quantitativen Forschungsmethoden.<br />

In der quantitativen Forschung wird der Unabhängigkeit der Forschenden vom<br />

Forschungsgegenstand ein zentraler Stellenwert eingeräumt. Qualitative Forschung<br />

greift hingegen auf subjektive Wahrnehmungen der Forschenden und deren<br />

Standortbezogenheit als Bestandteil der Forschung zurück (vgl.<br />

Flick/Kardorff/Steinke 2005, 20ff).<br />

Zu den Methoden der qualitativen Sozialforschung zählen<br />

• Visuelle Methoden wie<br />

_teilnehmende Beobachtung<br />

_Foto- oder Filmanalysen<br />

• Verbale Methoden<br />

_Interviews<br />

_Gruppendiskussionen<br />

114


7.1.2 Qualitative Interviews<br />

„Jedes Interview ist Kommunikation, und zwar wechselseitige, und aber auch ein<br />

Prozess. Jedes Interview ist Interaktion und Kooperation. Das „Interview“ als fertiger<br />

Text ist gerade das Produkt des „Interviews“ als gemeinsamem Interaktionsprozess,<br />

von Erzählperson und interviewender Person gemeinsam erzeugt – das gilt für jeden<br />

Interviewtypus. […] Interviews sind immer beeinflusst, es fragt sich nur wie. Es geht<br />

darum, diesen Einfluss kompetent, reflektiert, kontrolliert und auf eine der<br />

Interviewform und dem Forschungsgegenstand angemessenen Weise zu gestalten.“<br />

(Helfferich, Cornelia 2005, 20)<br />

Das Wort Interview stammt ursprünglich aus dem Angloamerikanischen und wird ab<br />

dem 20. Jahrhundert auch im deutschen Sprachraum verwendet. Das Interview ist<br />

eine Gesprächssituation, die bewusst und gezielt von den InterviewpartnerInnen<br />

hergestellt wird, wobei eine Personen Fragen stellt und die andere Person Fragen<br />

beantwortet. In der qualitativen Forschung ist das Interview ein planmäßiges<br />

Vorgehen bei dem/der die Interviewte durch gezielte Fragen zu verbalen<br />

Informationen veranlasst wird (vgl. Lamnek 2005, 330).<br />

Die Interviewformen unterscheiden sich je nach beteiligten Personen und Ablauf der<br />

Interviewsituation.<br />

Nachfolgend möchte ich kurz auf die Interviewformen eingehen, die ich für meine<br />

Arbeit heran ziehen bzw. kombinieren werde.<br />

7.1.3 Das narrative Interview<br />

Die narrative Interviewform ist gekennzeichnet durch eine niedrige Strukturierung des<br />

Ablaufes. Narrative Interviews werden besonders häufig im Zusammenhang mit<br />

lebensgeschichtlich bezogenen Fragestellungen eingesetzt. Grundelement des<br />

narrativen Interviews ist die an eine Eingangsfrage anschließende Stegreiferzählung.<br />

Die Eingangsfrage bzw. Erzählaufforderung, sollte dabei so formuliert werden, dass<br />

die Erinnerungen der InterviewpartnerInnen mobilisiert werden und sie zum Frei-<br />

115


Erzählen angeregt werden. Wichtig ist die offene Formulierung der Fragen, um zu<br />

weiteren Erzählungen zu animieren. Der Schlussteil des Interviews kann kurz sein<br />

und bezieht sich auf die Einschätzung der Interviewsituation, kann aber auch ein<br />

„Bilanzierungsteil“ sein. Generell ist mit der Form des narrativen Interviews die<br />

Absicht verbunden, dass die Erzählungen stärker an konkreten Handlungsabfolgen<br />

und weniger an den Ideologien und Rationalisierungen der InterviewpartnerInnen<br />

orientiert sind (vgl. Hopf, 2005, 355ff).<br />

In seiner klassischen Form wird das narrative Interview ohne Interviewleitfaden<br />

durchgeführt.<br />

7.1.4 Das Leitfaden-Interview<br />

Es gibt mehrere Typen von Leitfaden-Interviews die in unterschiedlichen Bereichen<br />

angewendet werden. Der Begriff des Leitfaden-Interviews kann als Oberbegriff für die<br />

Art und Weise wie ein leitfadengestütztes Interview geführt wird, herangezogen<br />

werden.<br />

Der Leitfaden kann unterschiedlich stark strukturiert sein, und bewegt sich zwischen<br />

einem offenen Leitfadeninterview mit wenig Strukturierung (halb-/teilstandardisiert)<br />

und einem strukturierten Leitfaden-Interview mit hohem Strukturierungsgrad. Bei der<br />

offeneren Variante entscheidet der/die Interviewte welche Themen und Reihenfolge<br />

angesprochen wird und steuert somit das Gespräch selbst – die Befragten können<br />

ihre Antworten und Ansichten frei formulieren. Der/die Interviewer/in muss darauf<br />

achten, dass alle Themen angesprochen werden.<br />

7.1.5 Das Leitfaden-Interview mit narrativem Charakter<br />

Für die Durchführung der Interviews habe ich einen Leitfaden konzipiert, die Fragen<br />

so formuliert, um zum Erzählen zu animieren.<br />

Flick bezeichnet diese Art der Anwendung von verschiedenen Techniken innerhalb<br />

eines Interviews als „Within-Method-Triangulation“ (vgl. Flick 2005, 312).<br />

116


Die Kombination der beiden Methoden soll die Stärken des Leitfaden-Interviews mit<br />

den Stärken des Erzählens verbinden.<br />

7.1.6 Interpretation der Interviews<br />

Nach Durchführung der beiden exemplarischen Interviews mit den Expertinnen habe<br />

ich diese transkribiert. Die von mir entwickelten möglichen Veränderungspotenziale<br />

des Förderinstrumentes Mentoring in Hinblick auf organisationale Strukturen, habe<br />

ich mit den zentralen Aussagen der beiden Projektleiterinnen zur Illustration bzw. zur<br />

Verdeutlichung der Standpunkte eingearbeitet.<br />

117


8. Resümee<br />

Bei der Beschäftigung mit dem Thema Mentoring und der Suche nach Potenzialen<br />

für einen Strukturwandel durch Mentoring ist für mich klar geworden, dass der<br />

Grundstein für strukturelle Änderungen in einer Organisation zuerst durch einen<br />

ersten Schritt der Verrechtlichung und Implementation von Gleichstellungs- und<br />

Frauenförderungsmaßnahmen gelegt werden muss. Was allerdings gleich wesentlich<br />

ist – aber nicht verrechtlicht werden kann – ist eine damit einhergehende und in der<br />

Realität zeitverzögerte Änderung der Organisationskultur.<br />

Gleichstellungsinstrumentarien und Frauenfördermaßnahmen sind an der Universität<br />

bereits vorhanden. Die Erfahrungen mit Gleichstellungsarbeit zeigen, dass es zum<br />

Großteil auf die einzelnen AkteurInnen und deren Intentionen ankommt, wie diese<br />

gesetzlichen Möglichkeiten umgesetzt werden und welches Ziel verfolgt wird.<br />

Durchaus kann mit tauglichen Instrumenten ein ewiger Status quo reproduziert<br />

werden.<br />

Die Absicht, die hinter der Konzipierung von Mentoring-Programmen steht, ist<br />

deshalb ausschlaggebend, weil damit gezielte Eliteförderung betrieben werden kann,<br />

die Anpassung an die vorgeprägten Laufbahnmuster und das Zurechtfinden im<br />

Kontext der gegenwärtigen Universitätsstruktur und –kultur zur Vorbedingung<br />

machen und diese selbst wieder reproduzieren. Eine Eliteförderung ist zwar nicht per<br />

se abzulehnen, da es ein wesentlicher Effekt auf individueller Ebene von Mentoring<br />

sein kann, strukturelle Veränderungspotenziale aber nur eröffnet und genutzt werden<br />

können, wenn eine kritische Haltung gegenüber den herrschenden Strukturen bei der<br />

Konzeption mitgedacht wird. Es ist daher eine wesentliche Frage, wer diese<br />

Förderungsprogramme konzipiert, finanziert und durchführt.<br />

Formelle Strukturen können sich durch gesetzliche Regelungen ändern,<br />

Handlungsweisen und -muster aber in gewohnten Praktiken fortgesetzt werden. Eine<br />

umfassende gesellschaftliche Veränderung der eingefahrenen Denkweisen und<br />

Handlungsmuster kann wohl eher erst mit einer zeitlichen Verzögerung herbeigeführt<br />

werden.<br />

118


Mit einem strukturellen Wandel muss ein kultureller Wandel einhergehen. Diese<br />

beinhaltet die symbolischen Ordnungen, die informellen Handlungsweisen,<br />

unausgesprochene Spielregeln und darin eingebettete Geschlechterordnungen und<br />

Rollenbilder.<br />

Ein Strukturwandel ist ohne Kulturwandel schwer möglich und auch umgekehrt. In<br />

den Gesprächen mit meinen Interviewpartnerinnen ist klar geworden, dass es der<br />

Änderung traditioneller Vorstellungen über Geschlechterordnungen und<br />

Verhaltensweisen bedarf, um realistische Aufbrüche des männlichen Systems<br />

Universität bewirken zu können. Diese Änderungen einzuleiten, gelingt vereinzelt<br />

und langsam, aber eine rein zahlenmäßige Erhöhung des weiblichen Anteils im<br />

universitären Wissenschaftsbereich, bedingt noch keine grundlegenden Änderungen<br />

des Systems, darüber sind sich die AutorInnen und Gesprächspartnerinnen einig.<br />

Ich denke aber doch, dass die quantitative Erhöhung des weiblichen Anteils eine<br />

notwendige Grundvoraussetzung und ein erster Schritt ist, der Veränderungs-<br />

Potenzial in sich birgt. Die Erhöhung der Anzahl weiblicher Studentinnen,<br />

Absolventinnen und Nachwuchswissenschafterinnen vor allem in Fächern der<br />

traditionellen weiblichen Unterrepräsentation, lassen Forderungen nach Änderung<br />

der (männlichen) Strukturen legitimer wirken. Darüber hinaus werden dadurch role<br />

models erzeugt, die Identifikationsmöglichkeiten bieten.<br />

Der Prozess des Bewusstmachens, des Sensibilisierung und der Transparenz von<br />

Strukturen und Kulturen, ist bei weitem noch nicht abgeschlossen, aber eine<br />

notwendige Grundvoraussetzung.<br />

Veränderungen von festgefahrenen Strukturen, Verhaltensweisen und Rollenbilder<br />

sind eine langfristige Angelegenheit. Nachwuchsförderungsmaßnahmen wie<br />

Mentoring aber meist auf eine gewisse Dauer beschränkt.<br />

Der Erfolg der von mir skizzierten Veränderungspotenziale hängt daher auch von<br />

einer gewissen Regelmäßigkeit der Durchführung bzw. Übernahme der Programme<br />

in den Regelbetrieb ab. Diese Übernahme wiederum hängt an einer gesicherten<br />

Finanzierung.<br />

Förderungsprogramme wie Mentoring, sind zeit- und personalintensiv. Eine<br />

regelmäßige ausreichende Finanzierung muss daher gewährleistet sein. Eine<br />

regelmäßige Finanzierung besteht aber nur dort, wo sich die GeldgeberInnen auch<br />

Nutzen davon versprechen. Somit hängt es wieder an den AkteurInnen, den<br />

119


Verantwortlichen die Effizienz von Nachwuchsförderungsprogrammen bei sonst<br />

drohendem Verlust von wichtigem Humankapital für die Universität, zu vermitteln.<br />

Ein einzelnes Mentoring-Programm kann eine individuelle Verbesserung der<br />

Karrierechancen bewirken, Strukturen können damit sicher nicht verändert werden.<br />

Eine Regelmäßigkeit bei gleichzeitiger Anbindung an ein mehrschichtiges<br />

Förderungskonzept mit einem Pool aus sich ergänzenden Maßnahmen, ist daher<br />

eher sinn- und wirkungsvoll.<br />

Die verschiedenen Ansätze der beiden Mentoring-Programme als one-to-one<br />

Mentoring bzw. Gruppenmentoring unterscheiden sich nach ihrem Wirkungsgrad in<br />

der Reichweite und in den möglichen Veränderungspotenzialen. So hat der one-toone<br />

Förderansatz vor allem einen individuellen Effekt, der durchaus für die eigenen<br />

Karriere förderlich sein kann, der peer-group Ansatz durch seine größere Reichweite<br />

m.E. aber einen größeren MultiplikatorInneneffekt und kann dadurch auch strukturell<br />

mehr wirken. Die Konzeption hängt dabei immer auch von der Größe der Universität<br />

ab sowie der fachlichen und personellen Auswahlmöglichkeiten. Wie Teresa<br />

Schweiger auch erwähnt hat, ist es gar nicht so leicht förderungswillige<br />

Wissenschafterinnen als potenzielle Mentées in bestimmten Fachausrichtungen zu<br />

finden.<br />

Was sich meiner Meinung nach auch gezeigt hat, ist, dass die Ansätze der<br />

weiblichen Nachwuchsförderung gerade in naturwissenschaftlichen und technischen<br />

Studien und dort wiederum in Fächern mit minimalem Frauenanteil, oft zu spät bzw.<br />

ins Leere greifen. Hier besteht, wie auch Schweiger betont, bereits eine eklatante<br />

Lücke an weiblichen Studienanfängerinnen, die den Schluss zulässt, dass hier eine<br />

Förderung der Interessen schon viel früher ansetzen muss. Hier ist auf der Ebene<br />

des Schulsystems und der fachlichen Didaktik anzusetzen. Auf der Ebene der<br />

Universität ist es sicherlich ebenso notwendig, Lehrpläne und Lehrinhalte zu<br />

reflektieren, da diese für weibliche Studierende offensichtlich nicht attraktiv sind.<br />

Sensibilisierung und Bewusstseinsarbeit ist hier für die AkteurInnen der<br />

Frauenförderung ein Ansatzpunkt.<br />

Bei Mentoring-Beziehungen wird das Hauptaugenmerk meist auf die Mentées und<br />

dem Nutzen, den sie aus der Förderbeziehung lukrieren können, gelegt. Bei der<br />

120


Vorstellung der beiden Mentoring-Projekte betonen beide Gesprächspartnerinnen<br />

den Nutzen, den ein solches Programm auch für MentorInnen haben kann, wenn sie<br />

ihre Aufgabe ernst nehmen. Das Potenzial der Reflexion der eigenen Lehr- und<br />

Beratungstätigkeit und Einblicke in neue Netzwerke und der Wissensaustausch mit<br />

einer meist jüngeren Wissenschaftsgeneration kann die eigene fachliche und<br />

persönliche Reputation stärken und wiederum einen Schneeballeffekt durch<br />

Verbreitung der Mentoring-Idee bzw. weitere Teilnahmen der/des Mentorin/s<br />

auslösen.<br />

Ein wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren eines Programm, ob als oneto-one<br />

oder peer-group Förderbeziehung konzipiert, ist das „Matching“, die Auswahl<br />

der Personen, die am besten zueinander passen, auch da sind sich Schweiger und<br />

Schlögl einig. Ein erfolgreiches „Matching“ ist die Grundvoraussetzung für das<br />

Funktionieren des Programms. Wesentlich ist dabei auch, dass die TeilnehmerInnen<br />

aus verschieden Fachbereichen sind. Eine gewisse Distanz zueinander ist bei<br />

Mentoring-Programmen durchaus gewünscht.<br />

Diese Intention ist auch bei der Konzipierung des Salzburger Programms durch ein<br />

uniübergreifendes und gezieltes Ansprechen von MentorInnen, nach Bekanntsein<br />

der Mentées, ausschlaggebend.<br />

Über die Wichtigkeit des Geschlechts der MentorIn für die Mentées können keine<br />

verallgemeinernden Aussagen getroffen werden. Beide Projektleiterinnen bzw. -<br />

koordinatorinnen stimmen in den Erfahrungen überein, dass das Geschlecht der<br />

MentorIn für die Mentées persönlich wichtig sein kann. Ein Zusammenhang über die<br />

Rolle bestimmter Geschlechtermodelle (same-gender, cross-gender) und einer<br />

erfolgreichen Durchführung von Mentoring-Programmen, ist in diesem Rahmen<br />

allerdings nicht möglich.<br />

Auf meine eingangs gestellte Frage, ob Mentoring als Maßnahme zur<br />

Frauenförderung das „männliche System Universität“ stabilisiert und reproduziert,<br />

konnte ich keine Hinweise dafür festmachen. Auch wenn ein Mentoring-Programm<br />

vom klassischen one-to-one Förderansatz im Sinne einer Elitenförderung ausgeht,<br />

und der Nutzen dabei hauptsächlich individueller Natur ist, kommen Defizite und<br />

Karrierehemmnisse zur Sprache, die wiederum in größere Netzwerke getragen<br />

werden und somit auch Lösungs- und damit Veränderungspotenziale mit sich<br />

121


ingen. Deutlich wird, dass es individuell fördert und dabei zum Empowerment der<br />

Geförderten beiträgt.<br />

Allerdings kann wie bereits erwähnt, ein einzelnes, zeitlich befristetes<br />

Förderprogramm, wohl eher nicht zur Struktur- und Kulturveränderung einer<br />

Organisation wie der Universität beitragen. Darin sind sich die AutorInnen wie auch<br />

die Interviewpartnerinnen einig.<br />

Notwendige Voraussetzung dafür, ist die Einbettung eines Mentoring-Programms in<br />

ein gesamtes Förderkonzept zur wissenschaftlichen Nachwuchsförderung, dass auf<br />

die jeweiligen Bedürfnisse der unterschiedlichen Fachbereiche auf horizontaler und<br />

vertikaler Ebene abgestimmt ist. Dieses Gesamtprogramm in den Regelbetrieb der<br />

Universität zu übernehmen, dabei noch mit gesicherter Finanzierung, wäre dann<br />

noch der Idealfall auf dem Weg zu einer tatsächlichen Veränderung der strukturellen<br />

und kulturellen Ungleichheiten.<br />

Die von Friederike Hassauer 2002 festgestellte Absenz der Homo.Academica und<br />

der fehlende weibliche Gegenpart zur männlichen symbolischen Ordnung in der<br />

Wissenschaft und im Wissenschaftsbetrieb (Hassauer 2002, 52), ist auch Jahre<br />

später zumindest auf den oberen hierarchischen Ebenen gültig. Daraus kann man<br />

einerseits schließen, dass die verschiedenen Förderprogramme, die seit der<br />

Institutionalisierung der Gleichstellungsarbeit und der Implementierung von Gender<br />

Mainstreaming an der Universität im Sinne von Angelika Wetterers rhetorischer<br />

Präsenz und faktischer Marginalität zu beurteilen sind, oder dass veraltete<br />

(männliche) Strukturen auf informellen Ebenen nach wie vor stark wirken. Wirkliche<br />

Alternative wäre daher m.E. die Ergänzung der Maßnahmen um die Einführung einer<br />

Quotenregelung für den wissenschaftlichen Bereich.<br />

Widerstände gegen Frauenförderungsmaßnahmen laufen häufig sehr subtil ab.<br />

Niemand wird offen gegen Maßnahmen und Programme zur Frauenförderung oder<br />

Erhöhung der Chancengleichheit (mit Ausnahme bei der Diskussion um<br />

Quotenregelung) auftreten. Wichtig ist es m.E. auch, dass nicht nur beim internen<br />

Handeln auf Chancengleichheit gesetzt wird, sondern sich die Organisation als<br />

Ganzes im externen Handeln, in ihrem Leitbild zu diesen Maßnahmen bekennt.<br />

122


Aus feministischer Sicht ist es weiterhin notwendig, Frauenförderungsmaßnahmen<br />

und Projekte zur Erhöhung der Chancengleichheit zu forcieren, um dem Ziel näher<br />

zu kommen, diese Maßnahmen durch die Gestaltung geschlechtergerechter<br />

Strukturen unnötig zu machen bzw. wie Waltraud Schlögl im Gespräch anführt:<br />

„Ziel und die Vision wäre, dass diese Mentoring-Programme dann für alle<br />

NachwuchswissenschafterInnen offen sein sollten, nämlich mit großem I, ab<br />

dem Zeitpunkt, wo das alles geschlechtergerecht geändert wurde und sich<br />

entwickelt hat, weil es ja prinzipiell kein Frauenproblem ist, sondern eine<br />

Frage der Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Aber so wie<br />

es ausschaut wird das sicherlich noch recht lange dauern“.<br />

Ein künftiges Ziel muss allerdings auch sein, die Ansätze für Mentoring-Programme<br />

komplex zu denken. Neben dem Focus auf Frauenförderung muss im Sinne von<br />

Gender und Diversity, die Frage der Vielfalt im Sinne von biographischen, kulturellen,<br />

ethnischen und sozialen Hintergründen der Zielgruppen bei der Konzipierung von<br />

Förderungsprogrammen miteinbezogen werden. Der Ansatz der Intersektionalität<br />

muss dabei mitbedacht werden.<br />

Die Frage der Diversitäten scheint mir zumindest an der Universität Salzburg eine<br />

vernachlässigte zu sein. Die damit implizierte Homogenität der Studierenden und<br />

Beschäftigten wäre künftig ein wichtiger Untersuchungsgegenstand.<br />

Der Umstand der sozialen Herkunft der Studierenden, die „Klassenfrage“ in<br />

Zusammenhang mit Studienwahl und Geschlecht, wären Teilaspekte einer<br />

vertiefenden Untersuchung. Die Wahl der Studien ist nicht nur geprägt durch eine<br />

geschlechtliche Segregation, sondern nach wie vor auch durch eine soziale<br />

Segregation.<br />

Dass es möglich ist, Mentoring-Projekte im Rahmen von Förderprogrammen in einer<br />

komplexen Organisation zu initiieren, mag an sich schon Potential zur Veränderung<br />

hierarchischer Strukturen in sich bergen. Eine möglichst breitegestreute Zielgruppe<br />

von Profitierenden ist aber wesentlich. Eine Erhöhung der Anzahl der „kritischen<br />

Masse“ kann strukturellen und kulturellen Veränderungen nur zuträglich sein.<br />

123


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Strasser, Sabine (1998): Zum Begriff Mentoring – Konzepte zwischen der<br />

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In: Schliesselberger, Eva; Strasser, Sabine (Hg.): In den Fußstapfen der Pallas<br />

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im universitären Feld. Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft,<br />

Band 7. Wien, 16-56.<br />

Türk Klaus (1993): Politische Ökonomie der Organisation. In: Kieser, Alfred (Hg.):<br />

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129


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Wetterer, Angelika (2000): Noch einmal: Rhetorische Präsenz – faktische<br />

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Geschlechterordnung. Über die verborgenen Mechanismen männlicher Dominanz in<br />

der akademischen Welt. Campus Verlag. Frankfurt am Main, 195-221.<br />

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Wetterer, Angelika (2003): Gender Mainstreaming & Managing Diversity. Rhetorische<br />

Modernisierung oder Paradigmenwechsel in der Gleichstellungspolitik. In: Burkhardt,<br />

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Wroblewski, Angela/Leitner, Andrea (2007): Begleitende Evaluierung von<br />

„excellentia“. 1. Zwischenbericht. IHS, Wien.<br />

130


ANHANG<br />

131


Interviewleitfaden<br />

Komplex 1: Einleitung / Rahmenbedingungen der Befragten<br />

Welche Funktion haben Sie und welche Tätigkeiten üben Sie beim Mentoring-Projekt<br />

Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung/m:uv aus?<br />

Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?<br />

Komplex 2: Motive<br />

Was waren die Motive für die Initiierung des Projektes Chancengleichheit in der<br />

Nachwuchsförderung/m:uv?<br />

Welches Ziel steht bei Ihrem Projekt Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung/<br />

m:uv im Vordergrund?<br />

Was ist aus Ihrer Sicht generell das Motiv von Mentoring?<br />

Welches Motiv verbindet man speziell mit Mentoring an Universitäten?<br />

Komplex 3: Erfahrungen<br />

Welche Erfahrungen haben Sie mit ihrem bis dato Projekt gemacht?<br />

Welche Erfahrungen würden Sie als besonders positiv im Hinblick auf Ihr Ziel<br />

einschätzen?<br />

Welche negativ?<br />

Was sind Ihrer Meinung nach die Erfolgsfaktoren für ein effektives Mentoring?<br />

Ist Ihrer Meinung nach die Implementierung von Mentoring-Projekten ein Ziel zur<br />

Strukturveränderung und wie könnte diese Implementierung ausschauen?<br />

132


Komplex 4: strukturelle und kulturelle Veränderungspotenziale für<br />

Universitäten<br />

Wo liegen Ihrer Meinung nach strukturelle Effekte und Veränderungspotenziale in der<br />

Hierarchie einer Universität durch Mentoring? Inwieweit ist Mentoring Ihrer<br />

Einschätzung nach eine Möglichkeit zur strukturellen und kulturellen Veränderung an<br />

der Universität?<br />

In der Literatur ist immer wieder vom „widersprüchlichen Konzept“ die Rede. Wie<br />

sehen Sie die Gefahr einer Reproduktion bestehender Verhältnisse durch<br />

Förderbeziehungen?<br />

Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach das Geschlecht in Förderbeziehungen?<br />

Wie sehen Sie Mentoring im Verhältnis zu anderen Frauenförderungsmaßnahmen?<br />

Ist Mentoring Ihrer Meinung nach ein feministisches Projekt?<br />

133


Interview mit Mag. a Teresa SCHWEIGER, Leiterin des gendup-Zentrum für Gender<br />

Studies und Frauenförderung an der Universität Salzburg, Projektleiterin des<br />

Mentoringprojektes Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung, durchgeführt am<br />

20.08.2008<br />

Welche Funktion haben Sie und welche Tätigkeiten üben Sie beim Mentoring-Projekt<br />

Chancengleichheit in der Nachwuchsförderung aus? Wie sieht das Projekt aus?<br />

Ich bin Leiterin des gendup – Zentrum für Gender Studies und Frauenförderung an<br />

der Universität Salzburg. Ich habe das Zentrum als Karenzvertretung jetzt ein Jahr<br />

geleitet und in dieser Funktion gemeinsam mit meiner Kollegin, Dr. Margit Waid aus<br />

Linz, von der Stabstelle für Gleichstellung an der Universität Linz, das Mentoring-<br />

Programm entwickelt. Also, wir haben es konzipiert, wir haben auch die<br />

Besonderheit, dass es eben universitätsübergreifend ist, miteinbezogen. Insofern<br />

habe ich das betreut und meine letzte Aufgabe war es jetzt noch in Salzburg<br />

MentorInnen gezielt anzusprechen.<br />

Der Name des Projekts kommt daher, dass wir uns überlegt haben, dass Wort<br />

Frauenförderung bewusst auszuklammern, da das Wort ja nicht so einen guten Ruf<br />

hat und da das Projekt auch konzipiert ist für weniger - sag ich jetzt einmal -<br />

„frauenbewusste“ Bereiche wie den naturwissenschaftlichen-, technischen und<br />

wirtschaftswissenschaftlichen Studienrichtungen, haben wir uns überlegt, dass wir<br />

das Wort einfach rauslassen. Es geht um Nachwuchsförderung und auch um das<br />

Geschlecht nicht immer so in den Vordergrund zu spielen.<br />

Unser Projekt basiert auch vom Ansatz her auf einer one-to-one Förderbeziehung<br />

und soll so angelegt sein, dass sie weniger Austausch über persönliche<br />

Schwierigkeiten und Probleme während der Karriereplanung, mit<br />

dementsprechenden Karrieretipps von MentorInnenseite, sein sollen, sondern liegt<br />

der Focus auf den inhaltlichen, forschungsrelevanten Austausch von Wissen und der<br />

bereitwilligen Weitergabe dieses Wissens. Und uniübergreifend auch vor allem, dass<br />

in den spezifischen Forschungen der Naturwissenschaften und Technik ein Einblick<br />

in die Forschungsgebiete anderer Universitäten Kooperationsmöglichkeiten und<br />

134


Netzwerkerweiterungen ermöglicht werden können, für die Mentées und für die<br />

Mentoren.<br />

Das Projekt ist meiner Meinung nach ein sehr exklusives Projekt durch das<br />

universitätsübergreifenden Konzept. Durch das Programm kann für die Mentées ein<br />

Zugang in andere Forschungskulturen geschaffen werden und Netzwerke geöffnet<br />

werden, die gerade in den spezifischen naturwissenschaftlichen und technischen<br />

Forschungsgebieten durch ihre Spezifikationen schwer zugänglich sind.<br />

Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?<br />

Es wurde schon sehr lange im gendup versucht, ein Mentoring-Projekt auf die Beine<br />

zu stellen. Das ist bis jetzt wegen der fehlenden Finanzierung nicht gelungen. Wir<br />

haben es dann so angelegt, dass es innerhalb eine bereits bestehenden<br />

Frauenförderungsprojektes, nämlich innerhalb von karriere_links, als dritte und<br />

höchste Stufe eingebaut wird.<br />

Was waren die Motive für die Initiierung des Projektes?<br />

Also einerseits haben wir eine Lücke gesehen, weil im karriere_links haben wir<br />

zuletzt eine Förderung für Habilitandinnen gehabt und in Gesprächen mit diesen<br />

Habilitandinnen an der Universität Salzburg und Linz haben wir erkannt, dass es da<br />

auf dem Weg zur Professur noch sehr mangelt, auch an Bewusstsein, aber auch an<br />

den Netzwerken, dass es sehr viele Frauen bzw. Wissenschafterinnen es absolut<br />

nicht bewusst ist, wie wichtig Netzwerke sind. Und dass sie hier eine Förderung<br />

brauchen. Das war mal das eine Motiv, die andere Motivation war die<br />

Frauenförderung noch stärker beim Rektorat zu etablieren. Wir haben uns gedacht,<br />

am besten geht das dann mit einem doch exklusivem Programm, dass MentorInnen<br />

von den Unis, also ProfessorInnen aktiv involviert.<br />

Was ist aus Ihrer Sicht generell das Motiv von Mentoring? Welches Motiv verbindet<br />

man speziell mit Mentoring an Universitäten?<br />

Also, Mentoring ist für mich ganz klar für die Universitäten nicht nur als<br />

frauenfördernde Maßnahme gesehen. Inoffizielles Mentoring, so nenne ich das, das<br />

135


ja besteht, wird so nicht benannt. Das ist auch eine Schwierigkeit, deshalb haben wir<br />

in unserem Titel das Wort Mentoring auch nicht mit hineingenommen, weil es von<br />

sehr vielen gleichgesetzt wird mit Frauenförderung. Und das soll es einerseits schon<br />

sein, aber vor allem eine Wissenschafterinnenförderung und ein Ausgleichen der<br />

„inoffiziellen“ Mentoring-Projekte die es doch meistens zwischen männlichen<br />

Professoren und männlichen Nachwuchswissenschafter gibt.<br />

Welche Erfahrungen haben Sie bis jetzt mit dem Projekt gemacht?<br />

Erfahrungen die wir gemacht haben sind, dass die Hemmschwelle sich zu bewerben<br />

von Mentées doch hoch ist. Das liegt vielleicht auch daran, dass wir wirklich auch<br />

ganz dezidiert hineingeschrieben haben, wer sich bewirbt als Mentée, muss zum Ziel<br />

eine Professur oder eine leitende Position in einer Forschungseinrichtung haben.<br />

Das war ganz klar unsere Zielvorgabe und dadurch haben wir die Latte sehr hoch<br />

gelegt – das ist bis jetzt unsere Erfahrung – und hatten auch genauso viele<br />

Bewerbungen wir Plätze, nämlich zwei an jeder Universität. Es gibt auch, das<br />

können wir beobachten, in den technischen-naturwissenschaftlichen Fächern<br />

Lücken. D.h. es gibt Nachwuchswissenschafterinnen, die sehr gerne teilgenommen<br />

hätten, allerdings noch nicht in der Qualifikation drin sind, d.h. noch keine post-docs<br />

sind und nicht habilitiert sind. Und dann gibt es welche, die sogenannte „alte“<br />

Assistentinnenposten haben, die sich davon nicht mehr weg bewerben wollen auf<br />

eine Professur, wo sie dann auch finanziell schlechter gestellt sind. Dazwischen gibt<br />

es eine Lücke. Das ist uns jetzt aufgefallen. Es gibt natürlich auch Studienrichtungen<br />

gerade auch an der Universität Salzburg, da gibt es keine Frauen, die in dieser<br />

Qualifikationsphase drinnen sind. Das war ja auch dann der Versuch, das Projekt<br />

universitätsübergreifend zu machen, das wir z.B. eine Person von der Uni Linz haben<br />

und dann einen Mentor aus einem Fachbereich von der Uni Salzburg nehmen, wo es<br />

an der Uni Salzburg noch keine Frauen gibt. Das dieser Mentor dann aber eine<br />

Mentée betreut und dann vielleicht auch als Mehrwert erkennt.<br />

Ein weiteres Motiv für die uniübergreifende Idee war eben eine größere<br />

Auswahlmöglichkeiten und auch Lernprozesse bei ProfessorInnen und<br />

Bewusstseinsbildung, aber auch natürlich die Größe der beiden Unis. Also es wäre in<br />

machen Fachbereichen wirklich nicht gut, wenn ein Mentée aus dem gleichen<br />

136


Fachbereich kommt wie der Mentor. Das sind die Unis einfach nicht groß genug, um<br />

da auch eine Distanz zu schaffen.<br />

Was sind Ihrer Meinung nach die Erfolgsfaktoren für ein effektives Mentoring?<br />

Es muss auf jeden Fall Geld zur Verfügung gestellt werden von der Unileitung. Das<br />

sage ich jetzt als erstes, weil es wirklich ganz wichtig ist, damit man ein ordentliches<br />

Programm machen kann, sowohl für die MentorInnen als auch für die Mentées. Man<br />

muss für die MentorInnen ein Anreizsystem entwickeln. Das sind ja<br />

WunschmentorInnen, erfolgreiche WissenschafterInnen, die ja auch sehr viel zu tun<br />

haben, in sehr viele Gremien drin sind und Positionen innehaben. Denen muss man<br />

einen Anreiz geben, damit sie bei so einem Programm auch mitmachen. Und es ist<br />

auch in der österreichischen Tradition Mentoring noch nicht so bekannt, das merke<br />

ich auch immer wieder, dass ProfessorInnen, die aus Deutschland kommen,<br />

Mentoring auch offener gegenüberstehen. Daher ist auch das Geld sehr wichtig, weil<br />

man auch interessante Personen einladen möchte, muss, soll und kann zu<br />

Auftaktveranstaltungen, und das Ganze professionell umsetzen kann, weil es ja auch<br />

Arbeitskraft braucht. Dann würde ich schon sagen, dass das gebündelte Wissen um<br />

Mentoringprogramme, die es schon gegeben hat im deutschsprachigen Raum sehr<br />

wichtig ist und man auf diesen Erfahrung jetzt schon aufbauen kann und auf die<br />

jeweiligen Verhältnisse adaptieren kann. Ohne die Vorarbeiten der Kolleginnen in<br />

Wien, aber auch an den deutschsprachigen Unis wäre es dann doch schwieriger<br />

gewesen, so etwas in der kurzen Zeit umzusetzen. Und dann ganz wichtig ist<br />

natürlich, dass das unterstützt wird von der Universitätsleitung.<br />

Das ist ein Um und Auf.<br />

Ist Ihrer Meinung nach die Implementierung von Mentoringprojekten ein Ziel zur<br />

Strukturveränderung und wie könnte diese Implementierung ausschauen?<br />

Naja, wir haben so eine halbe Implementierung jetzt, dadurch dass wir es schon an<br />

eine bestehende Struktur angehängt haben, ich glaube das war relativ geschickt,<br />

wenn man nicht ganz frei schwebend agiert. Das ist auf jeden Fall eine Anbindung,<br />

die einer Implementierung gleich kommt. Eine Implementierung ist auf jeden Fall<br />

erstrebenswert, weil sonst wird es wieder unter irgendeinem Projekt „Nummer<br />

137


sowieso“ abgehandelt wird, das ist dann auch das Prestige nach außen. Wenn man<br />

schon Frauenförderungsprogramme hat an Universitäten, dann ist es meiner<br />

Meinung nach schon empfehlenswert, an die anzudocken, damit dass ein Bündel<br />

wird. Es ist glaube ich nicht gut, wenn man jedem Frauenförderungsprogramm ein<br />

anderes Mascherl gibt, einen anderen Namen und dann ist das wieder total<br />

zergliedert. Das das an einem Ort passiert, ist meiner Meinung nach schon gut, wo<br />

man auch sagt, da ist eine AnsprechpartnerIn.<br />

Wo liegen Ihrer Meinung nach strukturelle Effekte und Veränderungspotenzial in der<br />

Hierarchie einer Universität durch Mentoring? Inwieweit ist Mentoring Ihrer<br />

Einschätzung nach eine Möglichkeit zur strukturellen und kulturellen Veränderung an<br />

der Universität?<br />

Ja, schwierig zu beantworten. Auf jeden Fall glaube ich, fast noch wichtiger als der<br />

Prozess für die Mentées ist der Prozess, den die MentorInnen durchlaufen. Das ist<br />

unsere Erfahrung. Dadurch wird das Bewusstsein geschaffen, dass Ungleichheiten<br />

zwischen den Geschlechtern herrschen, das ist einfach so, die werden auch nicht<br />

unbedingt aus Böswilligkeit bewusst herbeigeführt, sondern das sind Mechanismen,<br />

das weiß man ja auch aus der Psychologie, der „Mini me“, man will halt auch einen<br />

haben, der einem ein bisschen ähnlich ist, ich glaube das ist jetzt ganz wichtig auf<br />

der Ebene von Personen, die jetzt in Führungspositionen sind, dass sie einen<br />

Bewusstseinsprozess durchlaufen und sehen, es gibt Frauen die das können, man<br />

muss da wirklich auch auf dieser Stufe anfangen. Für die Mentées würde ich mir<br />

wünschen, dass sie erkennen, dass Netzwerke ganz wichtig sind und dass sie sich<br />

auch Ziele höher stecken sollen – möglichst hoch. Und ich glaube dadurch kann man<br />

dann schon strukturelle Veränderungen bewirken. Was jetzt die ganze Uni betrifft,<br />

das ist es jetzt meine Meinung, dass man da die Geschlechterverhältnisse auf allen<br />

Ebenen ausgleichen sollte. Solange es immer noch so abläuft, die Sekretärin ist<br />

automatisch eine Frau, werden auch ein paar Frauen in höheren Positionen<br />

strukturell nichts ändern. Die ganze Unikultur müsste sich meiner Meinung nach<br />

öffnen und da ist sicher das Mentoringprogramm ein kleiner Stein, aber allein zu<br />

wenig. Weil es da ja auch noch um andere Faktoren der Ungleichheit geht, wie<br />

ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung, etc. Das Geschlecht oder das Frau-Sein<br />

138


ist zwar der offensichtlichste Faktor. Dass dabei ein Mentoring-Programm allein<br />

große Strukturveränderungen herbeiführt, glaube ich nicht.<br />

Eine große Chance besteht auch darin, dass Frauen, die ein Mentoring-Programm<br />

erfolgreich durchlaufen haben, sich auch selbst als Mentorinnen zur Verfügung<br />

stellen und durch Vorbildwirkung und Rolle als Multiplikatorinnen ein<br />

Schneeballeffekt entsteht, der die Anzahl der weiblichen Wissenschafterinnen in<br />

Leitungsfunktionen steigen lässt. Ob allerdings die quantitative Erhöhung weiblicher<br />

Leitungsfunktionen strukturelle Änderungen mit sich bringt, bleibt umstritten, ist zwar<br />

wahnsinnig wünschenswert, aber doch etwas realistischer zu sehen.<br />

In der Literatur ist immer wieder vom „widersprüchlichen Konzept“ die Rede. Wie<br />

sehen Sie die Gefahr einer Reproduktion bestehender Verhältnisse durch<br />

Förderbeziehungen?<br />

Naja, das ist immer die Crux. Will man das System ändern oder will man Personen in<br />

dem System erfolgreich machen. Ich glaube das ist ein Spannungsfeld in dem man<br />

sich immer bewegt. Ich habe grad gestern im „Standard“ (19.09.2008, Der Standard,<br />

Anm. d. Verf.) ein Interview gelesen mit einem Forscher, der die<br />

Evaluierungstendenz an Unis kritisiert, aber trotzdem den jungen<br />

WissenschafterInnen rät, „macht´s da mit, tut´s möglichst viel publizieren“, und so<br />

ähnlich sehe ich das bei Mentoring. Es bringt nichts, wenn ich im Büro für<br />

Frauenförderung sitze und den Frauen sage, ja da werden aber Eliten und<br />

Hierarchien reproduziert und mach da nicht mit! Weil für die Einzelne läuft es dann<br />

drauf raus, dass sie dann keine Stelle kriegt. Ich finde eine ausgewogene Balance<br />

schon wichtig, aber ich halte ein Mentoring-Programm trotzdem in seinen<br />

Auswirkungen für positiver als negativ. Die Effekte sind sicher positiv.<br />

Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach das Geschlecht in Förderbeziehungen?<br />

Ja, in vielen Bereichen kommt man ja gar nicht drum herum, das ein Mann ein<br />

Mentor ist. Ich glaube es hängt auch sehr stark von der Einstellung der Mentée ab.<br />

Das haben wir auch bei den Bewerbungen gesehen, manche wollen ja ganz dezidiert<br />

eine Frau als Mentorin. Das ist vielleicht, wenn sie aus Fachbereichen kommen, die<br />

sehr männerorientiert sind oder es ist einfach typabhängig, welche Paarung man<br />

139


vorzieht. Das ist individuell. Ob ein Mentée jetzt mehr von einem Mentor hat, kann<br />

man auch nicht so generell sagen, weil es da auch drauf ankommt, wie stark sich die<br />

Mentoren um ihr Mentée kümmern, wie intensiv dies betrieben wird und natürlich wie<br />

sie selber auch verankert sind.<br />

Unser Projekt ist als Cross-Gender-Projekt angelegt, einfach auch aus dem Grund<br />

des größeren Auswahlpools und es soll auch nicht der Eindruck verstärkt werden, es<br />

handle sich um ein Projekt von „Outsiderin“ zu „Outsiderin“. Auch wenn Mentorinnen<br />

wegen ihres Geschlechts, auch die wichtige Funktion eines role models zukommt,<br />

lernen – das glaube ich schon – männliche Mentoren durch den Prozess ihre eigene<br />

Rolle als Vorbild zu überdenken und als Multiplikatoren für zukünftige<br />

geschlechtergerechtere Strukturen einzutreten.<br />

Wie sehen Sie Mentoring im Verhältnis zu anderen Frauenförderungsmaßnahmen?<br />

Ich sehe Mentoring als eine Möglichkeit, wirklich schon innerhalb der universitären<br />

Strukturen Veränderungen herbeizuführen. Ich sehe Mentoring nicht als Programm<br />

Frauen in bestimmte Bereiche reinzubringen, da glaube ich ist es nicht<br />

niederschwellig genug. Ich glaube, ein Fachbereich, der keine Frauen hat, der<br />

braucht nicht unbedingt ein Mentoring-Programm, sondern etwas, dass die<br />

Studentinnen bleiben bzw. kommen. Ich sehe das wirklich als interne Maßnahme,<br />

zumindest so wie wir das jetzt machen. Es gibt auch noch andere Mentoringprojekte,<br />

z.B. die an der Schnittstelle Uni und Wirtschaft agieren, das ist dann auch wieder<br />

was anderes. Mentoringprojekte sehe ich wirklich als ganz gezielte Maßnahmen, die<br />

aber andere Maßnahmen nicht ersetzten können und sollen. Für<br />

Studienanfängerinnen ist ein Mentoring überfordernd. Weil ich glaube, man muss bei<br />

Mentoring schon sehr bewusst dran arbeiten und zielorientiert ansetzen. Ob diese<br />

Ziele dann erreicht werden, ist wieder etwas anderes.<br />

Ist Mentoring ein feministisches Projekt?<br />

Wir haben uns schon bemüht, das Projekt als feministisches Projekt zu machen, ja<br />

ich sehe jegliche Frauenförderungsmaßnahme als feministisches Projekt. Wenn man<br />

sagt, Feminismus ist sehr stark mit politisch linker Einstellung verbunden, dann ist<br />

das natürlich schon die Frage, ob Mentoring ein feministisches Projekt ist. Frauen die<br />

140


da mitmachen, werden ja auch nicht nach ihrer Einstellung gefragt. Aber ein<br />

feministisches Projekt im Sinne, dass es an den bestehenden Strukturen rüttelt, ist es<br />

meiner Meinung nach schon.<br />

141


Interview mit Mag. a Waltraud SCHLÖGL, Projektkoordinatorin von m:uv der<br />

Universität Wien, Büro des Referats für Frauenförderung und Gleichstellung der<br />

Universität Wien, durchgeführt am 02.07.2008.<br />

Welche Funktion haben Sie und welche Tätigkeiten üben Sie beim Mentoringprojekt<br />

m:uv aus?<br />

Also, meine Funktion ist die der Projektkoordinatorin. Es ist bei uns so aufgeteilt,<br />

dass die Frau Mag. a Genetti interne Projektleiterin ist. Früher war es so, dass die<br />

Vizerektorin für Frauenförderung die formale Leitung gehabt hat, Frau Mag. a Genetti<br />

die operative Leitung und eine Kollegin und ich die Projektkoordinatorinnen waren.<br />

Jetzt ist es so ich mache zurzeit alleine die Projektkoordination und Frau Mag. a<br />

Genetti ist die Projektleiterin.<br />

Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?<br />

Begonnen hat alles 2001 mit dem Pilotprogramm, das war ein Drittmittelprogramm,<br />

gefördert vom ESF (Europäischer Sozialfonds) und bmwk, natürlich auch mit<br />

Eigenmitteln der Universität Wien. Ursprünglich ist es auf eine Initiative der<br />

damaligen Koordinationsstelle für Frauen und Geschlechterforschung<br />

zurückgegangen und es gibt einen Konnex zur der Studie von Strasser/<br />

Schliesselberger die vom bmwk in Auftrag gegeben worden ist, wo zum ersten Mal<br />

darum ging, sich Mentoringprozesse an den österreichischen Universitäten<br />

anzuschauen. Gemeinsam mit der Initiative der interuniversitären Koordinationsstelle<br />

hat das dann dazu geführt, dass seitens des bmwk, die Roberta Schaller-Steidl war<br />

da federführend, ja so der Wunsch entstanden ist, ein Pilotprojekt an der Uni Wien zu<br />

initiieren. Das ist dann von der Frau Mag. a Genetti und von der Frau Mag. a<br />

Bukowska, von dem neu eingerichteten Referat für Frauenförderung und<br />

Gleichstellung in die Wege geleitet worden. Als Projektkoordinatorinnen sind die Frau<br />

Mag. a Nöbauer und ich bestellt worden.<br />

142


Was waren die Motive für die Initiierung des Projektes muv?<br />

Es ging zuerst einmal darum, dass bis dorthin an österreichischen Universitäten noch<br />

gar keine Erfahrungen mit Mentoring-Programmen gegeben hat, international schon<br />

sehr viele und man vor allem auch aufgrund der Studie von<br />

Schliesselberger/Strasser 44 erkannt hat, was für ein wichtiges Potenzial in Mentoring<br />

steckt und das einfach auch nutzbar machen wollte.<br />

Welches Ziel steht bei Ihrem Projekt m:uv im Vordergrund?<br />

Es war aber von Anfang an so, dass man aufgrund dieser Studie nicht von einem<br />

klassischen Mentoringansatz ausgegangen ist, sondern immer schon auch<br />

mitgedacht haben im Konzept, dass Mentoring durchaus, ja, ein sehr traditioneller<br />

Ansatz sein kann, also, herkömmliche Strukturen auch verfestigen kann in diesen<br />

one-to-one Beziehungen und das wollten wir von Beginn an vermeiden und auch<br />

konterkarieren und aufbrechen und haben von Beginn an ein recht innovatives<br />

Konzept gefahren, nämlich fächerübergreifendes Gruppenmentoring. Wo eben die<br />

Idee war, dass hier Räume geschaffen werden, die natürlich nicht hierarchiefrei sind,<br />

dass ist schon klar, aber die erstens nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen,<br />

die Mentees und die MentorInnen, und auf der anderen Seite es auch diese Peer-<br />

Ebene gibt, in der Kleingruppe, wo eine zusätzliche Vernetzungsebene und<br />

Förderebene auch da ist, die auch ein bisschen die hierarchische Beziehung zur<br />

Mentorin oder zum Mentor konterkarieren soll.<br />

Nachfrage Gruppenmentoring, Wie sieht das aus?<br />

Wir arbeiten in der Regel mit Kleingruppen mit vier Mentées und einer MentorIn.<br />

44<br />

Anm.: Schliesselberger, Eva/Strasser, Sabine (1998): In den Fußstapfen der Pallas Athen?<br />

Möglichkeiten und Grenzen des Mentoring von unterrepräsentierten Gruppen im universitären Feld. Materialien<br />

zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft, Band 7. Wien.<br />

143


Was ist aus Ihrer Sicht generell das Motiv von Mentoring?<br />

Welches Motiv verbindet man speziell mit Mentoring an Universitäten?<br />

Das ist so die Grundidee - ich meine, die Grundidee hinter den Mentoring-<br />

Programmen ist sicher natürlich Nachwuchswissenschafterinnen Zugang zu<br />

Förderbeziehungen zu verschaffen, ein bisschen ein Gegengewicht zu den<br />

informellen Beförderungsmechanismen zu schaffen, da eben Frauen in der Regel<br />

weniger Zugang zu fördernden Personen haben und hier einfach eine Parallelstruktur<br />

zu schaffen, die aber hier nicht so intransparent und hierarchisch angelegt werden<br />

soll, wie eben im informellen Mentoring, sondern eben formalisiert ist und eine<br />

bestimmte Rahmenstruktur und Transparenz auch hat.<br />

Welche Erfahrungen haben Sie mit ihrem Projekt gemacht?<br />

Welche Erfahrungen würden Sie als besonders positiv im Hinblick auf Ihr Ziel<br />

einschätzen? Welche negativ?<br />

Wir haben jede Programmperiode evaluieren lassen und dann auch versucht, die<br />

Ergebnisse und Erzählungen einzubauen in die nächsten Programme. Von Anfang<br />

an sehr positiv angekommen ist dieses Gruppensetting, das wird einhellig gewünscht<br />

und begrüßt und bringt auch diesen gewünschten Effekt, dass nicht nur diese one-toone<br />

Beziehung da ist, sondern dass einfach ein größeres Netzwerk entsteht und mit<br />

diesem peer-Netzwerk auch sehr viel Dynamik reinkommt, dass sich dadurch oft<br />

gleichwertige oder wichtigere Fördereffekte ergeben, als durch die Beziehung zu<br />

einer Mentorin oder einem Mentor, also das ist einmal ein ganz wichtiger Punkt. Was<br />

ebenfalls sehr positiv angekommen ist, ist dass wir von Anfang an mit Mentorinnen<br />

und Mentoren arbeiten, also beide Geschlechter einbinden und hier einfach auch<br />

versuchen, die Potenziale der Professorinnen und Professoren nutzbar zu machen.<br />

Auf struktureller Ebene gesprochen, was nach wie vor ein bisschen ein Problem ist,<br />

dies aber zunehmend weniger wird – bis hin sich auflöst, ist das sich offenbar in<br />

manchen Fachbereichen, die Teilnahme am Mentoring Programm, seitens der<br />

Mentées, zum Beispiel nicht offen gelegt wurde, weil sie gefürchtet haben, dass sie<br />

sich damit irgendwie negativ zu markieren, weil eben das ganze Umfeld eine<br />

negative Haltung hat gegenüber Frauenfördermaßnahmen oder gegenüber diesem<br />

144


vermeintlichen Defizitansatz, dass man als Frau eine verstärkte Förderung braucht,<br />

gerade in den Fachbereichen, wo diese Haltung sehr stark vertreten ist, hat dies<br />

natürlich wiederum Auswirkungen auf die Mentées, dass sie sich eher quasi nicht<br />

ertappen lassen wollen. Das war beim ersten Programm noch wesentlich stärker,<br />

mittlerweile habe ich eher das Gefühl, dass sich das zunehmend auflöst, einfach<br />

auch deswegen, weil das Programm mittlerweile eine gute Reputation hat und einen<br />

hohen Bekanntheitsgrad und es da offensichtlich doch eine strukturelle Dynamik<br />

gegeben hat in der Hinsicht.<br />

Auf das Programm selber bezogen, gibt es halt schon auch den Aspekt, dass dieses<br />

Gruppensetting eine gewisse Dynamik mit sich bringt und das es halt nicht<br />

auszuschließen ist, dass die eine oder andere Gruppe, dass dann doch, z.B.<br />

Konkurrenzsituationen auftreten, oder ein gewisses Konfliktpotenzial da ist. Das<br />

bringt das Gruppenmentoring auch mit sich. Da muss man schauen, erstens einmal<br />

bei der Auswahl beim Matching sehr genau darauf zu achten, welche Konstellationen<br />

eben günstig sind oder weniger günstig, da haben wir sehr viel gelernt mit den<br />

Evaluierungen auch, ja und auch eine Unterstützung zu bieten, was wir mit<br />

Supervision machen. Wir bieten den Gruppen Supervision an, es ist auch ein Termin<br />

auf jeden Fall verpflichtend und darüber hinaus können auch wir sie in Anspruch<br />

nehmen, um auch die Gruppe selber ein bisschen zu reflektieren und<br />

Steuerungsmechanismen zu haben.<br />

Ist Ihrer Meinung nach die Implementierung von Mentoring-Projekten ein Ziel zur<br />

Strukturveränderung und wie könnte diese Implementierung ausschauen?<br />

Die Implementierung von Mentoring in die Universitätsstruktur ist absolut Ziel des<br />

Projekts. Wobei bei unserem Programm diese Implementierung weitgehend passiert<br />

ist und funktioniert. Also wir starten jetzt mit der 4. Periode, die ersten beiden sind<br />

drittmittelfinanziert und seit der 3. Periode ist die Uni Wien alleiniger Träger des<br />

Programms. Natürlich kann man da jetzt nicht weit in die Zukunft fantasieren, weil<br />

das ja auch immer von der Universitätsleitung abhängt, aber die jetzige<br />

Universitätsleitung steht dahinter, und wird das Programm nach wie vor unterstützen.<br />

145


Wo liegen Ihrer Meinung nach strukturelle Effekte und Veränderungspotenziale in der<br />

Hierarchie einer Universität durch Mentoring?<br />

Inwieweit ist Mentoring Ihrer Einschätzung nach einer Möglichkeit zur strukturellen<br />

und kulturellen Veränderung der Universität?<br />

Naja, dass ist die Gretchenfrage.<br />

Längerfristig gesehen sind wir natürlich nach wie vor und sehr davon überzeugt, dass<br />

das Programm oder der Mentoringansatz zu einer Veränderung beitragen kann. Es<br />

ist natürlich nicht so, man kann sich nicht der Illusion hingeben, dass das Programm<br />

alleine jetzt die ganzen Strukturen umkrempelt, aber ich habe schon den Eindruck,<br />

dass es doch einen recht wichtigen Beitrag leisten kann. Was offenbar auch mit so<br />

einer gewissen Veränderung korrespondiert ist – ich nenne jetzt einfach einmal ein<br />

Beispiel – was dieses Gruppensetting oder dieses fächerübergreifende<br />

Gruppensetting anbelangt, da habe ich jetzt gerade eine Reihe von Mentorinnen und<br />

Mentoren für die neue Runde angeworben, und ich habe so den Eindruck gehabt,<br />

dass das auf irrsinnige Zustimmung stößt, mittlerweile, also diese Idee hier eine<br />

fächerübergreifende Kleingruppe zusammenzusetzen und hier Förderung zu<br />

betreiben, weil offenbar eben auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften immer<br />

wichtiger wird, dass man in Teams zusammenarbeitet, dass man eben in allen<br />

möglichen Drittmittelprojekten so interdisziplinäre Teams zusammenstellt und das ist<br />

wirklich ein Modell dafür, sich hier in so einer Struktur zusammenzufinden. Und<br />

natürlich geht’s auch darum, dass hier auch eine prinzipielle Affirmation für diese<br />

Idee, dass hier Nachwuchswissenschafterinnen einen privilegierten Zugang zu den<br />

Förderbeziehungen haben sollen, dass das mittlerweile als sehr selbstverständlich<br />

aufgenommen wird, also von den MentorInnen die wir anfragen.<br />

Ein wichtiger Aspekt der Strukturveränderung ist, dass wir hier an der Uni Wien<br />

erreicht haben, dass alle MentorInnen für den Zeitraum der Tätigkeit im Programm<br />

eine Kompensation für ihren Zeitaufwand erhalten, und zwar in Form einer<br />

zusätzlichen Tutorin für den Programmablauf. Dieser Aspekt ist in doppelter Weise<br />

wichtig, einerseits, weil er genau beim größten Problem aller potenziellen<br />

MentorInnen ansetzt, nämlich beim Zeitproblem, und ihnen andererseits zeigt, dass<br />

der Universität diese Tätigkeit wichtig ist und sie auch bereit ist, dafür zu zahlen.<br />

146


Insgesamt habe ich gerade bei der diesmaligen Anwerbung der Mentorinnen für den<br />

4. Programmdurchlauf ab Herbst gemerkt, dass die Bekanntheit und Akzeptanz des<br />

Programms gegenüber vorigen Perioden deutlich gestiegen ist und damit die<br />

Bereitschaft auch fachfremde Mentées zu fördern. Hier dürfte sich tatsächlich etwas<br />

bewegen.<br />

Das Fächer übergreifende hat aber schon auch seine Grenzen. Unserer Erfahrung<br />

nach ist es so, dass es am besten ist, wenn die Mentées schon eine gemeinsame<br />

Ebene haben, Berührungspunkte in ihrer thematischen und sicher auch<br />

methodischen Herangehensweise. Wir glauben, und unsere Erfahrung zeigt auch,<br />

dass es nicht sinnvoll ist, ganz weit auseinander liegende Fächer in so einer Gruppe<br />

zusammenzustellen, weil da einfach so viele Unterschiede in der Wissenschaftskultur<br />

bestehen und auch zum Teil in den Anforderungen an eine wissenschaftliche<br />

Karriere, dass es hier schon sehr schwierig wird und auch für eine Mentorin sehr<br />

schwierig wird, hier so eine Klammer zu finden. Wichtig ist schon, dass hier eine<br />

gewisse Nähe und eine gemeinsame Sprache gemeinsame Grundlage sind, damit<br />

diese Gruppen gut funktionieren, d.h. wir stellen fächerübergreifend zusammen, aber<br />

nicht jetzt z.B. eine Technikerin mit einer Geisteswissenschafterin, wenn die beiden<br />

nicht irgendein gemeinsames Interesse haben, was ja durchaus auch sein kann.<br />

In der Literatur ist immer wieder vom „widersprüchlichen Konzept“ die Rede. Wie<br />

sehen Sie die Gefahr einer Reproduktion bestehender Verhältnisse durch<br />

Förderbeziehungen?<br />

Wir sind hier sicher der Meinung, dass man mit Transparenz tatsächlich eine Menge<br />

aufweichen kann oder zumindest Bewusstsein schaffen kann und das versuchen wir<br />

eben auch. Wichtig ist da auch, immer wieder ganz viel Öffentlichkeitsarbeit auch zu<br />

machen und das Programm sichtbar zu machen, die Teilnehmerinnen sichtbar zu<br />

machen, und versuchen, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es hier nicht um<br />

einen Defizitansatz geht, sondern darum geht, die Strukturen, die einfach, ja, in einer<br />

Jahrhunderte langen Tradition in einer gewissen Weise geprägt worden sind und<br />

sehr patriarchal geprägt worden sind, dass es da einfach darum geht, schön langsam<br />

eine andere Kultur auch zu etablieren. Und da versuchen wir eben einen Beitrag zu<br />

leisten. Wir möchten ein alternatives Modell einer Förderkultur sichtbar machen, und<br />

147


in immer weitere Kreise an der Uni implementieren. Wichtig ist dabei natürlich auch,<br />

dass die Mentorinnen und Mentoren ja auch als MultiplikatorInnen fungieren und wir<br />

arbeiten auch immer mit neuen Mentorinnen und Mentoren, es sind mittlerweile<br />

schon über 40, die am Programm bisher teilgenommen haben und natürlich auch<br />

sehr viel lernen und sehr viel mitnehmen in ihre Betreuungsarbeit und auch in ihre<br />

universitäre Lehre. Da ist sicherlich auch ein Moment dieser strukturellen<br />

Veränderung, dass durch die Menge dieser ausgebildeten MentorInnen sich schön<br />

langsam diese Kultur auch verbreiten kann innerhalb der Universitäten.<br />

Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach das Geschlecht in Förderbeziehungen?<br />

Wir haben beide Extreme. Extrem renommierte Frauen, wo allein schon der Name so<br />

eine Bedeutung hat, dass sowieso jeder mit denen arbeiten will, egal ob sie dann<br />

Zeit hat oder nicht und wir haben auch Männer die durchaus nicht so ein tolles<br />

Setting haben innerhalb der Universität Wien, die aber sehr engagiert sind und sehr<br />

motiviert. Wir haben überhaupt die Erfahrung gemacht, dass was die Zufriedenheit<br />

der Mentées und auch was den Output betrifft, dass es da nicht so sehr darauf<br />

ankommt, ob der Mentor oder die Mentorin ganz toll renommiert und international<br />

bekannt ist, sondern dass es vielmehr auch auf die Biographien der MentorInnen<br />

ankommt. Also sprich, wenn jemand aus seiner eigenen Biographie heraus die<br />

jetzigen Anforderungen an WissenschafterInnen gut kennt und am eigenen Leib<br />

erlebt hat, dass er/sie nicht eine komplett lineare und ungefährdete Karriere hat,<br />

dann verstehen die viel besser wie es den Mentées geht und sie können natürlich<br />

auch mehr aus ihrer eigenen Erfahrung weitergeben in dieser Hinsicht. Ich will da<br />

jetzt nicht über Generationen sprechen, aber es deckt sich manchmal bis zu einem<br />

gewissen Grad, dass MentorInnen aus einer jüngeren Generation oder<br />

Erfahrungsgeneration, mehr geben können und mehr Substanz dann da ist für diese<br />

Mentoringbeziehungen, als bei denen die eine tolle lineare Karriere hingelegt haben<br />

und eigentlich aus ihrer eigenen Erfahrung nicht wissen um was es geht derzeit. Und<br />

das ist wirklich sehr unabhängig vom Geschlecht. Aber natürlich gibt’s schon<br />

geschlechtsspezifische Aspekte, sicherlich in dem sich Frauen manchmal sich mehr<br />

gefährdet fühlen in ihrer eigenen Karriere und daher auch nicht diese Leichtigkeit und<br />

Lockerheit haben, einfach zu geben und diese Haltung einfach einzunehmen – das<br />

kann durchaus als geschlechtsspezifischer Aspekt gesehen werden. Und natürlich<br />

148


auch diese Zeitthematik, alle die wir anfragen, haben zuerst einmal Bedenken, nimmt<br />

das zuviel Zeit weg, oder belastet mich das zeitlich sehr, und es sind halt tendenziell<br />

die Frauen die dann länger überlegen, wo man merkt, die sind an sich mehr belastet,<br />

was aber auch wiederum leicht erklärbar ist, weil eben – wie wir wissen – Frauen<br />

meistens mit mehr Arbeit überhäuft werden an den Instituten und bestimmte Dinge,<br />

sei es jetzt Studienprogrammleitung oder bei anderen administrative Dinge, mehr<br />

machen als Männer und dadurch einfach mehr unter Druck sind, dass ist sicherlich<br />

eine gewisse Tendenz. Andererseits gibt es viele Frauen, die sich extrem<br />

engagieren, und die einfach sehr sehr tolle Mentorinnen sind. Ich kann das wirklich<br />

nicht werten, das ist sehr ausgeglichen.<br />

Wie sehen Sie Mentoring im Verhältnis zu anderen Frauenförderungsmaßnahmen?<br />

Stipendien müssten auf jeden Fall ausgeweitet werden. Mentoring kann auf keinen<br />

Fall Stipendien ersetzen. Die Finanzierungsmöglichkeiten sind einfach viel zu gering,<br />

gerade bei Dissertantinnen ist das ein eklatanter Mangel. Mentoring kann das nicht<br />

ersetzten, sondern mehr eine zusätzliche Förderebene sein, und es hier einfach viel<br />

zu wenig Finanzierungsmöglichkeiten gibt für Nachwuchswissenschafterinnen,<br />

gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Stipendienprogramme müssten<br />

extrem ausgeweitet werden. Bei den Stipendien muss man allerdings auch ein<br />

bisschen kritisch sein und aufpassen. Diese sogenannten Frauenstipendien, die<br />

werden oft auch von den Instituten dazu genutzt, dass man Frauen in Projekte<br />

reinholt, die dann schon ihre eigene Finanzierung mitbringen und die man dann nicht<br />

mehr in die Budgetierung hinein nehmen muss, diese Frauenstipendien sind sicher<br />

auch zweischneidig.<br />

Es haben sicher alle Frauenfördermaßnahmen nach wie vor große Bedeutung, sind<br />

nach wie vor wichtig, solange sie nicht so einen Defizitansatz fortsetzen. Also ich<br />

denke mir, das kommt dann von Programm zu Programm darauf an. Wenn es nicht<br />

gelingt aus diesem Defizitansatz herauszukommen, dann finde ich, muss man das<br />

sehr überdenken.<br />

149


Ist Mentoring Ihrer Meinung nach ein feministisches Projekt?<br />

Ja, natürlich. Auf jeden Fall. Ja, Ja sicherlich. Also in der Hinsicht, dass wir eben<br />

davon ausgehen, dass es ein strukturelles Problem gibt in der wissenschaftlichen<br />

oder universitären Landschaft und das es hier einfach gilt, schrittweise zu versuchen,<br />

diese Strukturen zu verändern. Wobei es hier nicht nur um Strukturen, sondern auch<br />

sehr viel um Kultur geht, um Wissenschaftskultur an sich, da ist irrsinnig viel an<br />

Geschlechter bias drinnen, zwar auch unterschiedlich in den einzelnen<br />

Fachbereichen, aber prinzipiell ist er überall da. Und da gilt es eben auf<br />

unterschiedlichsten Ebenen, das langsam zu verändern und aufzubrechen. Ziel und<br />

die Vision wäre, dass diese Mentoring-Programme dann für alle<br />

NachwuchswissenschafterInnen offen sein sollte, nämlich mit großem I, ab dem<br />

Zeitpunkt, wo das alles (Lachen) geschlechtergerecht geändert wurde und sich<br />

entwickelt hat, weil es ja prinzipiell kein Frauenproblem ist, sondern überhaupt des<br />

wissenschaftlichen Nachwuchses. Aber so wie es ausschaut wird das sicherlich noch<br />

recht lange dauern.<br />

150


Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1 Gender-Schere – Anteil nach Geschlecht Universitäten 2006 26<br />

Abb. 2 Studienabschlüsse Universitäten nach Studienjahr / 51<br />

Universitäten gesamt<br />

Abb. 3 Gender Schere – horizontale Segregation 52<br />

Abb. 4 leaky pipeline an der Universität Salzburg – Frauen und Männer in 54<br />

unterschiedlichen Qualifikationsstufen in Prozent<br />

Abb. 5 Gender Monitoring Ordentliche Studierende nach Geschlecht 55<br />

WS 2007 Universität Salzburg<br />

Abb. 6 Gender Monitoring Studienabschlüsse gesamt 56<br />

Universität Salzburg<br />

Abb. 7 Studienabschlüsse Universitäten 56<br />

Studienabschlüsse nach Studienart<br />

Abb. 8 Gender Monitoring Studienabschlüsse 57<br />

Geisteswissenschaft und Künste Universität Salzburg<br />

Abb. 9 Gender Monitoring Studienabschlüsse Sozialwissenschaften 58<br />

Wirtschaft und Recht Universität Salzburg<br />

Abb. 10 Gender Monitoring Studienabschlüsse in Naturwissenschaften und 59<br />

Technik (Naturwissenschaften & Ingenieurwesen) Universität Salzburg<br />

Abb. 11 Gender Monitoring Studienabschlüsse Universität Salzburg 60<br />

Doktoratsstudien in Naturwissenschaften und Technik<br />

Abb. 12 Wissenschaftliches Personal, allgemeines Personal 61<br />

WS 2005/WS 2006 Universität Salzburg<br />

Abb 13 Allgemeines Universitätspersonal / Universität Salzburg 2006 62<br />

151


Code of Honour<br />

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne<br />

fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die<br />

benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich<br />

gemacht habe.<br />

Salzburg, am 21. September 2008<br />

Marietta Bauernberger<br />

152

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