Gemeinsames - Pfarrei Heitenried
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Leitartikel im September<br />
Liebe Leserin<br />
Lieber Leser<br />
Meine erste Stelle war 1953 als Kaplan in<br />
Tafers. Damals wurden wir oft gerufen<br />
beim Tod oder bei Unglücksfällen. Für die<br />
Gläubigen war es äusserst wichtig, dass bei<br />
Notfällen unbedingt der Priester dabei war,<br />
denn sterben ohne die Sakramente der<br />
Kirche, das wollte man gar nicht. Beichte,<br />
Kommunion, hl. Ölung, Sterbeablass – das<br />
beruhigte den Kranken oder Verunglückten.<br />
Auch das familiäre Umfeld fand darin Trost<br />
und Kraft. Dies und die folgenden Besuche<br />
des Seelsorgers gaben den Angehörigen<br />
Halt und Zuversicht, halfen ihnen über die<br />
schweren Stunden hinweg. Deshalb wurden<br />
wir zu allen Zeiten gerufen, bei Tag und<br />
bei Nacht, vom Essen weg oder aus dem<br />
Beichtstuhl heraus. Dies brachte mit sich,<br />
dass ich die Texte – damals noch in Latein<br />
– auswendig wusste.<br />
Nicht anders war es später als Vikar in<br />
der Unterstadt. Wie oft versorgte ich die<br />
Sterbenden in der Providence, im Gefängnis,<br />
auf der Strasse. Ich sehe noch ein Mädchen<br />
auf dem Heimweg um die Mittagszeit<br />
bei Schneesturm. Soeben kam ich vom<br />
Religionsunterricht in der Berufsschule<br />
zurück. Es wurde ihm von einem rutschenden<br />
Lastwagen ein Bein weggedrückt. Sein Blut<br />
vermischte sich mit dem Schneewasser,<br />
während ich ihr die hl. Ölung und den<br />
Sterbeablass erteilte – für die Familie war<br />
dies ein grosser Trost. Meist trug ich das hl. Öl<br />
bei mir, denn oft pressierte es auf Sekunden<br />
und Minuten. Durch regelmässige Besuche<br />
bei den Kranken konnte man die Gläubigen<br />
allmählich auf das Sterben vorbereiten.<br />
So dass sie gefasst und voll Vertrauen<br />
dem Tode entgegen gingen, ihn<br />
gläubig und ruhig annahmen. Sogar bei<br />
Handgreiflichkeiten – verursacht durch<br />
Alkohol oder Meinungsverschiedenheiten<br />
– wurden wir gerufen. Ich sehe noch einen<br />
wilden Mann mit einem grossen Messer vor<br />
mir. Mit Ausländern war er in einen heftigen<br />
Streit geraten. Immer wieder musste ich<br />
mich dazwischen stellen und die Zankenden<br />
auseinander halten. Man wollte lieber die<br />
Hilfe des Priesters und nicht die Polizei.<br />
Noch eines hat mich sehr überrascht. Früher<br />
gab es bedeutend weniger Selbstmorde,<br />
dafür sprach man landauf, landab über das<br />
Unfassbare. Dann konnte ich sicher sein,<br />
dass bei den nächsten Beichten Personen<br />
kamen mit diesem schweren Problem.<br />
Meistens konnte man durch nachfolgende<br />
Gespräche den Leuten weiterhelfen.<br />
Haus- und Krankenbesuche brachten es<br />
mit sich, dass man in vielen Fällen Nöte,<br />
Ängste, Leid und Enttäuschungen zum Teil<br />
entschärfen konnte. Die Gläubigen wussten,<br />
dass die Priester in Notfällen versuchen,<br />
ihr Möglichstes zu tun, und dies bis auf den<br />
heutigen Tag, das macht die Seelsorge zu<br />
einer wunderbaren Aufgabe.<br />
<br />
Moritz Boschung<br />
<br />
Pfarrer Alterswil