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Jahresbericht 2010 / 2011 Goutte d'eau - Gouttedeau.org

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Die Entwicklung von <strong>Goutte</strong> d’eau Kambodscha in den letzten 15 Jahren<br />

<strong>Jahresbericht</strong> <strong>Goutte</strong> d‘eau <strong>2010</strong> / <strong>2011</strong><br />

2. Schritt 1998: <strong>Goutte</strong> d’eau Poipet<br />

Rückblick von Fabio Molinari (in Poipet von 1998 – 2003)<br />

Im Dezember 1998 war ich kurz nach Beginn<br />

meines Engagements in Kambodscha zum ersten<br />

Mal im Grenzort Poipet. Es ging darum das Land<br />

abzumessen, auf welchem nach Neak Loeung das<br />

zweite <strong>Goutte</strong> d’eau (GE) Zentrum entstehen<br />

sollte. GE war vom Sozialministerium von Kambodscha<br />

Leimschnüffeln berauschten und sich mit Betteln<br />

und Gelegenheitsdiebstählen durchs Leben schlugen.<br />

Dies ist auch heute noch so, allerdings ist der<br />

Leim inzwischen härteren Drogen gewichen.<br />

Von Anfang an war uns klar, dass das Leben auf<br />

der Strasse durchaus seine Attraktivität hat. Besser<br />

angefragt worden in Poipet ein in einer Gruppe von Gleichaltrigen eine gewisse<br />

Rehabilitationszentrum für drogenabhängige Freiheit zu geniessen, als in einer Grossfamilie für<br />

Strassenkinder zu eröffnen. Das Terrain für das<br />

Zentrum hatte GE für sieben Jahre vom neuen<br />

Buddhistischen Tempel in Poipet bekommen.<br />

Darum war auch der Name des Zentrums von<br />

Anfang an klar: „Wat Thmey“, was auf Khmer<br />

„neuer Tempel“ heisst.<br />

Dass GE das Land von den Mönchen erhalten<br />

hatte, war ein Zeichen für die Akzeptanz des<br />

neuen Zentrums. Die Gebäude wurden zusammen<br />

mit ehemaligen Strassenkindern aus dem GE<br />

Zentrum in Neak Loeung aus Holz gebaut. Somit<br />

konnten unsere Lehrlinge erste Berufserfahrung<br />

sammeln und wir konnten beim Bau etwas Geld<br />

sparen.<br />

Einige der besten Mitarbeitern aus dem GE<br />

Zentrum in Neak Loeung waren bereit nach Poipet<br />

zu ziehen und dort mit uns zu arbeiten. Dank<br />

dieser Bereitschaft konnten schon bald nach der<br />

Fertigstellung der Gebäude die ersten Kinder<br />

empfangen werden. In Poipet drogenabhängige<br />

Strassenkinder zu finden, war auch damals nicht<br />

schwer. Meist waren es Knaben, die sich mit<br />

die kleineren Geschwister s<strong>org</strong>en zu müssen und<br />

den Launen, der Gewalt und dem Missbrauch<br />

durch ältere Geschwister und Eltern ausgesetzt zu<br />

sein. Dazu noch die Möglichkeit durch Drogen alle<br />

S<strong>org</strong>en, den Hunger und die Schmerzen zu vergessen.<br />

Es war uns klar, dass wir diesen Kindern etwas<br />

bieten mussten, das spannender war als die Strasse<br />

und Drogen. Für die Schule oder eine Lehre waren<br />

diese Kinder vorerst nicht bereit.<br />

Die Idee mit Hilfe eines Strassentheaters die<br />

Kinder von der Strasse und den Drogen weg<br />

zu bringen, hat GE aus den Philippinen übernommen.<br />

Dort waren drei unserer Mitarbeiter<br />

zur Ausbildung, bevor wir mit dem Programm<br />

begonnen haben. Das Mitmachen in einem Strassentheater<br />

bedeutete mit Kostümen vor einer<br />

applaudierenden Menge zu musizieren, zu schauspielern<br />

und akrobatische Einlagen zu machen<br />

und auf Tournee zu gehen; tatsächlich fanden<br />

viele der Kinder dies weitaus spannender, als auf<br />

der Strasse zu leben und sich weiter mit Drogen<br />

zu berauschen. Es galt nun, die eigene Geschichte<br />

zu entwickeln zur Verarbeitung des Erlebten. Das<br />

Basteln der Masken, das Schneidern der Kostüme<br />

und das Zimmern der Bühne förderte die Kreativität<br />

und Fingerfertigkeiten; das Einüben der Texte,<br />

der Musik und der Akrobatik zur Verbesserung<br />

der Konzentrationsfähigkeit gehörte auch dazu.<br />

Alles wurde in einen Tagesplan eingebettet, der<br />

den Kindern einen Rhythmus angewöhnte, den<br />

sie später in der Schule oder in der Lehre ebenfalls<br />

einhalten müssen.<br />

Die erste Tournee mit den Kindern war anstrengend,<br />

aber ein voller Erfolg. Geholfen haben uns<br />

Künstler aus der Schweiz und aus Thailand. Diese<br />

Aufführungen sind für die Zuschauer Unterhaltung<br />

und Aufklärungskampagne in einem. Wie<br />

auch heute noch gingen die Jugendlichen nach der<br />

Tournee zu GE nach Neak Loeung oder zu anderen<br />

Partner<strong>org</strong>anisationen zur Ausbildung.<br />

Bald wurde uns klar, dass die meisten Kinder<br />

das Leimschnüffeln in Thailand lernen, wo sie von<br />

Kinderhändler verschleppt, arbeiten müssen. Wir<br />

machten uns auf die Suche nach diesen Kindern<br />

und entdeckten, dass rund 1500 Kinder, vom Baby<br />

bis zum Jugendlichen jeden Monat von der Polizei<br />

in Bangkok, Phuket und Pattaya aufgegriffen werden.<br />

Sie kamen ins Gefängnis und wurden zurückgeschafft.<br />

Die meisten landeten direkt wieder in<br />

den Fängen der Kinderhändler. Um diese Kinder<br />

aus dem Menschenhandel zu befreien, haben wir<br />

1999 in Poipet das „GE Reception Center“ (Aufnahmezentrum)<br />

eröffnet. Dort finden insbesondere<br />

kleine Mädchen Schutz und ein temporäres<br />

Zuhause bis sie wieder zu ihren Familien können.<br />

Um Kinder aus dem Poipet Zentrum wieder<br />

in die öffentliche Schule zu integrieren und um<br />

zu verhindern, dass Geschwistern und Nachbarskindern<br />

das gleiche Schicksal droht, haben<br />

wir auch in Poipet schon bald mit Tagesschulen<br />

begonnen. Aus diesen Tagesschulen werden die<br />

Kinder in die öffentliche Schule integriert. Allerdings<br />

war dies zu Beginn ein schwieriges Unterfangen.<br />

Keine öffentliche Schule wollte etwas mit<br />

ehemaligen Strassenkindern zu tun haben.<br />

Um neue Kinder vom Ausstieg von der Strasse<br />

zu überzeugen und sie auf der Strasse besser vor<br />

Missbrauch zu schützen, haben wir im gleichen<br />

Zug das Drop-in an der Grenze zu Thailand eröffnet,<br />

dort wo die meisten Strassenkinder arbeiten.<br />

Das Drop-in ist darum als das Bindeglied zwischen<br />

der Strasse und GE entstanden. Dort finden<br />

die Kinder Zuflucht vor Gewalt, eine sichere<br />

Bleibe in der Nacht und fachgerechte Betreuung<br />

durch unsere Sozialarbeiter. Durch die Arbeit des<br />

Drop-ins wurde die Arbeit von GE bei den Kindern,<br />

Polizisten und Zöllnern bekannt und respektiert.<br />

Um diesen „Werbeeffekt“ zu verstärken war<br />

auch unsere Kinderklinik zu Beginn im Drop-in.<br />

Von Anfang an wussten wir, dass wir in Wat<br />

Thmey nur sieben Jahre bleiben konnten. Ausserhalb<br />

von Poipet betrieben wir zwar bereits eine<br />

Tagesschule für 150 Kinder auf einem Gelände<br />

des Sozialministeriums. Dies war aber zu klein,<br />

um zusätzlich den damals bereits nochmals mehr<br />

als 200 Kindern in Wat Thmey Platz zu bieten.<br />

Eines Tages besuchte uns eine Bürgervereinigung<br />

aus „Samarkum“, einer Siedlung von ehemaligen<br />

Flüchtlingen etwas ausserhalb von Poipet. Sie hätten<br />

Land um „etwas Soziales“ darauf zu machen.<br />

So ist das heutige Zentrum langsam entstanden.<br />

Zuerst kam die Tagesschule mit einfachen Häusern<br />

aus Stroh und Bambus. Dann die SchneiderInnenschule<br />

und die Ausbildungsstätte für die älteren<br />

Knaben, sowie Strohhütten für Kinder, die längere<br />

Zeit nicht nach Hause gehen konnten. Später entstand<br />

dann ein Raum für die Kinderklinik und ein<br />

Büro. Das Land ist so gross, dass wir nach den sieben<br />

Jahren in Wat Thmey das ganze GE Zentrum<br />

nach Samarkum zügeln konnten, ein Glücksfall.<br />

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