Weihnachtsmarkt
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die Augen. Die Rohlinge backt ein Bäcker aus dem Odenwald, die Zuckerschmier<br />
wird eigenhändig angerührt und los geht"s. In aller Frühe schon, und während<br />
die Glasur trocknet, stecken die Frauen ihre Quetschen- und Hutzelmännchen<br />
zusammen. Und alle Jahre wieder kann die Enkelin den Marktbeginn kaum erwarten,<br />
"weil dann die Dekoriererei ein Ende hat". Der Standbetrieb ist eh" ihr<br />
Metier.<br />
Den Sommer über tingelt die Familie Till mit dem Schießstand der Oma über<br />
Volksfeste in Frankfurt und Umgebung. Wie fast alle auf dem <strong>Weihnachtsmarkt</strong>.<br />
Man kennt sich. Die junge Frau zeigt zum Kräuterbonbon-Mann gegenüber, "der<br />
betreibt im Sommer einen Jaguarexpress". Und der am Stand schräg daneben<br />
Boxautos. Saisongeschäft. Auch der <strong>Weihnachtsmarkt</strong>. "Die Einnahmen müssen<br />
über die Winterpause bis März reichen."So war"s schon immer. Auch 1393, als<br />
Händler die verfügbare Warenwelt an Weihnachtsständen feilboten, damit die<br />
Frankfurter Geschenke kaufen und sich mit allerlei Nützlichem eindecken konnten.<br />
Mit neuen "Dippe" zum Beispiel. Bis heute zählt das Tonzeug mit der Salzglasur<br />
zu den Klassikern auf dem <strong>Weihnachtsmarkt</strong>. Vier Original-Stände gibt es<br />
noch, sagt Stroscher, der überhaupt auf Tradition setzt. Auch bei den Händlern.<br />
90 Prozent von ihnen gehören zur treuen <strong>Weihnachtsmarkt</strong>belegschaft: "Wer<br />
einmal da war und sich bewährt hat, darf immer wieder kommen." Das tun sie<br />
glatt aus allen Himmelsrichtungen: Von Süd- bis Norddeutschland reicht das Einzugsgebiet.<br />
Bildhauer Johann Bachmann ist gar aus Südtirol mit seinen handgeschnitzten<br />
Krippen und Figuren angereist: "Die Frankfurter wissen die Arbeit<br />
zu schätzen." Ihn hat Stroscher ohne langes Zögern voriges Jahr als Neuzugang<br />
auserkoren. Und das will was heißen. Gut 1000 Bewerbungen, sagt der Herr des<br />
<strong>Weihnachtsmarkt</strong>s, muss er jedes Jahr sichten. "Aber Bachmann ist der einzige<br />
echte Holzschnitzer auf dem Markt."<br />
Neben derlei Überraschungen, die Stroscher immer wieder aus dem Hut zaubert,<br />
ist es aber vor allem das vertraute Geschiebe in alten Bahnen, das die Frankfurter<br />
am <strong>Weihnachtsmarkt</strong> so lieben: Vor der Paulskirche werden Ausstecher gekauft,<br />
die Bethmännchen beim Stand vom Café Keth vorm Dom und Glühwein<br />
wird in der Frankfurter Glühweinstubb auf dem Römerberg getrunken. Der<br />
Frankfurter setzt auf Tradition, weiß Stroscher, und deshalb probiert der Cheforganisator<br />
modernen Schnickschnack erst gar nicht aus: Freitag, Samstag, Sonntag<br />
singen Chöre ab 17 Uhr auf der Bühne, mittwochs und samstags schallen die<br />
Turmbläser ab 18 Uhr über den Römerberg. Basta. Einmal, ja, da hatte er einen<br />
Weihnachtsclown engagiert. Ging aber kräftig in die Hose.<br />
Ebenso wie die amerikanische Beleuchtung mit einem Netz aus Tausenden kleiner<br />
Lämpchen überm Weihnachtsbaum. Den Frankfurtern hat"s nicht gefallen,<br />
sagt Stroscher. Hat ja auch keinen Stil, ein blickendes Haarnetz überm Weihnachtsbaum.<br />
© Copyright Frankfurter Rundschau<br />
Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 284)<br />
Datum: Samstag, den 04. Dezember 2004<br />
Seite: 35<br />
2<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04