Weihnachtsmarkt
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Nicht ohne ein Herz von Tilly Till<br />
Der Frankfurter <strong>Weihnachtsmarkt</strong> hat starke Traditionen / Nur<br />
selten stößt ein neuer Aussteller in den Kreis der 196 Auserwählten<br />
Von Anita Strecker<br />
<strong>Weihnachtsmarkt</strong>, Ort der Sinnlichkeit und wohliger Vorfreude. Man kann sich<br />
dem Budenzauber natürlich auch mit Zahlen, Daten, Fakten nähern. 196 Stände<br />
vom Liebfrauen- bis zum Römerberg, weitere 50 auf dem Buden-Ableger auf der<br />
Zeil. Den haben sich die Geschäftsleute entlang der Einkaufsmeile als vorweihnachtlichen<br />
Käufermagnet gewünscht und 1999 auch bekommen. Als jüngste<br />
Attraktion auf dem "Neuen" dreht sich erstmals sogar ein Kinderriesenrad von<br />
anno 1887 an der Hauptwache und rund um den Brockhausbrunnen lässt der<br />
Frankfurter Schausteller Hans-Jürgen Feuerstein eine echte Bimmel-<br />
Kindereisenbahn kreisen. Noch mehr gefällig?<br />
Marktorganisator Kurt Stroscher von der Tourismus und Congress GmbH legt<br />
mühelos nach. Mit mehr als drei Millionen Besuchern jährlich zählt der Frankfurter<br />
<strong>Weihnachtsmarkt</strong> zu den größten in der Republik und weil seine Geschichte<br />
verbrieft bis ins Jahr 1393 zurückreicht, auch zu einem der ältesten. Doch bleiben<br />
wir in der Jetzt-Zeit: Exakt 7000 Glühbirnen leuchten am Weihnachtsbaum<br />
vorm Römer. Eine Leistung, die satte 240 Euro pro Stunde verschlingt. 7000<br />
Euro steht als Komplettpreis des nadeligen Weihnachtssymbols im Etat. Noch mal<br />
so viel fällt für die leuchtende Weihnachts-Deko drumherum an.<br />
Aber das ist nur ein Klacks gegen das, was für den laufenden Betrieb dazukommt:<br />
kilometerlange Leitungen für Strom und Wasser, ein eigener Winterdienst,<br />
Reinigungskräfte, Sicherheitsleute, die nachts die Stände bewachen, und<br />
nicht zuletzt die eigene Müllabfuhr. Alles Dinge, die weder FES noch städtische<br />
Gesellschaften erledigen, sondern Privatfirmen im Auftrag der Tourismus und<br />
Congress GmbH. Unterm Strich kommt Stroscher auf stolze 454 000 Euro, die<br />
der <strong>Weihnachtsmarkt</strong> verschlingt.<br />
Zahlen müssen das die Standbetreiber via Platzgebühr von 230 bis 307 Euro für<br />
den Meter. Tilly Till zum Beispiel. Die Frankfurterin steht seit 54 Jahren alle Jahre<br />
wieder mit ihrem Lebkuchenherzen- und Quetschenmännchen-Stand vorm Römer,<br />
spritzt was das Zeug hält mit frischer "Zuckerschmier" Namen, Sprüche und<br />
Girlanden auf die braunen Rohlinge, derweil ihre Stammgäste vorm Stand<br />
Schlange stehen.<br />
Zuckerschmier in dritter Generation<br />
Tilly Till ist Kult, ein Herz von ihr obligat - eine so lange <strong>Weihnachtsmarkt</strong>-<br />
Geschichte wie die Frankfurterin hat schließlich niemand sonst zu bieten. Mittlerweile<br />
ist nicht nur Tilly Tills Tochter, sondern auch Enkelin Nathalie eingestiegen.<br />
Sechs Wochen vor Marktbeginn fangen die drei Herz-Damen an, ihre süße Ware<br />
zu dekorieren. Tausende. Ach was, Abertausende, sagt die Enkelin und verdreht<br />
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die Augen. Die Rohlinge backt ein Bäcker aus dem Odenwald, die Zuckerschmier<br />
wird eigenhändig angerührt und los geht"s. In aller Frühe schon, und während<br />
die Glasur trocknet, stecken die Frauen ihre Quetschen- und Hutzelmännchen<br />
zusammen. Und alle Jahre wieder kann die Enkelin den Marktbeginn kaum erwarten,<br />
"weil dann die Dekoriererei ein Ende hat". Der Standbetrieb ist eh" ihr<br />
Metier.<br />
Den Sommer über tingelt die Familie Till mit dem Schießstand der Oma über<br />
Volksfeste in Frankfurt und Umgebung. Wie fast alle auf dem <strong>Weihnachtsmarkt</strong>.<br />
Man kennt sich. Die junge Frau zeigt zum Kräuterbonbon-Mann gegenüber, "der<br />
betreibt im Sommer einen Jaguarexpress". Und der am Stand schräg daneben<br />
Boxautos. Saisongeschäft. Auch der <strong>Weihnachtsmarkt</strong>. "Die Einnahmen müssen<br />
über die Winterpause bis März reichen."So war"s schon immer. Auch 1393, als<br />
Händler die verfügbare Warenwelt an Weihnachtsständen feilboten, damit die<br />
Frankfurter Geschenke kaufen und sich mit allerlei Nützlichem eindecken konnten.<br />
Mit neuen "Dippe" zum Beispiel. Bis heute zählt das Tonzeug mit der Salzglasur<br />
zu den Klassikern auf dem <strong>Weihnachtsmarkt</strong>. Vier Original-Stände gibt es<br />
noch, sagt Stroscher, der überhaupt auf Tradition setzt. Auch bei den Händlern.<br />
90 Prozent von ihnen gehören zur treuen <strong>Weihnachtsmarkt</strong>belegschaft: "Wer<br />
einmal da war und sich bewährt hat, darf immer wieder kommen." Das tun sie<br />
glatt aus allen Himmelsrichtungen: Von Süd- bis Norddeutschland reicht das Einzugsgebiet.<br />
Bildhauer Johann Bachmann ist gar aus Südtirol mit seinen handgeschnitzten<br />
Krippen und Figuren angereist: "Die Frankfurter wissen die Arbeit<br />
zu schätzen." Ihn hat Stroscher ohne langes Zögern voriges Jahr als Neuzugang<br />
auserkoren. Und das will was heißen. Gut 1000 Bewerbungen, sagt der Herr des<br />
<strong>Weihnachtsmarkt</strong>s, muss er jedes Jahr sichten. "Aber Bachmann ist der einzige<br />
echte Holzschnitzer auf dem Markt."<br />
Neben derlei Überraschungen, die Stroscher immer wieder aus dem Hut zaubert,<br />
ist es aber vor allem das vertraute Geschiebe in alten Bahnen, das die Frankfurter<br />
am <strong>Weihnachtsmarkt</strong> so lieben: Vor der Paulskirche werden Ausstecher gekauft,<br />
die Bethmännchen beim Stand vom Café Keth vorm Dom und Glühwein<br />
wird in der Frankfurter Glühweinstubb auf dem Römerberg getrunken. Der<br />
Frankfurter setzt auf Tradition, weiß Stroscher, und deshalb probiert der Cheforganisator<br />
modernen Schnickschnack erst gar nicht aus: Freitag, Samstag, Sonntag<br />
singen Chöre ab 17 Uhr auf der Bühne, mittwochs und samstags schallen die<br />
Turmbläser ab 18 Uhr über den Römerberg. Basta. Einmal, ja, da hatte er einen<br />
Weihnachtsclown engagiert. Ging aber kräftig in die Hose.<br />
Ebenso wie die amerikanische Beleuchtung mit einem Netz aus Tausenden kleiner<br />
Lämpchen überm Weihnachtsbaum. Den Frankfurtern hat"s nicht gefallen,<br />
sagt Stroscher. Hat ja auch keinen Stil, ein blickendes Haarnetz überm Weihnachtsbaum.<br />
© Copyright Frankfurter Rundschau<br />
Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 284)<br />
Datum: Samstag, den 04. Dezember 2004<br />
Seite: 35<br />
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Gleichzeitig haben sich die Christkindlmärkte auch zur Tourismusattraktion entwickelt.<br />
"Unser <strong>Weihnachtsmarkt</strong> ist zum beliebten Reiseziel geworden und dementsprechend<br />
ist auch unser Rahmenprogramm gewachsen: eine lebendige Krippe<br />
mit echtem Röhnschäfer und Konzerte der Golden Gospels", sagt der Leiter<br />
des Amtes für Stadtmarketing in Fulda, Peter Hügel. Die Stadt bietet sogar Pauschalreisen<br />
zu dem Event im Advent an. "Ich habe nichts gegen den angehängten<br />
kommerziellen Gedanken", so Hügel. "Der <strong>Weihnachtsmarkt</strong> enthält das Wort<br />
Markt und soll bei uns auch bewusst die Geschäfte in der Innenstadt beleben."<br />
© Copyright Frankfurter Rundschau<br />
Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 284)<br />
Datum: Samstag, den 04. Dezember 2004<br />
Seite: 38<br />
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© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
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1.<br />
Übungsfälle<br />
und<br />
einschlägige Rechtsgrundlagen<br />
zur Problematik:<br />
Ermessensausübung<br />
bei der Zulassung<br />
zu<br />
(Weihnachts-) Märkten<br />
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Nr: MWRE101290100<br />
VG Meiningen 5. Kammer , Beschluß vom 27. November 2000 , Az: 5 E 973/00.Me<br />
GewO § 70 Abs 1, GewO § 3<br />
Zulassung zu einem <strong>Weihnachtsmarkt</strong> - Vergabepraxis: bekannte und bewährte Marktbeschicker<br />
Leitsatz<br />
Bei der Ausübung des Ausschließungsermessens muss gewährleistet sein, dass alle Bewerber<br />
grundsätzlich die gleiche Chance auf Zulassung zu dem Markt haben und dass der Ausschluss<br />
einzelner Bewerber anhand nachvollziehbarer und sachlich gerechtfertigter Kriterien erfolgt.<br />
Diesen Anforderungen wird eine Ermessensentscheidung nicht gerecht, die offenbar von der<br />
Erwägung geprägt ist, nur bekannte und bewährte Bewerber früherer Weihnachtsmärkte zuzulassen.<br />
Fundstellen<br />
ThürVGRspr 2001, 178-179 (Leitsatz und Gründe)<br />
ThürVBl 2001, 114-115 (Leitsatz und Gründe)<br />
Langtext<br />
Tatbestand<br />
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 28.01.2000 die Zuweisung eines Standplatzes<br />
auf dem ... <strong>Weihnachtsmarkt</strong> vom 01.12. bis 23.12.2000. Die Größe des Standes solle 4 m x 2<br />
m betragen. Er beabsichtigte, an dem Stand Thüringer Rostbratwürste, Rostbrätl, Thüringer<br />
Schlachteplatten, Thüringer Holzfällerscheiben, Suppen sowie Glühwein und alkoholfreie<br />
Getränke anzubieten.<br />
Mit Bescheid vom 25.10.2000 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Ihre Ablehnung<br />
begründete sie damit, dass auf Grund der Größe der Marktfläche und der Vielzahl der Bewerbungen<br />
es nicht möglich gewesen sei, auch dem Antragsteller einen Platz zuzuweisen. Bei der<br />
Belegung der Fläche sei großen Wert auf ein weihnachtstypisches Angebot gelegt worden.<br />
Die Attraktivität, Neuartigkeit und Ausgewogenheit seien unter anderem weitere Kriterien für<br />
eine erfolgreiche Durchführung des ... <strong>Weihnachtsmarkt</strong>es . Zur Sicherung eines konstanten<br />
Qualitätsniveaus seien auch "bekannte und bewährte" Gewerbetreibende berücksichtigt worden.<br />
Auf Grund der begrenzten Veranstaltungsfläche werde es auch zukünftig nicht gelingen,<br />
der großen Anzahl von Bewerbungen ... gerecht zu werden.<br />
Dagegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 09.11.2000 Widerspruch eingelegt, über<br />
den noch nicht entschieden ist.<br />
Am 21.11.2000 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes<br />
und<br />
beantragte, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm für den <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 2000 einen<br />
Standplatz zuzuweisen.<br />
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Die Ablehnung sei zu Unrecht erfolgt. Der Bescheid verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.<br />
Bei ihm handele es sich um einen alten ortsansässigen Betrieb. Bereits sein Vater sei in<br />
... als "Bratwurstsepp" bei der Bevölkerung bekannt gewesen. Auch letztes Jahr sei seine Zulassung<br />
in rechtswidriger Weise abgelehnt worden.<br />
Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzuweisen.<br />
Es liege kein Anordnungsanspruch vor. Bei der Belegung der Fläche für den <strong>Weihnachtsmarkt</strong><br />
sei großen Wert auf ein vielseitiges Angebot gelegt worden, um die Ausgewogenheit<br />
des gesamten Veranstaltungsangebotes auf dem <strong>Weihnachtsmarkt</strong> zu erreichen. Auf Grund<br />
dessen sei es zu einer Beschränkung des Teilnehmerkreises auch innerhalb gleichartiger Bewerbergruppen<br />
gekommen. Neben anderen Imbissständen seien fünf Bratwurststände zugelassen<br />
worden. Innerhalb des Kriteriums bekannt und bewährt sei vor allem auf die erprobte<br />
Zuverlässigkeit von Altbewerbern sowie das damit verbundene Bekanntsein beim Publikum<br />
im Rahmen der Weihnachtsmärkte vergangener Jahre abgestellt worden, um das hohe Qualitätsniveau<br />
konstant zu halten. Der Antragsteller habe in den letzten Jahren am ... <strong>Weihnachtsmarkt</strong><br />
nicht teilgenommen, so dass es sich auch nicht um einen bekannten und bewährten<br />
Bewerber in diesem Sinne habe handeln können. Die Vergabe der Standflächen sei auch<br />
nicht willkürlich erfolgt. Es sei zwar richtig, dass die Standflächen unterschiedlich groß gewählt<br />
worden seien, dies sei aber von unterschiedlichen Faktoren, wie etwa der Breite des<br />
Warenangebotes und dem damit verbundenen individuellen Platzbedarf des jeweiligen Händlers<br />
abhängig gemacht worden. Entsprechend der Konzeption zur Vorbereitung und Durchführung<br />
des <strong>Weihnachtsmarkt</strong>es in der Stadt ... sei die Belegung grundsätzlich nur mit stadteigenen<br />
<strong>Weihnachtsmarkt</strong>hütten erfolgt. Zusätzlich würden Holzhütten oder andere Verkaufseinrichtungen<br />
der Händler nur zugelassen, wenn das Äußere der Verkaufseinrichtung in<br />
das Gesamtbild des Marktes passe, um die Typenreinheit der <strong>Weihnachtsmarkt</strong>veranstaltung<br />
zu gewährleisten. Der Verkaufswagen des Antragstellers füge sich optisch nicht in das Erscheinungsbild<br />
des <strong>Weihnachtsmarkt</strong>es ein. Die Vergabe der Standplätze auf dem <strong>Weihnachtsmarkt</strong><br />
sei im Rahmen des Auswahlermessens an Hand der genannten Kriterien erfolgt.<br />
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte<br />
sowie auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 27.11.2000 verwiesen.<br />
Entscheidungsgründe<br />
Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.<br />
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung<br />
eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn<br />
diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern<br />
oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind<br />
dabei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Der Antragsteller<br />
hat den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, insbesondere kann<br />
ihm nicht die nur ausnahmsweise zuzulassende Vorwegnahme der Hauptsache entgegen<br />
gehalten werden, denn er kann nicht auf ein Abwarten bis zum Ergehen einer Hauptsacheentscheidung<br />
verwiesen werden, da bis zu diesem Zeitpunkt der <strong>Weihnachtsmarkt</strong> bereits vorbei<br />
wäre.<br />
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Der Antrag auf Zulassung zum <strong>Weihnachtsmarkt</strong> musste jedoch deswegen abgelehnt werden,<br />
weil ein eventueller Zulassungsanspruch des Antragstellers tatsächlich nicht mehr durchsetzbar<br />
ist. Soweit dies an Hand der vorgelegten Unterlagen und der Angaben der Antragsgegnerin<br />
festgestellt werden konnte, ist es für die Antragsgegnerin nämlich aus tatsächlichen und<br />
rechtlichen Gründen unmöglich, einen weiteren Standplatz zu vergeben, da alle Standplätze<br />
bereits an andere Marktteilnehmer vergeben sind. Bei einer tatsächlich erschöpften Platzkapazität<br />
könnte einem Zulassungsbegehren nur dann entsprochen werden, wenn entweder eine<br />
Verpflichtung des Marktveranstalters bestehen würde, die Platzkapazität auszuweiten oder<br />
andere bislang zugelassene Marktteilnehmer wieder ausgeschlossen werden könnten. Für eine<br />
Verpflichtung eines Marktveranstalters zur Ausweitung der Platzkapazität gibt es keine rechtliche<br />
Grundlage. Darüber hinaus ist ein Ausschluss von anderen Marktteilnehmern nicht<br />
möglich, weil deren Zulassung für das Gericht bindend ist (OVG Bautzen, B. v. 16.3.1999,<br />
NVwZ-RR 1999,500). Der vom Antragsteller vorgeschlagene und ihm offenbar ursprünglich<br />
angebotene Platz an der ...straße liegt nach Aussage der Antragsgegnerin und den vorgelegten<br />
Plänen nicht mehr im Bereich des beschlossenen <strong>Weihnachtsmarkt</strong>geländes , so dass nicht<br />
weiter geprüft werden brauchte, ob dieser Standort überhaupt geeignet wäre.<br />
Die Kosten des Verfahrens waren jedoch gemäß § 155 Abs. 5 VwGO wegen Verschuldens<br />
der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtswidrig<br />
ist und der Antragsteller nur aus den oben genannten Gründen im Verfahren unterliegt.<br />
Grundsätzlich hat der Antragsteller, der dem Teilnehmerkreis des <strong>Weihnachtsmarkt</strong>es angehört,<br />
gemäß § 70 Abs. 1 GewO Anspruch auf Zulassung zu diesem. Dieser Anspruch<br />
wird allerdings durch § 70 Abs. 3 GewO mit der Maßgabe eingeschränkt, dass aus sachlich<br />
gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht,<br />
einzelne Anbieter von der Teilnahme ausgeschlossen werden können.<br />
Bei der durch § 70 Abs. 3 GewO eröffneten Ausschlussbefugnis handelt es sich um eine Ermessensentscheidung,<br />
bei der dem oben genannten Merkmal ermessensbegrenzende Funktion<br />
zukommt. Bei der Ausübung dieses Ausschließungsermessens muss gewährleistet sein,<br />
dass alle Bewerber grundsätzlich die gleiche Chance auf Zulassung zu dem Markt haben und<br />
dass der Ausschluss einzelner Bewerber anhand nachvollziehbarer und sachlich gerechtfertigter<br />
Kriterien erfolgt (VG Chemnitz, U.v.28.6.1995, LKV 1996,301). Diesen Anforderungen<br />
wird die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin jedoch nicht gerecht. Aus dem ablehnenden<br />
Bescheid, den vorgelegten Unterlagen und dem schriftlichen und mündlichen Vortrag<br />
im gerichtlichen Verfahren, ist nach Auffassung des Gerichts nicht erkennbar, nach welchen<br />
Kriterien die Auswahl zwischen den Bewerbern, insbesondere zwischen denjenigen mit einem<br />
ähnlichen Angebot wie der Antragsteller und diesem erfolgt ist. Eine Subsumtion der konkreten<br />
auf den Antragsteller zutreffenden Erwägungen unter die ohnehin schwammigen Kriterien<br />
findet im Bescheid nicht statt. Völlig unverständlich ist auch, warum die anderen Bewerber<br />
ihren (positiven) Bescheid bereits im August 2000 erhalten haben, der Antragsteller jedoch<br />
erst Ende Oktober 2000. Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid entnehmen lässt,<br />
war die Ausschlussentscheidung, die als Auswahlkriterien auch die Attraktivität, Neuartigkeit<br />
und die Ausgewogenheit des Marktangebotes nennt, offenbar von der Erwägung geprägt, nur<br />
"bekannte und bewährte" Bewerber früherer Weihnachtsmärkte zuzulassen. Diese Vergabepraxis<br />
findet jedoch dort ihre Grenze, wo sie dazu führen würde, dass neue Bewerber ohne<br />
ausreichenden sachlichen Grund im Sinne des § 70 Abs. 3 GewO auf unabsehbare Zeit abgewiesen<br />
werden müssten und ist nicht zulässig. Auch das Abstellen darauf, dass der Verkaufswagen<br />
des Antragstellers auf Grund seiner Gestaltung nicht zugelassen werden konnte, wie<br />
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im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen, kann nicht zu einer ordnungsgemäßen<br />
Ablehnungsentscheidung führen. Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass der Marktveranstalter<br />
auch die einheitliche Gestaltung bei einem <strong>Weihnachtsmarkt</strong> als ein sachgerechtes Auswahlkriterium<br />
zugrundelegt. Der Antragsteller hat aber glaubhaft vorgetragen, dass er gegenüber<br />
Mitarbeitern der Antragsgegnerin mehrfach darauf hingewiesen hat, dass er seinen Verkaufswagen<br />
jederzeit so umgestalten könne, dass dieser sich in das Gesamtbild des <strong>Weihnachtsmarkt</strong>es<br />
einfüge. Das Abstellen allein hierauf reicht daher im vorliegenden Fall für eine<br />
ermessensfehlerfreie Ablehnungsentscheidung ebenfalls nicht aus.<br />
Aus alledem ergibt sich, dass der Antragsteller soweit er eine erneute Teilnahme am nächsten<br />
<strong>Weihnachtsmarkt</strong> anstrebt, nur die Möglichkeit hat, im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage<br />
die Rechtswidrigkeit klären zu lassen bzw. bei einem erneuten Antrag im nächsten<br />
Jahr zu einem früheren Zeitpunkt, bereits bevor die Entscheidung gefallen ist, das Gericht<br />
anzurufen.<br />
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG, wobei die Kammer das<br />
Interesse des Antragstellers an der Teilnahme am <strong>Weihnachtsmarkt</strong> auf 15.000,-- DM schätzt.<br />
Im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache sieht die Kammer von der Reduzierung<br />
des Streitwertes im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ab.<br />
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© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
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Nr: 200103120007<br />
Copyright Gewerbe Archiv<br />
VG Stuttgart vom 27. Oktober 2000, Az: 4 K 4149/00<br />
Rechtsprechung und Erlasse<br />
Gewarch 2001, Nr 1, 122<br />
Jahrmarkt, Marktzulassung<br />
Kurzreferat<br />
GewO § 70 Abs 1, 3<br />
1. Ein Vergabesystem für die Zulassung von Marktständen muss Neubewerbern in zeitlicher<br />
Hinsicht eine reale Zulassungschance einräumen und darf sich nicht auf bekannte und bewährte<br />
Beschicker beschränken.<br />
2. Das Kriterium der "Bewährung" ist an die Person gebunden und kann nicht weitergegeben<br />
werden.<br />
VG Stuttgart, Urteil vom 27.10.2000 - 4 K 4149/00 - (n.rkr.)<br />
Aus den Gründen:<br />
Nach § 70 Abs 1 GewO ist jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung<br />
- hier des als Spezialmarkt festgesetzten <strong>Weihnachtsmarkt</strong>s - angehört, nach Maßgabe<br />
der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen teilnahmeberechtigt.<br />
Der Veranstalter kann jedoch nach § 70 Abs 3 GewO aus sachlich gerechtfertigten Gründen,<br />
insbesondere wenn der zur Verfügung gestellte Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller,<br />
Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen. Vorliegend ist unstreitig,<br />
dass das Platzangebot für die Zulassung aller Anbieter nicht ausreichend war. Die Bekl. war<br />
danach gemäß § 70 Abs 3 GewO ermächtigt, nach ihrem Ermessen unter den Bewerbern auszuwählen<br />
und damit notwendigerweise auch einzelne Anbieter auszuschließen. Der Kl'in steht<br />
im Rahmen dieser Entscheidung grundsätzlich nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung<br />
dieses Ausschließungsermessens zu.<br />
Der angefochtene Bescheid enthält keine fehlerfreien Erwägungen zur Ausübung des Ausschließungsermessens<br />
zum Nachteil der Kl'in. Die Ermessensausübung der Bekl. erfolgte auf<br />
der Grundlage der Zulassungsbedingungen der Versorgungsmärkte und Marktveranstaltungen<br />
der Landeshauptstadt Stuttgart (VMS) für den Stuttgarter <strong>Weihnachtsmarkt</strong> in der hier maßgeblichen<br />
Fassung vom 01.03.1998, denen der Gemeinderat der Bekl. zugestimmt hat.<br />
Bereits aus dem Wortlaut des § 70 Abs 3 GewO ergibt sich, dass das der Bekl. für die Entscheidung<br />
über den Ausschluss eines Bewerbers eingeräumte Ermessen insoweit begrenzt ist,<br />
als eine Ausschließung nur bei Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes erlaubt ist.<br />
Der von der Bekl. in ihren Zulassungsbedingungen für Platzmangel gewählte Verteilungsmaßstab<br />
muss danach sachlich gerechtfertigt sein. Hiervon kann nicht ausgegangen werden.<br />
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© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Nach der obergerichtlichen Rspr. ergeben sich aus dem Grundsatz der Marktfreiheit zwingende<br />
Schranken für das Verteilungsermessen des Veranstalters. Dieses kann nur dann fehlerfrei<br />
ausgeübt werden, wenn bei der unumgänglichen Beschränkung der Marktfreiheit ausschließlich<br />
marktrechtliche und marktspezifische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Dabei ist es<br />
grundsätzlich auch zulässig, einen Verteilungsmaßstab zu wählen, der etwa das Kriterium<br />
"bekannt und bewährt" als positiven Auswahlgesichtspunkt zugunsten des Kreises von<br />
Stammbeschickern einsetzt. Allerdings darf dieses Kriterium nicht zum ausschließlichen<br />
Verteilungsmaßstab werden, weil die durch § 70 Abs 1 GewO garantierte Marktfreiheit nur<br />
dadurch erhalten werden kann, dass auch allen anderen Bewerbern eine reale Zulassungschance<br />
eingeräumt wird. Außerhalb des dem Veranstalter durch § 70 Abs 3 GewO eingeräumten<br />
Ermessens liegt daher jedenfalls ein Auswahlsystem, welches Neubewerbern oder<br />
Wiederholungsbewerbern weder im Jahr der Antragstellung noch in einem erkennbaren zeitlichen<br />
Turnus eine Zulassungschance einräumt (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Urteile vom<br />
27.04.1984 - 1 C 24.82 und 1 C 26.82 -, Buchholz 451.20, § 70 GewO Nr. 1 und 2, GewArch<br />
1984, 265, 266; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.04.1991 - 14 S 1277/89 -, GewArch 1991,<br />
344, m.w.N.).<br />
Diesen Grundsätzen werden die Zulassungsbedingungen der Bekl. nicht gerecht. Die Kl'in hat<br />
sich mit ihrem "Knusperhaus" für einen Standplatz beworben, der unter die für "Verkaufsstände"<br />
vorgesehenen Regelungen unter Ziffer V. Nr. 1 der Zulassungsbedingungen fällt. Die<br />
Zulassungsbedingungen regeln unter Ziffer V. allgemein die Vergabe der Standplätze bei einem<br />
Überangebot. Nach Ziffer V. Nr. 1.1 können Bewerber/innen, von denen angenommen<br />
wird, dass sie wegen ihres Warenangebots oder Attraktivität eine besondere Anziehungskraft<br />
auf die Besucher/innen ausüben, bevorzugt Platz erhalten. Attraktivitätsgesichtspunkte als<br />
Vergabekriterium stellen zunächst grundsätzlich sachlich gerechtfertigte Gründe für die Ausübung<br />
des Ausschließungsermessens dar, da sie sich sowohl an marktspezifischen als auch<br />
den marktrechtlichen Gesichtspunkten orientieren. Bedenken bestehen jedoch für das weitere<br />
Zulassungskriterium für solche Verkaufsstände, die nicht bereits wegen ihrer besonderen Attraktivität<br />
einen Standplatz erhalten sollen. Nach Ziffer V. Nr. 1.2 der Zulassungsbedingungen<br />
erhalten bei gleichen Voraussetzungen langjährig bekannte und bewährte Anbieter/innen Vorrang<br />
vor neuen Bewerbern. Nach den Darlegungen der Bekl. fiel die Kl'in mit ihrem Verkaufsstand<br />
in diese Kategorie, konkurrierte also mit ihrem Verkaufshaus mit bekannten und<br />
bewährten Altbeschickern. Entsprechend den obigen Ausführungen ist das Auswahlkriterium<br />
"bekannt und bewährt" zwar grundsätzlich ein sachgerechtes Vergabekriterium. Allerdings<br />
räumen die Zulassungsbedingungen der Bekl. Neubewerbern keine realen Zulassungschancen<br />
ein und verstoßen daher insoweit sowohl gegen den Grundsatz der Marktfreiheit als auch der<br />
Chancengleichheit aller Bewerber. Nach den Zulassungsbedingungen der Bekl. erhalten vielmehr<br />
in der Kategorie der Verkaufsstände bei vergleichbar attraktiven Verkaufsständen stets<br />
die bekannten und bewährten Marktbeschicker den Vorrang vor Neubewerbern. Diese Altbeschicker<br />
sind nicht mit dem Risiko verminderter Zulassungschancen durch Neuzulassungen<br />
belastet, vielmehr werden diese vor allen anderen Bewerbern dauerhaft privilegiert und erhalten<br />
praktisch eine exklusive Dauerzulassung. Erst wenn ein Altbeschicker ausfällt, findet -<br />
offensichtlich unter entsprechender Anwendung der Regelungen für Imbissstände unter Ziffer<br />
V. Nr. 2 der Zulassungsbedingungen - der Bewerber Berücksichtigung, der/die unter V. Nr. 1<br />
genannten Voraussetzungen erfüllt und sich am längsten ununterbrochen um einen Verkaufsplatz<br />
mit Süßwaren beworben hat. Ein solches Vergabesystem, das Neubewerbern von vornherein<br />
keine reale Zulassungschance einräumt, in die Gruppe der bekannten und bewährten<br />
Anbieter aufzusteigen, ist mit der Marktfreiheit nicht vereinbar. Die Entscheidung der Bekl.<br />
auf der Grundlage ihrer Vergaberichtlinien ist daher bereits aus diesem Grunde rechtlich fehlerhaft<br />
und hält einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren nicht stand. Wie im Übrigen<br />
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© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
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ein die Marktfreiheit und die Chancengleichheit erhaltendes Zulassungssystem auszugestalten<br />
ist, welche Bewerbergruppen dabei gebildet werden und nach welchem System Standplätze<br />
zugeteilt werden, kann im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden, da die Aufstellung<br />
dieser Kriterien Sache der Bekl. ist und in deren gerichtlich nur beschränkt nachprüfbarem<br />
Ermessen als Veranstalter liegt.<br />
Für den vorliegenden Rechtsstreit ist daher auch nicht mehr entscheidungserheblich, ob die<br />
weiteren Regelungen unter Ziffer III. der Zulassungsbedingungen, insbesondere die Bestimmung,<br />
dass eine Übertragung der Rechte eines Anbieters auf Erben oder andere zur Zulassung<br />
zum <strong>Weihnachtsmarkt</strong> nicht statthaft ist, nach den vorgenannten Grundsätzen rechtlich zu<br />
beanstanden sind. Allerdings ist hierzu anzumerken, dass es sich bei dem Auswahlkriterium<br />
der Bewährung, das grundsätzlich ein sachgerechtes Vergabekriterium darstellt, um ein persönlichkeitsbezogenes<br />
Urteil über die durch mehrfache Marktteilnahme erprobte Zuverlässigkeit<br />
handelt, die daher auch nur durch den jeweiligen Betriebsinhaber und Marktbewerber<br />
erfüllt werden kann und mithin auch nicht an einen Betriebsübernehmer oder ein im Betrieb<br />
mitarbeitendes Familienmitglied weitergegeben werden kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil<br />
vom 30.04.1991, a.a.O. und Urteil vom 22.08.1984 - 6 S 1045/84 -).<br />
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© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Nr: MWRE113169600<br />
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 4. Senat , Urteil vom 24. Juli 1996 , Az: 4<br />
B 95.2765<br />
GemO BY Art 21<br />
Zulassung zu einem <strong>Weihnachtsmarkt</strong><br />
Orientierungssatz<br />
1. Rechtsfehlerfreie Auswahl zwischen mehreren Marktbeschickern unter Berücksichtigung<br />
der Attraktivität des Marktangebotes.<br />
Verfahrensgang<br />
vorgehend VG Regensburg 18. Juli 1995 RO 3 K 94.1560<br />
Langtext<br />
Tatbestand<br />
Mit Schreiben vom 4. Juli 1994 lehnte die Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Zulassung<br />
zum <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1994 mit einem Stand zum Verkauf von Glühwein und Lebkuchen ab.<br />
Die Klägerin legte Widerspruch ein und erhob Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Antrag,<br />
die Beklagte zu verpflichten, sie mit ihrem Verkaufsstand zum <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1994<br />
zuzulassen. Zur Begründung führte sie aus, sie beschicke seit 15 Jahren den <strong>Weihnachtsmarkt</strong><br />
, habe ihn mitaufgebaut und ein neues Niveau des Marktes geschaffen. Sie besitze den<br />
schönsten Stand und der nur von ihr angebotene Glühwein sei die Attraktion des Marktes. Sie<br />
habe zwei kleine Kinder und beziehe ihre Einnahmen aus einer Hüpfburg auf der Dult mit<br />
einem Jahresverdienst von ca. 18.000 DM sowie dem Verkauf auf dem <strong>Weihnachtsmarkt</strong> mit<br />
einem Verdienst von ca. 30.000 DM. Die ablehnende Entscheidung zerstöre ihre Existenz.<br />
Die sozialen Belange habe die Beklagte überhaupt nicht geprüft. An Stelle der Klägerin sei<br />
ein vermögender Betrieb, der nicht einmal aus stamme, zugelassen worden. Entgegen den<br />
Angaben der Beklagten seien nicht alle Standplätze vergeben worden. So sei der Platz, auf<br />
dem früher eine Waschanlage stand, nicht belegt worden. Ein weiterer Standplatz, der für eine<br />
das ganze Jahr über dort bestehende Wurstbude vorgesehen gewesen sei, sei nach deren kurzfristigem<br />
Ausscheiden von der Beklagten nur einem kleinen Kreis, nicht aber der Klägerin,<br />
angeboten worden. Schließlich sei der Platz unter dem eigentlichen Wert einer Stempelfirma<br />
überlassen worden, weil kein Interessent die von der Beklagten geforderten 9.000 DM Standgeld<br />
geboten habe.<br />
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Es habe für den <strong>Weihnachtsmarkt</strong> deutlich<br />
mehr Bewerber als Plätze gegeben. Bei der deshalb zu treffenden Auswahlentscheidung habe<br />
sie seit über zehn Jahren das Kriterium der Attraktivität des Marktes gewählt. Die Klägerin<br />
habe in den letzten Jahren ihr Geschäft ordentlich betrieben. Das Angebot sei aber unverän-<br />
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dert geblieben. Man habe nunmehr zwei andere Beschicker bevorzugt, von denen der eine<br />
Lebkuchen direkt am Stand produziere und mit individuellen Aufschriften versehe. Gleichzeitig<br />
solle Baumkuchen auf einer rotierenden Scheibe angeboten werden, wobei der Kunde<br />
frischen Baumkuchen von einer Baumkuchenpyramide abgeschnitten erhalte. Der andere Bewerber<br />
biete anstelle des von der Klägerin angebotenen Glühweins eine Feuerzangenbowle<br />
an, die dank eines neuen technischen Verfahrens mit offener Flamme am Stand hergestellt<br />
werde. Mit dieser Entscheidung habe man die Attraktivität des Marktes steigern und neuen<br />
Bewerbern eine Chance geben wollen.<br />
Nachdem der <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1994 begonnen hatte, stellte die Klägerin ihre Klage um und<br />
beantragte, im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage festzustellen, daß die Ablehnung<br />
der Zulassung ihres Standes zum <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1994 rechtswidrig war.<br />
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Juli 1995 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Klage<br />
sei unbegründet, weil die Ermessensentscheidung der Beklagten, die Klägerin zum<br />
<strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1994 nicht zuzulassen, nicht fehlerhaft gewesen sei. Da eine Auswahl unter<br />
den Bewerbern zu treffen gewesen sei, habe die Beklagte das Zulassungskriterium der<br />
Attraktivität des Marktes anwenden und unter diesem Gesichtspunkt die Ausgestaltung des<br />
Marktes bestimmen können. Es sei nicht willkürlich, wenn dabei die Klägerin mit ihren nicht<br />
weiter aktualisierten Angeboten abgelehnt und neue Beschicker mit bisher nicht vertretenen<br />
Angeboten zugelassen worden seien. Grundsätzlich müßten auch Neubewerber eine Chance<br />
auf Zulassung zum Markt erhalten. Die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin an der Teilnahme<br />
am <strong>Weihnachtsmarkt</strong> habe die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung, die insbesondere<br />
an der Attraktivität des Marktes orientiert gewesen sei, nicht ausschlaggebend berücksichtigen<br />
müssen.<br />
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Die Beklagte tritt<br />
der Berufung entgegen.<br />
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten<br />
Bezug genommen.<br />
Entscheidungsgründe<br />
Die Berufung ist unbegründet.<br />
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Feststellungsklage zulässig. Insbesondere hat<br />
die Klägerin ein Feststellungsinteresse. Es ergibt sich aus der Wiederholungsgefahr. Die Klägerin<br />
war und ist auch in den Folgejahren an der Zulassung zum <strong>Weihnachtsmarkt</strong> interessiert.<br />
Für den <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1995 hat sie erneut eine Absage erhalten. Da die Hauptsache<br />
regelmäßig erledigt sein wird, bevor die Klägerin die Möglichkeit hat, eine obergerichtliche<br />
Klärung der Frage der Rechtmäßigkeit ihrer Ablehnung zu erhalten, hat sie ein berechtigtes<br />
Interesse an der nachträglichen Feststellung, ob die Ablehnung rechtswidrig war.<br />
Die Berufung hat aber keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat,<br />
daß die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin nicht zum <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1994 zuzulassen,<br />
nicht zu beanstanden ist.<br />
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Da der <strong>Weihnachtsmarkt</strong> nicht gemäß § 69 GewO förmlich festgesetzt ist, richtet sich die<br />
Zulassung der Klägerin nach Art. 21 GO. Sie steht unter dem Vorbehalt entsprechender Kapazitäten.<br />
Unstreitig haben der Beklagten für den <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1994 mehr Bewerbungen<br />
vorgelegen als Plätze zu vergeben waren. Dabei kann es dahinstehen, ob alle Bewerber aus<br />
dem Gemeindegebiet der Beklagten kamen. Aus den Akten ergibt sich, daß der <strong>Weihnachtsmarkt</strong><br />
der Beklagten nie auf Beschicker aus dem Stadtgebiet beschränkt war. Dementsprechend<br />
hat die Klägerin als ortsansässige Bewerberin nicht grundsätzlich einen vorrangigen<br />
Anspruch gegenüber auswärtigen Bewerbern.<br />
Bei der durch die beschränkte Zahl der Plätze notwendigen Auswahl unter den Bewerbern<br />
steht der Beklagten grundsätzlich ein weites Ermessen zu. Dabei kann sie auch das Kriterium<br />
"bekannt und bewährt" anwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts<br />
darf dieses Kriterium aber nicht allein ausschlaggebend sein. Grundsätzlich muß die Auswahlentscheidung<br />
auch Neubewerbern oder Wiederholungsbewerbern, die nicht kontinuierlich<br />
auf dem Markt vertreten sind, eine Zulassungschance einräumen (vgl. BVerwG vom<br />
27.4.1984 NVwZ 1984, S. 585; BayVGH vom 11.9.1981 BayVBl 1982 S. 658/657). "Bekannt<br />
und bewährt" ist aber weder das allein zulässige Auswahlkriterium noch muß die Auswahl<br />
anhand dieses Grundsatzes getroffen werden. Es ist deshalb nicht ermessensfehlerhaft,<br />
wenn die Beklagte als für sie entscheidendes Kriterium die Attraktivität des <strong>Weihnachtsmarkt</strong>es<br />
ansieht und deshalb bemüht ist, Bewerber mit bisher nicht vertretenen Angeboten<br />
zum Markt zuzulassen. Welche Angebote dabei die Attraktivität des Marktes erhöhen sollen,<br />
liegt ebenfalls grundsätzlich im Auswahlermessen der Beklagten. Ihre Entscheidung, anstelle<br />
des von der Klägerin seit mehreren Jahren unveränderten Angebots erstmals einen Stand mit<br />
einer Backstube für Lebkuchen und einem besonderen Angebot für Baumkuchen und anstelle<br />
des Glühweins einen Stand mit Feuerzangenbowle zuzulassen, ist unter diesem Gesichtspunkt<br />
nicht zu beanstanden. Beide Angebote sind für den <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1994 unstreitig neu gewesen,<br />
so daß die Beklagte auch von einer höheren Attraktivität ausgehen konnte. Unberücksichtigt<br />
kann insoweit bleiben, ob - wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung<br />
behauptet hat - die Feuerzangenbowle tatsächlich ein umbenannter Glühwein gewesen und<br />
Baumkuchen nicht angeboten worden ist. Die Rechtmäßigkeit der Auswahl für die Zulassung<br />
kann sich nur nach den der Beklagten in der Bewerbung unterbreiteten Angeboten richten.<br />
Soweit die Beschicker tatsächlich nach der Zulassung im Betrieb ihres Standes von der Bewerbung<br />
abweichen, kann das die Auswahl der Beschicker nicht nachträglich rechtswidrig<br />
machen. Daß die Beklagte auch nicht gewillt war, derartige Abweichungen widerspruchslos<br />
hinzunehmen, ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Beklagten vom<br />
13. Dezember 1994 an alle Beschicker des Christkindlmarktes 1994, in dem die Beklagte bemängelte,<br />
daß die Angebotspalette vieler Stände über das zugelassene Sortiment hinausgehe<br />
und darauf hinweist, daß bei künftigen Bewerbungen die Stadt ein verstärktes Augenmerk<br />
auch auf die Einhaltung der Regel, daß nur die vertraglich zugesicherte Ware verkauft werde,<br />
haben werde.<br />
Die Beklagte mußte bei der Entscheidung über die Vergabe der Standplätze nicht berücksichtigen,<br />
daß die Klägerin nach ihren - von der Beklagten bestrittenen - Angaben zur Sicherung<br />
ihrer und ihrer Kinder Existenz auf den Verdienst aus der Tätigkeit beim <strong>Weihnachtsmarkt</strong><br />
angewiesen ist. Derartige soziale Gesichtspunkte können bei der Auswahl, die an der Attraktivität<br />
des Marktes orientiert ist, nicht ausschlaggebend berücksichtigt werden. Denn die Beklagte<br />
ist verpflichtet, die Ausübung ihres Ermessens an Gesichtspunkten zu orientieren, die<br />
mit dem <strong>Weihnachtsmarkt</strong> in sachlichem Zusammenhang stehen (vgl. BVerwG vom<br />
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27.4.1984 GewArch 1984, S. 266/267). Dazu gehören die sozialen Belange der Bewerber<br />
grundsätzlich nicht.<br />
Die Ablehnung des Zulassungsbegehrens der Klägerin für den <strong>Weihnachtsmarkt</strong> 1994 ist auch<br />
nicht deshalb rechtswidrig, weil nach Angaben der Klägerin nicht alle Standplätze belegt<br />
wurden. Mit den Fotografien, die der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung<br />
vorgelegt hat - sie lagen in Fotokopie bereis im erstinstanzlichen Verfahren vor -, will er belegen,<br />
daß der Platz, an dem in früheren Jahren eine Waschanlage betrieben wurde, 1994 nicht<br />
belegt worden sei. Dem hat die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren entgegengehalten,<br />
daß die Zahl der Standplätze durch eine weitere Budenreihe vergrößert worden sei.<br />
Aus Sicherheitsgründen und zur Berücksichtigung anderer Zwecke habe aber eine gewisse<br />
Auflockerung erfolgen müssen. Es liegt wiederum im Gestaltungsermessen der Beklagten zu<br />
bestimmen, an welchen Stellen sie Buden aufstellen lassen will. Allein die Tatsache, daß in<br />
früheren Jahren an einer Stelle eine Waschanlage stand und dieser Platz im Jahre 1994 nicht<br />
belegt war, bedeutet nicht, daß dort der Stand der Klägerin hätte aufgestellt werden müssen.<br />
Wenn die Beklagte in diesem Bereich keinen weiteren Verkaufsstand zulassen möchte - was<br />
im übrigen auch nach dem Vortrag der Klägerin früher nicht der Fall war -, so hat sie damit<br />
ihr Gestaltungsermessen nicht überschritten.<br />
Schließlich ergibt sich ein Zulassungsanspruch der Klägerin nicht daraus, daß nach einem von<br />
ihr vorgelegten Zeitungsbericht eine das ganze Jahr über auf dem Platz betriebene Wurstbude<br />
kurzfristig vor dem <strong>Weihnachtsmarkt</strong> aufgegeben wurde. Nach Angaben des Klägerbevollmächtigten<br />
wurde dieser Platz nur einem kleinen Kreis, nicht aber der Klägerin angeboten.<br />
Der Standplatz sei zum Verkauf von Glühwein und Würsten vorgesehen gewesen und für<br />
9.000 DM Standgebühr angeboten worden. Mangels entsprechender Bieter sei der Platz<br />
schließlich für ca. 1.000 DM an eine Firma zum Stempel-Verkauf vergeben worden.<br />
Es kann dahinstehen, ob die Behauptung, daß der Platz nach dem Konzept der Beklagten für<br />
Glühwein und Würste vorgesehen gewesen sei, zutrifft. Zunächst ist davon auszugehen, daß<br />
die Beklagte annahm, die ganzjährige Betreiberin des Wurststandes werde diesen - ohne<br />
Glühwein - auch während des <strong>Weihnachtsmarkt</strong>es betreiben. Einen Wurststand wollte die<br />
Klägerin jedenfalls nicht anbieten. Selbst wenn es aber dem ursprünglichen Konzept der Beklagten<br />
entsprochen hätte, an diesem Stand zumindest auch Glühwein anzubieten, mußte die<br />
Klägerin nicht in den nach Angaben des Klägerbevollmächtigten kleinen Kreis der Interessenten<br />
aufgenommen werden, dem die Stadt den kurzfristig freigewordenen Standplatz anbot.<br />
Denn die Beklagte war schon bei der ursprünglichen Auswahl der Beschicker bei Anwendung<br />
des Zulassungskriteriums der Attraktivität des Marktes zu dem Ergebnis gekommen, daß der<br />
seit mehreren Jahren unveränderte Stand der Klägerin nicht hinreichend attraktiv sei. Deshalb<br />
hatte sie ihn durch zwei andere Bewerber ersetzt. An das Kriterium der Attraktivität war die<br />
Stadt konsequenterweise dann aber auch bei der Neuvergabe des früheren Wurststandes gebunden.<br />
Das heißt, sie mußte den wegen mangelnder Attraktivität herausgefallenen Stand der<br />
Klägerin nicht an diesem anderen Standplatz berücksichtigen. Vielmehr konnte sie ihn unter<br />
Beibehaltung des Zulassungskonzeptes solchen Bewerbern anbieten, die etwas Neues und<br />
damit aus der Sicht der Beklagten Attraktives verkaufen wollten. Es ist deshalb nicht zu beanstanden,<br />
daß der kurzfristig freigewordene Standplatz der früheren Wurstbude letztlich von<br />
einer Stempel-Firma belegt wurde. Die Beklagte durfte der Ansicht sein, daß damit das Angebot<br />
des Marktes vielfältiger geworden ist.<br />
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige<br />
Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.<br />
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.<br />
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§ 70b Anbringung von Namen und Firma<br />
Auf Veranstaltungen im Sinne der §§ 65 bis 68 finden die Vorschriften des § 15a über die<br />
Anbringung des Namens und der Firma entsprechende Anwendung.<br />
§ 71 Vergütung<br />
Der Veranstalter darf bei Volksfesten, Wochenmärkten und Jahrmärkten eine Vergütung nur<br />
für die Überlassung von Raum und Ständen und für die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen<br />
und Versorgungsleistungen einschließlich der Abfallbeseitigung fordern.<br />
Daneben kann der Veranstalter bei Volksfesten und Jahrmärkten eine Beteiligung an den<br />
Kosten für die Werbung verlangen. Landesrechtliche Bestimmungen über die Erhebung von<br />
Benutzungsgebühren durch Gemeinden und Gemeindeverbände bleiben unberührt.<br />
§ 71a Öffentliche Sicherheit oder Ordnung<br />
Den Ländern bleibt es vorbehalten, Vorschriften zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit<br />
oder Ordnung auf Veranstaltungen im Sinne der §§ 64 bis 68 zu erlassen.<br />
§ 71b Anwendbarkeit von Vorschriften des stehenden Gewerbes für die Ausübung im<br />
Messe-, Ausstellungs- und Marktgewerbe<br />
(1) Für die Ausübung des Messe-, Ausstellungs- und Marktgewerbes gilt § 29 entsprechend.<br />
(2) Für die Ausübung des Bewachungsgewerbes, des Versteigerergewerbes und des Gewerbes<br />
der Makler, Bauträger und Baubetreuer gelten § 34a Abs. 1 Satz 4, § 34a Abs. 2 bis 4 , §<br />
34b Abs. 5 bis 8 und 10, § 34c Abs. 3 und 5 sowie die auf Grund des § 34a Abs. 2, des § 34b<br />
Abs. 8 und des § 34c Abs. 3 erlassenen Rechtsvorschriften entsprechend. Die zuständige Behörde<br />
kann für die Versteigerung leicht verderblicher Waren für ihren Bezirk Ausnahmen<br />
zulassen.<br />
Bayrische Gemeindeordnung<br />
- Auszug -<br />
Artikel 21<br />
Benutzung öffentlicher Einrichtungen; Tragung der Gemeindelasten<br />
(1) Alle Gemeindeangehörigen sind nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften<br />
berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Sie sind verpflichtet,<br />
die Gemeindelasten zu tragen.<br />
(2) Mehrere technisch selbständige Anlagen der Gemeinde, die demselben Zweck<br />
dienen, können eine Einrichtung oder einzelne rechtlich selbständige Einrichtungen<br />
bilden. Die Gemeinde entscheidet das durch Satzung; trifft sie keine Regelung, liegt<br />
nur eine Einrichtung vor.<br />
(3) Auswärts wohnende Personen haben für ihren Grundbesitz oder ihre gewerblichen<br />
Niederlassungen im Gemeindegebiet gegenüber der Gemeinde die gleichen Rechte<br />
und Pflichten wie ortsansässige Grundbesitzer und Gewerbetreibende.<br />
(4) Die Vorschriften in den Absätzen 1 und 3 finden auf juristische Personen und Personenvereinigungen<br />
entsprechende Anwendung.<br />
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(5) Die Benutzung der öffentlichen, dem Gemeingebrauch dienenden Einrichtungen<br />
steht nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften jedermann zu.<br />
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2.<br />
Übungsfälle<br />
und<br />
einschlägige Rechtsgrundlagen<br />
zur Problematik:<br />
Lärmimmissionen<br />
bei<br />
(Weihnachts-) Märkten<br />
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Nr: MWRE109209600<br />
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen 1. Senat , Urteil vom 14. November<br />
1995 , Az: 1 BA 13/95<br />
BImSchG § 3 Abs 1, BGB § 906 Abs 1, BGB § 907 ,BImSchV 18 ,BGB § 1006<br />
Unterlassungsanspruch gegen nächtliche Lärmstörung durch Jahrmarkt<br />
Leitsatz<br />
1. Die "Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche" (sog<br />
LAI-Hinweise) stellen eine Entscheidungshilfe bei der Beurteilung von Volksfestlärm dar.<br />
Weder der Gesichtspunkt der Sozialadäquanz des Volksfestlärms noch der Umstand seiner<br />
Ortsüblichkeit rechtfertigen eine vollständige Lösung von dem Bewertungsmuster, das diese<br />
Entscheidungshilfe vorgibt.<br />
Fundstellen<br />
GewArch 1996, 390-392 (Leitsatz und Gründe)<br />
NVwZ-RR 1997, 165-167 (red. Leitsatz und Gründe)<br />
BImSchG-Rspr § 22 Nr 111 (Leitsatz und Gründe)<br />
Weitere Fundstellen<br />
ZUR 1996, 268 (Leitsatz)<br />
Verfahrensgang<br />
vorgehend VG Bremen 12. Oktober 1994 1 A 35/92<br />
Langtext<br />
Tatbestand<br />
Der Kläger wendet sich gegen nächtliche Lärmstörungen, die von auf dem A M in B durchgeführten<br />
Jahrmärkten ausgehen.<br />
Der A M, der eine Fläche von etwa 0,75 ha hat und im Bebauungsplan Nr. 987 vom<br />
03.09.1987 als "Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung" festgesetzt ist, grenzt südlich<br />
an die Z straße, westlich an die G- Straße - insoweit setzt der Bebauungsplan Nr. 987 für die<br />
gegenüberliegenden Grundstücke Mischgebiet fest -, nördlich an die Straße A M - insoweit<br />
setzt der genannte Bebauungsplan für die angrenzenden Grundstücke teils Mischgebiet, teils<br />
Allgemeines Wohngebiet fest - und östlich an die Straße P. Der Kläger ist seit 1960 Eigentümer<br />
des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Die an den P angrenzenden Grundstücke<br />
liegen außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 987, auch sonst sind verbindliche<br />
bauleitplanerische Festsetzungen nicht vorhanden. Das Wohnhaus des Klägers ist<br />
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wie die übrigen Häuser der Straße knapp hinter der Straßenlinie errichtet; die Entfernung zwischen<br />
dem Haus des Klägers und dem M beträgt ca. 12 m. Auf dem M werden regelmäßig vor<br />
Himmelfahrt der 6-tägige Frühjahrsmarkt und im Spätsommer der 6-tägige Herbstmarkt<br />
durchgeführt, und zwar von der Beklagten als Marktbetreiberin. Die Jahrmärkte sind freitags<br />
und samstags bis 24.00 Uhr und an den übrigen Tagen bis 23.00 Uhr geöffnet. Der Frühjahrsmarkt<br />
findet dort als "A M" seit den 30er Jahren statt. Der Herbstmarkt wird dort jedenfalls<br />
seit 1985 durchgeführt; nach Angaben der Beklagten wird die Fläche schon seit den 60er<br />
Jahren in das Marktgeschehen des "V Herbstmarktes" einbezogen.<br />
Abgesehen von den genannten Jahrmärkten wird der A M vor allem als Parkplatz genutzt, es<br />
finden dort aber auch gelegentlich Zirkusveranstaltungen, Missionsveranstaltungen etc. statt.<br />
Der Kläger beschwerte sich erstmals 1990 bei der Beklagten über Lärmbelästigungen, die<br />
durch die genannten Jahrmärkte ausgelöst würden. Er nahm dabei Bezug auf die soeben ergangene<br />
Entscheidung des BGH vom 23.03.1990 zur Wesentlichkeit von Volksfestlärm<br />
(NJW 90, 2465). In dieser Entscheidung hat der BGH den von den Umweltministern der Länder<br />
beschlossenen "Hinweisen zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche"<br />
(sog. LAI-Hinweise) den Charakter einer Entscheidungshilfe bei der Beurteilung von<br />
Volksfestlärm zuerkannt. Die Hinweise sehen für Freizeitanlagen, die nicht regelmäßig betrieben<br />
werden (Einwirkungen unter 5 % der Tage und Nächte eines Jahres), zum Schutz der<br />
Wohnfunktion für die Nachtstunden einen maximal zulässigen Beurteilungspegel von 55 dB<br />
(A) vor. Die nächtlichen Maximalpegel sollen in den Nachtstunden um nicht mehr als 10 dB<br />
(A) höher liegen, also 65 dB (A) nicht übersteigen. Hierbei handelt es sich um die Außenpegel<br />
jeweils 50 cm vor den Fenstern.<br />
Für den Frühjahrsmarkt 1991 ordnete die Behörde an, Wohn- und Packwagen als Schallschutz<br />
zum klägerischen Grundstück aufzustellen. Die Lärmbelästigungen wurden hierdurch aber<br />
nicht wesentlich vermindert.<br />
Am 03.06.1991 erhob der Kläger vor dem Landgericht Bremen Klage mit dem Ziel, die Beklagte<br />
für die Nachtstunden (22 Uhr bis 06.00 Uhr zur Einhaltung der in den LAI-<br />
Hinweisen genannten Lärmwerte zu verurteilen.<br />
Das Landgericht Bremen hat den Rechtsstreit mit Beschluß vom 30.08.1991 an das Verwaltungsgericht<br />
Bremen verwiesen.<br />
Aufgrund eines Beweisbeschlusses des Verwaltungsgerichts führte der TÜV Nord während<br />
des Frühjahrsmarktes 1994 eine Lärmmessung durch, die hinsichtlich des Außenpegels für<br />
die Zeit ab 22.00 Uhr zu folgenden Ergebnissen führte:<br />
07.05.1994 (Samstag)<br />
Beurteilungspegel 75 dB (A),<br />
Maximalpegel 86 dB (A),<br />
09.05.1994 (Montag)<br />
Beurteilungspegel 73 dB (A),<br />
Maximalpegel 84 dB (A).<br />
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In dem Sachverständigengutachten vom 14.06.1994 wird ausgeführt, daß die Lärmbeurteilung<br />
in Anlehnung an die LAI- Hinweise erfolgt sei. Die Beurteilungspegel seien durch Musikdarbietungen<br />
der Lautsprecher bestimmt worden, und zwar überwiegend von der Anlage<br />
"M-D". Wegen der Informationshaltigkeit des Lärms sei entsprechend den LAI- Hinweisen<br />
ein Zuschlag von 3 dB (A) vorgenommen worden, außerdem sei der Beurteilungspegel für die<br />
lauteste Stunde gebildet worden. Die nach den LAI-Hinweisen bei seltenen Störereignissen<br />
maximal zulässigen Beurteilungs- und Maximalpegel würden erheblich überschritten.<br />
Der Kläger hat durch dieses Gutachten seinen Standpunkt bestätigt gesehen. Er leide unter<br />
unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen. Zu dem eigentlichen Jahrmarktslärm kämen die<br />
durch den Auf- und Abbau verursachten Belästigungen, die teilweise bis in die frühen Morgenstunden<br />
andauerten. Er habe sein Haus bereits mit einer lärmdämmenden Klinkerverkleidung<br />
versehen lassen sowie Fenster mit Isolierverglasung eingebaut, was aber zu keiner ausreichenden<br />
Lärmminderung geführt habe.<br />
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, auf dem A M Veranstaltungen<br />
durchzuführen oder Dritten die Durchführung von Veranstaltungen dort zu<br />
gestatten, die gemessen 0,5 m vor dem geöffneten Fenster des Grundstücks zum A M hin im<br />
Zeitraum zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB (A) und/oder<br />
einen Maximalpegel von 65 dB (A) überschreiten.<br />
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, daß der<br />
Kläger die Lärmbeeinträchtigungen dulden müsse. Bei den beiden Jahrmärkten handele es<br />
sich um traditionsreiche Veranstaltungen. Die Öffnungszeiten seien für Jahrmärkte üblich,<br />
dem Kläger würden nur für wenige Tage im Jahr derartige Lärmbeeinträchtigungen zugemutet.<br />
Das Verwaltungsgericht Bremen - 1. Kammer - hat die Beklagte mit Urteil vom 12.10.1994<br />
entsprechend dem Klagantrag zur Unterlassung verurteilt. Der Kläger könne von der Beklagten<br />
verlangen, daß sie die auf dem A M durchgeführten Jahrmärkte so betreibe, daß die in<br />
den LAI-Hinweisen genannten Lärmwerte eingehalten würden. Die dort genannten Lärmwerte<br />
seien von Sachverständigen unter Berücksichtigung umfassender Erkenntnisse gebildet<br />
worden. Sie sähen für selten auftretende Störereignisse eine deutlich heraufgesetzte Zumutbarkeitsgrenze<br />
vor, die im vorliegenden Fall um einiges überschritten werde. Das Verwaltungsgericht<br />
ging davon aus, daß der A M erst seit 1985 als Veranstaltungsort für die Jahrmärkte<br />
in Anspruch genommen werde, so daß von einer sog. gewachsenen Gemengelage, die<br />
dem Kläger besondere Duldungspflichten auferlege, keine Rede sein könne.<br />
Die Beklagte hat gegen das am 22.12.1994 zugestellte Urteil am 17.01.1995 Berufung eingelegt.<br />
Sie meint, daß dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zustehe. Die beiden Märkte<br />
hätten eine lange Tradition. Der Frühjahrsmarkt werde seit den 30er Jahren dort durchgeführt,<br />
der Herbstmarkt ebenfalls seit 1965. Beide Märkte würden von der Bevölkerung, auch<br />
des niedersächsischen Umlands, sehr gut angenommen. Die Lärmimmissionen seien als sozialadäquat<br />
anzusehen. Die Möglichkeiten insbesondere jüngerer Leute, an einem attraktiven<br />
Volksfest teilzunehmen, dürften nicht weiter eingeschränkt werden. Die vom Verwaltungsgericht<br />
für erforderlich gehaltenen Lärmgrenzwerte bedrohten den Bestand der V Jahrmärkte,<br />
weil die Schausteller dann wegen Einnahmeverlusten kaum noch zu einer Mitwirkung bereit<br />
seien und in andere Städte abwanderten. Zwar sei das Ruhebedürfnis der Menschen ein be-<br />
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deutender Belang, demgegenüber stehe aber das Bedürfnis der Bevölkerung nach geselliger<br />
Kommunikation. Handele es sich um lediglich kurzzeitige Beeinträchtigungen der Nachtruhe,<br />
müsse ein Anwohner entsprechende Nachteile dulden. Das gelte erst recht, wenn ein Anwohner,<br />
wie der Kläger, die Beeinträchtigungen über Jahrzehnte hingenommen habe.<br />
Die Beklagte hat beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 1. Kammer - vom<br />
12.10.1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.<br />
Der Kläger hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.<br />
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. Keinesfalls habe er die Lärmbeeinträchtigungen<br />
über Jahre hinweg hingenommen und damit etwaige Rechte verwirkt. Der A M werde<br />
erst seit 1985 in der jetzigen Weise für Jahrmärkte genutzt. Überdies sei es im Laufe der Zeit<br />
durch den Einsatz immer leistungsstärkerer Lautsprecheranlagen zu erheblichen zusätzlichen<br />
Beeinträchtigungen gekommen. Ihm gehe es lediglich darum, daß die auch für Jahrmärkte<br />
geltenden immissionsrechtlichen Beschränkungen eingehalten würden. Diese ließen sich nicht<br />
unter Hinweis auf eine angebliche Sozialadäquanz des Volksfestlärms überspielen. Die Befürchtungen<br />
der Beklagten, die V Märkte würden dadurch in ihrem Bestand gefährdet, seien<br />
nicht nachvollziehbar.<br />
Der Kläger macht weiter geltend, daß beim Frühjahrsmarkt 1995 in unmittelbarer Nähe seines<br />
Hauses ein neues, mit pneumatischen Bremsen versehenes Fahrgeschäft aufgestellt worden<br />
sei, das Lärmimmissionen in einer bislang nicht bekannten Größenordnung verursacht habe.<br />
In seinem Haus sei ein Innenpegel von 85 dB (A) gemessen worden, vor dem Haus ein Außenpegel<br />
von 90 dB (A). Es seien Erschütterungen verursacht worden, die sogar zu Schäden<br />
am Haus geführt hätten (Rißbildungen). Hinsichtlich des Herbstmarktes 1995 seien überdies<br />
wiederum nächtliche Ruhestörungen durch den Auf- und Abbau zu verzeichnen gewesen (diverse<br />
LKW-Bewegungen).<br />
Die Beklagte hat hierzu entgegnet, daß beim Frühjahrsmarkt 1995 in der Tat ein neues attraktives<br />
Fahrgeschäft zugelassen worden sei, nämlich das Geschäft "T S". Die vom Kläger angegebenen<br />
Lärmwerte müßten aber als äußerst fragwürdig angesehen werden. Die Beklagte hat<br />
dazu eine Stellungnahme des Herstellers dieses Fahrgeschäfts vorgelegt, wonach nach einer<br />
betriebsinternen akustischen Vermessung auf dem Werksgelände in einem Abstand von 9,5 m<br />
und in 1 m Höhe ein Geräuschpegel von 66 dB (A) festgestellt worden sei. Die Schäden am<br />
Haus könnten unmöglich durch das Fahrgeschäft verursacht worden sein.<br />
Entscheidungsgründe<br />
Die Berufung der Beklagten ist überwiegend unbegründet.<br />
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Einhaltung bestimmter Immissionspegel<br />
verpflichtet, lediglich die Höhe dieser Pegel bedarf der Korrektur.<br />
Der Verwaltungsrechtsweg ist bereits aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts<br />
Bremen vom 30.08.1991 gegeben, der gem. § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend ist. Abgesehen<br />
davon ist die Verweisung auch in der Sache nicht zu beanstanden. Denn es handelt sich<br />
vorliegend um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit i. S. von § 40 Abs. 1 VwGO. Der Kläger<br />
macht einen Immissionsabwehranspruch gegen von der Beklagten nach Maßgabe ihrer<br />
27<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Marktordnung vom 23.05.1972 (BremGBl. S. 129) öffentlich-rechtlich betriebene Marktveranstaltungen<br />
geltend.<br />
Zulässige Klageart ist die allgemeine Leistungsklage.<br />
Der Klageantrag ist zutreffend darauf gerichtet, Lärmbelästigungen oberhalb bestimmter<br />
Immissionspegel zu unterlassen. Insbesondere kann dem Kläger nicht zugemutet werden, die<br />
Einzelentscheidungen der Beklagten anzugreifen, mit denen die Marktbeschicker nach § 5 der<br />
genannten Marktordnung jeweils zum Markt zugelassen werden, auch wenn die Lärmbelästigungen<br />
allem Anschein nach regelmäßig vor allem von einzelnen Schaustellern ausgehen,<br />
nämlich den direkt vor dem Grundstück des Klägers aufgebauten Rundfahrgeschäften.<br />
Grundlage für das Unterlassungsbegehren des Klägers ist der nachbarliche Immissionsabwehranspruch<br />
des öffentlichen Rechts. Danach unterliegen auch öffentliche Einrichtungen<br />
den allgemeinen Anforderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes, d. h. von ihnen dürfen<br />
keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer<br />
geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit<br />
oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG). Allerdings ist zu<br />
beachten, daß sich die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung nicht nach einem festen und<br />
einheitlichen Maßstab bestimmen läßt. Es kommt vielmehr auf eine situationsbezogene Abwägung<br />
und einen Ausgleich widerstreitender Interessen an (BVerwG, U. v. 19.01.1989 - 7<br />
C 77/87 -, NJW 89, 1291 (Tegelsbarg)).<br />
Für die Abwägung ist u.a. das Gewicht der öffentlichen Aufgabe von Bedeutung, deren Verwirklichung<br />
die betreffende öffentliche Einrichtung dient (BVerwG, U. v. 29.04.1988 - 7 C<br />
33/87 -, NJW 88, 2396 (Feuerwehrsirene)). Ferner kann die Erheblichkeit und damit Zumutbarkeit<br />
der Geräuschimmissionen von wertenden Elementen wie solchen der Herkömmlichkeit,<br />
der sozialen Adäquanz und einer allgemeinen Akzeptanz abhängen (BVerwG, U. v.<br />
07.10.1983 - 7 C 44/81 -, NJW 84, 989 (sakrales Glockengeläut)). Wann Lärmimmissionen<br />
die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen überschreiten, unterliegt deshalb weitgehend<br />
tatrichterlicher Wertung und ist eine Frage der Einzelbeurteilung (BVerwG, U. v. 30.04.1992<br />
- 7 C 25/91 -, NJW 92, 2779 (nichtsakrales Glockengeläut)). Für eine Einzelbeurteilung ist<br />
nur dann kein Raum mehr, wenn die Grenze der Zumutbarkeit von Lärm normativ festgelegt<br />
ist, wie dies etwa für den Sportlärm durch die 18. BImSchV vom 18.07.1991, die Sportanlagenlärmschutzverordnung,<br />
geschehen ist (BVerwG, B. v. 08.11.1994 - 7 B 73/94 -, NVwZ 95,<br />
993).<br />
In Bezug auf den Lärm, der von Jahrmärkten, Volksfesten etc. ausgeht, existiert eine normative<br />
Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze nicht, so daß im vorliegenden Fall eine wertende<br />
Einzelbeurteilung vorzunehmen ist. Im Rahmen dieser Einzelbeurteilung bieten die von<br />
Sachverständigen erstellten technischen Regelwerke, die sich mit den Auswirkungen des<br />
Lärms auf die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden befassen, eine Entscheidungshilfe.<br />
Sie ersetzen nicht die tatrichterliche Einzelfallwürdigung, geben dieser Würdigung<br />
aber eine Orientierung. In Bezug auf den Lärm, der von Jahrmärkten, Volksfesten etc.<br />
ausgeht, sind in dieser Hinsicht vor allem die "Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen<br />
verursachten Geräusche" - LAI-Hinweise - (NVwZ 88, 135) heranzuziehen.<br />
Die LAI-Hinweise sind vom Länderausschuß für Immissionsschutz unter Berücksichtigung<br />
der Beratungsergebnisse der Vorsitzenden der Sportministerkonferenz und der Umweltministerkonferenz<br />
erstellt worden. Ihr Anwendungsbereich zielt generell auf den Freizeitlärm.<br />
28<br />
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Dez. 04
Erfaßt wird das Freizeitgewerbe (Volksfeste, Rummelplätze etc.), Sportstätten (Fußballplätze,<br />
Tennisplätze etc.), Stadien (Fußballstadien etc.) und der Motorsport (vgl. Anhang Ziff. 1 -<br />
4). Die LAI-Hinweise treffen für selten auftretende Störereignisse, d. h. für Lärmereignisse,<br />
die an nicht mehr als maximal 5 % der Tage oder Nächte eines Jahres auftreten, in Ziffer 4.2<br />
eine Sonderregelung, die die ansonsten geltenden Richtwerte, die in Ziffer 4.1 genannt werden,<br />
deutlich heraufsetzt. Als maximal zulässiger Beurteilungspegel vor dem Fenster wird<br />
danach bei seltenen Störereignissen angesehen:<br />
Während der Tageszeit (06.00 - 22.00 Uhr) 70 dB (A), während der lautesten Stunde in der<br />
Nachtzeit (22.00 - 06.00 Uhr) 55 dB (A).<br />
Auftretende Maximalpegel sollen die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB<br />
(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB (A) überschreiten. Um den Besonderheiten des Freizeitlärms<br />
gerecht zu werden, sehen die LAI-Hinweise ferner vor, daß der Beurteilungspegel<br />
unter Anwendung des Takt-Maximal- Verfahrens mit einer Taktzeit von 5 Sekunden zu ermitteln<br />
ist, was auffällige Pegelveränderungen besser berücksichtigt als der äquivalente Dauerschallpegel.<br />
Außerdem ist bei besonderer Tonhaltigkeit und Informationshaltigkeit der Geräusche<br />
eine Tonzuschlag von 3 oder 6 dB (A) zu machen (Ziff. 3.1/3.2).<br />
Die LAI-Hinweise stellen im vorliegenden Fall eine bedeutende Entscheidungshilfe dar.<br />
Das Regelwerk enthält differenzierte Vorgaben, die den Besonderheiten des Lärms, der von<br />
Freizeitanlagen und vom Freizeitgewerbe ausgeht, Rechnung tragen. Dafür, daß die Hinweise<br />
durch neuere Erkenntnisse überholt sein könnten, ist nichts ersichtlich. Lediglich für die<br />
Sportstätten ist inzwischen durch die Sportanlagenlärmschutzverordnung vom 18.07.1991<br />
eine eigene normative Regelung getroffen worden.<br />
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 23.03.1990 (NJW 90, 2466), das ebenfalls<br />
ein Volksfest betraf, die LAI-Hinweise als ein von Sachverständigen ausgearbeitetes Regelwerk<br />
bezeichnet, dem sogar der Charakter eines sog. antizipierten Sachverständigengutachtens<br />
beigemessen werden könne. Eine Überschreitung der einschlägigen Richtwerte sei<br />
deshalb grundsätzlich als eine wesentliche Beeinträchtigung i. S. von § 906 Abs. 1 BGB<br />
anzusehen.<br />
Das Bundesverwaltungsgericht hat die LAI-Hinweise ebenfalls als Anhalt bewertend herangezogen,<br />
hat allerdings in Bezug auf den Sportlärm zugleich auf eine etwaige Sozialadäquanz<br />
und Akzeptanz des Sports hingewiesen (U. v. 24.04.1991 - 7 C 12/90 -, NVwZ 91,<br />
885).<br />
Als Entscheidungshilfe sind die LAI-Hinweise ferner vom OVG Lüneburg zur Beurteilung<br />
der von einem Open-air- Konzert ausgehenden Geräuscheinwirkungen herangezogen worden<br />
(U. v. 15.09.1994 - 7 L 5328/92 -, abgedruckt bei: Feldhaus, BImSchG, Entscheidungen, § 22<br />
BImSchG Nr. 31).<br />
Vorliegend wird der maximal zulässige Beurteilungspegel von 55 dB (A), der in den LAI-<br />
Hinweisen bei seltenen Störereignissen für die lauteste Stunde der Nachtzeit festgelegt ist,<br />
deutlich überschritten. Nach dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten des TÜV<br />
Nord betrug der tatsächliche Beurteilungspegel am 07.05.1994 75 dB (A) und am 09.05.1994<br />
73 dB (A). Der Lärmpegel ist insoweit methodisch korrekt nach dem Takt-Maximal-<br />
Verfahren bestimmt worden. Für die Informationsgehaltigkeit der Geräusche wurde darüber<br />
hinaus ein Zuschlag von 3 dB (A) vorgenommen. Der für den nächtlichen Maximalpegel angegebene<br />
Richtwert von 65 dB (A) ist mit 86 dB (A) am 07.05.1994 und mit 84 dB (A) am<br />
09.05.1994 ebenfalls an beiden Tagen deutlich überschritten worden. Einwände gegen die<br />
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Lärmermittlung sind von der Beklagten nicht erhoben worden und sind auch sonst nicht ersichtlich.<br />
Eine derartige Überschreitung des nach den LAI-Hinweisen maximal zulässigen Beurteilungspegels<br />
sowie des dort genannten Maximalpegels braucht der Kläger nicht hinzunehmen.<br />
Die von der Beklagten ins Feld geführten Gesichtspunkte rechtfertigen es nicht, sich von<br />
dem Bewertungsmuster der LAI-Hinweise vollständig zu lösen. Darauf läuft der Standpunkt<br />
der Beklagten aber im Ergebnis hinaus. Das betrifft insbesondere den Gesichtspunkt der Sozialadäquanz.<br />
Zwar können einem Lärmbetroffenen unter Umständen besondere Duldungspflichten<br />
erwachsen, wenn bestimmte Lärmereignisse sich im Rahmen des sozial Üblichen<br />
und allgemein Akzeptierten bewegen. Das gilt auch für Lärmstörungen, die von gelegentlich<br />
veranstalteten Volksfesten und Jahrmärkten ausgehen. Dem tragen die LAI-Hinweise aber<br />
bereits selbst dadurch Rechnung, daß sie in Ziffer 4.2 eine Sonderregelung für selten auftretende<br />
Störereignisse treffen, die die Zumutbarkeitsgrenze deutlich anhebt, und zwar sowohl<br />
für die Tages- als auch für die Nachtstunden. Die Lärmwerte liegen insoweit um einiges über<br />
den Werten, die ansonsten in Ziffer 4.1 für Freizeitanlagen und das Freizeitgewerbe genannt<br />
sind. Die Gesamtbelastung, die einem Anwohner auf diese Weise über den Tag hinweg zugemutet<br />
wird, ist erheblich. Deshalb wäre es nicht sachgerecht, die dort genannte Lärmobergrenze<br />
unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Sozialadäquanz von Volks- und<br />
Jahrmarktslärm generell zu überspielen.<br />
Auch unter dem Gesichtspunkt der historisch gewachsenen Gemengelage ist eine vollständige<br />
Lösung von dem Bewertungsmuster der LAI-Hinweise nicht gerechtfertigt. Zwar ist der<br />
Beklagten zuzugestehen, daß dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall durchaus Gewicht<br />
hat. Auf dem A M sind ersichtlich schon in den 30er Jahren Jahrmärkte veranstaltet worden.<br />
Die Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht ein<br />
Fotodokument vorgelegt, das diesen Sachverhalt belegt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts,<br />
der Platz werde überhaupt erst seit 1985 für Jahrmärkte genutzt, läßt sich deshalb nicht<br />
aufrechterhalten; der Kläger selbst hatte im übrigen im erstinstanzlichen Verfahren eine schon<br />
länger andauernde Nutzung durch Märkte eingeräumt. Eine andere Frage ist allerdings, ab<br />
welchem Zeitpunkt neben dem Frühjahrsmarkt auch der Herbstmarkt auf dem A M durchgeführt<br />
wird. Der Kläger behauptet, dies geschehe erst sei 1985, die Beklagte gibt das Jahr 1965<br />
an. Das kann hier aber letztlich dahinstehen. Denn in jedem Fall steht fest, daß der M schon<br />
seit Jahrzehnten für Jahrmärkte genutzt wird, was das Argument der Beklagten, es handele<br />
sich um eine historisch gewachsene Gemengelage, als im Ansatz zutreffend erscheinen läßt.<br />
Hieraus folgt jedoch nicht, daß der Kläger ohne Einschränkung den von den Jahrmärkten<br />
auf ihn einwirkenden Lärm erdulden müßte. Eine Gemengelage erlegt beiden Seiten eine<br />
Pflicht zur Rücksichtnahme auf. Es kann nicht angehen, daß die eine Seite, hier die Marktbetreiberin,<br />
die - lärmintensiven - Möglichkeiten moderner Karussell- und Beschallungstechnik<br />
vollständig ausnutzt und der anderen Seite, den Anwohnern, allein die Möglichkeit des<br />
passiven Erduldens bleibt. Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang auf die Tradition<br />
der Märkte beruft, ist darauf hinzuweisen, daß diese im Laufe der Jahrzehnte ihr Erscheinungsbild<br />
einschneidend verändert haben. Moderne Karussell- und Beschallungstechnik ermöglichen<br />
in zuvor nicht bekannter Weise die Erzeugung von Lärm, wobei der Lärmeffekt<br />
gerade auch gezielt eingesetzt wird. Das Gutachten des TÜV Nord, dem zu entnehmen ist,<br />
daß der Beurteilungspegel an beiden Meßtagen durch Musikdarbietungen über Lautsprecher<br />
(überwiegend von der Anlage "M-D") bestimmt wurde, belegt das. Maximalpegel von 80 bis<br />
90 dB (A), die auf diese Weise erreicht worden sind, liegen im Bereich von Arbeitslärm in<br />
30<br />
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einer Fabrikhalle (vgl. Ullrich, Lärmschutz - Eine technische Einführung, DVBl. 85, 1159<br />
(1160)). Gerade dieser Lärmzuwachs bestimmt im vorliegenden Fall den Nutzungskonflikt.<br />
Der Kläger kann aus diesem Grund verlangen, daß die vorhandenen Lärmimmissionen<br />
spürbar vermindert werden. Der maximale Beurteilungspegel für die Nachtstunden (22.00<br />
bis 06.00 Uhr) vor den Fenstern (im Freien) darf zukünftig 60 dB (A) und der Maximalpegel<br />
70 dB (A) nicht überschreiten. Das Oberverwaltungsgericht orientiert sich bei diesen Lärmwerten<br />
an dem Bewertungsmuster, das die LAI-Hinweise für selten auftretende Störereignisse<br />
vorgeben, hält andererseits aber bei einer wertenden Gesamtbetrachtung einen Aufschlag von<br />
jeweils 5 dB (A) für geboten. Dieser Aufschlag trägt einmal den historisch entstandenen örtlichen<br />
Verhältnissen Rechnung, er berücksichtigt darüber hinaus, daß die Beklagte durch die<br />
Begrenzung der Öffnungszeiten des Marktes (freitags und sonntags bis 24.00 Uhr, an den<br />
übrigen Tagen bis 23.00 Uhr) selbst schon einen bedeutenden Beitrag zum Schutz der Anwohner<br />
geleistet hat, der die genannte Anhebung der Zumutbarkeitsgrenze rechtfertigt. Das<br />
Urteil des Verwaltungsgerichts ist entsprechend abzuändern.<br />
Beurteilungs- und Maximalpegel können sich dabei jeweils nur auf die Geräusche aus Lautsprechern<br />
sowie die technischen Geräusche der Fahrgeschäfte beziehen, die zusammen den<br />
genannten Pegel nicht überschreiten dürfen. Diese Geräusche sind technisch beherrschbar und<br />
rechtlich steuerbar, während der verhaltensbedingte Lärm der Jahrmarktsbesucher sich entsprechenden<br />
Regelungen entzieht. Auch insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern.<br />
Die Lärmermittlung hat dabei in Anlehnung an das in den LAI-Hinweisen vorgegebene<br />
Verfahren zu erfolgen.<br />
Entgegen der Befürchtung der Beklagten kann nicht angenommen werden, daß diese<br />
Lärmbeschränkungen die Funktionsfähigkeit der Märkte ernstlich beeinträchtigen werden.<br />
Die Beklagte hat hierzu sehr pauschal vorgetragen. Ihre Einlassung, durch die Lärmbeschränkungen<br />
verlören die Märkte im Wettbewerb mit anderen regionalen Marktstandorten entscheidend<br />
an Attraktivität, hat sie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht<br />
nicht durch konkrete Anhaltspunkte zu substantiieren vermocht. Schon der insgesamt<br />
eher begrenzte zeitliche Umfang der Beschränkungen steht einer solchen Annahme<br />
entgegen.<br />
31<br />
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Nr: KORE302359001<br />
BGH 5. Zivilsenat , Urteil vom 23. März 1990 , Az: V ZR 58/89<br />
BGB § 906 Abs 1, BGB § 906 Abs 2 S 1, BGB § 1004 ,BImSchG § 3 Abs 1, BImSchG § 22<br />
Abs 1<br />
Nachbarrecht: Kriterien der wesentlichen Beeinträchtigung durch Volksfestlärm; Duldungspflicht<br />
Leitsatz<br />
1. Wesentliche Geräuschimmissionen im Sinne von BGB § 906 Abs 1 sind identisch mit den<br />
erheblichen Geräuschbelästigungen und damit schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne<br />
von BImSchG § 3 Abs 1, § 22 Abs 1.<br />
2. Die "Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche" (sog<br />
LAI-Hinweise vgl NVwZ 1988, 135) können den Gerichten als Entscheidungshilfe bei der<br />
Beurteilung von Volksfestlärm dienen.<br />
3. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit von Volksfestlärm können gesetzliche Wertungen<br />
(hier: LärmschutzVO in Rheinland-Pfalz = juris: LärmV RP) nicht unberücksichtigt bleiben.<br />
4. Hat der Tatrichter auf der Grundlage eines bestimmten Sachverhalts (Zahl der Feste, Öffnungszeit,<br />
entwickelte Lautstärke) eine wesentliche Lärmbeeinträchtigung festgestellt, dann<br />
ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, durch Beschränkung in der Zahl der Feste mit bestimmten<br />
Öffnungszeiten oder sonstigen Auflagen das zulässige Maß der Lärmimmission<br />
festzulegen.<br />
5. Zur Frage der Ortsüblichkeit von Volksfestlärm.<br />
6. Der Nachbar von Volksfesten hat grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen<br />
Gemeinschaftsverhältnisses keine über BGB § 906 Abs 1 hinausgehenden Duldungspflichten.<br />
Orientierungssatz<br />
1. Zitierungen zu Leitsatz 1: vergleiche BVerwG, 29. April 1988, 7 C 33/87 , NJW 1988,<br />
2396, 2397 und BVerwG, 19. Januar 1989, 7 C 77/87 , NJW 1989, 1291.<br />
Fundstellen<br />
BGHZ 111, 63-75 (Leitsatz und Gründe)<br />
WuM 1990, 252-255 (red. Leitsatz und Gründe)<br />
WM 1990, 1074-1077 (red. Leitsatz und Gründe)<br />
ZMR 1990, 262-266 (red. Leitsatz und Gründe)<br />
DWW 1990, 167-170 (Leitsatz und Gründe)<br />
UPR 1990, 261-264 (red. Leitsatz und Gründe)<br />
DVBl 1990, 771-774 (Leitsatz und Gründe)<br />
MDR 1990, 706-707 (Leitsatz und Gründe)<br />
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BWVPr 1990, 183-184 (Leitsatz und Gründe)<br />
DÖV 1990, 698-700 (Leitsatz und Gründe)<br />
NJW 1990, 2465-2468 (Leitsatz und Gründe)<br />
DÖV 1990, 887-889 (Leitsatz und Gründe)<br />
BGHR BGB § 906 Gemeinschaftsverhältnis, nachbarliches 1 (Leitsatz und Gründe)<br />
BGHR BGB § 906 Abs 1 Immissionsbeschränkung 1 (Leitsatz und Gründe)<br />
BGHR BGB § 906 Abs 1 Schutzmaßnahmen 1 (Gründe)<br />
BGHR BGB § 906 Abs 1 Wesentlichkeit 1 (Leitsatz und Gründe)<br />
BGHR BGB § 906 Abs 2 S 1 Ortsüblichkeit 1 (Leitsatz und Gründe)<br />
JZ 1991, 91-94 (red. Leitsatz und Gründe)<br />
LM Nr 83 zu § 906 BGB (Leitsatz und Gründe)<br />
BImSchG-Rspr § 3 Nr 91 (Leitsatz und Gründe)<br />
JR 1991, 146-149 (Leitsatz und Gründe)<br />
BGH-DAT Zivil<br />
HdL 58, 182 (Leitsatz und Gründe)<br />
Weitere Fundstellen<br />
ZAP EN-Nr 448/90 (red. Leitsatz)<br />
ZfSch 1990, 259 (red. Leitsatz)<br />
NJW-RR 1990, 1231 (Leitsatz)<br />
NVwZ 1990, 1104 (Leitsatz)<br />
RdL 1991, 259-261 (Kurzwiedergabe)<br />
Verfahrensgang<br />
vorgehend OLG Koblenz 25. Januar 1989 7 U 1686/87<br />
vorgehend LG Koblenz 14. Oktober 1987 15 O 170/87<br />
Diese Entscheidung zitiert<br />
BVerwG 29. April 1988 7 C 33/87 Vergleiche<br />
BVerwG 19. Januar 1989 7 C 77/87 Vergleiche<br />
Diese Entscheidung wird zitiert von<br />
BGH 5. Februar 1993 V ZR 62/91 Vergleiche<br />
DWW 1990, 170-171, Pfeifer, Frank-Georg (Anmerkung)<br />
JZ 1991, 94-95, Gerlach, Johann W (Anmerkung)<br />
JR 1991, 149-150, Roth, H (Anmerkung)<br />
NJW 1991, 3247-3251, Wagner, Gerhard<br />
NJW 1994, 302-304, Dury, Walter (Entscheidungsbesprechung)<br />
jurisPR-BGHZivilR 27/2004, Nassall, Wendt (Anmerkung)<br />
jurisPK-BGB / Vieweg, 2. Aufl. 2004, § 906<br />
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Langtext<br />
Tatbestand<br />
Der Kläger ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in W. (Parzelle 373/2), das er mit seiner<br />
Familie bewohnt. Ein Teil des Hauses ist vermietet. Im Norden grenzt sein Grundstück an ein<br />
größeres Gelände (Parzelle 379/2), das im Eigentum der Katholischen Kirchengemeinde steht.<br />
Von diesem Gelände, auf dem sich auch die Kirche befindet, hat die Beklagte einen Teil gepachtet<br />
und zu einem Parkplatz ausgebaut. Das Pachtland wird mehrmals im Jahr als Kirmesund<br />
Festplatz benutzt, wobei das Festzelt 10 bis 20 m vor dem Wohnhaus des Klägers steht.<br />
Eine vom Kläger veranlaßte Messung der von dem Festzelt ausgehenden Geräusche während<br />
der Kirmes am 7. Juni 1987 zwischen 21.10 Uhr und 23.20 Uhr durch das Institut für Energietechnik<br />
und Umweltschutz des Technischen Überwachungsvereins Rheinland ergab vor<br />
dem Schlafzimmerfenster an der dem Festzelt zugewandten Seite des Hauses einen Mittelungspegel<br />
von 76,7 dB(A) und einen Spitzenpegel von 82,7 dB(A).<br />
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu<br />
verurteilen, es zu unterlassen, auf der Parzelle 379/2 Veranstaltungen durchzuführen oder<br />
Dritten die Durchführung von Veranstaltungen dort zu gestatten, die - gemessen 0,50 m vor<br />
dem geöffneten Fenster zur Parzelle 379/2 hin - im Zeitraum zwischen 22.00 Uhr und 6.00<br />
Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB(A) und/oder einen Maximal-Spitzenpegel von 65<br />
dB(A) überschreiten.<br />
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.<br />
Die Berufung der Beklagten hatte lediglich insoweit Erfolg, als das Unterlassungsgebot nur<br />
für Veranstaltungen auf dem Parkplatz und für den Zeitraum von 22 Uhr bis 2 Uhr ausgesprochen<br />
wurde.<br />
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter;<br />
der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.<br />
Entscheidungsgründe<br />
Die Revision ist unbegründet. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch<br />
des Klägers im ausgesprochenen Umfang (§§ 1004, 906 BGB).<br />
1. Das Berufungsgericht meint, die vom Festzelt ausgehenden Geräusche beeinträchtigten den<br />
Kläger in der Benutzung seines Grundstücks nicht nur unwesentlich.<br />
a) Zutreffend stellt es in diesem Zusammenhang auf das Empfinden eines durchschnittlichen<br />
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Menschen ab, wobei Natur und Zweckbestimmung des von der Beeinträchtigung betroffenen<br />
Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit eine entscheidende Rolle spielen (sog. differenziert-objektiver<br />
Maßstab vgl. z. B. Senatsurteile v. 30. Oktober 1981, V ZR 191/80, NJW<br />
1982, 440, 441 und v. 11. November 1983, V ZR 231/82, NJW 1984, 1242f je m.w.N.). Wesentliche<br />
Geräuschimmissionen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB sind identisch mit den erheblichen<br />
Geräuschbelästigungen und damit schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von<br />
§ 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG. Es besteht kein Anlaß, die grundlegenden Maßstäbe, mit<br />
denen das private und das öffentliche Immissionsschutzrecht die Grenze für eine Duldungspflicht<br />
bestimmen, nämlich einerseits Wesentlichkeit und andererseits Erheblichkeit, unterschiedlich<br />
auszulegen (BVerwG NJW 1988, 2396, 2397 und NJW 1989, 1291; Erman/Hagen,<br />
BGB 8. Aufl. § 906 Rdn. 15).<br />
Ob Geräuschimmissionen die Benutzung eines Nachbargrundstücks nicht oder nur unwesentlich<br />
beeinträchtigen, ist zunächst eine Tatfrage (Senatsurt. v. 6. Juni 1969, V ZR 53/66, WM<br />
1969, 1042, 1044; BGB-RGRK/Augustin 12. Aufl. § 906 Rdn. 36). Revisionsrechtlich nachprüfbar<br />
ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei<br />
getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt<br />
hat. Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil stand.<br />
b) Das Berufungsgericht orientiert sich zunächst an den Richtwerten der Technischen Anleitung<br />
zum Schutz gegen Lärm vom 16. Juli 1968 und kommt so zu Grenzwerten von tagsüber<br />
55 dB(A) und nachts 40 dB(A), weil es feststellt, es handle sich im vorliegenden Fall um ein<br />
Gebiet, in dem vorwiegend Wohnungen "untergebracht" sind (TA-Lärm Nr. 2321 lit d). Das<br />
Berufungsgericht hat diese Richtwerte nicht schematisch angewendet, sondern trägt dem Charakter<br />
dieser Richtlinie als Rahmen Rechnung. Es hält sich damit an die Rechtsprechung des<br />
Senats (vgl. z. B. BGHZ 46, 35 , 38; Senatsurteile v. 17. November 1967, V ZR 143/66, WM<br />
1968, 123, 124; v. 6. Juni 1969, V ZR 53/66, WM 1969, 1042, 1044; v. 20. November 1970,<br />
V ZR 51/68, WM 1971, 134, 135).<br />
Freilich betreffen diese Richtwerte unmittelbar nur die Geräuschimmissionen von gewerblichen<br />
und industriellen Anlagen und sind nicht ohne weiteres aussagekräftig zur Beurteilung<br />
der von Freizeitanlagen verursachten Geräusche. Ohne Rechtsverstoß hält sich das Berufungsgericht<br />
aber insoweit an die Ausführungen des vorgelegten Lärmgutachtens, das die<br />
Geräusche nach den "Hinweisen zur Ermittlung und Beurteilung des durch Freizeitaktivitäten<br />
verursachten Lärms" (herausgegeben vom Minister für Soziales, Gesundheit und Umwelt<br />
Rheinland-Pfalz) vom 24. Januar 1983 beurteilt. Dort wird unterschieden zwischen Freizeitanlagen<br />
mit regelmäßigem Betrieb (Einwirkungen mehr als 5% der Tage und Nächte eines<br />
Jahres) und einem nicht regelmäßigem Betrieb (unter 5% der Tage und Nächte eines Jahres).<br />
Bei letzteren - und damit seltenen Ereignissen - wird den Bewohnern betroffener Grundstücke<br />
eine deutlich höhere Belastung zugemutet. Um den der Emissionsquelle am nächsten gelegenen<br />
Wohnungen aber die Wohnfunktion (Einschlafen zur Nachtzeit, Kommunikation) bei<br />
geschlossenen (!) Fenstern zu gewährleisten, werden als maximal zulässige Beurteilungspegel<br />
vor dem Fenster (im Freien) während der Nachtzeit 55 dB(A) angesehen, wobei auftretende<br />
Maximalpegel nachts um nicht mehr als 10 dB(A) höher liegen sollen. Von insoweit völlig<br />
gleichen Grundsätzen und Grenzwerten gehen die "Hinweise zur Beurteilung der durch Frei-<br />
35<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
zeitanlagen verursachten Geräusche" aus, die vom Länderausschuß für Immissionsschutz unter<br />
Berücksichtigung der Beratungsergebnisse der Vorsitzenden der Sportministerkonferenz<br />
und der Umweltministerkonferenz erstellt worden sind (sog. LAI-Hinweise NVwZ 1988, 135<br />
= Ule/Laubinger BImSchG, Rechtsvorschriften der Länder SchlH 13; vgl. auch BVerwG<br />
NJW 1989, 1292). Sie wurden in Rheinland-Pfalz durch Rundschreiben des Ministers für<br />
Umwelt und Gesundheit vom 26. April 1988 bekannt gemacht mit der Empfehlung, sie bei<br />
Ermittlung und Beurteilung der von Freizeitanlagen ausgehenden Geräusche heranzuziehen<br />
(vgl. Ule/Laubinger aaO RhPf 26). Diese von Sachverständigen ausgearbeiteten und von allen<br />
Ländern mitgetragenen Hinweise können auch den Gerichten als Entscheidungshilfe dienen.<br />
Sie stellen - ähnlich wie die TA-Lärm - ein sogenanntes antizipiertes Sachverständigengutachten<br />
dar (vgl. auch BVerwG GewArch 78, 232; Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 1). Es<br />
ist deshalb nicht zu beanstanden, eine Überschreitung der einschlägigen Richtwerte grundsätzlich<br />
als wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB anzusehen, zumal hier die gemessenen<br />
Mittelungspegel um über 20 dB(A) und der Spitzenpegel um nahezu 20 dB(A) über dem<br />
jeweiligen Grenzwert liegen. Es geht im vorliegenden Fall allein um die Lärmbeeinträchtigung<br />
ab 22.00 Uhr und damit um die Nachtzeit, für die ein besonderes Ruhebedürfnis besteht.<br />
Demgemäß dürfen - worauf das Berufungsgericht ebenfalls abhebt - nach § 5 Abs. 1 der Landesverordnung<br />
zur Bekämpfung des Lärms in Rheinland-Pfalz (LärmSchutzVO) Tonwiedergabegeräte<br />
und Musikinstrumente von 20.00 Uhr bis 7.00 Uhr nur benutzt werden, wenn sichergestellt<br />
ist, daß unbeteiligte Personen nicht gestört werden. Die Beklagte hat weder behauptet<br />
noch unter Beweis gestellt, daß insoweit Ausnahmegenehmigungen (§ 5 Abs. 5<br />
LärmSchutzVO) erteilt wurden. Die Beurteilung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit von<br />
Lärm setzt eine "Güterabwägung" im Rahmen der konkreten Gegebenheiten voraus. Dabei<br />
können gesetzliche Wertungen (hier: LärmSchutzVO) nicht unberücksichtigt bleiben (vgl.<br />
BVerwG NJW 1988, 2396, 2397).<br />
Ergänzend sei in diesem Zusammenhang auch noch auf folgendes hingewiesen: Würden die<br />
Volksfeste (vgl. § 60b Abs. 1 GewO) auf Antrag des Veranstalters nach Gegenstand, Zeit,<br />
Öffnungszeit und Platz für jeden Fall der Durchführung öffentlich-rechtlich festgesetzt (§ 60b<br />
Abs. 2 i.V.m. § 69 Abs. 1 GewO), so wäre die Festsetzung abzulehnen, wenn die Durchführung<br />
der Veranstaltung dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere erhebliche Störungen<br />
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu befürchten sind (§ 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO).<br />
Der Veranstalter müßte insbesondere eine Prüfung nach landesrechtlichem Sperrzeitrecht<br />
(vgl. GaststättensperrzeitVO von Rheinland-Pfalz) und Immissionsschutzrecht (vgl.<br />
etwa LärmSchutzVO RhPf) hinnehmen und eine Ablehnung des Antrags gewärtigen, falls die<br />
Öffnungszeiten mit den entsprechenden Bestimmungen nicht vereinbar sind (BVerwG NVwZ<br />
1987, 494; vgl. auch Friauf/Wagner, GewO § 69 a Rdn. 12-19). Es ist nicht vorstellbar, daß<br />
bei der Lage des Festzelts Öffnungszeiten mit Tanzmusik der hier gemessenen dB(A)-Werte<br />
bis 2.00 Uhr nachts festgesetzt werden könnten, wie dies die Beklagte auf privatrechtlicher<br />
Ebene für sich in Anspruch nehmen will. Der Kläger könnte sich auch gegen eine Festsetzung<br />
wehren, die § 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO widerspricht (vgl. BVerwG aaO S. 495). Im Interesse<br />
einer Vereinheitlichung zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Beurteilungsmaßstäbe (vgl.<br />
Erman/Hagen, BGB 8. Aufl. § 906 Rdn. 15) erscheint es geboten, die Beklagte in bezug auf<br />
die Zulässigkeit von Lärmemissionen privatrechtlich nicht günstiger zu stellen als sie öffentlich-rechtlich<br />
stehen würde.<br />
36<br />
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Dez. 04
c) Das Berufungsgericht hat sich nicht mit Überlegungen zur Überschreitung der oben angeführten<br />
Richtwerte begnügt, sondern ausgeführt, daß erfahrungsgemäß bei Volksfesten und<br />
ähnlichen Veranstaltungen Musik fast ausschließlich mit Hilfe elektrischer Lautverstärker<br />
dargeboten werde, die auch ein durchschnittlich empfindlicher Mensch als sehr laut empfinde.<br />
Es hebt auch darauf ab, daß musikalische Darbietungen bedingt durch ihre Frequenz von besonderer<br />
Eindringlichkeit seien und die Unregelmäßigkeit der Musikgeräusche besondere<br />
Aufmerksamkeit errege, wobei insbesondere das in keiner Tanzkapelle fehlende Schlagzeug<br />
wegen seines Impulscharakters sich als störend erweise. Das Berufungsgericht durfte die eigenen<br />
Erfahrungen mit den üblicherweise von einem Festzelt ausgehenden Musikgeräuschen<br />
seiner Beurteilung zugrunde legen (vgl. Senatsurt. v. 16. Oktober 1970, V ZR 10/68, WM<br />
1970, 1460, 1461). Es hätte zusätzlich darauf abstellen können, daß auch die genannten LAI-<br />
Hinweise den besonderen Informationsgehalt von Lautsprechern und Musikdarstellungen<br />
hervorheben und deshalb einen Zuschlag von 3 oder sogar 6 dB(A) auf den Mittelungspegel<br />
empfehlen (Ziff. 3.2).<br />
Zu Unrecht macht die Revision geltend, der Kläger habe die Art der beanstandeten Musikdarbietungen<br />
und die dabei verwendeten technischen Hilfsmittel nicht näher konkretisiert. Das<br />
war nicht seine Aufgabe, vielmehr war die Beklagte als Störerin dafür darlegungs- und beweispflichtig,<br />
daß die vom Festzelt ausgehenden Geräusche die Benutzung des Nachbargrundstücks<br />
nur unwesentlich beeinträchtigen (vgl. Senatsurt. aaO S. 1461), insbesondere<br />
nachdem die Messungen eine erhebliche Überschreitung der oben dargestellten Richtwerte<br />
ergeben hatten. Die Beklagte hat jedoch in tatsächlicher Hinsicht nichts vorgetragen.<br />
d) Bei dieser Sachlage versucht die Revision vergeblich, entgegen den Ausführungen im Berufungsurteil<br />
die Wesentlichkeit der Geräusche allein damit in Frage zu stellen, daß die Veranstaltungen<br />
nur an wenigen Wochenenden übers Jahr verteilt und jeweils nur einige Stunden<br />
dauern. Dabei ist schon verkannt, daß die Beklagte dem Kläger im Jahre 1987 beispielsweise<br />
vier jeweils über das ganze Wochenende, einmal sogar drei Tage dauernde, Veranstaltungen<br />
angekündigt hat, die nur in den Monaten Juni, Juli und August stattfinden. Der Besonderheit<br />
von seltenen Störereignissen tragen die LAI-Hinweise (Ziff. 4.2) im übrigen damit Rechnung,<br />
daß sie den Betroffenen eine über die Immissionsregelwerte der TA-Lärm hinausgehende<br />
Belastung zumuten. Diese Hinweise konnten in den von der Revision angezogenen Urteilen<br />
des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 16. April 1984 (VBl BW 1985, 60ff) und vom<br />
28. Mai 1985 (NVwZ 1986, 62ff) noch nicht berücksichtigt werden. Im übrigen übersieht die<br />
Revision, daß die Sachverhalte in diesen Entscheidungen mit dem vorliegenden Fall nicht<br />
vergleichbar sind. Im Urteil vom 16. April 1984 ging es um Veranstaltungen, die regelmäßig<br />
nur bis 22.00 Uhr (einmal bis 23.00 Uhr) dauerten; im vorliegenden Fall handelt es sich aber<br />
gerade um die Zeit nach 22.00 Uhr, für die auch der Verwaltungsgerichtshof Mannheim ausführt,<br />
das Interesse der Bevölkerung an ungestörter Nachtruhe habe Vorrang gegenüber<br />
Volksfesten, zumal wenn die Bewohner der Umgebung bereits tagsüber einem hohen Lärmpegel<br />
ausgesetzt seien. Das Urteil vom 28. Mai 1985 betraf die Abwehr von Geräuschen, die<br />
von einem Waldfestplatz ausgingen. Auf diese Lage im Außenbereich stellt das Urteil maßgeblich<br />
ab.<br />
37<br />
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Dez. 04
e) Das Berufungsgericht stellt für seine Überlegungen fest, daß die Grundstücke im vorliegenden<br />
Fall in einem Gebiet liegen, in dem sich vorwiegend Wohnungen befinden (vgl. TA-<br />
Lärm Nr. 2321 lit d). Diese Feststellung greift die Revision nicht an. Sie macht nur geltend,<br />
das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten über eine Lärmvorbelastung des Gebiets<br />
nicht berücksichtigt. Zutreffend führt das Berufungsgericht jedoch aus, dieser sei unschlüssig.<br />
Die Beklagte hebt auf den Verkehrslärm von der Straße L 208 und zwei Bushaltestellen<br />
in unmittelbarer Nachbarschaft ab. Dazu fehlt aber eine nähere Konkretisierung, daß<br />
dieser Lärm für die Zeit nach 22.00 Uhr überhaupt noch eine nennenswerte Rolle spielt und<br />
damit die Lästigkeit der Geräusche aus dem Festzelt beeinflußt (vgl. BGHZ 46, 35 , 41). Die<br />
Revision übersieht im übrigen, daß das vorgelegte Lärmgutachten ausdrücklich auf die straßenabgewandte<br />
Lage der beiden Meßpunkte und den geringen Abstand zum Festzelt abstellt<br />
und gerade deshalb hervorhebt, die vom Zelt ausgehenden Geräusche seien "pegelbestimmend"<br />
gewesen.<br />
f) Zu Unrecht wendet sich die Revision auch gegen die Verwertung der Ergebnisse über die<br />
Messungen am 7. Juni 1987. Die Beklagte behauptet nicht, die entsprechenden Messungen<br />
seien unzutreffend, sondern verweist allein darauf, daß nach dem Gutachten am Abend des<br />
Meßtages eine Diskoveranstaltung stattgefunden habe und während der Meßzeit kontinuierlich<br />
Musik über eine Lautsprecheranlage abgespielt worden sei. Soweit die Revision nunmehr<br />
eine "Diskoveranstaltung" für besonders laut und nicht für repräsentativ hält, bleibt sie jeden<br />
Hinweis auf entsprechenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen schuldig. Es wäre Sache der<br />
Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, daß die Musikbeeinträchtigungen unwesentlich<br />
sind und die Veranstaltung am 7. Juni 1987 wegen ihrer Lautstärke Ausnahmecharakter<br />
gehabt habe.<br />
g) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, der Kläger sei nicht verpflichtet, während der<br />
Festveranstaltungen die Fenster seines Wohnhauses geschlossen zu halten oder gar noch die<br />
Rolläden herabzulassen. Der Senat hat bereits früher ausgeführt, daß der durch eine Geräuschimmission<br />
beeinträchtigte Grundstückseigentümer sein Eigentum so nutzen darf, wie es<br />
ihm richtig erscheint, und nicht seinerseits Schutzmaßnahmen ergreifen muß, um eine rechtswidrige<br />
Lärmbelästigung abzuwehren oder herabzumindern (vgl. Senatsurteile v. 6. Juni<br />
1969, V ZR 53/66, WM 1969, 1042, 1045 und v. 11. November 1983, V ZR 231/82, NJW<br />
1984, 1242). Die Revision übersieht insbesondere, daß die oben erwähnten LAI-Hinweise mit<br />
einer Grenze von 55 dB(A) für den Beurteilungspegel und einer solchen von 65 dB(A) für den<br />
Maximalpegel ohnehin von geschlossenen Fenstern ausgehen. Dafür, daß hier unter dem Gesichtspunkt<br />
des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses wegen eines besonderen Ausnahmefalls<br />
etwas anderes gelten könnte, sind weder Tatsachen vorgetragen noch festgestellt.<br />
h) Hat der Tatrichter auf der Grundlage eines bestimmten Sachverhalts (Zahl der Feste, Öffnungszeit,<br />
entwickelte Lautstärke) eine wesentliche Lärmbeeinträchtigung festgestellt, so ist<br />
es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, durch Beschränkung in der Zahl der Feste mit bestimmten<br />
Öffnungszeiten oder sonstige Auflagen das zulässige Maß der Lärmimmissionen<br />
festzulegen. Grundsätzlich hat der Störer zu entscheiden, ob und wie er seine Emissionen auf<br />
das nach § 906 BGB zulässige Maß begrenzt (Erman/Hagen aaO Rdn. 28). Die Beklagte hat<br />
dazu auch in der Berufungsinstanz keine genauen Vorschläge unterbreitet, insbesondere nicht<br />
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vorgetragen, auf welche Feste mit welchen Öffnungszeiten oder sonstigen Auflagen (Verzicht<br />
auf Verstärker u.a.m.) sie sich beschränken wolle, damit das Grundstück des Klägers nur unwesentlich<br />
beeinträchtigt werde. Schon deshalb hatte auch das Berufungsgericht keine Veranlassung,<br />
sich mit derartigen Varianten zu befassen und etwa die Beklagte nur in beschränktem<br />
Umfang zu verurteilen.<br />
2. Das Berufungsgericht hält die Festplatznutzung im vorliegenden Fall auch nicht für ortsüblich.<br />
Es geht dabei zutreffend von der Frage aus, ob eine Mehrheit von Grundstücken in der<br />
Umgebung mit einer nach Art und Maß einigermaßen gleichbleibenden Einwirkung benutzt<br />
wird ( BGHZ 30, 273 , 277, 279; Senatsurt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, NJW 1983,<br />
751) und stellt fest, dies treffe für den fraglichen Platz auf der Parzelle 379/2 nicht zu. Diese<br />
weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegende Würdigung ( BGHZ 30, 273 , 277; Senatsurt.<br />
v. 17. Dezember 1982 aaO S. 752) hält den Revisionsangriffen jedenfalls im Ergebnis stand.<br />
Auch die Revision zieht nicht in Zweifel, daß es in W. keinen anderen gleich oder ähnlich<br />
benutzten Platz gibt. Die Grenze des Vergleichsgebiets kann je nach Lage des Falles im Einzelfall<br />
enger oder weiter gezogen werden und braucht sich auch nicht unbedingt mit der Gemeindegrenze<br />
zu decken (vgl. Senatsurt. v. 28. April 1967, V ZR 216/64, WM 1967, 727,<br />
728). Offen bleiben kann, ob man der Revision darin folgen könnte, daß es auf das Vorhandensein<br />
vergleichbar genutzter Grundstücke nicht nur innerhalb der Gemeinde W., sondern<br />
darüber hinaus in einem großen Bereich von Ortsgemeinden an Rhein und Mosel ankäme.<br />
Auch dann ergäben sich hier noch keine Bedenken gegen die Verneinung der Ortsüblichkeit<br />
durch den Tatrichter. Die Revision verkennt, daß es nicht darum geht, ob Kirchweih und<br />
Winzerfeste in anderen Ortsgemeinden allgemein üblich sind, sondern darum, ob sie nach<br />
22.00 Uhr nach Art und Maß eine Lärmbelästigung der hier festgestellten Art in unmittelbarer<br />
Nähe einer Wohnbebauung entwickeln. Dazu hat die insoweit ebenfalls darlegungs- und beweispflichtige<br />
Beklagte (vgl. Senatsurt. v. 30. November 1970, V ZR 51/68, LM BGB § 906<br />
Nr. 38) nichts vorgetragen. Das Berufungsgericht hätte auch noch darauf abstellen können,<br />
daß das Festzelt hier einen besonders geringen Abstand zum Wohngebäude des Klägers hat<br />
und darüber hinaus die Beklagte weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt hat, für die<br />
Veranstaltungen seien in zeitlicher oder sonstiger Hinsicht Auflagen gemacht worden (z.B.<br />
keine Verwendung von Lautsprechern und Verstärkern), die eine Minderung der Lärmbelästigung<br />
nach 22.00 Uhr gewährleisten könnten (vgl. BGHZ 38, 61 , 62; Senatsurt. v. 17. Dezember<br />
1982, V ZR 55/82, NJW 1983, 751, 752).<br />
Zwar ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt, daß unter Umständen einzelne überragend<br />
große Anlagen oder Betriebe unter dem Gesichtspunkt der mit ihnen verbundenen Emissionen<br />
den Charakter der Umgebung in der Weise prägen können, daß von ihnen ausgehende<br />
Beeinträchtigungen sich als ortsüblich darstellen (vgl. BGHZ 59, 378 , 381; 69, 105, 111). Für<br />
einen solchen Fall fehlt es hier an jeden tatsächlichen Anhaltspunkten. Der Gebietscharakter<br />
wird hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von der Kirche und der umliegenden,<br />
überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Bebauung geprägt. Daran kann die gelegentliche<br />
Nutzung des Parkplatzes als Festplatz nichts ändern. Im übrigen bleibt auch im vorliegenden<br />
Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß es hier allein um die besonders schädliche Störung<br />
der Nachtruhe durch eine massive Lärmbeeinträchtigung geht. Unter diesen Umständen<br />
stellt es keinen Rechtsverstoß dar, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, diese<br />
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Art der Einwirkung sei nicht gewöhnlich (vgl. BGHZ 15, 146 , 149; 30, 273, 277ff).<br />
Selbst wenn man von einer Ortsüblichkeit der festgestellten Lärmimmission ausginge, wäre<br />
die Klage begründet, weil sich nicht feststellen läßt, der Beklagten sei eine wirtschaftlich zumutbare<br />
Abhilfe unmöglich. Der Kläger hat mit einer detaillierten Planskizze vorgeschlagen,<br />
das Festzelt auf einen in der Nähe liegenden Mehrzweckplatz aufzustellen, wodurch ein<br />
durchschnittlicher Abstand von 50 bis 60 m zu jeder Art Wohnbebauung gewährleistet werde.<br />
Die auch insoweit darlegungspflichtige und beweisbelastete Beklagte (Erman/Hagen, BGB 8.<br />
Aufl. § 906 Rdn. 27; Soergel/Baur, BGB 11. Aufl. § 906 Rdn. 60) hat nicht schlüssig dargelegt,<br />
daß die Verlegung des Festzelts mit wirtschaftlich unzumutbaren Aufwendungen verbunden<br />
wäre. Ihr pauschaler Vortrag in der Berufungsbegründung ist dazu nicht ausreichend;<br />
auf den spezifizierten Vortrag des Klägers in der Berufungserwiderung hat sich die Beklagte<br />
nicht mehr geäußert.<br />
3. Erfolglos wendet sich die Revision schließlich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts,<br />
der Kläger müsse auch nicht unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses<br />
die Geräuschimmissionen dulden. Grundsätzlich stellt § 906 BGB in seinem Anwendungsbereich<br />
eine abschließende Regelung dar, die mit ohnehin ausfüllungsbedürftigen<br />
Begriffen einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen anstrebt. Daneben ist es grundsätzlich<br />
weder möglich noch geboten, den Nachbarn über den allgemeinen Grundsatz von Treu<br />
und Glauben besondere Duldungspflichten abzuverlangen ( BGHZ 38, 61 , 65). Im übrigen<br />
versucht die Revision vergeblich, das Berufungsurteil als Schlag gegen die Dorfgemeinschaft<br />
darzustellen, indem sie hervorhebt, es verhindere künftig die Abhaltung von Dorffesten. Dies<br />
ist eine falsche Sicht. Es soll nur erreicht werden, die Lärmbelästigung ab 22.00 Uhr auf ein<br />
zumutbares Maß zurückzuführen. Ebensowenig wie die Sportausübung sind die für eine<br />
Dorfgemeinschaft sicher wünschenswerten Feste von der Rücksichtnahme auf das Ruhebedürfnis<br />
anderer Menschen, die in der Nachbarschaft wohnen, freigestellt (vgl. BVerwG NJW<br />
1989, 1291, 1292).<br />
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Nr: MWRE102230400<br />
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat , Beschluß vom 13. Februar 2004 , Az:<br />
6 B 10279/04<br />
GastG § 12 ,GastG § 12 Abs 1, ImSchG RP § 4 ,ImSchG RP § 4 Abs 3, ImSchG RP § 4 Abs<br />
4, ImSchG RP § 4 Abs 4 S 1, ImSchG RP § 4 Abs 4 S 2<br />
Karnevalsveranstaltung als "sehr seltenes Ereignis" iSv § 12 Abs 1 GastG<br />
Leitsatz<br />
1. Veranstaltungen, bei denen die für seltene Störereignisse in der Freizeitlärm-Richtlinie<br />
festgelegten Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden, können gemäß §<br />
12 Abs 1 Gaststättengesetz (GastG) gestattet werden, wenn sie als sehr seltene Ereignisse<br />
trotz der mit ihnen verbundenen erheblichen Belästigungen wegen ihrer Herkömmlichkeit,<br />
ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz den Nachbarn<br />
zumutbar sind.<br />
2. Das gilt grundsätzlich für die im Rheinland zum überlieferten kulturellen Brauchtum zählenden<br />
Karnevalsveranstaltungen (zB eine Kappensitzung und eine Feier am Schwerdonnerstag<br />
- Weiberfastnacht -).<br />
3. Aufgrund der auch bei Vorliegen eines sehr seltenen Ereignisses erforderlichen Abwägung<br />
der widerstreitenden Interessen der Beteiligten dürfen Musikdarbietungen in der Regel allenfalls<br />
bis 24.00 Uhr zugelassen werden, und zwar unter der Voraussetzung, dass der folgende<br />
Tag allgemein arbeitsfrei ist.<br />
Fundstellen<br />
GewArch 2004, 217-219 (Leitsatz und Gründe)<br />
NVwZ-RR 2004, 485-486 (Leitsatz und Gründe)<br />
BImSchG-Rspr § 22 Nr 160 (Leitsatz und Gründe)<br />
Verfahrensgang<br />
vorgehend VG Koblenz 12. Februar 2004 1 L 478/04.KO Beschluß<br />
Langtext<br />
Gründe<br />
Die Beschwerde der Beigeladenen ist zulässig, aber nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden<br />
Umfang begründet.<br />
Wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, sind<br />
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die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen, und zwar unter Berücksichtigung<br />
der Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen gemäß<br />
§ 12 Abs. 1 Gaststättengesetz – GastG – erteilte Gestattung.<br />
Die in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur mögliche summarische Prüfung der<br />
Sach- und Rechtslage ergibt überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gestattung<br />
der für den 21. Februar 2004 geplanten "Mottofete" und auch der "After-Train-Party", die am<br />
23. Februar 2004 stattfinden soll. Durchgreifenden Bedenken begegnet auch, dass die Antragsgegnerin<br />
für die Veranstaltung am 19. Februar 2004 ( Weiberfastnachtsfete ) musikalische<br />
Darbietungen über 22.00 Uhr hinaus sowie eine längere Betriebszeit als 24.00 Uhr erlaubt<br />
hat. Die Gestattung der Weiberfastnachtfete im Übrigen und der Kappensitzung am 14.<br />
Februar 2004 sind – nach überschlägiger Prüfung des Senats – nicht zu beanstanden. Nur bei<br />
diesen beiden Veranstaltungen handelt es sich höchst wahrscheinlich um so genannte sehr<br />
seltene Störereignisse, während dies auf die Mottofete und die After-Train-Party nicht zutrifft.<br />
Nach der im Verwaltungsstreitverfahren 1 K 745/03.KO eingeholten gutachterlichen Stellungnahme<br />
des Schalltechnischen Ingenieurbüros für Gewerbe-, Freizeit- und Verkehrslärm<br />
Dipl. Ing. P vom 14. Oktober 2003 ist damit zu rechnen, dass die aufgrund der Gestattung<br />
vom 28. Januar 2004 zu erwartenden Lärmimmissionen die für seltene Störereignisse in den<br />
Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen<br />
verursachten Geräusche (NVwZ 1997, 469 – Freizeitlärm-Richtlinie –) und dem<br />
Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz vom 30. Januar<br />
1997 (MinBl. 1997, 213) festgelegten Immissionsrichtwerte überschreiten.<br />
Davon geht auch die Antragsgegnerin aus. Da diese Richtwerte als Anhalt, als Orientierungs-<br />
und Entscheidungshilfe dienen (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001, NVwZ 2001,<br />
1167; BGH, Urteil vom 26. September 2003, NJW 2003, 3699), war die Antragsgegnerin<br />
gehalten, nur Veranstaltungen gemäß § 12 Abs. 1 GastG zu gestatten, die als sehr seltene<br />
Ereignisse privilegiert sind, also trotz der mit ihnen verbundenen erheblichen Belästigungen<br />
den Nachbarn wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft<br />
oder ihrer sozialen Adäquanz zumutbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.<br />
April 2003, GewArch 2003, 300 f.; BGH, Urteil vom 26. September 2003, a.a.O.; VGH<br />
Mannheim, Urteil vom 26. Juni 2002, VBIBW 2002, 483 ).<br />
Die Differenzierung zwischen seltenen und sehr seltenen Ereignissen ist nach Auffassung<br />
des Senats auch in der Systematik des § 4 Landes-Immissionsschutzgesetz – LImSchG –<br />
angelegt, der sich zwar ausdrücklich nur auf die besonders schutzbedürftige Nachtzeit (22.00<br />
Uhr bis 6.00 Uhr) bezieht, für die in geringerem Umfang geschützte abendliche Ruhezeit<br />
(20.00 Uhr bis 22.00 Uhr) aber entsprechend herangezogen werden kann. Auf den in § 4 Abs.<br />
1 LImSchG niedergelegten Grundsatz des Schutzes der Nachtruhe folgt in Absatz 2 eine Ausnahmeregelung.<br />
Die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 1 LImSchG lässt weitere Ausnahmen<br />
von dem Verbot des § 4 Abs. 1 LImSchG zu, wenn die Ausübung der Tätigkeit während der<br />
Nachtzeit im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse einer beteiligten Person<br />
geboten ist. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 LImSchG allgemeine<br />
Ausnahmen für bestimmte Veranstaltungen bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürf-<br />
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nisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse zulassen. Daraus wird deutlich, dass die<br />
Nachtruhe umso weniger geschützt ist, je stärker das öffentliche Interesse an einer Veranstaltung<br />
ist. Ein öffentliches Bedürfnis liegt nach § 4 Abs. 4 Satz 2 LImSchG in der Regel<br />
vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums<br />
dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der<br />
Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der<br />
Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt. Die beispielhafte Aufzählung in § 4<br />
Abs. 4 Satz 1 LImSchG (Messen, Märkte, Volksfeste, Silvester-/Neujahrsnacht) lässt erkennen,<br />
dass es sich bei diesen Veranstaltungen im Allgemeinen um jährlich einmal stattfindende<br />
handelt, die sich über allenfalls wenige Tage erstrecken (so auch BGH, Urteil vom 26. September<br />
2003, a.a.O.). Bei den sehr seltenen Ereignissen kann es sich nur um vereinzelte,<br />
besonders herausragende Veranstaltungen handeln, deren Bedeutung so groß ist, dass dahinter<br />
das Ruhebedürfnis der Anwohner zurückzutreten hat (OVG Rheinland-Pfalz ,<br />
Urteil vom 16. April 2003, BauR 2003, 1187; VGH Kassel, Beschluss vom 8. Oktober<br />
1996, GewArch 1997, 162). Derartige Merkmale weisen etwa Jubiläumsfeste dörflicher Vereine<br />
(vgl. VGH München, Urteil vom 13. Mai 1997, NJW 1998, 401) oder traditionelle<br />
Jahrmärkte und Volksfeste auf (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 14. November 1995, GewArch<br />
1996, 390). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 26.<br />
September 2003, a.a.O.), mit der im Interesse der Harmonisierung zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher<br />
Beurteilungsmaßstäbe eine Angleichung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung<br />
vollzogen wurde, gehören Volks- und Gemeindefeste, Feiern örtlicher Vereine,<br />
traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten<br />
Formen gemeindlichen und städtischen Lebens, die für den Zusammenhalt der<br />
örtlichen Gemeinschaft von großer Bedeutung sein können, dabei auch die Identität dieser<br />
Gemeinschaft stärken und für viele Bewohner einen hohen Stellenwert besitzen, so dass die<br />
mit ihnen verbundenen Geräuschentwicklungen von einem verständigen Durchschnittsmenschen<br />
bei Würdigung auch anderer Belange in der Regel in höherem Maß akzeptiert werden<br />
als sonstige Immissionen; ereignen sie sich sehr selten, können auch Lärmimmissionen , die<br />
die Richtwerte der Freizeitlärm-Richtlinie überschreiten, ausnahmsweise noch unwesentlich<br />
sein.<br />
Nach diesen Maßstäben ist die Durchführung einer Kappensitzung ebenso wie eine Feier<br />
am Schwerdonnerstag (Weiberfastnacht) überliefertes kulturelles Brauchtum im Rheinland,<br />
ohne dass es entscheidend darauf ankommt, ob deren Ablauf streng nach historischem<br />
Vorbild gestaltet wird oder ob die Veranstaltung seit vielen Jahren an einem bestimmten Ort<br />
stattfindet. Nicht ausreichend ist jedoch, wenn eine Feier keinen erkennbaren Bezug zur<br />
Brauchtumspflege hat, sondern die Tradition lediglich zum Anlass für eine Tanz- bzw. Musikveranstaltung<br />
beispielsweise nach Art einer Disco nimmt. Nach dem Ergebnis der im vorliegenden<br />
Verfahren vorzunehmenden überschlägigen Prüfung fehlt sowohl der Mottofete als<br />
auch der After-Train-Party ein hinreichend deutlicher Bezug zum tradierten rheinischen Karneval,<br />
auch wenn sie sich – wie es in der Beschwerdebegründung heißt – von typischen Disco-Veranstaltungen<br />
dadurch unterscheiden sollten, dass nicht hauptsächlich Musik mit hohem<br />
Bassanteil gespielt werden soll.<br />
Angesichts des Umstandes, dass auch eine Kirmes typischerweise zu den in der örtlichen<br />
43<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Gemeinschaft verwurzelten traditionellen Festen gehört, muss darauf geachtet werden, dass<br />
die Gesamtzahl der sehr seltenen Veranstaltungen eines Kalenderjahres deutlich niedriger<br />
liegt als die höchstzulässige Anzahl der seltenen Ereignisse.<br />
Stellt eine Veranstaltung i.S.d. § 4 Abs. 4 LImSchG ein sehr seltenes Ereignis dar, bedeutet<br />
dies nicht, dass der Schutz der Nachtruhe vollständig entfällt. Vielmehr hat eine Abwägung<br />
zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten stattzufinden. Dabei stimmt der<br />
Senat mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. September 2003, a.a.O.) darin überein, dass<br />
Musikdarbietungen in der Regel allenfalls bis 24.00 Uhr zugelassen werden dürfen. Dies kann<br />
allerdings nur gelten, wenn der darauf folgende Tag allgemein arbeitsfrei ist, so dass sich die<br />
in ihrer Nachtruhe beeinträchtigten Anwohner durch längeres Ausschlafen erholen können.<br />
Schließt sich an eine sehr seltene Veranstaltung ein Arbeitstag an, wie dies bei der geplanten<br />
Weiberfastnachtsfete der Fall ist, sind musikalische Darbietungen um 22.00 Uhr, die Feier<br />
selbst um 24.00 Uhr zu beenden. Anders als bei einer typischen Disco-Veranstaltung wird<br />
durch eine solche Begrenzung der bereits um 18.11 Uhr beginnenden Weiberfastnachtfete<br />
deren Charakter nicht grundlegend verändert (vgl. hierzu VGH Kassel, Beschluss vom 8.<br />
Oktober 1996, a.a.O.).<br />
Ob die Beigeladene auf einen anderen Veranstaltungsort verwiesen werden kann (vgl. hierzu<br />
BGH, Urteil vom 26. September 2003, a.a.O.), muss der Klärung in einem Hauptsacheverfahren<br />
ggf. durch eine Ortsbesichtigung vorbehalten bleiben.<br />
Angesichts der seit Jahren immer wieder auftretenden Auseinandersetzungen um die Karnevalsveranstaltungen<br />
der Beigeladenen erscheint es dem Senat angezeigt, der Antragsgegnerin<br />
aufzugeben, die Einhaltung dieser Beschränkungen der Gestattung durch eigene Mitarbeiter<br />
sicherzustellen.<br />
44<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Nr: MWRE115139600<br />
Hessischer Verwaltungsgerichtshof 14. Senat , Beschluß vom 8. Oktober 1996 , Az: 14 TG<br />
3852/96<br />
GastG § 4 Abs 1 Nr 3<br />
Rechtsschutz eines Nachbarn gegen gaststättenrechtliche Gestattung und Sperrzeitregelung<br />
für eine traditionelle Festveranstaltung - Störung der Wohnruhe und Zumutbarkeitsgrenze<br />
Leitsatz<br />
1. Einem betroffenen Nachbarn kann gemäß § 4 Abs 1 Nr 3 GastG ein Anspruch auf Versagung<br />
bzw Aufhebung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis bzw Gestattung zustehen, wenn<br />
der beabsichtigte Gaststättenbetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung<br />
der Räume nicht ohne Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften erlaubt werden<br />
kann, es insbesondere nicht möglich ist, die auf die Nachbarschaft etwa durch Lärmimmissionen<br />
einwirkenden schädlichen Umwelteinwirkungen durch Nebenbestimmungen auf ein zumutbares<br />
Maß zu begrenzen, ohne dadurch gleichzeitig die Ausübung des Gaststättengewerbes<br />
in seiner konkret beantragten Betriebsart durch Beseitigung eines prägenden Merkmals<br />
(wirtschaftlich) unmöglich zu machen.<br />
2. Die Richtwerte der sogenannten LAI-Hinweise sind bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze<br />
nicht schematisch, sondern lediglich als Entscheidungshilfe im Rahmen einer<br />
wertenden Abwägung des Betreiberinteresses und gegebenenfalls des Allgemeininteresses an<br />
der Durchführung gemeinschaftsfördernder sozialer und/oder kultureller Veranstaltungen gegenüber<br />
dem nachbarschaftlichen Interesse an ruhigen Wohnverhältnissen insbesondere in<br />
Zeiten der Nachtruhe anzuwenden; dabei sind ua zu berücksichtigen: Traditionscharakter und<br />
herkömmlicher Ablauf, Dauer, Häufigkeit, zeitliche Abstände, Jahreszeit der fraglichen Veranstaltung(en)<br />
und konkretes Schutzbedürfnis des Anwohners.<br />
3. Bei zu erwartenden und unter Wahrung des Charakters einer traditionellen Festveranstaltung<br />
nicht zu verhindernden erheblichen Überschreitungen der nächtlichen Lärmgrenzwerte<br />
kann deren Zumutbarkeit gegebenenfalls durch zeitliche Begrenzungen gewahrt werden.<br />
Fundstellen<br />
ESVGH 47, 151-152 (Leitsatz)<br />
GewArch 1997, 162 -164 (Leitsatz und Gründe)<br />
Weitere Fundstellen<br />
ZAP EN-Nr 32/97 (Leitsatz)<br />
NVwZ-RR 1997, 159 (Leitsatz)<br />
UPR 1997, 258 (Leitsatz)<br />
DVBl 1997, 966 (Leitsatz)<br />
Verfahrensgang<br />
vorgehend VG Gießen 10. September 1996 8 G 1221/96 (1)<br />
45<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Diese Entscheidung wird zitiert von<br />
VG Potsdam 17. August 2004 3 K 3161/99 Anschluss<br />
Langtext<br />
Tatbestand<br />
Der Antragsteller wehrt sich gegen Lärmbeeinträchtigungen durch die S Altstadtkirmes. Er<br />
ist Eigentümer und mit seiner Familie Bewohner des Grundstücks in der dortigen Altstadt, das<br />
in einem Bereich mit überwiegender Wohnbebauung, einem landwirtschaftlichen Anwesen<br />
und einer Schule liegt.<br />
Vor einigen Jahren erwarb die Antragsgegnerin das westlich unmittelbar an das Grundstück<br />
des Antragstellers angrenzende und vormals landwirtschaftlich genutzte Anwesen ließ alle<br />
aufstehenden Gebäude bis auf das jetzt als Gemeinschaftshaus genutzte Wohngebäude abreißen,<br />
vorhandene Pflaster aufnehmen, die große Wiesenfläche und den Bewuchs entfernen und<br />
die entstandene Freifläche schottern. Diese sollte nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung<br />
vom 7. Juli 1994 zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 63 "Dorfplatz" als<br />
Dorf- bzw. Festplatz genutzt werden.<br />
Bereits seit 1993 läßt die Antragsgegnerin jährlich im Oktober dort durch die Beigeladene die<br />
Altstadtkirmes veranstalten. Etwa seit der Jahrhundertwende war die Kirmes stets am zweiten<br />
Sonntag nach dem 29. September, dem Fest des heiligen Michael, auf einem Platz in der<br />
Dorfmitte und in den Tanzsälen und den bis zur Mitte der 60er Jahre noch fünf Gaststätten<br />
des alten Dorfes der Kernstadt gefeiert worden, in der heute nur noch die Gaststätte der Beigeladenen<br />
existiert. Diese führte die Festveranstaltung zunächst noch auf dem Gelände ihrer<br />
Gaststätte durch und dann ab 1993 in einem unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum<br />
Grundstück des Antragstellers und etwa 40 m von seinem Wohnhaus entfernt aufgestellten<br />
Festzelt auf dem hier fraglichen Dorfplatz, auf dem jeweils außer dem Festzelt auch zwei Karussells<br />
und Buden aufgestellt werden.<br />
Im August 1995 beantragte der Antragsteller erstmals beim Verwaltungsgericht Gießen die<br />
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel, die Altstadtkirmes auf dem Dorfplatz<br />
ganz zu verhindern oder jedenfalls auf ein erträgliches Maß zu beschränken, weil ein<br />
Festplatz in dem allgemeinen Wohngebiet schon planungsrechtlich nicht zulässig und dafür<br />
auch keine Baugenehmigung erteilt worden sei und weil die Altstadtkirmes aufgrund der unzumutbaren<br />
Lärmbelastungen gegen die Hessische Lärmschutzverordnung und das Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
verstoße.<br />
Mit Beschluss vom 27. September 1995 - 8 G 1275/95 (1) - setzte das Verwaltungsgericht<br />
Gießen im Wege der einstweiligen Anordnung für Musikveranstaltungen bei der Altstadtkirmes<br />
in Anwendung der sogenannten LAI-Hinweise Lärmgrenzwerte für seltene Störereignisse<br />
von tagsüber 70 dB (A) und nachts ab 22.00 Uhr von 55 dB (A) fest und lehnte den<br />
46<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Antrag im übrigen ab.<br />
Im Rahmen des dagegen von beiden Parteien eingeleiteten Beschwerdeverfahrens schlug der<br />
erkennende Senat mit Beschluss vom 5. Oktober 1995 - 14 TG 3325/95 - eine von beiden<br />
Parteien angenommene vergleichsweise Regelung vor, in der sich die Antragsgegnerin verpflichtete,<br />
der Beigeladenen Auflagen aufzuerlegen, deren Einhaltung zu überwachen und<br />
gegebenenfalls durchzusetzen, wonach am Freitag, an dem bisher im Zelt jeweils eine Techno-Disco<br />
durchgeführt worden war, auf dem Festplatz keine Veranstaltung stattfinden sollte,<br />
die Veranstaltungszeit an den folgenden Tagen von Samstag bis Montag zeitlich begrenzt und<br />
im übrigen die bereits vom Verwaltungsgericht festgesetzten Lärmrichtwerte um bestimmte<br />
Zuschläge ergänzt wurden.<br />
Diese Regelungen übernahm die Antragsgegnerin zwar als Auflage in die der Beigeladenen<br />
erteilte gaststättenrechtliche Gestattung vom 6. Oktober 1995 für den Betrieb ihres Festzeltes<br />
anläßlich der vom 7. bis 9. Oktober 1995 geplanten Altstadtkirmes. Lärmmessungen<br />
nahm die Antragsgegnerin aber nicht vor, wie sie in einem Schreiben ihres Bürgermeisters<br />
vom 17. Oktober 1995 auf einen Beschwerdebrief einer anderen Anwohnerin mitteilte, weil<br />
sie sich dazu aufgrund des gerichtlichen Vergleichs nicht verpflichtet fühlte. Demgegenüber<br />
ließ der Antragsteller durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in<br />
seinem Wohnhaus während der Altstadtkirmes 1995 samstags und montags Lärmimmissionsmessungen<br />
durchführen, die schon ohne Berücksichtigung der festgesetzten Zuschläge<br />
deutliche Überschreitungen sowohl der Tages- als auch der Nachtgrenzwerte ergaben, und<br />
forderte die Antragsgegnerin im Januar 1996 zu einer verbindlichen Erklärung auf, dass das<br />
fragliche Nachbargrundstück nicht mehr als Festplatz benutzt werde.<br />
Nachdem die Antragsgegnerin dies abgelehnt und in einem verwaltungsinternen Vermerk<br />
vom 22. Februar 1996 festgestellt hatte, dass die Festsetzung und Durchsetzung der fraglichen<br />
Lärmgrenzwerte "völlig illusorisch" sei, erhob der Antragsteller am 7. Mai 1996 beim Verwaltungsgericht<br />
Gießen eine derzeit noch anhängige Klage - 8 E 666/96 - auf Untersagung,<br />
hilfsweise auf Einschränkung der Nutzung des Dorfplatzes für Festveranstaltungen und begründete<br />
diese u. a. damit, dass die Antragsgegnerin weder die Immissionsgrenzwerte noch<br />
die Veranstaltungszeiten überwacht und durchgesetzt habe.<br />
Mit Bescheiden vom 21. August 1996 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine<br />
gaststättenrechtliche Gestattung für den Betrieb ihres Festzeltes anläßlich der vom 12. bis<br />
14. Oktober 1996 geplanten Altstadtkirmes und setzte die Veranstaltungs- bzw. Sperrzeiten<br />
und Lärmgrenzwerte wiederum entsprechend dem gerichtlichen Vergleich vom 5. Oktober<br />
1995 fest. Mit Bescheid vom 29. August 1996 ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser<br />
Bescheide an, weil an der sofortigen Durchführung der seit Generationen in nahezu gleicher<br />
Form begangenen traditionellen Altstadtkirmes, an der der größte Teil der Altstadtbewohner<br />
teilnehme, ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe, zumal dem Interesse des Antragstellers<br />
durch die Auflagen ausreichend Rechnung getragen werde.<br />
Bereits zuvor, nämlich am 14. August 1996, hatte der Antragsteller gegen die Altstadtkirmes<br />
1996 beim Verwaltungsgericht Gießen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt<br />
und zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Nachdem<br />
47<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
ihm die der Beigeladenen erteilten Bescheide vorlagen, hat er unter dem 3. September 1996<br />
dagegen Widersprüche erhoben und seinen einstweiligen Rechtsschutzantrag entsprechend<br />
umgestellt.<br />
9<br />
Mit Beschluss vom 10. September 1996 - 8 G 1221/96 (1) - hat das Verwaltungsgericht Gießen<br />
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt, soweit die Sperrzeiten<br />
am 12. und 14. Oktober 1996 über 24.00 Uhr hinaus festgesetzt und soweit musikalische Darbietungen<br />
mit technischen Tonwiedergabegeräten zugelassen worden sind, und hat den Antrag<br />
im übrigen abgelehnt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, dass für den Antragsteller<br />
als Nachbarn zwar eine Rechtsgrundlage für eine gänzliche Untersagung eines Traditionsfestes<br />
der vorliegenden Art nicht ersichtlich sei, er aber gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG einen<br />
Anspruch auf hinreichenden Lärmschutz habe. Dieser Anspruch könne durch die festgesetzten<br />
Lärmgrenzwerte nicht erfüllt werden, weil bei summarischer Betrachtung feststehe,<br />
dass diese in Wirklichkeit in keiner Weise eingehalten würden. Es bedürfe deshalb zusätzlicher<br />
Einschränkungen durch die Festsetzung früherer Sperrzeiten und die Wiederherstellung<br />
der aufschiebenden Wirkung bezüglich der Verwendung technischer Tonwiedergabegeräte.<br />
Gegen den am 12. September 1996 zugestellten Beschluss haben alle Beteiligten am 16., 18.<br />
und 20. September 1996 Beschwerden eingelegt.<br />
Der Antragsteller macht über seinen bisherigen Vortrag hinaus noch geltend, die Vorverlegung<br />
der Sperrzeiten am 12. und 14. Oktober 1996 auf 24.00 Uhr sei nicht ausreichend, weil<br />
die Antragsgegnerin deren Einhaltung ebenso wie die der Immissionsgrenzwerte nicht durchsetzen,<br />
das Fest vielmehr wieder seinen freien Lauf nehmen werde, so dass es insgesamt zu<br />
untersagen sei; jedenfalls hätte der Antragsgegnerin die Überwachung und Durchsetzung der<br />
Auflagen unter Androhung von Ordnungsmitteln auferlegt werden müssen.<br />
Der Antragsteller beantragt - sinngemäß -, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts<br />
Gießen vom 10. September 1996 - 8 G 1221/96 (1) - die aufschiebende<br />
Wirkung seiner Widersprüche vom 3. September 1996 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin<br />
vom 21. August 1996 betreffend die gaststättenrechtliche Gestattung an die Beigeladene<br />
für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft anläßlich der Altstadtkirmes<br />
vom 12. bis 14. Oktober 1996 und betreffend die Verkürzung und Festsetzung der Sperrzeit<br />
anläßlich der Altstadtkirmes wiederherzustellen, andernfalls der Antragsgegnerin im Wege<br />
der einstweiligen Anordnung zu untersagen, auf dem Dorfplatz in der Zeit vom 12. bis 14.<br />
Oktober 1996 die sogenannte Altstadtkirmes/Kirchweihfest abzuhalten bzw. durch Dritte<br />
abhalten zu lassen,<br />
hilfsweise,<br />
die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers insoweit wiederherzustellen,<br />
als die Antragsgegnerin durch die angefochtenen Bescheide auch Musikdarbietungen<br />
durch Kapellen und/oder technische Tonwiedergabegeräte und Restauration durch gast-<br />
48<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
stättenartigen Ausschank alkoholischer Getränke zugelassen hat,<br />
hilfsweise,<br />
die aufschiebende Wirkung der Widersprüche insoweit anzuordnen, als die festgesetzte<br />
Veranstaltungszeit am Montag, dem 14. Oktober 1996, über 23.00 Uhr hinausgeht,<br />
hilfsweise,<br />
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die im Gestattungsbescheid<br />
vom 21. August 1996 festgesetzten Immissionszeiten und Immissionsgrenzwerte<br />
zu überwachen und gegebenenfalls sofort durchzusetzen, und ihr für jeden Fall der<br />
Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zum Betrage von 500.000,--<br />
DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, anzudrohen.<br />
Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen.<br />
Zur Begründung macht sie ergänzend geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts<br />
seien die ursprünglich entsprechend dem vor dem Hess. VGH geschlossenen Vergleich<br />
festgesetzten Sperrzeiten für eine sinnvolle Durchführung der Altstadtkirmes erforderlich und<br />
dem Antragsteller auch zumutbar, weil er am Sonntag ausschlafen könne und der Montagabend<br />
den traditionellen Ausklang des Altstadtfestes darstelle. Auch der Einsatz von Mikrofonen<br />
und elektrischen Verstärkern für die Musikdarbietungen sei bei einer erwarteten Zuhörermenge<br />
von 600 bis 700 Personen unbedingt erforderlich. Eine Überwachung und Einhaltung<br />
der Immissionsrichtwerte sei ihr nicht möglich, dies sei vielmehr Sache der Beigeladenen.<br />
Im übrigen sei sie bestrebt und habe auch schon erste dahingehende Maßnahmen ergriffen,<br />
den Standort der Altstadtkirmes zu verlegen; dass dies bereits 1997 erfolgen könne, sei<br />
eher unwahrscheinlich, damit könne aber im Folgejahr gerechnet werden.<br />
Die Beigeladene beantragt, die Anträge des Antragstellers abzulehnen,<br />
und macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass es sich bei der Altstadtkirmes um<br />
ein Traditionsfest handele. Dessen Charakter würde durch die Einschränkungen des Verwaltungsgerichts<br />
völlig in Frage gestellt und diese kämen deshalb nahezu einem Verbot der Festveranstaltung<br />
gleich. Zudem habe sie im Vertrauen auf die zwischen den Parteien 1995 geschlossene<br />
Vergleichsvereinbarung vertraglich zahlreiche finanzielle Verpflichtungen übernommen;<br />
sie könne die ihr erteilten Auflagen auch durch Anweisungen an die Musikkapellen<br />
und durch Aushang für die Festzeltbesucher durchsetzen.<br />
Ein den Beteiligten durch Beschluss des Senats vom 7. Oktober 1996 unterbreiteter Vergleichsvorschlag<br />
ist daran gescheitert, dass der Magistrat der Antragsgegnerin keine verbindliche<br />
Erklärung hat abgeben wollen, dass die Altstadtkirmes - wie auch andere Festveranstaltungen<br />
vergleichbarer Größenordnung - ab 1997 nicht mehr auf dem Dorfplatz durchgeführt<br />
werde.<br />
49<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf<br />
die Streitakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.<br />
Entscheidungsgründe<br />
Die zulässigen Beschwerden haben jeweils nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang<br />
Erfolg, denn dem einstweiligen Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist nur teilweise<br />
stattzugeben, wobei von der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu Lasten und zu Gunsten<br />
aller Beteiligten abgewichen wird.<br />
Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers gegen die der Beigeladenen<br />
gemäß § 12 GastG erteilte Gestattung vom 21. August 1996 und gegen die ergänzende Sperrzeitregelung<br />
gleichen Datums ist gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1<br />
VwGO nur teilweise wiederherzustellen. Nach der vorliegend allein gebotenen summarischen<br />
Prüfung ist die gaststättenrechtliche Gestattung mit der ergänzenden Sperrzeitregelung<br />
nämlich wegen Verletzung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG, soweit diesem nachbarschützender<br />
Charakter zukommt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 18. Mai 1990 - 8 TH 362/90 -<br />
GewArch 1990 S. 330 = NVwZ 1991 S. 278), nur insoweit offensichtlich rechtswidrig, als<br />
die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG und § 4 der Hessischen Verordnung über die Sperrzeit<br />
vom 19. April 1971 (GVBl. I S. 96) - SperrzeitVO - beigefügten Auflagen und Sperrzeitregelungen<br />
nicht hinreichend geeignet sind, die auf den Antragsteller einwirkenden Lärmbeeinträchtigungen<br />
auf ein unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zumutbares<br />
Maß zu begrenzen.<br />
Zwar kann - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - ein auf § 4 Abs. 1 Nr. 3<br />
GastG beruhender nachbarschaftlicher Anspruch auf Versagung bzw. Aufhebung einer<br />
gaststättenrechtlichen Erlaubnis bzw. Gestattung grundsätzlich bestehen, nämlich dann,<br />
wenn der beabsichtigte Gaststättenbetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die<br />
Verwendung der Räume nicht ohne Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften erlaubt<br />
werden kann, es insbesondere nicht möglich ist, die auf die Nachbarschaft etwa durch<br />
Lärmimmissionen einwirkenden schädlichen Umwelteinwirkungen durch Nebenbestimmungen<br />
auf ein zumutbares Maß zu begrenzen, ohne dadurch gleichzeitig die Ausübung<br />
des Gaststättengewerbes in seiner konkret beantragten Betriebsart durch Beseitigung eines<br />
prägenden Merkmals (wirtschaftlich) unmöglich zu machen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom<br />
4. Oktober 1988 - 1 C 72.86 - BVerwGE 80 S. 259 (264) = NVwZ 1989 S. 258 f. = GewArch<br />
1989 S. 100 f.; Ziff. 2.1 und 2.2.3 der sogenannten LAI-Hinweise, NVwZ 1988 S. 135 f.;<br />
Steinberg, Öffentlich-rechtlicher Nachbarschutz im Gaststättenrecht, DÖV 1991 S. 354 (357);<br />
vgl. auch BVerwG, Urteil vom 5. November 1985 - 1 C 14.84 - GewArch 1986 S. 96; Hess.<br />
VGH, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 14 UE 2626/95 - GewArch 1996 S. 251 zur Rechtswidrigkeit<br />
einer derart "erdrosselnden" Nebenbestimmung). Diese Voraussetzungen liegen hier<br />
bei summarischer Prüfung aber (noch) nicht vor.<br />
Ob die zum Zwecke der Nutzung als Dorf- bzw. Festplatz erfolgte Befestigung der Freifläche<br />
des Grundstücks durch Aufbringen der Schotterung gemäß § 62 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr.<br />
50<br />
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Dez. 04
1 HBO einer Baugenehmigung bedurft hätte und ob deshalb wegen formeller Illegalität eine<br />
bauaufsichtliche Nutzungsuntersagung gemäß § 78 Abs. 1 HBO ergehen könnte, oder ob dem<br />
die Beschränkung der Nutzung als Festplatz auf lediglich einmal im Jahr entgegensteht, wie<br />
offensichtlich die hier zuständige Bauaufsichtsbehörde des Landkreises meint, bedarf vorliegend<br />
keiner Prüfung, weil die Rechtmäßigkeit einer Gaststättenerlaubnis oder -gestattung<br />
nicht davon abhängt, ob eine für den beabsichtigten Gaststättenbetrieb erforderliche Baugenehmigung<br />
erteilt worden ist oder nicht (vgl. VGH Bad.- Württ., Beschluss vom 7. Januar<br />
1985 - 14 S 2918/84 - GewArch 1985 S. 300; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1989 - 1 C<br />
18.87 - NVwZ 1990 S. 559 (560) = GewArch 1990 S. 29 ff.; Steinberg a. a. O. S. 359 m. w.<br />
N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats<br />
dürften für die rechtliche Beurteilung der von dem Festzelt auf die Nachbarschaft ausgehenden<br />
Störungen zwar grundsätzlich auch bauplanungsrechtliche Vorschriften einzubeziehen<br />
sein, weil danach nur einer bereits erteilten Baugenehmigung eine "sperrende" Bindungswirkung<br />
für die Gaststättenbehörde hinsichtlich der typischen Immissionen der beantragten Betriebsart<br />
zukommt (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Oktober 1988 und 17. Oktober 1989 a. a. O.;<br />
Hess. VGH, Beschluss vom 2. Juli 1991 - 14 TH 3563/90 - GewArch 1992 S. 32 f., Urteil<br />
vom 18. Oktober 1995 a. a. O. und Beschluß vom 8. November 1995 - 14 TG 3375/95 - GewArch<br />
1996 S. 252 f.; a. A. Sternberg a. a. O. S. 359). Die Einbeziehung bauplanungsrechtlicher<br />
Vorschriften hinsichtlich der entscheidungserheblichen Fragen führt hier aber zu keiner<br />
anderen als der unten getroffenen Beurteilung. Ein Dorf- bzw. Festplatz ist nämlich als Anlage<br />
für kulturelle und soziale Zwecke in Dorfgebieten und auch in allgemeinen Wohngebieten<br />
gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 7 und § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO generell zulässig und die in § 15 Abs.<br />
1 Satz 2 BauNVO für den Einzelfall aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen stimmen mit<br />
denen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG überein, soweit es - wie hier - um die mit einem Gaststättenvorhaben<br />
in bestimmter örtlicher Umgebung verbundenen Immissionen geht (vgl.<br />
BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 1988 a. a. O.; Hess. VGH, Beschlüsse vom 2. Juli 1991 und<br />
8. November 1995 a. a. O.), wobei die Gaststättenbehörde lediglich über die typisierende Betrachtungsweise<br />
der Baugenehmigungsbehörde hinaus auch im Einzelfall bestehende besondere<br />
Betriebseigentümlichkeiten einschließlich der Person des Gaststättenbetreibers zu berücksichtigen<br />
hat.<br />
Nach den danach hier einheitlich anwendbaren immissionsschutzrechtlichen Maßstäben<br />
ist die der Beigeladenen erteilte Gestattung zum Betrieb ihres Festzeltes im Rahmen der<br />
Altstadtkirmes 1996 nicht insgesamt, sondern nur hinsichtlich der beigefügten Auflagen<br />
und sonstigen Nebenbestimmungen insoweit offensichtlich rechtswidrig, als diese nur mit<br />
den vom Senat durch teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bewirkten<br />
zeitlichen Einschränkungen der Musik- und Veranstaltungsdauer und unter Berücksichtigung<br />
der besonderen Umstände der vorliegenden Festveranstaltung noch hinreichend geeignet erscheinen<br />
können, die auf den Antragsteller und seine Familie einwirkenden Lärmimmissionen<br />
auf ein gerade noch zumutbares Maß zu beschränken. Zwar muß angesichts der Erfahrungen<br />
der letztjährigen Veranstaltung davon ausgegangen werden, dass auch dieses Jahr die<br />
nach den hier anwendbaren LAI-Hinweisen zugrundezulegenden Immissionsgrenzwerte<br />
für seltene Störereignisse nicht eingehalten werden und bei Wahrung des Charakters dieser<br />
Festveranstaltung angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft zum Wohngrundstück<br />
des Antragstellers auch nicht eingehalten werden können, so dass eine Untersagung der<br />
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Veranstaltung insbesondere wegen der aufgrund seiner Lage grundsätzlich stark eingeschränkten<br />
Eignung des Festplatzes insgesamt naheliegen könnte (vgl. zu einem ähnlichen<br />
Fall BGH, Urteil vom 23. März 1990 - V ZR 58/89 - BGHZ 111 S. 63 ff. = NJW 1990 S.<br />
2465 ff. = DVBl. 1990 S. 771 ff.). Andererseits sind die Richtwerte der LAI-Hinweise bei<br />
der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze nicht schematisch, sondern lediglich als Entscheidungshilfe<br />
im Rahmen einer wertenden Abwägung des Betreiberinteresses und gegebenenfalls<br />
- wie hier - des Allgemeininteresses an der Durchführung gemeinschaftsfördernder<br />
sozialer und/oder kultureller Veranstaltungen gegenüber dem nachbarschaftlichen<br />
Interesse an ruhigen Wohnverhältnissen insbesondere in Zeiten der Nachtruhe anzuwenden.<br />
Danach sind dem Antragsteller und seiner Familie Überschreitungen der obigen Lärmrichtwerte<br />
während der vom Senat eingeschränkten Veranstaltungszeiten noch zumutbar, wobei<br />
der Senat davon ausgeht, dass sich diese Überschreitungen aufgrund entsprechender Maßnahmen<br />
der Beigeladenen und der Antragsgegnerin auf die vom Senat im Vergleichsvorschlag<br />
vom 7. Oktober 1996 genannten 10 dB (A) unter Nichtberücksichtigung der besonderen<br />
Zuschläge beschränken. Bei der zur Ermittlung der Zumutbarkeitsgrenze vorzunehmenden<br />
Einzelfallabwägung war vorliegend nämlich zu berücksichtigen, dass die Festveranstaltung<br />
anläßlich der Altstadtkirmes in der derzeitigen Form in einem Festzelt auf dem hier<br />
fraglichen Festplatz zwar einerseits erst seit 1993 veranstaltet wird und das Grundstück des<br />
Antragstellers deshalb nicht traditionell mit der Nachbarschaft dieser Veranstaltung belastet<br />
ist, dass dieses Kirchweihfest mit Kirmes in der Altstadt aber andererseits eine Tradition etwa<br />
seit der Jahrhundertwende hat und offensichtlich nur deshalb nicht mehr wie früher in Tanzsälen<br />
und Gaststätten der Altstadt durchgeführt werden kann und in ein Festzelt auf dem hier<br />
fraglichen Dorfplatz verlegt werden mußte, weil in der Altstadt nur noch eine Gaststätte existiert<br />
und ein anderer, geeigneterer Festplatz, wie möglicherweise der Marktplatz , (noch) nicht<br />
zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass dieses der Pflege der dörflichen Gemeinschaft dienende<br />
Fest nur einmal jährlich und seit 1995 nicht mehr an vier, sondern nur noch an drei<br />
aufeinanderfolgenden Tagen stattfindet (vgl. zur Beschränkung auf drei Tage OVG NW, Urteile<br />
vom 29. Juli 1983 - 4 A 1063/82 - NVwZ 1984 S. 531 f., vom 23. Mai 1985 - 4 A<br />
1645/84 - NVwZ 1986 S. 64 ff. und vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 - NVwZ 1988 S. 178<br />
f.); zudem wird die Altstadtkirmes auch nicht in der Sommerzeit, sondern im Winterhalbjahr<br />
veranstaltet, in dem nicht nur die Neigung der Besucher zum abendlichen Aufenthalt im Umfeld<br />
des Festzeltes, sondern insbesondere auch das Bedürfnis der Anwohner sich abends im<br />
Freien aufzuhalten und ihre Fenster insbesondere nachts geöffnet zu halten, deutlich geringer<br />
sein dürfte als im Sommer (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 2. Juli 1991 a. a. O.). Auch ansonsten<br />
werden auf dem Dorf- bzw. Festplatz keine anderen vergleichbaren Veranstaltungen<br />
durchgeführt, so dass sich die Veranstaltungsdauer hier auf drei Tage im Jahr beschränkt,<br />
während die Lärmimmissionsgrenzwerte der LAI-Hinweise für seltene Störereignisse von<br />
maximal 5 % der Tage oder Nächte eines Jahres, also von 18 Tagen ausgehen (vgl. Ziff. 4.2 a.<br />
a. O. S. 137). Für die Frage der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen sind aber die Dauer, die<br />
zeitlichen Abstände, wie etwa eine Konzentration in der Sommerzeit, und die Häufigkeit der<br />
störenden Ereignisse von erheblicher Bedeutung, so dass vorliegend auch zu berücksichtigen<br />
ist, dass angesichts der aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlichen Bemühungen und der<br />
auch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren abgegebenen Absichtserklärungen der Antragsgegnerin<br />
davon ausgegangen werden kann, dass die Altstadtkirmes möglicherweise<br />
1997, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aber ab 1998 nicht auf dem Festplatz<br />
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in unmittelbarer Nachbarschaft des Wohngrundstücks des Antragstellers stattfinden wird. Die<br />
diesjährige Altstadtkirmes kann unter diesen Voraussetzungen als eine sehr seltene und nahezu<br />
einmalige bzw. letztmalige Veranstaltung angesehen werden, für die die hier zu erwartenden<br />
Überschreitungen des Lärmimmissionsgrenzwertes von 55 dB (A) auch nach 22.00 Uhr<br />
im Interesse der Kontinuität der traditionellen dörflichen Gemeinschaftspflege ausnahmsweise<br />
während der vom Senat vorgegebenen zeitlichen Grenzen noch hingenommen werden können<br />
(vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13. Dezember 1993 - 8 S 1800 /93 - NVwZ-RR<br />
1994 S. 633 (635); Nds. OVG, Urteil vom 15. September 1994 - 7 L 5328/92 - GewArch<br />
1995 S. 173 (175); OVG Bremen, Urteil vom 14. November 1995 - OVG 1 BA 13/95 - GewArch<br />
1996 S. 390 ff.). Mit der gestaffelten zeitlichen Vorverlegung des Endes der Musikdarbietungen<br />
bzw. der Veranstaltung insgesamt am Samstag und Montag, dem 12. und 14.<br />
Oktober 1996, verfolgt der Senat unter Berücksichtigung der zu erwartenden Lärmgrenzwertüberschreitungen<br />
den Zweck, unter Wahrung des typischen Erscheinungsbildes eines dörflichen<br />
Volksfestes, wozu bei einer erwarteten Teilnehmerzahl von 600 bis 700 Personen und<br />
beabsichtigten Tanzveranstaltungen auch laute Musik gehört, dem Antragsteller und seiner<br />
Familie wenigstens durch zeitliche Beschränkungen ein Mindestmaß an Nachtruhe zu sichern<br />
(vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 5. Juni 1990 - 22 CS 90.1522 - GewArch 1990 S. 419 f., Urteil<br />
vom 19. August 1991 - 22 B 88.3570 - GewArch 1992 S. 31). Deshalb soll zwar am<br />
Samstag über Mitternacht hinaus bis sonntags um 2.00 Uhr gefeiert werden dürfen, weil das<br />
Fest an diesem Tage erst abends um 20.00 Uhr beginnt und derartige Feste mit Tanz, Musik<br />
und Geselligkeit an diesem Tage üblicherweise lange andauern und weil am Sonntagmorgen<br />
ausgeschlafen werden kann; andererseits soll die Musik eine Stunde vor dem Veranstaltungsende<br />
eingestellt werden, um die Lautstärke schon zu diesem Zeitpunkt um etwa 10 dB (A) zu<br />
vermindern und die Einhaltung der verkürzten Sperrzeit um 2.00 Uhr zu erleichtern. Da das<br />
Fest am Montag traditionsgemäß bereits um 11.00 Uhr beginnt, der Antragsteller also schon<br />
tagsüber von erheblichen Lärmimmissionen betroffen sein wird, und der nachfolgende<br />
Dienstag ein Werk- bzw. Schultag ist, erscheint es dagegen angemessen, an diesem Abend<br />
spätestens ab 24.00 Uhr eine Nachtruhe zu ermöglichen.<br />
Eine weitergehende zeitliche Beschränkung der lärmverursachenden Altstadtkirmes war auch<br />
nicht nach der Hessischen Gefahrenabwehrverordnung gegen Lärm vom 16. Juni 1993<br />
(GVBl. S. 257) - LärmVO - geboten. Dabei spricht schon viel dafür, dass deren Anwendbarkeit<br />
gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 LärmVO schon deswegen ausgeschlossen ist, weil die vorliegende<br />
Lärmquelle durch Vorschriften des Bau- und Gaststättenrechts abschließend geregelt<br />
ist. Jedenfalls aber kann in der gaststättenrechtlichen Gestattung mit ihren Nebenbestimmungen<br />
die Zulassung einer Einzelfallausnahme gemäß § 9 Abs. 3 LärmVO gesehen werden (vgl.<br />
Hess. VGH, Beschluss vom 29. Juli 1994 - 14 TG 2077/94 -).<br />
Angesichts des sich bei summarischer Prüfung aus dem Akteninhalt ergebenden Verhaltens<br />
der Beigeladenen und der Antragsgegnerin hinsichtlich der Einhaltung der für die letztjährige<br />
Altstadtkirmes festgesetzten Lärmgrenzwerte und Veranstaltungszeiten sah sich der Senat<br />
genötigt, zur Absicherung der durch die teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung<br />
der Widersprüche des Antragstellers geregelten gestaffelten Schlußzeiten die Antragsgegnerin<br />
gemäß § 80 a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO i. V. m. §<br />
172 VwGO bzw. § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 888 ZPO unter Androhung von Zwangsgeld<br />
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zur Überwachung und gegebenenfalls Durchsetzung der Einhaltung dieser Rechtspflichten der<br />
Beigeladenen zu verpflichten (vgl. dazu OVG NW, Beschluss vom 8. September 1992 - 11 B<br />
3495/92 - NVwZ 1993 S. 383 ff.). Der Senat hat demgegenüber im Rahmen seiner Ermessensentscheidung<br />
davon abgesehen, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung<br />
gemäß § 123 Abs. 1 VwGO darüber hinaus unter Androhung eines Zwangsgeldes zu<br />
verpflichten, die der Beigeladenen weiterhin auferlegten Lärmimmissionsgrenzwerte durchzusetzen,<br />
weil der Senat nach den obigen Ausführungen davon ausgeht, dass diese Grenzwerte<br />
bei Wahrung des Charakters der vorliegenden Festveranstaltung nicht eingehalten werden<br />
können und er sich im Rahmen der vorliegenden streitigen Entscheidung rechtlich außerstande<br />
sieht, diese Grenzwerte - etwa in Anlehnung an die vergleichsweise vorgeschlagene<br />
Regelung - zu Lasten des Antragstellers zu verändern. Im übrigen hat die Antragsgegnerin<br />
dem Gericht gegenüber fernmündlich zugesagt, Lärmmessungen durchzuführen und sich gegebenenfalls<br />
um Lärmreduzierung bemühen zu wollen.<br />
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens<br />
nach der auch den § 154 Abs. 3 VwGO verdrängenden Sondervorschrift des § 155 Abs. 5<br />
VwGO wegen Verschuldens je zur Hälfte zu tragen, weil sie durch Nichterfüllung des letztjährigen<br />
Vergleichs den vorliegenden Rechtsstreit um die Altstadtkirmes 1996 schuldhaft<br />
verursacht haben; insoweit sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gemäß § 162<br />
Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig erklärt worden. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens<br />
sind demgegenüber gemäß § 155 Abs. 1 VwGO gegeneinander aufzuheben, weil nicht<br />
nur die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen hinsichtlich der Verwendung<br />
technischer Tonwiedergabegeräte und der Vorverlegung der Sperrzeiten auf 24.00 Uhr am 12.<br />
und 14. Oktober 1996, sondern auch die Beschwerde des Antragstellers hinsichtlich der Beendigung<br />
der Musikdarbietungen am Montag, dem 14. Oktober 1996, um 23.00 Uhr erfolgreich<br />
waren.<br />
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 20 Abs. 3 und § 13 Abs.<br />
1 GKG.<br />
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.<br />
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3. Kammer , Urteil vom 15. Januar 2002 , Az: 3 K 3905/01<br />
ImSchG NW § 9 Abs 2, ImSchG NW § 10 Abs 4<br />
Schutz vor Lärmimmissionen und Schutz der Nachtruhe bei Volksfesten mit Musikdarbietungen,<br />
ImSchG NW §§ 10 Abs 4, 9 Abs 2<br />
Orientierungssatz<br />
1. Soweit in Nordrhein-Westfalen der von Volksfesten ausgehende Lärm durch Anwendung<br />
der Freizeitlärm-Richtlinie vom 11. Oktober 1997 (MBl NW 1997 § 1352) zu bewerten ist,<br />
sind die in dieser Richtlinie vorgegebenen generellen Richtwerte keine abschließende Grenze;<br />
denn die Regelungen des ImSchG NW §§ 10 Abs 4 und 9 Abs 2 haben als Voraussetzung,<br />
dass bestimmte Betätigungen stattfinden dürfen, die geeignet sind, die Nachtruhe zu stören.<br />
2. Die gemäß ImSchG NW §§ 10 Abs 4 und 9 Abs 2 bei Ausnahmen vom Lärmschutz erforderlichen<br />
Auflagen und Bedingungen dienen in erster Linie dem Zweck, auch dann noch in<br />
einem Mindestumfang den berechtigten Interessen betroffener Dritter Rechnung zu tragen,<br />
wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Durchbrechung der Vorschriften zum<br />
Schutz der Nachtruhe erfüllt sind.<br />
3. Die behördliche Vorgabe, die Lautstärke der Musikdarbietungen und Lautsprecherdurchsagen<br />
so zu regeln, dass unbeteiligte Personen nicht in unzumutbarer Weise belästigt werden, ist<br />
nicht hinreichend bestimmt genug, um eine Begrenzung der Belastung der Nachbarschaft zur<br />
Nachtzeit zu gewährleisten.<br />
4. Zur Gewährleistung der Rechte Unbeteiligter kann die Behörde gehalten sein, die Schutzauflagen<br />
zu konkretisieren und einen Abstrahlpegel festzusetzen sowie die Verwendung eines<br />
Schallpegelbegrenzers vorzuschreiben und zu kontrollieren.<br />
Weitere Fundstellen<br />
ZUR 2003, 304 (red. Leitsatz)<br />
Langtext<br />
Tatbestand<br />
Mit Bescheid vom 15. März 2001 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen eine Ausnahmegenehmigung<br />
nach §§ 9 Abs. 3 und 10 Abs. 4 des Landesimmissionsschutzgesetzes<br />
(LImSchG) für die Durchführung eines Schützen- und Heimatfestes auf dem Festplatz und<br />
in einem Festzelt ... in der Zeit von Samstag, 30. Juni 2001, bis Montag, 2. Juli 2001. Die Genehmigung<br />
bezog sich im Hinblick auf den ersten Tag der Veranstaltung auf die Zeit von<br />
15.00 Uhr bis 1.00 Uhr des Folgetages, für den zweiten Tag der Veranstaltung auf die Zeit<br />
von 11.00 Uhr bis 24.00 Uhr und für den dritten Tag auf die Zeit von 15.00 Uhr bis 1.00 Uhr<br />
des Folgetages. Die Erlaubnis enthielt zudem folgende Regelung: "Die Musikdarbietungen<br />
und die Lautsprecherdurchsagen sind in ihrer Lautstärke so zu wählen, dass unbeteiligte Personen,<br />
insbesondere nach 22.00 Uhr, nicht in unzumutbarer Weise belästigt werden. Außerdem<br />
ist Sorge dafür zu tragen, dass nach jeweils drei Musikstücken eine Pause von mindestens<br />
zehn Minuten eingehalten wird."<br />
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en Ausnahmen vom Nachtruheschutz zugelassen würden. Die Ausnahme durch einen bestimmten<br />
Lärmpegel zu begrenzen, erscheine aus mehreren Gründen nicht praktikabel. Technische<br />
Geräte, die eine Begrenzung der Lautstärke auf bestimmte Werte ermöglichten, gebe<br />
es nicht für Musikinstrumente, die ohne Verstärkeranlage betrieben würden. Im Übrigen<br />
müssten sie vor Beginn einer Veranstaltung eingestellt werden. Bereits durch veränderte<br />
Wetterverhältnisse könnten am Bezugspunkt völlig andere Lärmpegel auftreten. Außerdem<br />
sei es kaum möglich, eine Veränderung der einmal vorgenommenen Begrenzung bzw. eine<br />
Umgehung des Begrenzers auszuschließen, ohne die Veranstaltung permanent zu überwachen.<br />
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er führt aus, der Bescheid berücksichtige die Belange<br />
der Anwohner ausreichend. Messungen am Haus ..., das ungefähr auf der Linie der Häuser der<br />
Kläger zu 1. und 2. liege, und vor dem Haus ... hätten bis 23.00 Uhr Pegel von nicht mehr als<br />
45 dB (A) und ab 23.00 Uhr nicht mehr als zwischen 37 und 42 dB (A) ergeben. Lediglich im<br />
Bereich des Eingangs des Sportplatzes neben dem Festplatz sei ein Pegel von 55 dB (A) festgestellt<br />
worden.<br />
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten<br />
Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (einschließlich des Vorgangs<br />
über das Fest vom 1. bis 3. Juli 2000) und der ... ... sowie das Protokoll vom 15. Januar<br />
2002 Bezug genommen.<br />
Entscheidungsgründe<br />
Die zulässige Klage hat nur teilweise Erfolg.<br />
Die Kläger können in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Rechtswidrigkeit<br />
der angefochtenen Genehmigung auch nach ihrer Erledigung geltend machen, weil sie<br />
ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung haben. Dieses ergibt sich hier aus der Gefahr<br />
der Wiederholung in der Zukunft, nachdem der Beklagte darauf hingewiesen hat, er beabsichtige<br />
auch in der Zukunft nicht die Konkretisierung der Schutzauflage etwa durch einen<br />
bestimmten Pegel.<br />
Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet.<br />
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß<br />
§§ 9 Abs. 2, 10 Abs. 4 LImSchG für die Veranstaltung des Beigeladenen lagen vor.<br />
Nach § 9 Abs. 3 Satz 2 LImSchG liegt ein öffentliches Bedürfnis in der Regel vor, wenn eine<br />
Veranstaltung auf historischen, kulturellen oder sonst sozial gewichtigen Umständen beruht<br />
und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber<br />
dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt. Die Genehmigung betrifft ein<br />
Schützenfest, das nach den Feststellungen des Beklagten seit über 70 Jahren stattfindet. Dies<br />
stellt einen hinreichend gewichtigen Umstand dar, der die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung<br />
gemäß §§ 9 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 4 LImSchG rechtfertigt. Das öffentliche Interesse an<br />
der Durchführung der Veranstaltung wird nicht dadurch beseitigt, dass im Laufe der Zeit etwa<br />
einem veränderten Musikgeschmack Rechnung getragen wird. Im Übrigen kann ein öffentliches<br />
Interesse im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 LImSchG auch dann gegeben sein, wenn die<br />
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engeren Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 Satz 2 LImSchG nicht erfüllt sind (vgl. OVG NRW,<br />
Beschluss vom 25. Juli 1996 - 21 B 1741/96 -). Auch der zeitliche Umfang der Veranstaltung<br />
verletzt für sich genommen Rechte der Kläger nicht. Dabei kann davon ausgegangen werden,<br />
dass selbst ohne entsprechende planungsrechtliche Grundlage auf einem von Wohnbebauung<br />
umgebenen Platz eine viertägige Veranstaltung zulässig ist, die im Durchschnitt nicht über<br />
24.00 Uhr hinaus festgesetzt wird, bei einem Schützenfest, das sich auf drei Tage beschränkt,<br />
auch eine jeweils über 24.00 Uhr hinausreichende Veranstaltungszeit noch nicht beanstandet<br />
werden kann (vgl. BVerwG, NVwZ 1989, 755 und OVG NRW, NVwZ 1988, 178).<br />
Anhaltspunkte für eine unzumutbare Lärmeinwirkung zur Tageszeit hatte der Beklagte<br />
nicht zu berücksichtigen. Indessen waren die Nebenbestimmungen in den Bescheiden vom<br />
15. März und 15. Juni 2001 nicht in einer Weise gefasst, die geeignet war, dem nach nicht zu<br />
beanstandender Auffassung des Beklagten und der Widerspruchsbehörde Beachtung verlangenden<br />
Schutzbedürfnis der Anwohner zur Nachtzeit im Hinblick auf die Musikdarbietungen<br />
und Lautsprecherdurchsagen hinreichend Rechnung zu tragen. Die Vorgabe, Musikdarbietungen<br />
und Lautsprecherdurchsagen seien in ihrer Lautstärke so zu wählen, dass unbeteiligte<br />
Personen nicht in unzumutbarer Weise belästigt werden, war nicht hinreichend bestimmt genug,<br />
um eine Begrenzung der Belastung der Nachbarschaft zur Nachtzeit zu gewährleisten.<br />
Hierzu erfolgte zwar die ergänzende Anordnung, die Lautstärke der Musikdarbietungen sei ab<br />
22.00 Uhr entsprechend dem Vertrag mit der Musikgruppe deutlich zu reduzieren. Der Vertrag<br />
sieht in diesem Zusammenhang aber wiederum lediglich vor: "Lautstärke ab 22.00 Uhr<br />
total reduzieren (BASS)". Gegen die Eignung einer solchen Anordnung sprach hier, dass es<br />
nach Auffassung der Widerspruchsbehörde im Jahre 2000 zu Verstößen gegen immissionsschutzrechtliche<br />
Auflagen gekommen war. Zumindest sprechen die Feststellungen des Beklagten<br />
im Jahr 2000 für die Gefahr, dass durch die Musikdarbietungen in der Zeit ab 22.00<br />
Uhr Belastungen durch Lärm auftreten konnten, die der Beklagte verhindern wollte. Der Beklagte<br />
hatte im Jahre 2000 noch in einer Entfernung von 150 m einen Wirkpegel von 55 dB<br />
(A) ohne Musikdarbietungen festgestellt und in einem Abstand von 380 m einen Wirkpegel<br />
von 52 dB (A). Für die Bewertung der Lärmeinwirkungen kann auf die sogenannte Freizeitlärm-Richtlinie<br />
(vgl. Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft<br />
vom 11. Oktober 1997, MBl.NRW S. 1352) zurückgegriffen werden.<br />
Die dortigen Hinweise gelten insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im<br />
Freien Diskothekenveranstaltungen, Volksfeste o.ä. stattfinden. Dabei können allerdings die<br />
generell einzuhaltenden Richtwerte keine abschließende Grenze darstellen, weil § 10 Abs. 4<br />
und § 9 Abs. 2 LImSchG gerade voraussetzen, dass bestimmte Betätigungen stattfinden sollen,<br />
die die Nachtruhe zu stören geeignet sind bzw. geeignet sind, unbeteiligte Personen zu<br />
belästigen. Es kann offen bleiben, wo hier etwa ein sachgerechter Wert hätte angesetzt werden<br />
können, etwa bei dem nach Ziffer 4.4 a) der Richtlinie bei dem um 10 dB (A) erhöhten generellen<br />
Richtwert für allgemeine Wohngebiete oder noch darüber. Jedenfalls war es nicht folgerichtig,<br />
auf eine nähere Regelung zum Ausmaß der Lärmbeeinträchtigung zu verzichten.<br />
Die Bedingungen und Auflagen, die §§ 9 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 4 Satz 2 LImSchG ermöglichen,<br />
sollen gerade dazu dienen, auch dann noch in einem Mindestumfang den berechtigten<br />
Interessen betroffener Dritter Rechnung zu tragen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen<br />
für eine Durchbrechung der Vorschriften zum Schutz der Nachtruhe erfüllt sind. In diesem<br />
Zusammenhang verweist etwa die Freizeitlärm-Richtlinie darauf, dass Lautsprecher und<br />
ähnliche Einrichtungen in ihrer Lautstärke begrenzt werden können und hierfür Begrenzer<br />
vorgeschrieben werden können, die die Einhaltung der entsprechenden Immissionsrichtwerte<br />
ermöglichen. Der Beklagte und die Widerspruchsbehörde sehen einerseits das Bedürfnis zu<br />
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einer Begrenzung der Belastung durch Musikdarbietungen zur Nachtzeit. Andererseits hält<br />
der Beklagte genauere Festsetzungen für ungeeignet, weil er den Charakter der Veranstaltung<br />
gefährdet sieht und die Umgehung einer Begrenzungseinrichtung für nicht ausgeschlossen<br />
hält. Selbst wenn etwa ein Richtwert von 50 dB (A) tatsächlich nicht ohne Beeinträchtigung<br />
des Charakters der Festveranstaltung mit Tanz einhaltbar sein sollte, stünde dies einer Regelung<br />
des Abstrahlpegels nicht gänzlich entgegen. Dass hier Musikinstrumente ohne eine Verstärkeranlage<br />
betrieben werden sollten, was nach Auffassung des Beklagten einer Pegelbegrenzung<br />
entgegengestanden hätte, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Hiergegen spricht die<br />
Anforderung nach einem Stromanschluss mit bestimmten Leistungsdaten in dem Vertrag mit<br />
der Musikgruppe. Mit maßgeblichen meteorologischen Unsicherheiten bei der Einmessung<br />
der Anlage war hier nicht zu rechnen. Dies wäre nach Auskunft des Landesumweltamtes erst<br />
bei einem Abstand von 200 m der Fall. Das Landesumweltamt hat überdies mitgeteilt, dass es<br />
Schallpegelbegrenzer gibt, die gegen Manipulationen gesichert werden können. Der Umstand<br />
allein, dass die Möglichkeit besteht, auch einen solchen gegen Manipulationen gesicherten<br />
Pegelbegrenzer aus der Anlage herauszunehmen, spricht jedenfalls dann nicht gegen eine entsprechende<br />
Anordnung, wenn zugleich für Kontrollen gesorgt wird.<br />
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Das Begehren der Kläger war auch<br />
in der mündlichen Verhandlung auf Feststellung der vollständigen Rechtswidrigkeit der Genehmigung<br />
gerichtet. Anlass, einem der Beteiligten die Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen,<br />
besteht nicht, weil dieser sich nicht durch das Stellen eines Sachantrages dem Kostenrisiko<br />
des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.<br />
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711<br />
ZPO.<br />
Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO<br />
liegen nicht vor.<br />
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nem Wohnhaus entfernt aufgestellten Festzelt auf dem hier fraglichen Dorfplatz, auf dem jeweils<br />
außer dem Festzelt auch zwei Karussells und Buden aufgestellt wurden.<br />
Im August 1995 beantragte der Kläger erstmals bei dem Verwaltungsgericht Gießen die Gewährung<br />
einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel, die Altstadtkirmes auf dem Dorfplatz<br />
ganz zu verhindern oder jedenfalls auf ein für ihn erträgliches Maß zu beschränken, weil ein<br />
Festplatz in dem allgemeinen Wohngebiet schon planungsrechtlich nicht zulässig und dafür<br />
auch keine Baugenehmigung erteilt worden sei, und weil die Altstadtkirmes aufgrund der unzumutbaren<br />
Lärmbelästigung gegen die Hess. Lärmschutzverordnung und das Bundesimmissionsschutzgesetz<br />
verstoße. Mit Beschluß vom 27.09.1995 - 8 G 1275/95(1) - setzte die erkennende<br />
Kammer im Wege der einstweiligen Anordnung für Musikveranstaltungen bei der<br />
Altstadtkirmes in Anwendung der sogenannten LAI-Hinweise Lärmgrenzwerte für seltene<br />
Störereignisse von tagsüber 70 dB(A) und nachts ab 22.00 Uhr von 55 dB(A) fest und lehnte<br />
den Antrag im übrigen ab. Im Rahmen des dagegen von beiden Parteien eingeleiteten Beschwerdeverfahrens<br />
schlug der zuständige 14. Senat mit Beschluß vom 05.10.1995 - 14 TG<br />
3325/95 - eine von beiden Parteien angenommene vergleichsweise Regelung vor, in der sich<br />
die Beklagte verpflichtete, der die Veranstaltung durchführenden Gastwirtin Auflagen aufzuerlegen,<br />
deren Einhaltung zu überwachen und ggf. durchzusetzen. Danach sollte am Freitag,<br />
an dem bisher im Zelt jeweils eine Techno-Disco abgehalten worden war, auf dem Festplatz<br />
keine Veranstaltung stattfinden, ferner die Veranstaltungszeit an den folgenden Tagen von<br />
Samstag bis Montag zeitlich begrenzt und im übrigen die bereits von der Kammer festgesetzten<br />
Lärmrichtwerte um bestimmte Zuschläge ergänzt werden.<br />
Diese Vergleichsregelungen übernahm die Beklagte als Auflage in die der die Veranstaltung<br />
durchführenden Gastwirtin erteilte gaststättenrechtliche Gestattung vom 06.10.1995 für den<br />
Betrieb ihres Festzeltes anläßlich der vom 07.- 09.10.1995 geplanten Altstadtkirmes. Lärmmessungen<br />
nahm die Beklagte aber nicht vor, weil sie sich dazu aufgrund des gerichtlichen<br />
Vergleichs nicht verpflichtet fühlte. Der Kläger ließ durch einen öffentlich bestellten und vereidigten<br />
Sachverständigen in seinem Wohnhaus während der Altstadtkirmes 1995 samstags<br />
und montags Lärmimmissionsmessungen durchführen, die deutliche Überschreitungen sowohl<br />
der Tages- als auch der Nachtgrenzwerte ergaben. Daraufhin forderte er die Beklagte im<br />
Januar 1996 zur Abgabe einer verbindlichen Erklärung auf, das fragliche Nachbargrundstück<br />
nicht mehr als Festplatz zu nutzen.<br />
Die Beklagte lehnte dies ab und stellte in einem verwaltungsinternen Vermerk vom<br />
22.02.1996 fest, daß die Festsetzung und Durchsetzung der fraglichen Lärmgrenzwerte "völlig<br />
illusorisch" sei.<br />
Am 14.08.1996 beantragte der Kläger gegen die Altstadtkirmes 1996 bei dem Verwaltungsgericht<br />
Gießen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (8 G 1221/96(1)).<br />
Mit Bescheiden vom 21.08.1996 erteilte die Beklagte der die Festveranstaltung durchführenden<br />
Gastwirtin eine gaststättenrechtliche Gestattung für den Betrieb ihres Festzeltes anläßlich<br />
der vom 12.-14.10.1996 geplanten Altstadtkirmes und setzte die Veranstaltungs- bzw.<br />
Sperrzeiten und Lärmgrenzwerte wiederum entsprechend dem gerichtlichen Vergleich des<br />
Hess. Verwaltungsgerichtshofes vom 05.10.1995 fest. Mit Bescheid vom 29.08.1996 ordnete<br />
sie die sofortige Vollziehung dieser Bescheide an, weil an der sofortigen Durchführung der<br />
traditionellen Altstadtkirmes ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe, zumal dem<br />
Interesse des Klägers durch die Auflagen ausreichend Rechnung getragen worden sei.<br />
61<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Mit Beschluß vom 10.09.1996 stellte die erkennende Kammer die aufschiebende Wirkung des<br />
Widerspruchs teilweise wieder her.<br />
Aufgrund der von allen Beteiligten eingelegten Beschwerden hiergegen änderte der<br />
Hess.VGH am 08.10.1996 den Beschluß der erkennenden Kammer vom 10.09.1996 ab und<br />
stellte gegenüber dem Beschluß der Kammer in zeitlicher und die Lärmgrenzwerte betreffender<br />
Hinsicht strengere Anforderungen auf. Zugleich gestattete der Hess.VGH (14 TG<br />
3852/96) allerdings die Verwendung technischer Tonwiedergabegeräte - anders als die erkennende<br />
Kammer in ihrem Beschluß vom 10.09.1996.<br />
Am 07.05.1996 hat der Kläger Klage erhoben, die er im wesentlichen mit denselben Argumenten<br />
wie in den zuvor durchgeführten Eilverfahren (8 G 1275/95(1) und 8 G 1221/96(1))<br />
begründet. Er macht im wesentlichen geltend, die Beklagte habe für den Festplatz keine Baugenehmigung<br />
erhalten, so daß die Nutzung des Dorfplatzes als Festplatz nicht zulässig sei.<br />
Die Beklagte halte sich im übrigen weder an die festgesetzten Immissionszeiten noch an die<br />
Immissionsgrenzwerte. Vielmehr würden diese durchgängig drastisch überschritten. Sogar<br />
nach 22.00 Uhr lägen die Immissionswerte noch über den höheren Werten, die für die Zeit bis<br />
22.00 Uhr festgesetzt worden seien; von einer Reduzierung ab 22.00 Uhr könne nicht im geringsten<br />
die Rede sein, wie das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten des öffentlich bestellten<br />
und vereidigten Sachverständigen Dipl-Ingenieur K.H. B..., bei dessen entsprechender<br />
Messung ergeben habe. Auch während der Musikpausen seien die festgesetzten Immissionsgrenzwerte<br />
von 55 dB(A) bzw. 65 dB(A) permanent überschritten worden. Dies zeige, daß<br />
alleine schon die von der Menschenansammlung ausgehende Lärmbelästigung ohne Kapelle<br />
zu einer nach der maßgeblichen Freizeitlärmrichtlinie nicht hinnehmbaren Nachbarbelastung<br />
führe. Abgesehen davon seien sogar den Kläger schmähende Lieder im Festzelt gesungen<br />
worden. Die Beklagte sei nicht im geringsten gewillt, übernommene Grenzwerte zu respektieren<br />
und weiterzugeben. Sie fühle sich für nichts zuständig und lasse die Dinge unkontrolliert<br />
ihren Lauf nehmen. Darüber hinaus habe auch die von der Beklagten durchgeführten Messung<br />
im Rahmen der Festveranstaltung im August 1996 ergeben, daß die festgesetzten Werte nicht<br />
eingehalten worden seien, weshalb die Untersagung des gesamten Festes geboten sei.<br />
Der Kläger beantragt,<br />
I. der Beklagten zu untersagen, den "Dorfplatz K....Weg 25" in S....für Festveranstaltungen<br />
jeder Art, wie beispielsweise Kirchweihfest, Kirmes, Dämmerschoppen und ähnliches,<br />
zu nutzen und/oder durch Dritte nutzen zu lassen,<br />
hilfsweise:<br />
der Beklagten zu untersagen, den "Dorfplatz K.... Weg 25" in S.... für Festveranstaltungen<br />
jeder Art (Kirchweihfest, Kirmes, Dämmerschoppen und ähnliches), bei denen auch Musikdarbietungen,<br />
sei es durch Kapellen oder technische Tonwiedergabegeräte und Restauration<br />
durch gaststättenartigen Ausschank alkoholischer Getränke, sei es in Festzelten oder in offener<br />
Veranstaltung, stattfinden, zu nutzen und/oder durch Dritte nutzen zu lassen,<br />
weiter hilfsweise:<br />
die Beklagte zu verpflichten, bei Abhaltung und/oder Zulassung von Festveranstaltungen auf<br />
dem "Dorfplatz K.... Weg 25" in S.... folgende Immissionszeiten und Immissionsgrenzwerte<br />
62<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
"wesentlich" vgl. BVerwGE 79, 254 , 257 ff.; 81, 197, 200; NVwZ 1991, 886; Bay.VGH,<br />
NwVZ 1993, 1006; VGH Bad-Würt., VBlBW 1996, 108; BVerwG, BayVBl 1996, 634, 635<br />
lSp). Erreichen Nachteile oder Belästigungen den Grad des "Erheblichen", überschreiten sie<br />
damit zugleich das Maß der Zumutbarkeit (OVG NRW, NVwZ 1983, 356, 357; BayVGH,<br />
NVwZ 1993, 1006 f.; Nds. OVG, GewArch 1995, 173, 174; BVerwG, BayVBl 1996, 634,<br />
635), wobei auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und nicht auf die<br />
individuelle Einstellung eines besonders empfindlichen Nachbarn abzustellen ist ( BVerwGE<br />
50, 49 , 55; 68, 62, 67; OVG Rh.-Pf., NVwZ 1990, 275, 280; BGH, NJW 1993, 925, 929;<br />
Jarass, a.a.O., Rdnr. 37, 39 zu § 3). Die Bestimmung der maßgeblichen Erheblichkeitsschwelle<br />
kann allerdings nicht anhand allgemeingültiger Maßstäbe beurteilt werden, sondern<br />
ist aufgrund einer auf die konkrete Situation bezogenen, auf Ausgleich der Interessen angelegten<br />
Abwägung zu ermitteln, in deren Rahmen die konkreten Gegebenheiten zum einen der<br />
emittierenden und zum anderen der immissionsbetroffenen Nutzung in Betracht zu ziehen<br />
sind (vgl. BVerwGE 79, 254 , 260; 81, 197, 200; 88, 143, 145; VGH Bad-Württ., NVwZ<br />
1994, 920, 924 rSp; Nds. OVG, a.a.O.). Von diesen Grundsätzen ist die erkennende Kammer<br />
bereits in anderen Entscheidungen, die die Aufstellung von Wertstoffcontainern betrafen,<br />
ausgegangen (VG Gießen, NwVZ - RR 1996, 571, 572 f. = GewArch 1997,38 ff.; U. v.<br />
21.02.1996, 8 E 1654/93(1), S. 10 f. UA).<br />
c) Unter Berücksichtigung der sonach gebotenen konkreten und individuellen Beurteilung der<br />
mit der Festplatznutzung der Altstadtkirmes zusammenhängenden Immissionen vermag der<br />
Kläger mit seinem Hauptantrag (vollständige Untersagung) und mit seinem ersten Hilfsantrag<br />
(Hilfsantrag zu I 2, Untersagung jeglicher Musikdarbietung) nicht durchzudringen, während<br />
er mit seinem zweiten Hilfsantrag (zu I 3, Begrenzung der Lärmwerte ) teilweise erfolgreich<br />
ist. Bei der vorzunehmenden Bewertung der Interessen der Beteiligten in dem hier zu entscheidenden<br />
Einzelfall erscheint nämlich das Maß dessen, was an Lärm der Altstadtkirmes<br />
auf das Grundstück des Klägers einwirken kann, unter Beachtung der im Urteilstenor unter 1.<br />
ausgesprochenen Beschränkungen auf bestimmte dB(A)-Werte, für den Kläger zumutbar.<br />
Auszugehen ist zunächst davon, daß es normative Vorgaben für die rechtliche Beurteilung<br />
von Freizeitlärm nicht gibt. Die erkennende Kammer berücksichtigt in solchen, den Immissionsschutz<br />
betreffenden Fällen, in denen gesetzliche Regeln nicht vorhanden sind, ebenso wie<br />
die sonstige Rechtsprechung der allgemeinen Verwaltungsgerichte (vgl. z.B. VGH Bad.-<br />
Württ., GewArch 1985, 136, 137; Bay.VGH, NVwZ 1993, 1006 m.w.N.; NJW 1997, 1181,<br />
1182) die einschlägigen technischen Regelwerke, die unter sachverständiger Beratung der<br />
Fachöffentlichkeit erarbeitet worden sind, als Orientierungsrahmen. Aus diesem Grunde zieht<br />
die erkennende Kammer in Übereinstimmung mit der übrigen Rechtsprechung (vgl. z.B.<br />
VGH Bad-Würt., NVwZ - RR 1994, 633, 634; VBlBW 1996, 108, 109; siehe auch Nds.<br />
OVG, GewArch 1995, 173, 174; OVG Bremen, GewArch, 1996, 390, 391; Bay.VGH, NJW<br />
1997, 1181, 1182) und dem zuständigen Senat des Hess. VGH (vgl. z.B. die die Beteiligten<br />
betreffende Eilentscheidung vom 08.10.1996, 14 TG 3852/96, GewArch 1997, 162 ff. bei der<br />
Beurteilung der Lärmimmission , die von kommunalen Festveranstaltungen ausgehen, die<br />
entsprechenden Hinweise des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI-Hinweise,<br />
NVwZ 1988, 135 ff.; Neufassung: NVwZ 1997, 469 ff.) als wesentlich für die Beurteilung der<br />
Frage der Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Einzelfalles<br />
heran (vgl. auch BVerwGE 88, 143 , 145). Danach ist vorliegend ein sogenanntes seltenes<br />
Störereignis anzunehmen. Ein solches liegt nach 4.2 der LAI-Hinweise 1988 vor, wenn nicht<br />
mehr als max. 5 % der Tage oder Nächte eines Jahres bzw. an 10 Tagen (4.4 der LAI-<br />
Hinweise 1997) eine Veranstaltung stattfindet. Davon ist hier auszugehen, denn die Altstadt-<br />
66<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
kirmes ist bislang die einzige auf dem Festplatz durchgeführte Veranstaltung. Aus diesem<br />
Grunde hält die Kammer die in 4.2 der LAI-Hinweise vorgegebenen dB(A)-Werte für angemessen,<br />
so daß der Beurteilungspegel - mit Ausnahme des Samstags - während der Tageszeit<br />
(6.00 - 22.00 Uhr) 70 dB(A) - Maximalpegel 90 dB(A) - und während der lautesten Nachtzeit<br />
(22.00 Uhr - 6.00 Uhr) 55 dB(A) - Maximalpegel 65 dB(A) betragen darf. Die erkennende<br />
Kammer hält es im vorliegenden Einzelfall nicht für angebracht, Zuschläge für den Schutz<br />
ruhebedürftiger Zeiten (vgl. 3.3. der LAI-Hinweise 1988 und 4.2. der LAI-Hinweise 1997) zu<br />
berücksichtigen, da die Altstadtkirmes bislang die einzige Festveranstaltung ist, dem Kläger<br />
mithin die in 4.2 der LAI-Hinweise 1988 bzw. 4.4 der LAI-Hinweise 1997 genannten Werte<br />
ohne Zuschläge zumutbar erscheinen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang vorgetragen<br />
hat, ihr sei es nicht möglich, die vorgegebenen Werte von 55 dB(A) nachts und 70<br />
dB(A) am Tage einzuhalten, ist dies für die erkennenden Kammer nicht nachvollziehbar. Zu<br />
berücksichtigen ist nämlich einerseits, daß Musikveranstaltungen und damit die Hauptursache<br />
der Lärmemissionen , nur bis 22.00 Uhr an den beiden fraglichen Tagen gestattet sind, mithin<br />
die Immissionsbelastung durch Musik zeitlich eingeschränkt ist. Andererseits ist die Beklagte<br />
gehalten, durch entsprechende Messungen und Kontrollen die Lärmimmissionen zu begrenzen.<br />
Für den Kläger ist es nach Auffassung der erkennenden Kammer auch zumutbar, an nur einem<br />
Tag der Altstadtkirmes deutlich höhere Beurteilungspegel hinzunehmen, nämlich am<br />
Samstag bis Sonntagnacht 1.00 Uhr 75 dB(A) - Maximalpegel 80 dB(A). Hierfür ist im vorliegenden<br />
Einzelfall ausschlaggebend, daß es sich bei der Altstadtkirmes entgegen der Ansicht<br />
des Klägers um eine Traditionsveranstaltung handelt. Der Traditionscharakter ergibt sich<br />
vorliegend schon daraus, daß die Kirmesveranstaltungen einschließlich der ab 1993 durchgeführten<br />
stets zur gleichen Zeit, nämlich am 2. Sonntag nach dem 29.09., dem Fest des Heiligen<br />
Michael, abgehalten wurden bzw. werden. Auch wenn die Altstadtkirmes zunächst an<br />
einem anderen Ort, wenngleich in unmittelbarer Nähe, stattfand, so wird sie doch inzwischen<br />
ausschließlich und ohne ihren Charakter geändert zu haben, auf dem Dorfplatz durchgeführt.<br />
Es ist weiterhin zu berücksichtigen, daß die Altstadtkirmes bislang stets von einer Vielzahl<br />
von Personen besucht wurde, mithin von einem Großteil der S..... Bevölkerung gewünscht<br />
wird und daher dem entsprechenden Kommunikationsbedürfnis und der Neigung der Bevölkerung,<br />
bei solchen Festivitäten zu tanzen, in zeitlicher Hinsicht und durch die Gestattung<br />
elektronisch verstärkter Musik als Ausdruck des im Laufe der Zeit gewandelten Musikverständnisses<br />
Rechnung getragen werden muß. Bei solchen Veranstaltungen, die zu den typischen<br />
Erscheinungsformen des gemeindlichen Lebens gehören, ist daher ein entsprechendes<br />
Fest von Samstag bis in die Nachtstunden 1.00 Uhr des Sonntags hinzunehmen, zumal - worauf<br />
auch der Hess. Verwaltungsgerichtshof in seinem letzten die Parteien betreffenden Eilverfahren<br />
vom 08.10.1996 mit Recht hingewiesen hat, am Sonntagmorgen grundsätzlich ausgeschlafen<br />
werden kann. Da es hierbei praktisch nur um wenige Stunden im Jahr geht, sind für<br />
den Kläger als Ausnahme Überschreitungen der allgemeinen Lärmorientierungswerte hinnehmbar.<br />
Dies gilt vorliegend um so mehr, als an den beiden anderen Festtagen ein Ausgleich<br />
durch die zeitliche Beschränkung der Veranstaltung auf 24.00 Uhr und eine Beschränkung der<br />
musikalischen Darbietung auf 22.00 Uhr vorgesehen ist. Die erkennende Kammer schließt<br />
sich damit dem Hess.VGH an, der in seiner das letzte Eilverfahren der Beteiligten betreffenden<br />
Entscheidung (Beschluß vom 08.10.1996) ausgeführt hat, daß Überschreitungen der zulässigen<br />
dB(A)-Werte an einem Festtag durch einschränkende Maßnahmen an einem anderen<br />
Festtag ihren Ausgleich zu finden in der Lage sind. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß Festveranstaltungen<br />
dieser Art traditionsgemäß bis in die Nachtstunden dauern. Will man solche<br />
Festivitäten mit Rücksicht auf ihren Traditionscharakter und ihre Sozialadäquanz wegen des<br />
67<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
großen Interesses der Bevölkerung und der insoweit bestehenden Daseinsvorsorge der Gemeinden<br />
und unter Berücksichtigung dessen, daß sie - wie hier - nur singulär vorkommen,<br />
nicht gänzlich untersagen, hält es die Kammer ausnahmsweise für angemessen, daß an einem<br />
Tag einschließlich der Nachtstunden höhere Lärmwerte hingenommen werden müssen. Im<br />
Rahmen einer mehrtägigen Festveranstaltung ist einem betroffenen Nachbarn zumindest an<br />
einem Tag bis in die Nachtstunden des folgenden auch ein höherer Lärmwert zuzumuten als<br />
die LAI-Hinweise vorgeben, wenn die Veranstaltung - wie hier - ansonsten weitgehend die<br />
einzige bleibt. Zwar entstehen die höheren Lärmwerte in der Regel durch die musikalischen<br />
Darbietungen mit Verstärkeranlagen, und der Kammer sind auch Musikrichtungen bekannt,<br />
die eine Elektronik nicht benötigen. Bei Veranstaltungen der vorliegenden Art, die auch die<br />
Möglichkeit zum Tanz bieten wollen, scheinen Verstärkeranlagen aber weitgehend unabdingbar<br />
zu sein, um die notwendige "Tanzatmosphäre" zu erzeugen. Bei den im Tenor festgesetzten<br />
Grenzwerten, die für Samstag- auf Sonntagnacht vorgegeben wurden, hat die erkennende<br />
Kammer daher die realistischen Lärmgrößen , wie sie in den Vorjahren anläßlich der Altstadtkirmes<br />
auftraten, mit herangezogen. Für die Veranstaltung im Oktober 1995 hat der von<br />
dem Kläger beauftragte Sachverständige bei den Musikdarbietungen am Samstag einen Mittelungspegel<br />
von 75 dB(A) und einen Maximalpegel von 84,1 dB(A) festgestellt, und die von<br />
der Beklagten beauftragte Gesellschaft für Schalltechnik und Arbeitsschutz mbH - GSA Limburg<br />
- hat für das Fest im Oktober 1996 als höchsten Wert 73,0 dB(A) und Maximalpegel<br />
80,6 dB(A) - jeweils Takt-Maximalpegel - gemessen. Bei entsprechenden Anstrengungen und<br />
Kontrollen durch die Beklagte sind daher die Beurteilungspegel von 75 dB(A) und maximal<br />
80 dB(A) ohne weiteres durchsetzbar. Eventuelle Überschreitungen können auch hier notfalls<br />
durch längere Musikpausen ausgeglichen werden. Dabei ist der erkennenden Kammer bewußt,<br />
daß die Handhabung der Lärmwerte für die Beklagte nicht ganz einfach sein dürfte.<br />
Gerade auf diese Schwierigkeiten hat die Kammer aber in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.<br />
Mittels entsprechender Meßgeräte ist jedoch die Einhaltung der Lärmwertvorgaben<br />
möglich.<br />
3. Soweit der Kläger im Rahmen seines dritten Hilfsantrages zugleich begehrt, daß grundsätzlich<br />
weitere Festveranstaltungen, d.h. solche, die über die Altstadtkirmes hinausgehen,<br />
untersagt werden sollen, kann dieses Begehren deswegen nicht zum Erfolg führen, weil ein<br />
entsprechendes qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für eine vorbeugende Unterlassungsklage<br />
insoweit nicht vorliegt. Denn weitere Rechtsverletzungen drohen diesbezüglich nicht. Zwar<br />
haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt,<br />
daß andere Veranstaltungen auf dem Festplatz denkbar seien; konkrete Veranstaltungen wurden<br />
aber weder benannt noch in naher Zukunft bzw. überhaupt in Aussicht gestellt, so daß es<br />
dem Kläger zumutbar erscheint, im einzelnen weitere Veranstaltungen abzuwarten und ggf.<br />
diese anzugreifen.<br />
Die Kammer hält es im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren nicht für notwendig, hinsichtlich<br />
evtl. weiterer Festveranstaltungen Vorgaben zu machen, weist aber in diesem Zusammenhang<br />
darauf hin, daß in den Fällen, in denen Veranstaltungen am Tag oder in der<br />
Nacht mit bedeutsamen Lärmwerten geplant sind, unter Umständen ein strenger Maßstab an<br />
die Höhe des Beurteilungspegels der weiteren Festivität bzw. der Altstadtkirmes anzulegen<br />
sein wird.<br />
4. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Beklagte bei den vorangegangenen Veranstaltungen<br />
der Altstadtkirmes bislang keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hat, die<br />
Lärmrichtwerte einzuhalten, war gem. § 167 VwGO i.V.m. § 890 ZPO für den Fall der Zuwi-<br />
68<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
derhandlung ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, auszusprechen. Die Androhung<br />
soll möglichst frühzeitig Druck auf den Schuldner ausüben, so daß sie auch in dem die Verpflichtung<br />
aussprechenden Urteil angeordnet werden kann. Hinsichtlich der Höhe wurde der<br />
gesetzliche Rahmen, den § 890 Abs. 1 ZPO vorsieht, d.h Androhung eines Ordnungsgeldes<br />
bis zu einem Betrag von 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zugrundegelegt.<br />
Die Kammer weist aber darauf hin, daß sie sich bei evtl. Verstößen im wesentlichen<br />
an der Höhe des in § 172 VwGO genannten Betrages orientieren wird.<br />
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 VwGO, wobei davon auszugehen ist, daß Kläger<br />
und Beklagte jeweils zur Hälfte unterlegen waren. Die weitere Nebenentscheidung folgt aus §<br />
167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.<br />
69<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Bundesimmissionsgesetz<br />
- Auszug -<br />
BImSchG § 3 Begriffsbestimmungen<br />
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach<br />
Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen<br />
für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.<br />
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden,<br />
das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen,<br />
Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.<br />
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen,<br />
Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.<br />
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung<br />
der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe<br />
oder Geruchsstoffe.<br />
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind<br />
1. Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,<br />
2. Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen<br />
sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und<br />
3. Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten<br />
durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen<br />
öffentliche Verkehrswege.<br />
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich,<br />
in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nr. 4 der Richtlinie 96/82/EG des Rates<br />
vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen<br />
Stoffen (ABl. EG 1997 Nr. L 10 S. 13) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich<br />
gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen und Tätigkeiten einschließlich Lagerung im<br />
Sinne des Artikels 3 Nr. 8 der Richtlinie in den in Artikel 2 der Richtlinie bezeichneten Mengen<br />
tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit davon<br />
auszugehen ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei einem außer Kontrolle geratenen<br />
industriellen chemischen Verfahren anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 4 der Richtlinie<br />
96/82/EG angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten.<br />
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher<br />
Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme<br />
zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit,<br />
zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur<br />
Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines<br />
allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der<br />
Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die im Anhang aufgeführten Kriterien<br />
zu berücksichtigen.<br />
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige<br />
Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich<br />
dieses Gesetzes gleich.<br />
Fußnoten<br />
70<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Neugefasst durch Bek. v. 26.9.2002 I 3830<br />
BImSchG § 22 Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen<br />
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass<br />
1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der<br />
Technik vermeidbar sind,<br />
2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf<br />
ein Mindestmaß beschränkt werden und<br />
3. die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt<br />
werden können.<br />
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch<br />
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder<br />
einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5<br />
Abs. 1 Nr. 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und<br />
nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung<br />
des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen<br />
Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche gerichtet ist.<br />
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.<br />
Fassung vom 26. September 2002, gültig ab 18. September 2002<br />
71<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Gesetz zum Schutz vor Luftverunreinigungen,<br />
Geräuschen und ähnlichen Umwelteinwirkungen<br />
(Landes-Immissionsschutzgesetz - LImschG - NRW)<br />
-Auszug -<br />
Vom 18. März 1975 1<br />
GV. NRW. 1975 S. 232, geändert durch Art. 20 2. FRG v. 18. 9. 1979 (GV. NRW. S. 552),<br />
Gesetz v. 19. 3. 1985 (GV. NRW. S. 292), 7. 3. 1990 (GV. NRW. S. 202), 26. 5. 1992 (GV.<br />
NRW. S. 214), Art. 2 d. 1. VwStrukturRG v. 15. 12. 1993 (GV. NRW. S. 987), geändert<br />
durch Artikel 82 d. EuroAnpG NRW v. 25.9.2001 (GV. NRW. S. 708).<br />
Textnachweis vom : 1.1.2003, Geltungsende: 31. Mai 2004<br />
§ 9 Schutz der Nachtruhe<br />
(1) Von 22 bis 6 Uhr sind Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet<br />
sind.<br />
(2) Das Verbot des Absatzes 1 gilt nicht für<br />
1.<br />
Ernte- und Bestellarbeiten zwischen fünf und sechs Uhr sowie zwischen 22 und 23 Uhr,<br />
2.<br />
den Betrieb von Anlagen, die aufgrund einer Genehmigung nach dem Bundes-<br />
Immissionsschutzgesetz, einer Planfeststellung nach dem Abfallgesetz oder dem Bundesberggesetz<br />
(BBergG) oder aufgrund eines zugelassenen Betriebsplanes nach dem Bundesberggesetz<br />
betrieben werden, und<br />
3.<br />
Maßnahmen zur Verhütung oder Beseitigung eines Notstandes.<br />
Darüber hinaus kann die nach § 14 zuständige Behörde auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot<br />
des Absatzes 1 zulassen, wenn die Ausübung der Tätigkeit während der Nachtzeit im öffentlichen<br />
Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten ist; die Ausnahme<br />
kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden.<br />
(3) Bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse<br />
können die Gemeinden für Messen, Märkte, Volksfeste , Volksbelustigungen, ähnliche Veranstaltungen<br />
und für Zwecke der Außengastronomie sowie für die Nacht vom 31. Dezember<br />
zum 1. Januar durch ordnungsbehördliche Verordnung allgemeine Ausnahmen von dem Verbot<br />
des Absatzes 1 zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung<br />
auf historischen, kulturellen oder sonst sozialgewichtigen Umständen beruht und<br />
deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber<br />
dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt.<br />
§ 10 Benutzung von Tongeräten<br />
72<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
(1) Geräte, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen (Musikinstrumente, Tonwiedergabegeräte<br />
und ähnliche Geräte), dürfen nur in solcher Lautstärke benutzt werden, daß<br />
unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden.<br />
(2) Auf öffentlichen Verkehrsflächen sowie in und auf solchen Anlagen, Verkehrsräumen und<br />
Verkehrsmitteln, die der allgemeinen Benutzung dienen, ferner in öffentlichen Badeanstalten<br />
ist der Gebrauch dieser Geräte verboten, wenn andere hierdurch belästigt werden können.<br />
(3) Die Benutzung von Geräten zur Schallerzeugung oder Schallwiedergabe für Zwecke der<br />
Wahlwerbung zu Europa-, Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen in den letzten vier<br />
Wochen vor der Wahl, außer am Wahltag selbst, durch an der Wahl teilnehmende Parteien,<br />
Wählergruppen oder sonstige politische Vereinigungen ist zulässig. Die Gemeinden können<br />
durch ordnungsbehördliche Verordnung das Nähere regeln.<br />
(4) Die örtliche Ordnungsbehörde kann bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten<br />
Interesse auf Antrag von den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 im Einzelfall Ausnahmen<br />
zulassen. Die Ausnahmen können unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden<br />
werden. § 9 Abs. 3 gilt entsprechend. Außerdem können die Gemeinden abweichend von Absatz<br />
2 zeitlich begrenzte Darbietungen in innerstädtischen Fußgängerzonen, insbesondere Musikdarbietungen,<br />
durch ordnungsbehördliche Verordnung allgemein zulassen und die dabei zu<br />
beachtenden Anforderungen festlegen.<br />
(5) Die Absätze 1 und 2 finden auf rechtlich vorgeschriebene Signal- und Warneinrichtungen<br />
sowie auf Geräte, die im Rahmen eines öffentlichen Verkehrsbetriebes verwendet werden,<br />
keine Anwendung.<br />
§§ 7, 9, 10 und 11 zuletzt geändert durch Gesetz v. 26. 5. 1992 (GV. NRW. S. 214); in Kraft<br />
getreten am 1. Juli 1992<br />
73<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Gesetz<br />
zum Schutz vor Luftverunreinigungen,<br />
Geräuschen und ähnlichen Umwelteinwirkungen<br />
(Landes-Immissionsschutzgesetz - LImschG -)<br />
Vom 18. März 1975 1<br />
1<br />
GV. NRW. 1975 S. 232, geändert durch Art. 20 2. FRG v. 18. 9. 1979 (GV. NRW. S. 552),<br />
Gesetz v. 19. 3. 1985 (GV. NRW. S. 292), 7. 3. 1990 (GV. NRW. S. 202), 26. 5. 1992 (GV.<br />
NRW. S. 214), Art. 2 d. 1. VwStrukturRG v. 15. 12. 1993 (GV. NRW. S. 987), geändert<br />
durch Artikel 82 d. EuroAnpG NRW v. 25.9.2001 (GV. NRW. S. 708).<br />
Textnachweis ab : 1.1.2003<br />
Fundstelle: GV. NRW. 1975, S. 232<br />
Zuletzt geändert durch Gesetz vom 4.5.2004, GV. NRW. 2004, S. 229<br />
Erster Teil<br />
Allgemeine Vorschriften<br />
§ 1 Geltungsbereich<br />
(1) Dieses Gesetz gilt für die Errichtung und für den Betrieb von Anlagen sowie für das Verhalten<br />
von Personen, soweit dadurch schädliche Umwelteinwirkungen verursacht werden<br />
können.<br />
(2) Andere Vorschriften, die dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder der<br />
Vorsorge gegen derartige Einwirkungen dienen, sowie die der allgemeinen Gefahrenabwehr<br />
dienenden Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) und des Polizeigesetzes des<br />
Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NW) werden durch dieses Gesetz nicht berührt.<br />
§ 2 Begriffsbestimmungen<br />
Die Begriffe der schädlichen Umwelteinwirkungen, der Immissionen, der Emissionen, der<br />
Luftverunreinigungen, der Anlagen und des Standes der Technik werden in diesem Gesetz im<br />
Sinne des § 3 Abs. 1 bis 6 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verwandt. Soweit Kraftfahrzeuge<br />
und ihre Anhänger, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge nicht zum Personenoder<br />
Güterverkehr auf öffentlichen Verkehrswegen oder im Luftraum eingesetzt werden, sind<br />
sie Anlagen im Sinne dieses Gesetzes.<br />
§ 3 Grundregel<br />
(1) Jeder hat sich so zu verhalten, daß schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden,<br />
soweit das nach den Umständen des Einzelfalles möglich und zumutbar ist.<br />
(2) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, hat durch geeignete Maßnahmen für die<br />
Einhaltung der Pflichten des Absatzes 1 zu sorgen.<br />
74<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
(3) Bei der Errichtung von Anlagen ist Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu<br />
treffen. Der Stand der Technik ist einzuhalten, soweit dies im Einzelfall nicht einen unverhältnismäßigen<br />
Aufwand erfordert. Soweit zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen<br />
Rechtsverordnungen nach § 23 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen sind,<br />
bestimmen sich die Anforderungen nach diesen Regelungen.<br />
.<br />
§ 4 Untersagung<br />
Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nach Anhörung des zuständigen<br />
Landtagsausschusses bestimmte Tätigkeiten oder den Betrieb bestimmter nicht genehmigungsbedürftiger<br />
Anlagen ganz oder teilweise zu untersagen, wenn sie wegen ihrer Verbreitung<br />
in besonderem Maße schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen können und der<br />
Schutzzweck durch eine Rechtsverordnung auf Grund des § 23 des Bundes-<br />
Immissionsschutzgesetzes nicht erreicht werden kann.<br />
§ 5 Ortsrechtliche Vorschriften<br />
(1) Die Gemeinden können unter Beachtung der Ziele und Erfordernisse von Raumordnung<br />
und Landesplanung durch ordnungsbehördliche Verordnung vorschreiben, daß im Gemeindegebiet<br />
oder in Teilen des Gemeindegebietes im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit<br />
des Gebietes<br />
a) bestimmte Anlagen nicht oder nur beschränkt betrieben,<br />
b) bestimmte Brennstoffe allgemein oder zu bestimmten Zwecken nicht verbrannt oder<br />
c) bestimmte Tätigkeiten nicht oder nur beschränkt ausgeübt<br />
werden dürfen, soweit und solange das zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen<br />
geboten ist.<br />
(2) Vor dem Erlaß von ordnungsbehördlichen Verordnungen im Sinne des Absatzes 1 ist den<br />
Behörden und den Stellen, die Träger öffentlicher Belange sind, Gelegenheit zur Stellungnahme<br />
zu geben.<br />
(3) Die Entwürfe von ordnungsbehördlichen Verordnungen im Sinne des Absatzes 1 sind<br />
öffentlich auszulegen. § 3 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) ist entsprechend anzuwenden.<br />
(4) Ordnungsbehördliche Verordnungen im Sinne des Absatzes 1 bedürfen der Zustimmung<br />
der Bezirksregierung.<br />
§ 6 Ermittlung von schädlichen Umwelteinwirkungen<br />
Die Kreise und kreisfreien Städte sind verpflichtet, schädliche Umwelteinwirkungen im Hinblick<br />
auf Vorhaben, die für den Immissionsschutz bedeutsam sind, zu ermitteln oder ermitteln<br />
zu lassen; die Verpflichtung besteht nicht, soweit entsprechende Ermittlungen in einem behördlichen<br />
Verfahren getroffen oder vor der Einleitung von Maßnahmen zur Verwirklichung<br />
des Vorhabens zu erwarten sind. Das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft<br />
und Verbraucherschutz kann Weisungen in bezug auf Ort, Zeit und Objekte der Ermittlungen,<br />
das Ermittlungsverfahren sowie die Auswertung und Weiterleitung der Ermittlungsergebnisse<br />
erteilen.<br />
Zweiter Teil<br />
Vorschriften für besondere Immissionsarten und Anlagensicherheit<br />
75<br />
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Dez. 04
Erster Abschnitt<br />
Luftreinhaltung<br />
§ 7 Verbrennen im Freien<br />
(1) Das Verbrennen sowie das Abbrennen von Gegenständen zum Zwecke der Rückgewinnung<br />
einzelner Bestandteile oder zu anderen Zwecken (z.B. Brauchtumsfeuer) im Freien ist<br />
untersagt, soweit die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit hierdurch gefährdet oder erheblich<br />
belästigt werden können. Die Gemeinden können durch ordnungsbehördliche Verordnung<br />
die näheren Einzelheiten bestimmen, soweit sie nach § 14 für die Überwachung der Einhaltung<br />
zuständig sind. Zu diesen Einzelheiten gehört insbesondere die Regelung einer Anzeigepflicht<br />
vor der Durchführung. Satz 1 bis 3 gelten nicht, soweit das Verbrennen von Abfällen<br />
im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz oder den aufgrund des Kreislaufwirtschaftsund<br />
Abfallgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen geregelt ist.<br />
(2) Die nach § 14 zuständige Behörde kann auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot des Absatzes<br />
1 zulassen, wenn lediglich kurzfristig mit Luftverunreinigungen zu rechnen ist.<br />
§ 8<br />
§§ 8 und 12a gestrichen mit Wirkung vom 1. Juli 1992 durch Gesetz v. 26. 5. 1992 (GV.<br />
NRW. S. 214).<br />
Zweiter Abschnitt<br />
Lärmbekämpfung<br />
§ 9 Schutz der Nachtruhe<br />
(1) Von 22 bis 6 Uhr sind Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet<br />
sind.<br />
(2) Das Verbot des Absatzes 1 gilt nicht für<br />
1.<br />
Ernte- und Bestellarbeiten zwischen fünf und sechs Uhr sowie zwischen 22 und 23 Uhr,<br />
2.<br />
den Betrieb von Anlagen, die aufgrund einer Genehmigung nach dem Bundes-<br />
Immissionsschutzgesetz, einer Planfeststellung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz<br />
oder dem Bundesberggesetz (BBergG) oder aufgrund eines zugelassenen Betriebsplanes<br />
nach dem Bundesberggesetz betrieben werden, und<br />
3.<br />
Maßnahmen zur Verhütung oder Beseitigung eines Notstandes.<br />
Darüber hinaus kann die nach § 14 zuständige Behörde auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot<br />
des Absatzes 1 zulassen, wenn die Ausübung der Tätigkeit während der Nachtzeit im öffentlichen<br />
Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten ist; die Ausnahme<br />
kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden.<br />
76<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
(3) Bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse<br />
können die Gemeinden für Messen, Märkte, Volksfeste, Volksbelustigungen, ähnliche Veranstaltungen<br />
und für Zwecke der Außengastronomie sowie für die Nacht vom 31. Dezember<br />
zum 1. Januar durch ordnungsbehördliche Verordnung allgemeine Ausnahmen von dem Verbot<br />
des Absatzes 1 zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung<br />
auf historischen, kulturellen oder sonst sozialgewichtigen Umständen beruht und<br />
deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber<br />
dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt.<br />
§ 10 Benutzung von Tongeräten<br />
(1) Geräte, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen (Musikinstrumente, Tonwiedergabegeräte<br />
und ähnliche Geräte), dürfen nur in solcher Lautstärke benutzt werden, daß<br />
unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden.<br />
(2) Auf öffentlichen Verkehrsflächen sowie in und auf solchen Anlagen, Verkehrsräumen<br />
und Verkehrsmitteln, die der allgemeinen Benutzung dienen, ferner in öffentlichen Badeanstalten<br />
ist der Gebrauch dieser Geräte verboten, wenn andere hierdurch belästigt werden können.<br />
(3) Die Benutzung von Geräten zur Schallerzeugung oder Schallwiedergabe für Zwecke der<br />
Wahlwerbung zu Europa-, Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen in den letzten vier<br />
Wochen vor der Wahl, außer am Wahltag selbst, durch an der Wahl teilnehmende Parteien,<br />
Wählergruppen oder sonstige politische Vereinigungen ist zulässig. Die Gemeinden können<br />
durch ordnungsbehördliche Verordnung das Nähere regeln.<br />
(4) Die örtliche Ordnungsbehörde kann bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten<br />
Interesse auf Antrag von den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 im Einzelfall Ausnahmen<br />
zulassen. Die Ausnahmen können unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden<br />
werden. § 9 Abs. 3 gilt entsprechend. Außerdem können die Gemeinden abweichend von Absatz<br />
2 zeitlich begrenzte Darbietungen in innerstädtischen Fußgängerzonen, insbesondere Musikdarbietungen,<br />
durch ordnungsbehördliche Verordnung allgemein zulassen und die dabei zu<br />
beachtenden Anforderungen festlegen.<br />
(5) Die Absätze 1 und 2 finden auf rechtlich vorgeschriebene Signal- und Warneinrichtungen<br />
sowie auf Geräte, die im Rahmen eines öffentlichen Verkehrsbetriebes verwendet werden,<br />
keine Anwendung.<br />
§ 11 Abbrennen von Feuerwerken oder<br />
Feuerwerkskörpern<br />
(1) Wer ein Feuerwerk oder an bewohnten oder von Personen besuchten Orten Feuerwerkskörper<br />
der Klassen III und IV im Sinne des § 6 Abs. 3 in Verbindung mit Nummer 1.3 der<br />
Anlage 1 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) in der Fassung der Bekanntmachung<br />
vom 31. Januar 1991 (BGBl. I S.169), zuletzt geändert am 25. November 2003<br />
(BGBl. I S.2304), abbrennen will, hat dies der örtlichen Ordnungsbehörde, in deren Bezirk<br />
das Feuerwerk oder die Feuerwerkskörper abgebrannt werden sollen, zwei Wochen vorher<br />
schriftlich anzuzeigen. Die örtliche Ordnungsbehörde kann im Einzelfall auf die Einhaltung<br />
der Frist verzichten.<br />
(2) Das Feuerwerk darf höchstens 30 Minuten dauern und muß um 22.00 Uhr, in den Monaten<br />
Mai, Juni und Juli um 22.30 Uhr beendet sein, in dem Zeitraum, für den die mitteleuropäische<br />
Sommerzeit eingeführt ist, darf das Ende des Feuerwerks um eine halbe Stunde hinausgeschoben<br />
werden. Die örtliche Ordnungsbehörde kann bei Veranstaltungen von besonderer<br />
Bedeutung Ausnahmen zulassen.<br />
77<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Dritter Abschnitt<br />
Schutz vor verschiedenen Immissionsarten<br />
§ 11a Laufenlassen von Motoren<br />
Es ist verboten, Geräusch oder Abgas erzeugende Motoren unnötig laufen zu lassen.<br />
§ 12 Halten von Tieren<br />
Tiere sind so zu halten, daß niemand durch die hiervon ausgehenden Immissionen, insbesondere<br />
durch den von den Tieren erzeugten Lärm, mehr als nur geringfügig belästigt wird.<br />
§ 13 Anwendung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes 19<br />
Zur Abwehr anderer Immissionen als Luftverunreinigungen und Geräusche sind die Vorschriften<br />
des § 22 Abs. 1 Satz 1 und § 31 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auch auf<br />
Anlagen entsprechend anzuwenden, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und die nicht im<br />
Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden.<br />
Vierter Abschnitt<br />
Schutz vor sonstigen Gefahren<br />
§ 13a § 1 Abs. 1 und 2, § 2 sowie der Zweite und der Vierte Teil der Zwölften Verordnung<br />
zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 26. April 2000 (BGBl. I S.<br />
603) sind auf genehmigungsbedürftige und nicht genehmigungsbedürftige Anlagen entsprechend<br />
anzuwenden, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und die nicht im Rahmen wirtschaftlicher<br />
Unternehmungen Verwendung finden, sofern sie Betriebsbereiche oder Teile von<br />
Betriebsbereichen im Sinne des § 3 Abs. 5a Bundes-Immissionsschutzgesetz sind.<br />
Dritter Teil<br />
Durchführung des Gesetzes<br />
§ 14 Zuständigkeit<br />
(1) Die Durchführung des § 9 , soweit die Betätigung nicht im Betrieb einer Anlage besteht,<br />
sowie die Durchführung der §§ 10 bis 12 dieses Gesetzes werden von den örtlichen Ordnungsbehörden<br />
überwacht. Diese Behörden überwachen auch die Einhaltung der Vorschriften<br />
der §§ 3 und 7, soweit es sich nicht um Tätigkeiten im Rahmen eines Gewerbebetriebes oder<br />
einer wirtschaftlichen Unternehmung handelt. Im übrigen nehmen die Staatlichen Umweltämter<br />
die Verwaltungsaufgaben zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz<br />
78<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
gestützten Rechtsverordnungen wahr, soweit nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen<br />
ist.<br />
(2) Bei Anlagen, die der Bergaufsicht unterstehen, treten die Bergämter an die Stelle der in<br />
Absatz 1 genannten Behörden.<br />
(3) In den Rechtsverordnungen nach § 4 und 5können von Absatz 1 abweichende Zuständigkeitsregelungen<br />
zur Durchführung dieser Verordnungen vorgesehen werden.<br />
(4) Soweit die Überwachung den örtlichen Ordnungsbehörden obliegt, sollen sie das Staatliche<br />
Umweltamt beteiligen, wenn die zu treffende Entscheidung besondere technische Sachkunde<br />
auf dem Gebiet des Immissionsschutzes erfordert.<br />
§ 15 Anordnungsbefugnis<br />
(1) Die nach § 14 zuständigen Behörden können anordnen, daß Zustände beseitigt werden, die<br />
diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften widersprechen.<br />
Verfügungen, die die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung oder den Abbruch<br />
baulicher Anlagen zum Gegenstand haben, sind im Einvernehmen mit den Bauaufsichtsbehörden<br />
zu treffen.<br />
(2) Zum Schutz vor anderen Immissionen als Luftverunreinigungen und Geräusche sind für<br />
nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und die nicht<br />
im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, die Vorschriften der §§ 24<br />
bis 26 , des § 29 Abs. 2 , des § 30 Satz 2 und des § 31 Bundes-Immissionsschutzgesetzes<br />
entsprechend anzuwenden.<br />
(3) Zum Schutz vor Störfällen sind für genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 13a<br />
die Vorschrift des § 20 Abs. 1a Bundes-Immissionsschutzgesetz und für nicht genehmigungsbedürftige<br />
Anlagen im Sinne des § 13a die Vorschriften der § 24 sowie § 25 und § 29a<br />
Abs. 1 und 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes entsprechend anzuwenden.<br />
§ 16 Überwachung<br />
(1) Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, auf denen Anlagen betrieben oder Tätigkeiten<br />
ausgeübt werden, die Emissionen verursachen können, haben den Angehörigen der nach §<br />
14 zuständigen Behörden und deren Beauftragten, soweit dies zur Überwachung der Durchführung<br />
dieses Gesetzes oder der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen erforderlich<br />
ist,<br />
1. den Zutritt zu den Grundstücken und zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche<br />
Sicherheit oder Ordnung auch zu Wohnräumen zu gestatten,<br />
2. die Vornahme von Prüfungen und Messungen zu ermöglichen, insbesondere die hierfür<br />
benötigten Arbeitskräfte und Hilfsmittel bereitzustellen, sowie<br />
3. Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen.<br />
Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ( Artikel 13 des Grundgesetzes ) wird<br />
insoweit eingeschränkt.<br />
(2) Ist es zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich, andere Grundstücke<br />
zu betreten, auf denen Immissionen festgestellt oder zu besorgen sind, so haben die Eigentümer<br />
und Besitzer dieser Grundstücke den Angehörigen und Beauftragten der nach § 14 zuständigen<br />
Behörden den Zutritt zu den Grundstücken und zur Verhütung dringender Gefahren<br />
für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung auch zu Wohnräumen und die Vornahme von<br />
Prüfungen zu gestatten. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ( Artikel 13 des<br />
Grundgesetzes ) wird insoweit eingeschränkt. Bei Ausübung der Befugnisse nach Satz 1 ist<br />
auf die berechtigten Belange der Eigentümer und Besitzer Rücksicht zu nehmen; für entstehende<br />
Schäden hat das Land Ersatz zu leisten. Waren die Schäden unvermeidbare Folgen der<br />
79<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Überwachungsmaßnahmen und haben die Überwachungsmaßnahmen zu Anordnungen gegen<br />
den Betreiber einer Anlage geführt, so hat dieser die Ersatzleistung zu erstatten.<br />
(3) Kosten, die durch Überwachungsmaßnahmen nach Absatz 1 entstehen, trägt der Auskunftspflichtige,<br />
wenn die Ermittlungen ergeben, dass<br />
1. Auflagen oder Anordnungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erfüllt worden<br />
oder<br />
2. Auflagen oder Anordnungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes geboten sind.<br />
Bei genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne des § 13a trägt der Auskunftspflichtige die<br />
Kosten, die durch Überwachungsmaßnahmen nach Absatz 1 entstehen auch, wenn die Voraussetzungen<br />
des Satz 1 Nr. 1 oder 2 nicht gegeben sind. Bei nicht genehmigungsbedürftigen<br />
Anlagen nach § 13a trägt der Auskunftspflichtige die Kosten, die durch Beauftragung eines<br />
Sachverständigen entsprechend § 16 Abs. 3 der Zwölften Verordnung zur Durchführung des<br />
Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 26. April 2000 (BGBl. I S. 603) entstehen.<br />
Vierter Teil<br />
Straf- und Bußgeldvorschriften<br />
§ 17 Ordnungswidrigkeiten<br />
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig<br />
a) einer auf Grund des § 4 erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung<br />
für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,<br />
b) einer im Rahmen des § 5 ergangenen ordnungsbehördlichen Verordnung zuwiderhandelt,<br />
soweit die ordnungsbehördliche Verordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift<br />
verweist,<br />
c) entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Gegenstände im Freien verbrennt oder abbrennt,<br />
d) einer im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 ergangenen ordnungsbehördlichen Verordnung zuwiderhandelt,<br />
soweit die ordnungsbehördliche Verordnung für einen bestimmten Tatbestand<br />
auf diese Bußgeldvorschrift verweist,<br />
e) entgegen § 9 Abs. 1 in der Zeit von 22 bis 6 Uhr Betätigungen ausübt, die geeignet sind,<br />
die Nachtruhe zu stören,<br />
f) entgegen § 10 Abs. 1 Geräte in solcher Lautstärke benutzt, daß unbeteiligte Personen erheblich<br />
belästigt werden,<br />
g) entgegen § 11 Abs. 1 ein Feuerwerk oder das Abbrennen von Feuerwerkskörpern nicht<br />
oder nicht rechtzeitig angezeigt hat<br />
h) beim Abbrennen eines Feuerwerks die in § 11 Abs. 2 festgesetzten Zeiten überschreitet,<br />
i) entgegen § 11 a Motoren unnötig laufen läßt<br />
j) entgegen § 12 Tiere nicht so hält, daß niemand mehr als nur geringfügig belästigt wird,<br />
k) entgegen § 13a in Verbindung mit der 12. BImSchV vom 26. April 2000 (BGBl. I S. 603)<br />
einen der in § 21 der 12. BImSchV aufgeführten Tatbestände erfüllt,<br />
l) einer vollziehbaren Anordnung nach § 15 zuwiderhandelt.<br />
(2) Ordnungswidrig handelt ferner, wer vorsätzlich oder fahrlässig<br />
a) entgegen § 10 Abs. 2 Geräte auf öffentlichen Verkehrsflächen, in oder auf solchen Anlagen,<br />
Verkehrsräumen oder Verkehrsmitteln, die der allgemeinen Benutzung dienen, oder in<br />
öffentlichen Badeanstalten in einer Weise gebraucht, daß andere hierdurch belästigt werden<br />
können,<br />
b) entgegen § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Auskünfte nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder<br />
nicht rechtzeitig erteilt oder Unterlagen nicht vorlegt.<br />
80<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
(2a) Ordnungswidrig handelt ferner, wer<br />
a) entgegen § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 den Zutritt zu Grundstücken oder<br />
Wohnräumen nicht gestattet oder<br />
b) entgegen § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Prüfungen oder Messungen nicht ermöglicht oder Arbeitskräfte,<br />
oder Hilfsmittel nicht bereitstellt.<br />
(3) Die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro,<br />
die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 2 oder 2 a mit einer Geldbuße bis zu eintausend Euro<br />
geahndet werden.<br />
(4) Zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten sind die in § 14<br />
genannten Behörden, soweit es sich um Verstöße gegen Vorschriften handelt, deren Einhaltung<br />
sie zu überwachen haben.<br />
§ 18 Straftaten<br />
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich<br />
eine der in § 17 Abs. 1 Buchstabe a) oder i) bezeichneten Handlungen begeht und dadurch das<br />
Leben oder die Gesundheit eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.<br />
(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe<br />
bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
Fünfter Teil<br />
Schlußvorschriften<br />
§ 19 Entschädigungspflicht bei Widerruf oder Rücknahme einer Genehmigung<br />
(1) Wird eine nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erteilte Genehmigung widerrufen, so<br />
ist die nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu zahlende Entschädigung vom<br />
Land zu tragen. Beruht der Widerruf auf der Änderung eines Bebauungsplanes oder auf der<br />
Feststellung in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, daß ein bei der Genehmigungserteilung<br />
zugrunde gelegter Bebauungsplan rechtswidrig ist, so hat die Gemeinde die<br />
Entschädigung zu zahlen. Ist nach Errichtung der Anlage rechtswidrig die Genehmigung zur<br />
Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer schutzbedürftigen baulichen Anlage im<br />
Einwirkungsbereich der genehmigten Anlage erteilt worden und wird deshalb die Genehmigung<br />
widerrufen, so hat der Rechtsträger, dem die Baugenehmigungsbehörde angehört, dem<br />
Land die gezahlte Entschädigung zu erstatten.<br />
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn nach Rücknahme einer Genehmigung ein Vermögensnachteil<br />
auszugleichen ist.<br />
§ 20 Änderung des Landesabfallgesetzes und des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen<br />
§ 20 entfallen; Änderungsvorschriften.<br />
§ 21 Aufhebung von Vorschriften<br />
§ 21 gegenstandslos; Aufhebungsvorschriften.<br />
§ 22 Inkrafttreten<br />
81<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Das Gesetz tritt am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft 17<br />
. Die Landesregierung überprüft bis zum Ablauf des Jahres 2008 die Wirkungen dieses Gesetzes<br />
und inwieweit seine Aufrechterhaltung weiterhin erforderlich ist. Sie berichtet dem<br />
Landtag über das Ergebnis.<br />
Die Landesregierung<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
Der Ministerpräsident<br />
§ 22 neu gefasst durch Gesetz v. 4.5.2004 (GV. NRW. S. 229); in Kraft getreten am 1. Juni<br />
2004.<br />
GV. NRW. ausgegeben am 26. März 1975.<br />
82<br />
© Prof. Dr. Schulz - VerwR<br />
Dez. 04
Hinweise zur Beurteilung der von Freizeitanlagen verursachten Geräusche<br />
(Freizeitlärm-Richtlinie)<br />
Fundstelle: Ministerialblatt Rhl.-Pf. 1997, Seite 213 ff.<br />
Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt und Forsten Rhl.-Pf. vom 30. Januar 1997<br />
(10615-83 123-7) –<br />
Gliederung<br />
1 Problemstellung<br />
2 Anwendungsbereich<br />
3 Immissionsschutzrechtliche Grundsätze<br />
4 Ermittlung des Beurteilungspegels der von Freizeitanlagen ausgehenden Geräusche<br />
4.1 Zuschlag k l für Impulshaltigkeit und/oder auffällige Pegeländerungen<br />
4.2 Zuschlag K r für Tonhaltigkeit und Informationshaltigkeit<br />
4.3 Schutz ruhebedürftiger Zeiten und der Sonn- und Feiertage<br />
4.4. Beurteilungszeiten<br />
5 Immissionsschutzrechtliche Bewertung<br />
5.1 Immissionsrichtwerte „Außen“<br />
5.2 Immissionsrichtwerte „Innen’“<br />
5.3 Maximalpegel<br />
5.4 Besonderheiten bei seltenen Störereignissen<br />
6 Maßnahmen<br />
1. Problemstellung<br />
Anlagen, die der Freizeitgestaltung dienen, verursachen oftmals Geräuschimmissionen, die zu<br />
Konflikten mit der Wohnnachbarschaft führen. Dabei können die Geräusche durch den Betrieb<br />
der Anlagen selbst, durch technische Nebenanlagen (z.B. Lautsprecher, Entlüftungsanlagen),<br />
durch die Benutzer und Zuschauer, durch die zur Anlage gehörenden Parkplätze oder<br />
durch den in einem räumlichen überschaubaren Bereich auftretenden und überwiegend von<br />
der Anlage bestimmten Straßenverkehr entstehen.<br />
Geräusche von Freizeitanlagen treten oft in Zeiten auf, in denen das Ruhebedürfnis der Bevölkerung<br />
am größten ist. Dem erhöhten Ruhebedürfnis stehen erhöhte Nutzungsansprüche an<br />
Freizeitanlagen gegenüber. Andererseits werden manche Freizeitanlagen nur selten benutzt,<br />
so daß besondere Geräuschbelastungen nur an wenigen Tagen im Jahr entstehen. Daraus<br />
folgt, daß die Geräuscheinwirkungen durch Freizeitanlagen einer besonderen Beurteilung<br />
bedürfen. Hierzu dienen die nachstehenden Regelungen, die im wesentlichen denen in der<br />
vom Länderausschuß für Immissionsschutz empfohlenen Freizeitlärm-Richtlinie entsprechen.<br />
2 Anwendungsbereich<br />
(1) Freizeitlärm hat die Besonderheit, dass die Lärmverursachung zu Zeiten erfolgt, an denen<br />
das Ruhe- und Erholungsbedürfnis der Bevölkerung besonders groß ist (z.B. am Abend sowie<br />
an Sonn- und Feiertagen). Weiterhin ist zu berücksichtigen, das Freizeitlärm gegenüber anderen<br />
Schallquellen im allgemeinen impulshaltig ist und einen störenden Informationsgehalt<br />
besitzt.<br />
Freizeitanlagen sind Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 oder 3 des Bundes-<br />
Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), die dazu bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung<br />
ihrer Freizeit genutzt zu werden. Grundstücke gehören zu den Freizeitanlagen, wenn sie nicht<br />
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nur gelegentlich zur Freizeitgestaltung bereitgestellt werden. Dies können auch Grundstücke<br />
sein, die sonst z.B. der Sportausübung, dem Flugbetrieb oder dem Straßenverkehr dienen.<br />
(2) Die Hinweise in diesem Abschnitt gelten insbesondere für folgende Anlagen:<br />
Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Diskothekenveranstaltungen,<br />
Lifemusik-Darbietungen, (Außen-gastronomie) Rockmusikdarbietungen,<br />
Platzkonzerte, regelmäßige Feuer-werke, Volksfeste o.ä. stattfinden,<br />
Spielhallen,<br />
Rummelplätze,<br />
Freilichtbühnen,<br />
Autokinos,<br />
Freizeitparks,<br />
Vergnügungsparks,<br />
Abenteuer-Spielplätze (z.B. Robinson-Spielplätze, Aktiv-Spielplätze), die wegen<br />
ihrer Ausstattung dazu geeignet sind, auch Benutzerinnen und Benutzer<br />
aus der weiteren Umgebung anzuziehen,<br />
Bolzplätze, soweit sie nicht Bestandteil eines Kinderspielplatzes mit entsprechender<br />
Nutzung sind (siehe Absatz 3),<br />
Flächen für sonstige Freizeitaktivitäten, z.B. Grillplätze,<br />
Skateboard- und vergleichbare Anlagen,<br />
Badeplätze,<br />
Erlebnisbäder, auch soweit sie als Außenanlage betrieben werden,<br />
Anlagen für Modellfahrzeuge, Wasserflächen für Schiffsmodelle,<br />
Zirkusse,<br />
Hundedressurplätze.<br />
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen nach dem BImSchG sind keine Freizeitanlagen im Sinne<br />
dieser Richtlinie. Sportanlagen und Gaststätten zählen ebenfalls nicht zu den Freizeitanlagen.<br />
Ferner gilt diese Richtlinie nicht für Kinderspielplätze, die die Wohnnutzung in dem betroffenen<br />
Gebiet ergänzen; die mit ihrer Nutzung unvermeidbar verbundenen Geräusche sind<br />
sozialadäquat und von der Nachbarschaft hinzunehmen.<br />
(4) Durch menschliches Verhalten hervorgerufene, dem Anlagenbetrieb nicht zurechenbare<br />
Geräuschereignisse (Freizeitbetätigungen im Wohnbereich und in der freien Natur, z.B. Partys,<br />
Musikspielen), sind nicht nach diesen Hinweisen zu beurteilen. § 117 OWiG ist zu beachten;<br />
danach handelt ordnungswidrig, wer ohne berechtigten Anlaß oder in einem unzulässigen<br />
oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm verursacht, der geeignet ist, die<br />
Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines oder<br />
einer anderen zu schädigen.<br />
3 Immissionsschutzrechtliche Grundsätze<br />
(1) Für Freizeitanlagen (nicht genehmigungsbedürftige Anlagen) gilt die allgemeine Grundpflicht<br />
aus § 22 Abs. 1 BImSchG; danach sind schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern,<br />
soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist; unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen<br />
sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Die Beachtung dieser Pflicht<br />
kann im Baugenehmigungsverfahren und durch Anordnungen nach § 24 BImSchG durchgesetzt<br />
werden.<br />
(2) Schädliche Umwelteinwirkungen liegen z.B. dann vor, wenn die Nachbarschaft oder die<br />
Allgemeinheit erheblich belästigt werden. Die Erheblichkeit einer Lärmbelästigung hängt<br />
nicht nur von der Lautstärke der Geräusche ab, sondern auch wesentlich von der Nutzung des<br />
Gebietes, auf das sie einwirken, von der Art der Geräusche und der Geräuschquellen sowie<br />
dem Zeitpunkt (Tageszeit) und der Zeitdauer der Einwirkungen. Auch die Einstellung der<br />
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Betroffenen zu der Geräuschquelle kann für den Grad der Belästigung von Bedeutung sein.<br />
Bei der Beurteilung ist nicht auf eine mehr oder weniger empfindliche individuelle Person,<br />
sondern auf die Einstellung einer oder eines verständigen, durchschnittlich empfindlichen<br />
Mitbürgerin oder Mitbürgers abzustellen.<br />
(3) Von Bedeutung für die Beurteilung der Geräusche von Freizeitanlagen ist die Schutzbedürftigkeit<br />
der Nutzungen in den diesen Anlagen benachbarten Gebieten. Bei der Zuordnung<br />
der für die Beurteilung maßgebenden Immissionsrichtwerte zu den Gebieten im Einwirkungsbereich<br />
der Anlage ist grundsätzlich vom Bebauungsplan auszugehen. Weicht die tatsächliche<br />
bauliche Nutzung im Einwirkungsbereich der Anlage erheblich von der im Bebauungsplan<br />
festgesetzten baulichen Nutzung ab, so ist von der tatsächlichen baulichen Nutzung unter Berücksichtigung<br />
der vorgesehenen Entwicklung des Gebietes auszugehen. Ist ein Bebauungsplan<br />
nicht aufgestellt, so ist die tatsächliche bauliche Nutzung zugrunde zu legen; eine voraussehbare<br />
Änderung der baulichen Nutzung ist zu berücksichtigen.<br />
(4) Liegen aufgrund baulicher Entwicklungen in der Vergangenheit Wohngebiete und Freizeitanlagen<br />
eng zusammen, kann eine besondere Pflicht zur gegenseitigem Rücksichtnahme<br />
bestehen. Sofern an störenden Anlagen alle verhältnismäßigen Emissionsminderungsmaßnahmen<br />
durchgeführt sind, kann die Pflicht zur gegenseitigem Rücksichtnahme dazu führen,<br />
dass die Bewohnerinnen und Bewohner mehr an Geräuschen hinnehmen müssen als die Bewohnerinnen<br />
und Bewohner von gleichartig genutzten Gebieten, die fernab derartiger Anlagen<br />
liegen. Die im Einzelfall noch hinzunehmende Geräuscheinwirkung hängt von der<br />
Schutzbedürftigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner des Gebietes und den tatsächlich nicht<br />
weiter zu vermindernden Geräuschemissionen ab. Die zu duldenden Geräuscheinwirkungen<br />
sollen die Immissionsrichtwerte unterschreiten, die für die Gebietsart mit dem nächst niedrigeren<br />
Schutzanspruch gelten.<br />
(5) Soweit die Einhaltung der Grundpflicht nach § 22 Abs. 1 BImSchG nicht durch Nebenbestimmungen<br />
zur Baugenehmigung sichergestellt ist, kann sie durch Anordnungen nach § 24<br />
BImSchG durchgesetzt werden. Als Gegenstand von Anordnungen kommen technische<br />
Schutzmaßnahmen (vgl. Nr. 5) sowie zeitliche Beschränkungen des Betriebs in Betracht.<br />
Technische Schutzmaßnahmen und zeitliche Beschränkungen können ganz oder teilweise<br />
entbehrlich sein, wenn der Betreiber der Anlage nachweislich verpflichtet wird, den Benutzerinnen<br />
und Benutzern ein geräuscharmes Verhalten vorzuschreiben, und wenn er die Einhaltung<br />
seiner Vorschriften überwacht und Verstöße abstellt.<br />
(6) Eine Stilllegung von Anlagen kommt nach § 25 Abs. 2 BImSchG nur in Betracht, wenn<br />
ihr Betrieb zu Gefahren für Leben, Gesundheit oder bedeutende Sachwerte führt. Diese Voraussetzung<br />
dürfte bei Freizeitanlagen in der Regel nicht gegeben sein.<br />
(7) Neben dem Immissionsschutzrecht hat vor allem das Planungsrecht die Aufgabe, Konflikte,<br />
die durch Emissionen von Freizeitanlagen entstehen können, zu vermeiden. Vor einer<br />
Genehmigung von Freizeitanlagen (auch von Nutzungserweiterungen oder –änderungen bestehender<br />
Anlagen) ist deshalb zuprüfen, ob sie nach dem Bauplanungsrecht an einem bestimmten<br />
Standort zulässig sind. Von der auf immissionsschutzrechtliche Bestimmungen gestützten<br />
Forderung kostspieliger technischer Schutzmaßnahmen ist abzusehen, wenn die Genehmigungsfähigkeit<br />
nach dem Bauplanungsrecht nichtherbeigeführt werden kann.<br />
4 Ermittlung des Beurteilungspegels der von Freizeitanlagen ausgehenden Geräusche<br />
(1) Bei der Ermittlung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräuschimmissionen kann auf<br />
die allgemein anerkannten akustischen Grundregeln, wie sie in der Technischen Anleitung<br />
vom Schutz gegen Lärm (TA Lärm), der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BimSchV)<br />
und der VDI-Richtlinie 2058, Blatt 1, Beurteilung von Arbeitslärm in der Nachbarschaft, festgehalten<br />
sind, zurückgegriffen werden. Der Messort ist entsprechend den schutzwürdigen<br />
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Nutzungen in der Nachbarschaft der Anlage auszuwählen. Dabei sollen die Regelungen der<br />
Nummer 1.2 in Verbindung der Nummer 3.2.2.1 des Anhangs der 18. BImSchG herangezogen<br />
werden.<br />
(Hinweis: Den Geräuschen der Anlage sind folgende Schallemissionen hinzuzurec h-<br />
nen:<br />
Geräusche von Nebenanlagen (z.B. Lautsprecher, Lüftungsanlagen),<br />
Geräusche von Benutzerinnen und Benutzern und Zuschauerinnen und Zuschauern,<br />
Geräusche von zur Anlage gehörende Parkplätze,<br />
Verkehrslärm auf Straßen, der eindeutig durch den Betrieb der Anlage bestimmt wird<br />
und nicht dem allgemeinen Straßenverkehr zuzuordnen ist.)<br />
(2) Bei der Ermittlung des Beurteilungspegels Lr ist grundsätzlich vom Mittelungspegel L Aeqi<br />
gemäß Gleichung<br />
auszugehen.<br />
(3) Bei der Berücksichtigung<br />
der Impulshaltigkeit und/oder der auffälligen Pegeländerungen,<br />
der Ton- und der lnformationshaltigkeit sowie<br />
des Schutzanspruchs während der ruhebedürftigen Zeiten sowie der Sonn- und Feiertage<br />
gilt folgendes:.<br />
4.1 Zuschlag Kl für Impulshaltigkeit und/oder auffällige Pegeländerungen<br />
(1) Enthält das zu beurteilende Geräusch Impulse und/oder auffällige Pegeländerungen, ist<br />
dem Mittelungspegel ein Zuschlag für die Zeit Ti während der die Impulse und/oder auffällige<br />
Pegeländerungen auftreten, hinzuzurechnen.<br />
Unter impulsartigen Geräuschen und/oder Geräuschen mit auffälligen Pegeländerungen sind<br />
Geräusche zu verstehen, deren Pegel nach dem subjektiven Eindruck schnell über den mittleren<br />
Pegel des Geräusches ansteigt und bei denen diese Pegelerhöhungen von kurzer Dauer<br />
sind. Als Impulszuschlag Kli gilt die Differenz zwischen dem Mittelungspegel LAeqi und<br />
dem Wirkpegel nach dem Taktmaximalverfahren LAFTeqi.<br />
Kli = LAFTeqi - LAeqi<br />
(2) Für die von Freizeitanlagen hervorgerufenen Geräusche (z.B. auch für Musik) ist im allgemeinen<br />
ein Impulszuschlag erforderlich.<br />
Wenn bei einer Prognoseberechnung vom Schalleistungspegel ausgegangen wird, ist der Zuschlag<br />
für die Impulshaltigkeit und/oder auffällige Pegeländerungen nach Erfahrungswerten<br />
zu bestimmen.<br />
4.2 Zuschlag K r für Tonhaltigkeit und Informationshaltigkeit<br />
(1) Wenn sich aus dem Geräusch von Freizeitanlagen ein Einzelton heraushebt, ist ein Tonzuschlag<br />
K Toni von 3 dB (A) oder 6 dB (A) zu dem Mittelungspegel für die Zeit Ti während der<br />
der Ton auftritt, hinzuzurechnen. Der Zuschlag von 6 dB (A) ist nur bei besonderer Auffälligkeit<br />
des Tons zu wählen.<br />
(2) Wegen der erhöhten Belästigung beim Mithören ungewünschter Informationen ist je nach<br />
Auffälligkeit ein Informationszuschlag K inf von 3 dB (A) oder 6 dB (A) zu berücksichtigen.<br />
Dieser Zuschlag ist dem Mittelungspegel hinzuzurechnen, der für den Zeitraum ermittelt wird,<br />
in dem das informationshaltige Geräusch auftritt. Der Zuschlag von 6 dB (A) ist nur bei besonders<br />
hohem Informationsgehalt (z.B. laute und gut verständliche Lautsprecherdurchsagen,<br />
deutlich hörbare Musikwiedergaben) zu wählen.<br />
(3) Die hier genannten Zuschläge sind so zusammenzufassen, dass der Gesamtzuschlag K ri auf<br />
max. 6 dB (A) begrenzt bleibt.<br />
K ri = K TONI + Ki nfi < 6 dB (A)<br />
4.3 Schutz ruhebedürftiger Zeiten und der Sonn- und Feiertage<br />
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Der Schutz der ruhebedürftigen Zeiten und der Sonn- und Feiertage wird durch die in Nummer<br />
5.1 für Ruhezeiten und Sonn- und Feiertage genannten niedrigeren Immissionsrichtwerte<br />
berücksichtigt. Ein Zuschlag für Ruhezeiten kommt daher nicht in Betracht.<br />
4.4 Beurteilungszeiten<br />
(1) An Werktagen gilt für Geräuscheinwirkungen:<br />
tags außerhalb der Ruhezeiten (8.00 bis 20.00 Uhr) eine Beurteilungszeit von 12 Stunden,<br />
tags während der Ruhezeiten (6.00 bis 8.00 Uhr und 20.00 bis 22.00 Uhr) jeweils eine Beurteilungszeit<br />
von 2 Stunden<br />
nachts (22.00 bis 6.00 Uhr) eine Beurteilungszeit von 1 Stunde (ungünstigste volle Stunde).<br />
(2) An Sonn- und Feiertagen gilt für Geräuscheinwirkungen<br />
tags von 9.00 bis 13.00 Uhr und 15.00 bis 20.00 Uhr eine Beurteilungszeit von 9 Stunden,<br />
tags von 7.00 bis 9.00 Uhr, 13.00 bis 15.00 Uhr und 20.00 bis 22.00 Uhr jeweils eine Beurteilungszeit<br />
von 2 Stunden,<br />
nachts (0.00 bis 7.00 Uhr und 22.00 bis 24.00 Uhr)<br />
eine Beurteilungszeit von 1 Stunde (ungünstigste volle Stunde).<br />
5 Immissionsschutzrechtliche Bewertung<br />
Die nachfolgenden Immissionsrichtwerte markieren die Schwelle, oberhalb der in der Regel<br />
mit erheblichen Belästigungen zu rechnen ist.<br />
5.1 Immissionsrichtwerte "Außen"<br />
Die Immissionsrichtwerte "Außen" betragen für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden<br />
a) in Industriegebieten<br />
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit 70 dB (A)<br />
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und<br />
Feiertagen 70 dB (A)<br />
nachts 70 dB (A)<br />
b) in Gewerbegebieten<br />
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit 65 dB (A)<br />
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und<br />
Feiertagen 60 dB (A)<br />
nachts 50 dB (A)<br />
c) in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten<br />
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit 60 dB (A)<br />
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und<br />
Feiertagen 55 dB (A)<br />
nachts 45 dB (A)<br />
d) in allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten<br />
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit 55 dB (A)<br />
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und<br />
Feiertagen 50 dB (A)<br />
nachts 40 dB (A)<br />
e) in reinen Wohngebieten<br />
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit 50 dB (A)<br />
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und<br />
Feiertagen 45 dB (A)<br />
nachts 35 dB (A)<br />
f) in Kurgebieten, für Krankenhäuser und Pflegeanstalten<br />
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tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit 45 dB (A)<br />
tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und<br />
Feiertagen 45 dB (A)<br />
nachts 35 dB (A)<br />
5.2 Immissionswerte "Innen"<br />
Bei Geräuschübertragung innerhalb von Gebäuden und bei Körperschallübertragung betragen<br />
die Richtwerte für Wohnräume unabhängig von der Lage des Gebäudes in einem der oben<br />
genannten Gebiete:<br />
tags 35 dB (A),<br />
nachts 25 dB (A).<br />
5.3 Maximalpegel<br />
Einzelne Geräuschspitzen sollen die lmmissionsrichtwerte "Außen" tags um nicht mehr als 30<br />
dB (A) sowie nachts um nicht mehr als 20 dB (A) überschreiten. Ferner sollen einzelne Geräuschspitzen<br />
die Immissionsrichtwerte "Innen" um nicht mehr als 10 dB (A) überschreiten.<br />
5.4 Besonderheiten bei seltenen Störereignissen<br />
(1) Bei seltenen Ereignissen ist im Einzelfall zu prüfen, ob den Betroffenen für diese Zeit eine<br />
über die Immissionsrichtwerte hinausgehende Belastung zugemutet werden kann. Dabei sind<br />
die Bedeutung des Ereignisses (politische, kulturelle, traditionelle, volkstümliche, touristische<br />
Bedeutung), die Höhe der auftretenden Pegel, Dauer und Häufigkeit der Störereignisse, Möglichkeiten<br />
der Durchführung von Maßnahmen zur Verminderung der Geräuscheinwirkungen<br />
und der hierfür erforderliche Aufwand in die Abwägung mit einzubeziehen.<br />
(2) Bei seltenen Ereignissen soll erreicht werden, das die Beurteilungspegel vor den Fenstern<br />
(im Freien) die nachfolgenden Werte nicht überschreiten:<br />
tags außerhalb der Ruhezeit 70 dB(A)<br />
tags innerhalb der Ruhezeit 65 dB(A)<br />
nachts<br />
55 dB(A)<br />
Geräuschspitzen sollen die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB (A) und<br />
nachts um nicht mehr als 10 dB (A) überschreiten.<br />
(3) Soweit die in den Nummern 5.1 und 5.3 genannten allgemeinen Beurteilungskriterien weniger<br />
strenge Anforderungen stellen, sind diese auch für seltene Störereignisse maßgeblich.<br />
6 Maßnahmen<br />
(1) Lautsprecher u.ä. Einrichtungen können in ihrer Lautstärke begrenzt werden. Hierzu sind<br />
geeignete Begrenzer vorzuschreiben, die die Einhaltung der entsprechenden Immissionsrichtwerte<br />
"Außen" ermöglichen. Durch mehrere Lautsprecher kleinerer Leistung können unter<br />
bestimmten Voraussetzungen gegenüber einem Lautsprecher großer Leistung die Immissionen<br />
vermindert werden, indem Flächen (z.B. Spielflächen und Zuschauerränge) gezielt beschallt<br />
werden.<br />
(2) Sollen mehrere geräuschintensive Anlagen anlässlich einer Veranstaltung auf einem Freizeitgelände<br />
(z.B. Rummelplatz) betrieben werden, kann die Einhaltung der Immissionsrichtwerte<br />
auch dadurch sichergestellt werden, dass die lauteste Anlage von der Wohnbebauung<br />
am entferntesten aufgestellt wird. Auch die Richtwirkung von Schallquellen ist zu berücksichtigen.<br />
Gegebenenfalls sollte ein Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden.<br />
(3) An- und Abfahrtswege sowie Parkplätze sind durch betriebliche und organisatorische<br />
Maßnahmen des Betreibers so zu gestalten, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräusche<br />
auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Dabei ist auch zu prüfen, ob ein "Park-and-<br />
Ride-System" mit dem ÖPNV-Träger unter Benutzung eines von der Wohnbebauung entfernt<br />
liegenden Parkplatzes die zu erwartende Lärmbelastung vermindern kann.<br />
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