Zeitschrift des Titanic- Verein Schweiz
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In Einzelteile zerlegt wird die Einrichtung aus der Zeit als Restaurantschiff in Paris<br />
über Bord in einen Müllcontainer geworfen.<br />
(Muntwyler)<br />
de, ging ich kurz zum Heck, wo<br />
Rupert Keyzar das Holzdeck bearbeitete.<br />
In mühseliger Kleinarbeit<br />
«schälte» er die Holzplatten ab, die<br />
einst in Paris über das alte Deckholz<br />
gelegt wurden. Was er freilegte,<br />
war deprimierend; nahezu<br />
80% <strong>des</strong> alten Deckholzes sind<br />
verfault. Auch das muss entfernt<br />
werden; die zum Vorschein kommenden<br />
Stahlplatten ähneln stellenweise<br />
einem <strong>Schweiz</strong>er Käse.<br />
Teilweise beträgt ihre Dicke kaum<br />
noch 5 Millimeter! Bald bemerkten<br />
wir, dass wir langsam an der<br />
Grenze <strong>des</strong> Machbaren angelangt<br />
waren. Während ich, wieder zurück<br />
an meinem Arbeitsplatz, die Holzpanelen<br />
überstrich, beschloss der<br />
Rest der Gruppe, für eine Teepause<br />
vom Schiff zu gehen. lch beschloss,<br />
alleine unter Deck zu bleiben<br />
und in Ruhe mein Käsebrot<br />
(ohne Löcher) zu essen. Die Sonne<br />
schien tief auf das Wasser <strong>des</strong><br />
Lagan, und die sanften Wellen reflektierten<br />
das Licht auf die Decke<br />
im Schiff. Stille überkam alle<br />
Decks, und ein sanftes Wiegen war<br />
zu spüren, sobald ein anderes Schiff<br />
aus dem Hafen auslaufend vorbeifuhr.<br />
Langsam schlich sich auch<br />
die Kälte an Bord und erinnerte einen<br />
an die nahende Nacht. Wegen<br />
der Brandgefahr gibt es keine<br />
Heizkörper unter Deck, und so beschlossen<br />
wir, bald den Heimweg<br />
unter die Füsse zu nehmen. Der<br />
erste Tag auf der NOMADIC ging<br />
dem Ende entgegen. In den noch<br />
folgenden Tagen erlebte ich viele<br />
weitere einzigartige Sachen. So<br />
war die Freilegung der Dritten Klasse<br />
ein absolutes Highlight, wo auf<br />
einmal die Halterungen der Tische<br />
sowie die dunkel verfärbte alte<br />
Farbe zu Vorschein kam. Auch der<br />
Blick in den Schacht, wo die<br />
Schraubenwelle in zähflüssigem<br />
Die NOMADIC vertäut im Barnett Dock.<br />
Rostwasser lag, und die sauber<br />
verarbeiteten Nieten an den Stahlplatten<br />
prägten sich mir ein. Unvergesslich<br />
auch der Moment, als<br />
die NOMADIC einen ausgiebigen irischen<br />
Regenschauer abbekam.<br />
Das Wasser lief durch die Rostlöcher<br />
in Strömen in die unteren<br />
Decks, und irgendjemand meinte:<br />
«Ich glaube, wir sinken!» Am Ende<br />
meiner «Ferien auf der NOMADIC»<br />
nahm ich nicht nur die Gedanken<br />
an einen möglichen «Untergang»<br />
mit nach Hause, sondern auch die<br />
Hoffnung, dass es eine rechtzeitige<br />
Kehrtwendung für dieses immer<br />
noch wunderschöne Schiff<br />
gibt, und dass sich am Schluss<br />
noch viele Generationen in Belfast<br />
am letzten noch verbliebenen Nomaden<br />
der White Star Line erfreuen<br />
können; All das gepaart mit ein<br />
bisschen Stolz, selbst Hand angelegt<br />
zu haben an einem einmaligen<br />
Zeitzeugen. Der Weg bis dahin<br />
wird allerdings noch steinig, und<br />
bedenkt man, dass sämtliche<br />
Aufbauten wie Kommandobrücke,<br />
Schornstein und Maschinenanlage<br />
neu aufgebaut werden müssen,<br />
wird klar, wie weit wir noch vom<br />
Ziel entfernt sind.<br />
(Muntwyler)<br />
TITANIC-Post Nr. 65, September 2008 37