Dezember 2012 - Greifswald
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Dezember 2012 - Greifswald
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Nirgendwo schimpft jeder so gern über jeden<br />
wie im Straßenverkehr: die Autofahrer beschweren<br />
sich über die Radfahrer, die wiederum sich<br />
über rücksichtslose Auto- oder Busfahrer, Fußgänger<br />
gern über alle, die mit Rädern- motorisiert<br />
oder nicht - unterwegs sind. Wo immer<br />
die Regeln des rücksichtsvollen und StVO-konformen<br />
Miteinanders auf Straßen nicht eingehalten<br />
werden, kommt es zu Problemen. Das<br />
gilt auch in <strong>Greifswald</strong>, der Fahrradhauptstadt<br />
Deutschlands. Eine Haushaltbefragung 2009<br />
ergab, dass bei uns 44% der täglichen Wege<br />
mit dem Rad erledigt werden.(1) Der am häufigsten<br />
frequentierte Ort ist dabei die Innenstadt.<br />
Hier treffen anteilig 37,8 % Fußgänger und<br />
unterschätzen, nicht so schnell reagieren können,<br />
eine echte Gefahr. Dass da die Situation<br />
schon mal knapp werden kann, erleben die<br />
Beamten in Höhe des CDF-Zentrums wenig<br />
später. Ein junger Mann ist zügig mit dem Rad<br />
unterwegs, fährt dabei beinahe ein kleines Kind<br />
an. Wie übrigens viele an diesem Tag hat der<br />
Azubi keinen Ausweis bei sich. Die Beamten notieren<br />
sich die persönlichen Daten. Er wird Post<br />
bekommen. Auf den Hinweis, dass die Situation<br />
gerade brenzlich war, reagiert er nur mit<br />
einem "ich weiß". Uneinsichtig steigt er gleich<br />
wieder aufs Rad. Die Beamten müssen ihn erneut<br />
bremsen. Von den meisten an diesem Tag<br />
gestoppten Fahrradfahrern hört man immer<br />
"Einmal absteigen bitte" - auf Kontrollgang in der<br />
<strong>Greifswald</strong>er Fußgängerzone<br />
38,7% Fahrradfahrer aufeinander, wobei letztere<br />
gern mal in der Fußgängerzone (Schuhhagen/Lange<br />
Straße) in die Pedale treten, anstatt<br />
zwischen 10 und 18 Uhr zu schieben.(1)<br />
Daher werden dort vom Ordnungsamt (Abt.<br />
Ordnung) wie der Polizei in unregelmäßigen<br />
Abständen Kontrollen durchgeführt. Wir begleiteten<br />
eine solche.<br />
"Einmal absteigen bitte…",<br />
ruft Polizeihauptkommissar Fiske der jungen<br />
Frau entgegen, die keine zwei Minuten nach<br />
dem Start des Kontrollgangs den Beamten entgegengeradelt<br />
kommt. "Fahrradfahren in einer<br />
Fußgängerzone, das ist eine Ordnungswidrigkeit,<br />
macht 10 Euro", erklärt Herr Fiske. Die<br />
junge Frau zahlt den Betrag wenig begeistert.<br />
Aus Bequemlichkeit sei sie nicht abgestiegen.<br />
Polizeimeisterin Frau Gransow stellt die Quittung<br />
aus. "Das geht nicht immer so ruhig ab. Viele<br />
diskutieren mit uns. Da hört man auch schon<br />
mal: Schnappt doch lieber die, die die Fahrräder<br />
stehlen", erzählt Herr Fiske aus seinen Erfahrungen.<br />
Dabei sind Fahrradfahrer in der Fuß<br />
gängerzone gerade für ältere Leute oder<br />
kleine Kinder, die die<br />
Geschwindigkeit<br />
wieder dieselben Ausreden: "ich wollte nur<br />
schnell nach hause", "ich hab nicht dran gedacht"<br />
und sowieso "mache ich so etwas sonst doch<br />
nicht".<br />
"Dabei wissen die meisten von ihnen<br />
ganz genau, dass es falsch ist…<br />
…, was sie tun", meint Polizeimeisterin Frau<br />
Gransow. Nicht immer verhängen die Beamten<br />
an diesem Tag ein Verwarngeld. "Manchmal<br />
tut es auch eine Ermahnung, wenn der erzieherische<br />
Wert erkennbar ist. Da muss man<br />
sich im gegebenen Ermessensspielraum auf<br />
seine Menschenkenntnis verlassen. Trotzdem<br />
muss Gerechtigkeit gegeben sein", erklärt Herr<br />
Fiske. "Gerade Erstsemester zum Beispiel kennen<br />
sich manchmal noch nicht so gut in <strong>Greifswald</strong><br />
aus", fügt der Polizeihauptkommissar hinzu.<br />
Menschlich bleiben gilt es! "Natürlich nimmt<br />
man eine mündliche Ermahnung ernst. Aber es<br />
ist auch ein positives Erlebnis, nicht gleich zahlen<br />
zu müssen. Das merkt man sich. Und ich<br />
mit meinem Azubigehalt - da können 10 Euro<br />
wehtun", kommentiert der 21-<br />
jährige Bäckerlehrling, den die Beamten am<br />
Markt stoppen, seine Verwarnung. Während<br />
einige Passanten in der Zwischenzeit begonnen<br />
haben, die sich nähernden Radler zu warnen,<br />
erleben die Beamten auch Zuspruch aus der Bevölkerung<br />
für diese Aktion. Herr Wiener, der in<br />
der Langen Straße lebt und arbeitet, spricht zum<br />
Beispiel ein Lob an die Beamten aus: "Ich finde<br />
die Kontrollen gut. Ich habe selbst schon knappe<br />
Situationen mit Radfahrern erlebt. Man erschreckt<br />
sich ganz schön." Dann hält Polizeikommissar<br />
Goßmann einen Mann mit kleinem Kind<br />
auf dem Fahrrad an. "Doppelt unvernünftig.<br />
Denn wenn er jemandem ausweichen muss, es<br />
zu einem Sturz kommt, ist auch das Kind betroffen",<br />
kommentiert der Beamte, selbst Vater<br />
eines kleinen Sohnes in diesem Alter.<br />
Insgesamt wurden so einige Radfahrer an diesem<br />
Tag in der <strong>Greifswald</strong>er Fußgängerzone<br />
gestoppt. Eine Zeit lang wurden diese Kontrollen<br />
wöchentlich durchgeführt. "Da war der Effekt<br />
natürlich spürbarer, als bei sporadisch<br />
durchgeführten Einsätzen", so Polizeihauptkommissar<br />
Fiske.<br />
Text, Fotos: BeKa; Quelle: (1) "Verkehrmittelwahl<br />
der <strong>Greifswald</strong>er Bevölkerung", Okt.<br />
2009, Auftraggeber UHG Stadtbauamt