Empfehlungen für die Verwendung von Wildobst - Landesbetrieb ...
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2.2 Kulturhistorische Bedeutung <strong>von</strong> <strong>Wildobst</strong><br />
Das Wissen darüber, in wie vielfältiger Weise <strong>Wildobst</strong> in<br />
vergangenen Jahrhunderten oder sogar Jahrtausenden<br />
genutzt wurde, ist heutzutage nahezu gänzlich verloren<br />
gegangen. Seit Menschengedenken besaß <strong>Wildobst</strong><br />
eine große Bedeutung als direkte Nahrungsquelle, Rohstofflieferant<br />
<strong>für</strong> Handwerk und <strong>für</strong> heilkundliche Zwecke,<br />
<strong>die</strong> jedoch innerhalb eines Jahrhunderts ursächlich<br />
durch zwei Umstände sehr schnell zurückging:<br />
● <strong>die</strong> Industrialisierung der Landwirtschaft und <strong>die</strong><br />
Entwicklung des marktbeliefernden Erwerbsobstanbaus,<br />
der sich <strong>von</strong> Anfang an auf <strong>die</strong> Hauptsorten<br />
<strong>von</strong> Kern-, Stein- und Beerenobst beschränkte,<br />
● <strong>die</strong> mit der zunehmenden Verstädterung einhergehende<br />
Verkleinerung der nutzbaren Gartenfläche<br />
bei gleichzeitigem Bedeutungswandel hin zu Erholungsgärten<br />
[2].<br />
Mit <strong>die</strong>sen Entwicklungen, <strong>die</strong> seit Mitte des 19. Jh. einsetzten,<br />
ging sehr schnell jahrhundertealtes Kulturgut<br />
nahezu verloren. „Noch in den Obstbüchern etwa aus<br />
der Mitte des 19. Jh. werden wie seit alters her Mandeln,<br />
Schlehen, (…), Mispeln und andere Obstarten<br />
fast gleichwertig neben Apfel, Birne, Kirsche und Pflaume<br />
gestellt“ [22]. Allein in Frankreich sind 700 Sorten<br />
der Esskastanie bekannt, darunter viele Regionalsorten<br />
[49]. Die Mispel wird bereits seit über 100 Jahren<br />
nicht mehr züchterisch bearbeitet.<br />
Besonderes Anliegen der vorliegenden <strong>Empfehlungen</strong><br />
ist es deshalb, zum einen <strong>die</strong> vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten<br />
der vorgestellten Arten aufzuzeigen.<br />
Zum anderen wird immer wieder zumindest auf einzelne<br />
Sorten bzw. Auslesen hingewiesen, <strong>die</strong> sich bspw.<br />
besonders unter ungünstigen Standortbedingungen<br />
bewährt haben oder weniger anfällig gegen bestimmte<br />
Krankheiten und Schädlinge sind.<br />
Eine Art lässt sich am besten erhalten, wenn sich mit<br />
ihr ein wirtschaftlicher Nutzen erzielen lässt. So erfreuen<br />
sich bspw. Wildkirsche, Walnuss, Speierling<br />
oder Elsbeere auch heute noch stetiger ökonomischer<br />
Wertschätzung. Das Holz <strong>die</strong>ser Baumarten erzielt regelmäßig<br />
Höchstpreise bei den auch in Deutschland<br />
und Österreich immer beliebter werdenden Wertholz-<br />
Submissionen.<br />
Ebenfalls in Österreich wurden <strong>Wildobst</strong>bäume in einer<br />
gemeinsamen Aktion vom gemeinnützigen Verein Kuratorium<br />
Wald und dem Bundesministerium <strong>für</strong> Landund<br />
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft <strong>für</strong><br />
das Jahr 2010 zu den „Bäumen des Jahres“ auserkoren.<br />
Auch hier sind oft infolge der Verdrängung der Nieder-<br />
zur Hochwaldwirtschaft zahlreiche <strong>Wildobst</strong>arten,<br />
wie <strong>die</strong> Schneebirne, der Holzapfel oder der Speierling,<br />
stark gefährdet.<br />
2.3 Anpassungsfähigkeit an klimatische Veränderungen<br />
Für einige der hier vorgestellten <strong>Wildobst</strong>arten finden<br />
sich in der Literatur oft Hinweise, dass <strong>die</strong>se nur <strong>für</strong><br />
Gegenden mit Weinbauklima geeignet seien. Bei<br />
künftigen Pflanzungen sollte der sich abzeichnende<br />
Klimawandel nicht unberücksichtigt bleiben, der <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Region Berlin-Brandenburg nach Auswertung verschiedener<br />
regionaler Klimamodelle folgendermaßen<br />
eingeschätzt wird:<br />
● „(…) <strong>die</strong> Tagesmitteltemperaturen des Jahresmittels<br />
werden sich bis Mitte des Jahrhunderts um<br />
mindestens 1 °C erhöhen,<br />
● zum Ende des Jahrhunderts werden <strong>die</strong>se Werte<br />
um ca. 3 °C gegenüber dem Zeitraum 1971 – 2000<br />
höher liegen,<br />
● <strong>die</strong> stärksten Temperaturänderungen sind im Winter<br />
zu erwarten (ca. 4 °C),<br />
● <strong>die</strong> Jahressumme an Niederschlag wird sich nicht<br />
wesentlich ändern,<br />
● <strong>die</strong> Sommerniederschläge werden ab- und <strong>die</strong><br />
Winterniederschläge zunehmen,<br />
● es wird sich <strong>die</strong> Vegetationszeit um mindestens<br />
drei Wochen weiter ausdehnen,<br />
● <strong>die</strong> Zahl der Sommertage, heißen Tage, Tage mit<br />
Schwüle und tropischen Nächten werden teilweise<br />
sehr deutlich zunehmen,<br />
● <strong>die</strong> Zahl der Eistage und Frosttage werden hingegen<br />
abnehmen“ [31].<br />
6<br />
EINFÜHRUNG