*Werkmappe 118 - Missio
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Symbol Licht<br />
DAS LICHT UND DIE DINGE -<br />
GOTT UND DIE MENSCHEN<br />
von Rainer Oberthür<br />
Ein Experiment von Martin Wagenschein im Religionsunterricht<br />
Jeden Morgen im Sommer,<br />
wenn ich aufstehe,<br />
kommt ein Sonnenstrahl durch mein Fenster.<br />
Dann scheint er gegen meine Wand<br />
und lässt die Staubkörner hin und her tanzen.<br />
So werde ich langsam wach<br />
und genieße es,<br />
dem Sonnenstrahl<br />
nachzusehen. (Kian, 10 Jahre)<br />
Gottgleich<br />
In der Kindheit<br />
habe ich das Universum erkannt.<br />
Es war außerordentlich<br />
klein und bewegte sich in einem Lichtstrahl,<br />
den die Gardine ins Zimmer ließ.<br />
Unzählbare Welten stiegen und kreisten<br />
und sanken.<br />
Und ich blies meinen Atem<br />
in die scheinbare Fülle, wie Gott<br />
es an meiner Stelle getan hätte. (Günter Kunert)<br />
Zwei verschiedene Texte – dahinter dieselbe<br />
Erfahrung. Ein Experiment von Martin<br />
Wagenschein „inszeniert“ genau diese beeindruckende<br />
Erfahrung vom Licht angestrahlter<br />
Staubkörner.<br />
„Man stelle mit Scheinwerfer und Staub im<br />
verdunkelten Raum die oben genannte<br />
Situation her, versammle die dicht gedrängte<br />
Kinderschar nahe um dieses Wunder und –<br />
rede nichts, sondern lasse sie reden …“<br />
aus: M. Wagenschein, Das Licht und die Dinge<br />
30<br />
Am Anfang einer Erkenntnis steht oft die<br />
Erfahrung eines Phänomens. Das ist beim<br />
religiösen Lernen nicht anders als beim<br />
naturwissenschaftlichen Lernen.<br />
Das Licht und die Dinge<br />
Als wir im stockdunklen Kellerraum der Schule die<br />
Taschenlampe an- und ausschalteten, merkten die<br />
Kinder schnell, dass das Licht schwer zu beschreiben<br />
sei. Der Unterschied, das was hinzukommt,<br />
wenn das Licht den Raum beleuchtet, ist nur in der<br />
Beschreibung der beleuchteten Dinge „greifbar“.<br />
Als dann die aus einem Staubtuch geschüttelten<br />
Staubkörner im Lichtstrahl der Taschenlampe funkelten,<br />
sodass das Licht in einer senkrecht aufsteigenden<br />
Säule anschaubar wurde, erkannten die Kinder<br />
zu ihrer Überraschung: „Ohne Licht können wir<br />
die Staubkörner nicht sehen, und ohne die Staubkörner<br />
ist das Licht nicht sichtbar.“<br />
Gott und die Menschen<br />
Die Übertragung der Erfahrung mit Licht und Staub<br />
auf Gott und die Menschen ist zweifellos „kühn“,<br />
doch sie liegt im Grunde nahe: Die Lichtsymbolik<br />
ist ein wichtiges Element in der Gottesvorstellung<br />
fast aller großen Religionen, besonders auch der jüdisch-christlichen:<br />
„Du hüllst dich in Licht wie ein<br />
Kleid“ (Ps 104,2). Staub markiert in derselben Erzähltradition<br />
Anfang und Ende des Menschen:<br />
„Denn Staub bist du, und zu Staub musst du zurück.“<br />
(Gen. 3,19)<br />
Der sehr offen formulierte Transfer schien mit den<br />
Kindern der 4. Schulstufe gewagt. Können sie eine<br />
solche Übertragung überhaupt selbst herstellen? Die<br />
Mit allen Sinnen glauben Werkmappe Weltkirche Nr. 123, 2002<br />
© Zerche