*Werkmappe 118 - Missio
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Leben im Ashram<br />
© Zerche<br />
© Zerche<br />
P. Painadath studiert voll Leidenschaft die heiligen<br />
Schriften Indiens.<br />
Eine Jugendgruppe besucht den Ashram und feiert<br />
Gottesdienst.<br />
Nah zur Natur<br />
Der hagere Bruder führt durch seinen Heilkräuter-<br />
Garten. „Tulsi“ ist nicht nur eine medizinische Heil-<br />
Pflanze, sondern wird auch vor Hindutempeln angebaut,<br />
weil sie die bösen Geister vertreibt. Auch in<br />
einem Ashram pflanzt man nicht beliebige Bäume,<br />
sondern nur solche, die eine heilende Wirkung auf<br />
den Leib und die Psyche haben. „Der Muskatnussbaum<br />
zum Beispiel ist eine medizinische Pflanze,<br />
mit einer sehr guten Schwingung“, erklärt Br. Varki.<br />
Aber auch im Schatten von Bananenstauden, Kokosnuss-<br />
oder Mangobäumen lässt es sich gut leben.<br />
Für P. Sebastian haben Bäume auch eine spirituelle<br />
Dimension: Wie der Baum im Unsichtbaren verwurzelt<br />
ist, so ist auch der Mensch in den unsichtbaren<br />
Bereichen des Geistes verwurzelt. Wie alle<br />
Blätter verbunden sind, mit den Ästen, mit dem<br />
Stamm, mit den Wurzeln, so ist es auch bei den Menschen.<br />
„Eigentlich darf kein Mensch einem anderen<br />
fremd sein. Wir sind alle verbunden – wie Zweige im<br />
kosmischen Baum.“<br />
Im Dialog<br />
Am Nachmittag treffe ich einige Seminaristen, die<br />
im Ashram eine Ausbildung zum Priesterberuf absolvieren.<br />
„Wir leben hier in einer multireligiösen<br />
Gesellschaft und ich fühle, dass wir – bis jetzt – noch<br />
keinen Jesus verkündet haben, der in diese Kultur<br />
passt“, erklärt Sabu, einer der Studenten. In der Bibliothek<br />
zeigt er alte Sanskritschriften und spricht<br />
über die Herausforderung der indischen Kirche. „Der<br />
Dialog der Religionen ist sehr wichtig. Da habe ich<br />
viel gelernt in Sameeksha, – das wird mir später helfen,<br />
wenn ich als Priester arbeite.“<br />
Ein Ort der Bildung, ein Ort an den man sich zurückziehen<br />
kann, ein Ort des Dialogs – aber was ist<br />
das Wesen des Ashrams? „Wenn jemand kommt und<br />
fragt, was wir tun, dann haben wir nicht viel zu erzählen,<br />
was wir alles leisten. In einem Ashram geht<br />
es vor allem um das Sein, um die Präsenz, um die<br />
Gegenwart. Menschen sollen sich wohlfühlen und<br />
ohne Angst und Vorurteile zusammenkommen.“<br />
© Zerche<br />
Ein Ashram soll am Fluss liegen: Das Wasser beruhigt<br />
die Gedanken und heilt die Seele. Und natürlich wird<br />
auch die Wäsche darin gewaschen.<br />
Als ich spät abends in mein kleines Haus aus Ziegelbacksteinen<br />
zurückkehre, sitze ich noch einige<br />
Minuten unter dem Vordach. Plötzlich geht das Licht<br />
aus. Stromausfall. Ich drehe meine Taschenlampe<br />
an und leuchte durch den Innenraum der Hütte: da<br />
ist der Kasten, der Tisch, das Metallregal und das<br />
Bett. Unter dem Moskitonetz eine dünne Matratze.<br />
Bin schon gespannt was mich morgen weckt – das<br />
Trommeln der Hindus, der Gesang des Muezzin oder<br />
die Kirchenglocken.<br />
6<br />
Mit allen Sinnen glauben Werkmappe Weltkirche Nr. 123, 2002